Tatort Bauernhof – Diebstahl auf dem Land
Folge 488 (45 Min.)
Tatort Bauernhof: Von dieser Weide in Scharnebeck (Niedersachsen) wurden über Nacht 4 wertvolle Angusrinder gestohlen.Bild: NDRPlötzlich fehlen vier Rinder auf der Weide. Sie sind einfach verschwunden. Zurückgeblieben sind Reifenabdrücke im Gras, eine verstörte Herde und eine Mutterkuh, die nach ihrem Kalb brüllt. Für das junge Landwirt-Paar Clara und Oliver aus Scharnebeck in Niedersachsen ist der finanzielle Schaden groß. Aber der Verlust geht ihnen auch emotional nahe, jedes Tier trug einen Namen. „Die eine war Olivers Lieblingskuh“, sagt Clara. Hinzu kommt das Gefühl, nicht mehr sicher zu sein. Viele Landwirte in Norddeutschland machen ähnliche Erfahrungen: Ganze Schafherden, Landmaschinen und auch Ernten verschwinden.
Behörden und Verbände bestätigen einen Anstieg von Diebstählen. Und eine Farmcrime-Kriminologin, die Straftaten im ländlichen Raum erforscht, sagt dem NDR: Was hier passiert, sind keine Einzelfälle. Weit mehr als die Hälfte der Landwirte seien betroffen. Der breiten Öffentlichkeit ist dies wenig bekannt. So wurden in Mecklenburg-Vorpommern in diesem Jahr schon 17 Diebstähle von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut gemeldet. Allein hier kratzt der Gesamtschaden an der Millionengrenze. Besonders begehrt sind auch GPS-Geräte, die aus Landmaschinen herausgebrochen oder ausgebaut werden.
Betroffene berichten in der „NDR Story“ von Diebstahl-Summen in fünf- bis sechsstelliger Höhe. Wer steckt dahinter? Nicht selten führen die Spuren der Täter Richtung Osteuropa, Ermittler gehen in einigen Fällen von Bandenkriminalität aus. Aber auch kleine Beutezüge können schmerzen: Landwirtin Viktoria Gloyer aus dem Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein bot Eier neben einer kleinen Vertrauenskasse an, bis Diebe ganze Paletten einfach abtransportierten. Immer mehr Landwirte sehen sich zu Überwachung und größeren Sicherheitsmaßnahmen gezwungen. Dabei ist es herausfordernd, weitläufige Felder, Koppeln, Weiden zu schützen, auf dünn besiedeltem Land bleiben Täter häufig unentdeckt.
Das Vertrauen in die Ermittlungsbehörden schwindet, erzählen einige Landwirte dem NDR. Sie zeigten manche Taten gar nicht erst an, weil ihnen die Hoffnung auf Aufklärung fehlt. Dabei zeigen erfolgreiche Verfahren, dass auch Diebstähle auf dem Land durchaus aufgeklärt werden. Täter müssen mit hohen Geldstrafen oder Haft rechnen. Die „NDR Story“ rückt die Geschichten der Betroffenen in den Mittelpunkt und zeigt, wie groß das Problem in Norddeutschland ist. So groß, dass darüber gesprochen werden muss. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 03.11.2025 NDR Wem gehört das Ackerland? Der Preiskampf um den Boden
Folge 489 (45 Min.)Für die NDR Story begleiteten Reporter Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bei ihrer traditionellen Erntebereisung mit dem Bauernverband.Bild: NDR/Philipp NöhrDie Preise für Ackerland gehen in Norddeutschland seit Jahren steil nach oben, denn die Nachfrage nach Boden ist riesig. Erzeuger erneuerbarer Energien benötigen Flächen, für Bauprojekte müssen Ausgleichsflächen her. Und: finanzstarke Investoren sehen Boden offenbar als sichere Kapitalanlage. Doch was bedeutet das für die Landwirte, die auf dem Boden wirtschaften? Wird der Acker für sie bald unbezahlbar? Die NDR Autoren Lennart Banholzer und Simon Hoyme haben zwischen Weser und Oder exklusive Einblicke in die Besitzverhältnisse der regionalen Landwirtschaft recherchiert.
Sie treffen Bauern sowie Geldanleger, die sich offenbar von Immobilien auf Agrarland verlagern. Sie kaufen teils ganze Betriebe inklusive der dazugehörigen Flächen. Für Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ein Problem, wie sie im Interview mit der „NDR Story“ sagt: „Wir haben zunehmend Unternehmen, die als Kapitalanlage von außen Böden aufkaufen. Zu hohen Preisen. Was sich dann ein Landwirt nicht mehr leisten kann.“ Einen Einblick in diesen Handel mit dem Ackerland zu bekommen ist nicht einfach.
Die NDR Reporter stoßen auf einen verschwiegenen Markt, in dem sich niemand gern in die Karten schauen lässt. Ein Grund: Viele landwirtschaftliche Betrieb sind mittelständische Unternehmen mit vielen Außenbeziehungen. Ein Verkauf hat Auswirkungen nicht nur für die Eigentümer, sondern auch für Mitarbeitende und Kunden oder Auftraggeber. „Die Verkäufer wollen in den seltensten Fällen, dass man weiß, dass sie ihren Hof verkaufen wollen“, sagt der Agrarmakler Simon Wolk aus Schleswig-Holstein, den die Reporter für die „NDR Story“ begleiten konnten.
Er sagt, die meisten seiner Klienten seien Landwirte – außerlandwirtschaftliche Investoren seien die Minderheit. Einer von Wolks Kunden ist Hans Bien aus Hessen, dessen Immobilienunternehmen nach eigenen Angaben etwa 500 Wohnungen besitzt und vermietet. Er hat einen landwirtschaftlichen Betrieb in Hessen und jeweils einen in Sachsen-Anhalt und in Brandenburg gekauft. Als Kapitalanlage, wie er sagt. Die Höfe habe er zum Teil verpachtet – „langfristig“ und zu einem „günstigen“ Pachtzins, erklärt er den Reportern im Film.
Insgesamt besitze er mehr als 1000 Hektar Land. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Betriebsgröße in Niedersachsen liegt laut statistischem Landesamt bei 76 Hektar. Es gehe ihm nicht darum, seine Betriebe oder sein Acker- und Grünland bald wieder gewinnbringend zu verkaufen, so Bien. Ziel sei es, sein Vermögen zu sichern und an seine Nachkommen weiterzugeben. Doch andere Landkäufer hätten ein anderes Ziel, sagt der Immobilienunternehmer: „Es gibt viele Leute, die glauben, dass man mit Grund und Boden Geld verdienen kann.
Ich halte das nicht für gut, aber das ist der Markt.“ Für so manchen Landwirt wirkt die Entwicklung bedrohlich, wie Patrick Rückert aus Mecklenburg-Vorpommern in der „NDR Story“ erklärt, der heute als Geschäftsführer einen großen Betrieb im Osten von Sachsen leitet, der über 3000 Hektar Acker- und Grünland bewirtschaftet und mehr als 1000 Milchkühe hält. Die dafür notwendigen 90 Mitarbeitenden kommen alle aus der Umgebung, sagt Rückert. Sein Betrieb ist in der Gegend ein wichtiger Arbeitgeber.
Er ist nach der Wiedervereinigung aus mehreren, in der DDR üblichen Landwirtschaftlichen Produktionsgesellschaften (LPG) hervorgegangen und gehört heute 51 Kommanditisten. Würde ein solcher Betrieb an einen Investor verkauft würden die Arbeitsplätze zusammengestrichen, so befürchtet Rückert. Die „NDR Story“ versucht, einen offenen, ausgewogenen Einblick in die Besitzverhältnisse von norddeutschem Ackerland zu gewinnen und zeigt die Praxis, wie es veräußert wird. Denn sowohl für Investoren als auch für Landwirte gilt – der Preiskampf wird immer härter, Land wird unglaublich teuer. Wo endet das? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 10.11.2025 NDR Gewalt und Müll – Problemviertel Phoenix
Folge 490 (45 Min.)Das Phoenix-Viertel aus der Luft.Bild: NDRAnfang April, Hamburger Süden. Am Rande des Harburger Phoenix-Viertels gehen etwa 40 Männer aufeinander los. Mit all dem, was sie in die Hände bekommen. Neben Holzlatten, Tischen oder abgebrochenen Besenstielen haben sie auch Messer und Schlagstöcke dabei. Am Ende ist es die Polizei, die die gefährliche Situation auflöst. Mit knapp 30 Streifenwagen im Einsatz und Maschinenpistolen. Ein aufsehenerregender Vorfall, aber wirklich für Verwunderung sorgt so etwas an diesem Ort nicht mehr. Immer wieder kommt es im Phoenix-Viertel oder angrenzenden Straßen zu Überfällen, Schießereien oder Massenschlägereien.
Ständig hat hier die Polizei zu tun. Und so einladend, wie der Name des kleinen Quartiers klingt, ist der Ort nicht. Manch einer meidet ihn. Was sagen die Menschen, die hier wohnen? Andere allerdings haben das Phoenix-Viertel nie aufgegeben. Wie etwa Annette Heidemann. Seit über 40 Jahren arbeitet sie im Viertel als Fußpflegerin. Sie hat gesehen, wie sich der Ort über die Zeit verändert und sagt, so schlimm wie jetzt sei es hier noch nie gewesen.
Früher habe man bei Auseinandersetzungen wenigstens keine Waffen benutzt. Für Moimen Salem ist das Phoenix-Viertel seit jeher sein Zuhause, der 19-Jährige ist hier aufgewachsen. Heute ist er zweifacher Meister im Boxen und studiert an der Uni. Er, sein Bruder Amir und ihr gemeinsamer Freund Terry Jackson sind im Viertel anerkannt. Für viele der Jüngeren sind sie Vorbilder. Viele, die hier wohnen, träumen von einer besseren Zukunft. Schon immer galt das Phoenix-Viertel als Ort des Ankommens.
Doch wer Erfolg sucht, zieht weg. Und was bleibt? Wie sieht das die Freundesgruppe? Probleme im Viertel schon seit der Vergangenheit Mit dem Feuervogel, der aus der Asche kommt, hat der Name Phoenix des Viertels weniger zu tun. Vielmehr ist es nach den ehemaligen Phoenix Gummiwerken benannt. Ein altes Arbeiterviertel aus der Jahrhundertwende. In der anliegenden Fabrik wurden unter anderem Reifen hergestellt. Der Ort ist schon länger auffällig. In den 1970er-Jahren waren viele der Gebäude sanierungsbedürftig, schon damals wollte die Stadt das Viertel zumindest baulich aufwerten.
Ihr größtes Problem allerdings, die Bewohner des Viertels erst einmal zu erreichen. Stadt geht gegen Probleme vor. Gelingt das? Auch heute ist sich die Stadt der Herausforderungen im Viertel bewusst. Besonders sichtbar ist dabei das Müllproblem. Mitunter täglich wird das sogenannte Hotline-Team der Stadtreinigung ins Phoenix-Viertel geschickt, um wilden Sperrmüll zu beseitigen. Zerschlissene Sofas, kaputte Schränke oder Bauschutt werden einfach am Straßenrand abgelegt.
Offenbar ist das Phoenix-Viertel inzwischen auch Müllhalde für Auswärtige. Das alles belastet den Stadtteil am Rande Hamburgs. Und er hat mit Einwohner*innen zu tun, die es den Stadtplanern nicht gerade leichter macht. Der Bezirk hat eine eigene Erhebung durchgeführt und 60 Prozent der Menschen vor Ort in die selbst klassifizierte Statusklasse „sehr niedrig“ eingeordnet. Fast 90 Prozent der Minderjährigen haben laut Erhebung Migrationshintergrund. Mehr als 30 Prozent der unter 15-Jährigen bekommen offenbar soziale Mindestsicherung.
Um die Menschen zu erreichen, hat die Stadt in diesem Jahr einen sogenannten Hilfekompass eingeführt, eine Karte mit sozialen Angeboten rund um das Viertel. Und sie finanziert ein sogenanntes Stadtteilgremium, das für mehr Gemeinschaft sorgen soll, sowie ein soziales Stadtteilbüro. Zusammen organisieren sie Aktionstage, die unter anderem auch dem Sperrmüllproblem Herr werden sollen. Alle im Phoenix Viertel sagen, es muss sich etwas verbessern. Doch wie geht man die Probleme hier am besten an? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 17.11.2025 NDR Das Kuh-Experiment
Folge 491 (45 Min.)Bullenkalb auf einem konventionellen Hof steht in einer typischen „Kälberbucht“.Bild: NDRFür diese „NDR Story“ begleitet Filmemacherin Antonia Coenen eine Milchkuh auf einem außergewöhnlichen Weg. Die dreijährige Pummel, eine Hochleistungskuh aus konventioneller Stallhaltung, darf erstmals in ihrem Leben auf eine Weide. Wie viel Kuhinstinkt, wie viel für eine Kuh typisches Verhalten steckt noch in der Milchkuh? Pummel ist trächtig und steht stellvertretend für Millionen Milchkühe in Deutschland, die ihr Leben einzig im Stall verbringen, um ihre Milch zu geben. Auf dem Hof der Familie Möller in Schleswig-Holstein erlebt die Kuh zum ersten Mal Regen, Wind und den Kontakt zu ausgewachsenen männlichen Artgenossen. Die Kamera beobachtet leise und eindringlich, ob sich ihr Verhalten verändert – vom ersten vorsichtigen Schritt ins Freie bis zur Geburt ihres Kalbes.
Wird sie die Geburt überstehen und ihr Kalb annehmen und versorgen? Oder hat die jahrzehntelange Zucht auf maximale Milchleistung ihre natürlichen Mutterinstinkte verändert? Der Film blickt hinter die Kulissen eines Systems, das allen Menschen vertraut scheint, und stellt eine zentrale Frage: Wie kann der Spagat zwischen Tierwohl und Milchindustrie gelangen? Wissenschaftler, Tierärzte und Landwirte kommen zu Wort und zeichnen ein vielschichtiges Bild einer Branche zwischen Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und Verantwortung. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 24.11.2025 NDR Rollkoffer statt Nachbarn – Wie AirBnB & Co. Mieter verdrängen
Folge 492 (45 Min.)Carsten Tech vor einem zweckentfremdeten Wohnhaus in Hannover-Linden. „Die Familien verschwinden aus dem Stadtteil“, sagt der Quartiersmanager.Bild: NDRWohnungssuche in einer Großstadt, für die meisten eine frustrierende Erfahrung. Sedi hat das wie so viele erlebt, sie musste Hannover-Linden verlassen, weil sie in ihrem Lieblingsviertel einfach keine neue Wohnung fand. Dabei sind Dutzende freie Wohnungen im Angebot auf Internetportalen wie Airbnb oder Booking.com zu buchen: möbliert, für Kurzzeitmieter auf Städtetrips oder Dienstreisen. Der Sound der Rollkoffer auf den Bürgersteigen gehört auch in Hannover-Linden längst zum Alltag wie in Barcelona oder Berlin. Gefragte Stadtviertel verändern sich dadurch rasant. Und auch die Mieten steigen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) weist für Berlin nach, dass jede zusätzliche Airbnb-Wohnung am Markt die Mieten im direkten Umfeld um durchschnittlich 13 Cent pro Quadratmeter in die Höhe treibt. Sedi kommt inzwischen nur noch für ihre ehrenamtliche Arbeit in ihr altes Viertel. In Yolas früherer Wohnung wechseln jetzt die Mieter. Der Vermieter kündigte ihr wegen Eigenbedarfs. Gute drei Monate später findet sie ihre Wohnung auf dem Buchungsportal Airbnb. Frauke und Riccardo wohnen neben einer umgenutzten Immobilie, aber der Lärm aus dem Haus macht ihnen seit sechs Jahren zu schaffen.
Längst ist um die Folgen der Kurzzeitvermietung eine Debatte entbrannt. Wohnen als soziale Frage, inzwischen beschäftigt sich das Europäische Parlament damit. Airbnb, Booking.com & Co.sollen ab Frühjahr verpflichtet werden, Daten über Vermietungen an die Behörden weiterzugeben. Gabriele Bischoff (SPD), Abgeordnete im EU-Parlament, sieht eine erste Hoffnung: Mit diesen Daten könnten sich die Städte überhaupt erst einen Überblick verschaffen, was in ihrer Stadt eigentlich los ist. Aber schon jetzt hat sie Bedenken, dass es bei der kommenden EU-Regulierung große Schlupflöcher gibt.
Städte wie Hamburg und Berlin haben Zweckentfremdung von Wohnraum schon vor zehn Jahren verboten und versuchen so, das Problem in den Griff zu bekommen. Hannover hat ein solches Gesetz erst im Sommer dieses Jahres gegen viel Widerstand aus Politik und Wirtschaft eingeführt. Was bringt so ein Verbot? Was haben Sedi, Yola, Frauke und Riccardo davon? Wie verändert sich im kleinen Hannover-Linden durch Kurzzeitvermietung das Wohnviertel, was erhoffen sich Lokalpolitiker und Bewohner von den neuen Regeln? Und können sie die Wohnraumkrise wirklich lösen? (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 01.12.2025 NDR Bus der Hoffnung: Unterwegs mit rumänischen Wanderarbeitern
Folge 493 (45 Min.)Die Eltern dieser rumänischen Kinder arbeiten im europäischen Ausland; die Kinder wachsen bei einem Elternteil oder bei den Großeltern auf.Bild: NDRJedes Jahr im Frühling füllen sich in kleinen rumänischen Dörfern die Kleinbusse an Parkplätzen großer Supermarktketten, an Tankstellen. Sie sammeln Menschen ein, holen Pakete ab. Fahren über 1000 Kilometer, häufig über 24 Stunden lang, nach Deutschland. Lassen die Menschen in der Dämmerung des neuen Tages aussteigen, in kleinen deutschen Städten, an Baustellen, Bauerhöfen. Schätzungen zufolge arbeiten allein auf deutschen Feldern pro Jahr ca. 182.000 Menschen aus Rumänien. Was erwartet die Menschen, die als Arbeitskräfte im Niedriglohnsektor in Deutschland ankommen? Die „NDR Story“ gibt den Menschen, die sich Jahr für Jahr auch nach Norddeutschland aufmachen, eine Stimme und beleuchtet die oft prekären Lebensbedingungen an ihren deutschen Arbeitsstätten – aber auch die Leere, die sie zu Hause in Rumänien hinterlassen.
Auf dem Feld, im Schlachthof, in der Großküche oder der Hotelwäscherei bleiben sie für die deutsche Gesellschaft oft unsichtbar. Rumänien ist einer der größten Arbeiterströme Europas.
Manche von ihnen haben ihre Arbeit in Facebook-Gruppen gefunden, haben noch keinen Vertrag und werden wohl auch keinen für ihre Jobs bekommen. Schätzungen zufolge arbeitet jeder fünfte Rumäne, jede fünfte Rumänin im arbeitsfähigen Alter im Ausland. Manche sind ausgewandert. 2024 war Rumänien nach der Ukraine der häufigste Herkunftsstaat von Zuwanderern nach Deutschland, andere kommen bloß für die Saison und fahren am Ende des Jahres wieder zurück in die Heimat.
Bei den Männern ist Deutschland das beliebteste Ziel. Sie ernten dort Obst und Gemüse, bauen Häuser, pflegen alte Menschen und reinigen die Ferienwohnungen auf norddeutschen Inseln. Sie werden oft ausgenutzt, ihre Pässe eingezogen, Absprachen aufgekündigt. Einige werden genötigt, unter Druck gesetzt oder in verschimmelten Acht-Bett-Zimmern untergebracht. Die Unterbringung in einem Container mit bis zu sechs Personen kann da schon mal 600 Euro pro Monat kosten. „Wir sind die Sklaven Europas“, sagt Stefan.
Er hat in der Reinigung gearbeitet und in der Küche eines Fast-Food-Restaurants. Es sind Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben aufbrechen. „Nicht für mich, sondern für meine Tochter. Damit sie es leichter hat, nicht durch das gehen muss, durch das ich gegangen bin“, erzählt der 37-jährige Nicu. Kurz nach der Geburt seiner Tochter geht er zum ersten Mal zur Erdbeerernte nach Deutschland. Heute ist die Tochter elf Jahre alt. Für sie wünscht sich Nicu Bildung.
Nicht die langen Stunden mal in der Kälte der nassen Felder, mal in der Hitze des Sommers. Für sein Leben hat er sich mit dem Zustand abgefunden. Seine Familie sieht Nicu nur wenige Wochen im Jahr, in den Sommerferien, an den Weihnachtsfeiertagen und wenn es irgendwie möglich ist, am Geburtstag der Tochter. Dragos ist mit vielen Träumen aufgebrochen, wollte seine Frau und die zwei Kinder so schnell wie möglich nach Deutschland nachholen, damit sie dort in die Schule gehen. Die 50 Euro in seiner Tasche haben bis Warschau gereicht.
Von dort schlägt er sich durch, schafft es weiter nach Deutschland. Bis nach Wolfsburg. Seit 40 Tagen schläft er dort auf der Straße, als das Filmteam ihn trifft. „NDR Story“-Autorin Alexandra Bidian begleitet Rumän*innen auf der Reise per Kleinbus aus ihrer Heimat nach Norddeutschland, erzählt ihre Geschichten, zeichnet Probleme und Missstände nach, die durch die Wanderarbeit entstehen und taucht ein in eine Lebensrealität, die sich zwar direkt vor den Augen der Deutschen abspielt, aber doch oft unsichtbar bleibt. (Text: NDR)Deutsche TV-Premiere Mo. 08.12.2025 NDR
