Wenn Ärzte Fehler machen – Wer hilft den Patienten?
Folge 482 (45 Min.)Moritz wurde als Baby im Krankenhaus falsch behandelt und ist heute schwer behindert. Der Gerichtsprozess läuft seit 13 Jahren.Bild: Michael Kern / BR / BR/Michael KernTausende Menschen in Deutschland beginnen jedes Jahr einen Rechtsstreit, weil sie einen medizinischen Behandlungsfehler erlitten haben oder das vermuten. Ihr Kampf um Entschädigung vor Gericht ist oft quälend, langwierig, teuer – und meist erfolgslos. Warum ist das so? Sind Gerichtsverfahren der beste Weg, wenn in der Medizin etwas schiefgegangen ist? Und wie wird in anderen Ländern mit medizinischen Fehlern umgegangen? Der Film begleitet schwer geschädigte Patientinnen und Patienten und zeigt, was sich in Deutschland ändern sollte.
Als Joachim Greuner sich im Mai 2019 auf den Weg ins Krankenhaus machte, glaubte er, dass er gleich seinen neugeborenen Sohn auf dem Arm halten würde. Doch Maxim und seine Mutter Silja starben beide innerhalb der nächsten zehn Stunden nach der Geburt. Woran, das erklärt Joachim Greuner nach seinen Angaben über Wochen niemand. Seitdem kämpft er gegen Ärzte, Klinik, Gutachter und die Justiz. Ein Kampf, den er nicht erwartet hat, obwohl er selbst Rechtsanwalt ist.
Hauke Bochem und Chantal Gerstenberger stecken seit über 13 Jahren in einem Gerichtsverfahren fest. Sie verklagen die Klinik, in der ihr mittlerweile 14-jähriger Sohn Moritz geboren wurde. Er ist geistig und körperlich schwer behindert. Zwar hat ein Gericht längst festgestellt, dass bei seiner Behandlung nach der Geburt Fehler passiert sind, doch die Klinikversicherung will die Summen nicht zahlen, die das Gericht festgesetzt hat. Der Film begleitet schwer geschädigte Patientinnen und Patienten und zeigt ihren zermürbenden und oft aussichtslosen Kampf vor Gericht.
Gleichzeitig macht die Dokumentation auf ein schwerwiegendes Problem aufmerksam: Die teuren Gerichtsprozesse tragen häufig nicht dazu bei, dass die Ursachen von Behandlungsfehlern abgestellt werden. So können weitere Patientinnen und Patienten zu Schaden kommen. In Dänemark stellt der Film einen Lösungsansatz vor: Dort hat man schon vor 30 Jahren einen Weg gefunden, Betroffene schnell zu entschädigen und aus Fehlern zu lernen. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 15.09.2025 NDR Atommüll in Niedersachsen – Für immer Asse?
Folge 483 (45 Min.)Krisensitzung der Bergleute, 500 Meter unter der Erde.Bild: NDR/raufilmIn das havarierte Atommülllager der Asse dringen unkontrolliert große Mengen Wasser ein. Betriebsführer Guido Oesterreich steht vor einer kaum lösbaren Aufgabe: Er soll mit seiner Belegschaft das Wasser aufhalten und dabei auch noch das brüchige Bergwerk stabilisieren. Sonst droht die radioaktive Kontamination einer ganzen Region. Ein Eisenkorb voller Bergleute rast scheppernd durch die Dunkelheit hinab in die Tiefe: Schachtlager Asse II, ehemaliges Salzbergwerk bei Wolfenbüttel in Niedersachsen. Endlager für radioaktiven Atommüll. Einen halben Kilometer unter der Erde hantieren die Bergleute mit Schläuchen bei 40 Grad Hitze.
Bohrgestänge drehen sich kreischend in das Salzgestein. Mitten im Lärm steht Betriebsführer Guido Oesterreich. Er soll den Wassereinbruch der Asse irgendwie in den Griff bekommen. Diese Aufgabe scheint kaum lösbar. Denn das Wasser strömt schon seit Jahren durch zahllose Felsspalten in das Atommülllager. „Bisher konnten wir das eindringende Wasser weiter oben im Berg abpumpen“, so Oesterreich. „Doch seit letztem Sommer findet es plötzlich andere Wege und strömt tiefer in den Berg, bis knapp über die Kammern mit dem Atommüll.“ Erreicht das Wasser den radioaktiven Abfall, droht die Kontamination der ganzen Region.
Ein Wettlauf mit der Zeit, bis der Atommüll endlich aus der Asse herausgeholt und in ein sicheres Endlager gebracht werden kann. Von 1965 bis 1978 hatte man hier radioaktivem Abfall eingelagert, angeblich zu Forschungszwecken. Am Ende lagen 126.000 verstrahlte Fässer Atommüll im Berg vergraben. Und die Betreiber erklärten der Bevölkerung, die Asse sei jetzt ein „ganz besonders sicheres“ Endlager.
Wenige Jahrzehnte nach diesem Versprechen steht die Asse für die ungelösten Konflikte der Atomkraft, deren strahlenden Schrott Deutschland nicht loswerden kann. Über ein Jahr lang hat ein Filmteam die Bergleute unter Tage begleitet – und in der Welt darüber die fragwürdige Politik um den Atommüll beobachtet. Zum ersten Mal nehmen in dieser Story Bergleute der Asse in ungewohnter Klarheit Stellung vor der Kamera und offenbaren unbekannte Einblicke in den erschreckenden, absurden Alltag einer Menschheitsaufgabe, die vergangene Generationen ihnen hinterlassen haben. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 22.09.2025 NDR Hitze und Beton – Der zähe Kampf gegen die Versiegelung
Folge 484 (45 Min.)ARD/SWR ZUGEPFLASTERT!, „Wie schützen wir unsere Städte vor dem Hitzekollaps?“, am Mittwoch um 22:50 Uhr im ERSTEN. Deutschlands Städte heizen immer mehr auf: Jeden Tag verschwinden 50 Hektar kühlende Grünfläche. Während denkmalgeschützte Flächen nicht entsiegelt werden dürfen, bieten sich für andernorts effektive Möglichkeiten, am Thermometer zu drehen. Unternehmen, Institutionen, aber auch Privathaushalte sind gefragt. Bild: der denkmalgeschützte historische Marktplatz in Helmstedt, NiedersachsenBild: SWR/Ingo MendeHitzewellen schon im Juni, hohes Gesundheitsrisiko, amtliche Warnungen selbst für den Norden. Und doch verschwinden jeden Tag mehr kühlende Grünflächen unter Asphalt und Beton. Die Versiegelung der Städte geht weiter. Die Temperatur steigt. Für diese „NDR Story“ haben die Filmemacherinnen Gesine Enwaldt und Melanie Stucke recherchiert: Wie wirken sich Hitzetage im Körper aus, wo fehlt kühlendes Grün am meisten, warum ist es so schwierig, die Entwicklung zurückzudrehen und die Städte wieder zu entsiegeln? Landschaftsgärtner Tom Klose nimmt teil an einem Experiment.
Er schluckt eine Pille mit integriertem Thermometer, bevor er in der Sonne schuftet. In Braunschweig legt er einen Schwammstadt-Park an, inmitten der versiegelten Innenstadt. Während Tom Klose die kühlende Oase erschafft, dokumentieren die Autorinnen, wie sich die Hitzetage in seinem Körper auswirken. In einer großen Datenrecherche für die „NDR Story“ spürt ein Forschungsteam des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit Luftüberfliegungsdaten und künstlicher Intelligenz auf, in welchen Städten besonders wenig Grün zu finden ist.
Im Norden nehmen sie besonders Braunschweig, Hannover und Helmstedt unter die Lupe. Und die Recherche geht noch weiter: Schreiben die Städte vor, dass z. B. Parkplätze von Bäumen beschattet werden? Und sind diese Bäume dann auch zu finden? Die Lösung für das Hitzeproblem ist klar, und grün: Bis zu zehn Grad können Bäume graue Stadtflächen herunterkühlen, Wärmebildmessungen belegen das. Was sind die Gründe dafür, dass große Werksgelände, Schulhöfe, Parkplätze oder Schottergärten trotzdem weiter Hitzetreiber bleiben? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 29.09.2025 NDR Aal in Gefahr
Folge 485 (45 Min.)Jörn Ross ist einer der letzten Schleifischer.Bild: NDR/Ute JurcovicsDer Europäische Aal ist der Fisch des Jahres 2025. Ein Rang, den nur bedrohte Tierarten bekommen. Und dennoch ist der Aal ein beliebter Speisefisch und gilt auch im Norden als Delikatesse. Stirbt der Aal aus, verschwindet auch ein uraltes Handwerk. Denn für viele Fischer ist er der letzte Brotfisch. Sie fürchten ein Fangverbot und wollen die Art mit anderen Maßnahmen retten. Schaffen sie das? Und was hilft dem Aal wirklich? Dieser Frage geht die „NDR Story“ nach. Soll man Aal noch essen? Für die Kunden von Aale-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt keine Frage.
Seit 66 Jahren steht er dort jeden Sonntag und hat kein Problem, seine Räucheraale loszuwerden. Rund 20 Euro kostet ein mittelgroßes Exemplar. Auch beim Fischverkauf vom Kutter in Schleswig herrscht Andrang. Jörn Ross, einer der letzten Schleifischer, könnte weitaus mehr Aal verkaufen, als er fängt. Der Bestandsrückgang ist dramatisch in der Schlei, in Nord- und Ostsee und in ganz Europa. Nach Untersuchungen des Internationalen Rats für Meeresforschung, ICES, ist das Aufkommen an Jungfischen in Europa seit Anfang der 1980er-Jahre um rund 99 Prozent eingebrochen.
Die Wissenschaftler des ICES fordern deshalb ein komplettes Aalfangverbot für Freizeitangler und gewerbliche Fischer. Für Jörn Ross und seinen Sohn Nils wäre das ein Berufsverbot. Ohne den Aalfang, sagen sie, müssten sie den Familienbetrieb schließen. Es gibt ihn seit mehr als 300 Jahren. In den Küstengewässern gilt bereits eine Schonzeit von sechs Monaten.
Von Mitte September bis Mitte März dürfen die Fischer keine Aale in der Ostsee fangen. Aber Ross sieht sein Gewerbe zu Unrecht am Pranger. „Wir Fischer sind es, die den Aal schützen und dafür sorgen, dass er uns erhalten bleibt.“ Wie viele seiner Berufskollegen und zahlreiche Angelvereine engagiert sich Ross beim „Aalutsetten“. Dabei werden Millionen von Jungfischen, die sogenannten Glasaale, in Flüssen und Seen ausgesetzt. Sie stammen aus Fängen an der Atlantikküste, vor allem aus Spanien und Frankreich.
Früher wanderten die Jungfische von allein in die Binnengewässer ein. Heute kommt nur noch ein Bruchteil auf natürlichem Weg dort an. Es gibt zu viele Hindernisse: Schleusen, Wasserkraftwerke und andere Baumaßnahmen, die den Tieren den Weg versperren oder sie sogar töten. Der Glasaalbesatz soll das kompensieren und dabei den Fischern ihr Einkommen sichern. „Aalutsetten“ sagen sie, ist Artenschutz. Ob das stimmt, ist umstritten. Umweltverbände und die Wissenschaftler des ICES fordern auch einen Stopp von Glasaalfischerei und Besatz.
Es sei nicht bewiesen, dass diese Maßnahmen die Überlebenschancen des Aals erhöhen. Der Meeresökologe Reinhold Hanel, Leiter des Thünen-Instituts für Fischereiökologie in Bremerhaven, ist Mitglied des ICES. Für ihn steht fest, dass jahrzehntelange Besatzmaßnahmen dem Aal nicht geholfen haben. „Man weiß zu wenig über die Zusammenhänge, um wirklich klar sagen zu können, ob der Mensch hier eingreifen sollte oder nicht. Weil man die Konsequenzen nicht kennt, sei ein Verbot von Aal- und Glasaalfischerei überfällig.
Der Aal birgt noch viele Geheimnisse. Schon Aristoteles rätselte, wie er sich vermehrt. Die Tiere laichen in der Sargassosee, ein Meeresgebiet im Nordatlantik, bis zu 7000 Meter tief. Von dort driften die Larven an die europäischen Küsten, wo sie sich zum Glasaal entwickeln. Ein Teil der Jungfische steigt dann in die Binnengewässer auf und wandelt sich zum Gelbaal. Bis zu 30 Jahre bleiben die Tiere an einem Ort, bevor sie sich – dann als Blankaal – wieder auf die Reise in den Sargassosee machen.
Wie die Fische navigieren, weiß niemand, und noch nie wurde ein Aal beim Laichen beobachtet. Unklar ist auch, warum der Bestand seit Jahrzehnten schrumpft. Der Klimawandel, Umweltverschmutzung, Parasiten – es gibt viele Bedrohungen. Nicht zuletzt auch der Schmuggel von Glasaalen nach Asien. Aalimporte aus Europa sind verboten. Die „NDR Story“ zeigt den Alltag norddeutscher Fischer und ihren Einsatz beim „Aalutsetten“.
Er begleitet Biologen des Fischereiinstituts in Rostock, die den Aalbestand in Mecklenburg-Vorpommern untersuchen. Gedreht wurde auch an der Havel. Rund 100 Kilometer Flusslauf sind dort mittlerweile weitgehend renaturiert. Deiche, Steine und andere Uferbefestigungen wurden abgebaut, Flussarme, die schon verlandet waren, wieder angeschlossen, Schilf und Auwälder angelegt. Ein idealer Lebensraum für den Aal. Doch aus eigener Kraft schaffen nur wenige Tiere die lange Reise in die Havel. Es sind noch viele Hindernisse aus dem Weg zu räumen, um den Aal zu retten. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 06.10.2025 NDR Justiz am Limit – Was heißt das für die Bürger?
Folge 486 (45 Min.)Die Zahlen sind alarmierend: In Deutschland fehlen laut DRB (Deutscher Richterbund) 2000 Richter und Staatsanwälte. Akten stapeln sich in den Gerichten. Es gibt mehr als eine Million offene Verfahren. Verurteilte Straftäter laufen laut BKA frei herum, weil deutschlandweit rund 170.000 offene Haftbefehle wegen Personalmangels und Überlastung nicht vollstreckt werden können, davon werden 821 Personen wegen Mordes oder Totschlags gesucht. Bittere Folge der Überlastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften: 63 dringend Tatverdächtige mussten 2024 aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil das Verfahren nicht innerhalb eines halben Jahres eröffnet werden konnte, traumatisierend für viele Opfer, die hofften, Gerechtigkeit zu finden.
Überlange Verfahren bekommen vor allem die Bürgerinnen und Bürger zu spüren. Die Autorin Rita Knobel-Ulrich begleitet verschiedene Fälle: Danielle wurde vergewaltigt und musste auf die Prozesseröffnung vor dem Strafgericht fünf Jahre warten. Simones Sohn benötigte wegen seiner Behinderung einen mobilen Stuhl.
Das Verfahren vor dem Sozialgericht gegen die Krankenkasse zog sich zwei Jahre bis zu einem Vergleich hin. Peter führt einen Sorgerechtsstreit vor dem Familiengericht, doch ein Prozesstermin ist nicht in Sicht. Er fürchtet, dass am Ende die Richter nach so langer Zeit eine irreparable Entfremdung konstatieren und er sein Kind nicht mehr wiedersieht. Und dann sind da noch überlange Verfahren vor überlasteten Verwaltungsgerichten: wenn sich ein Streit über Baugenehmigungen hinzieht, Asylverfahren Jahre dauern.
Der Bauherr weiß nicht, ob er mit dem Bau seines Hauses beginnen kann, der Asylbewerber nicht, ob er gehen muss oder bleiben darf. Besserung ist vorerst nicht in Sicht: Denn bis 2030 wird ein Drittel aller Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen. Wie versuchen Gerichte und Staatsanwaltschaften, die Not zu bekämpfen? Welche Möglichkeiten bieten sich Klägern? Und was macht das mit dem Rechtsempfinden der Bürger, wenn Fälle nicht oder zu spät bearbeitet werden? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 20.10.2025 NDR