Leopold Figl: Wiederaufbau, Reblaus und Staatsvertrag
Folge 164 (45 Min.)Leopold Figl, 27. Jänner 1965.Bild: ZDF und ORF/Historisches Archiv ORF/Franz Gittenberger2020 jährt sich der Todestag von Leopold Figl zum 55. Mal. Das zehnjährige Jubiläum zur Unterzeichnung des Staatsvertrages hat er nicht mehr erlebt. Eine Woche davor, am 9. Mai 1965, verstarb Figl, der erste Bundeskanzler der 2. Republik. Neben Bruno Kreisky ist wahrscheinlich kein österreichischer Politiker in der öffentlichen Erinnerung so verankert. Andreas Novak und Tom Matzek porträtieren den in der Nachkriegszeit wohl populärsten „Homo Austriacus“. Einen Kanzler, Außenminister und späteren Landeshauptmann von Niederösterreich, der nach 1945 wesentlich zur Entwicklung des Österreichbewusstseins und der nationalen Identität beigetragen hat. Mit seiner Weihnachtsansprache 1945 und seinem berühmten Satz am Balkon des Schloss Belvederes nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages „Österreich ist frei“ sicherte er sich den verdienten und bleibenden Platz in den österreichischen Geschichtsbüchern. (Text: ORF)Deutsche TV-Premiere Di. 20.05.2025 3sat Original-TV-Premiere Mi. 13.05.2020 ORF 2 Das Dorf des Wissens. 75 Jahre europäisches Forum Alpbach
Folge 165Wie aus einem Tiroler Bergdorf eine europaweit anerkannte, innovative und zukunftsweisende Gedankenschmiede wurde. Der Film erzählt diese Entwicklung mit überwiegend bisher unveröffentlichtem Filmmaterial aus den Anfangsjahren. Das Europäische Forum Alpbach hat inzwischen etliche Generationen von Intellektuellen sowie Politikerinnen und Politikern, und damit die europäische politische Kultur, entscheidend mitgeprägt. Ob Nachkriegszeit, Ungarnkrise, Ende des Prager Frühlings, 68er Studentenrevolte, Österreichs Öffnung nach Europa, Entwicklung des Neoliberalismus: alle prägenden Phasen der österreichischen und europäischen Geschichte fanden in Alpbach, in den Kitzbüheler Alpen, ihren Niederschlag. Eine Dokumentation von Kurt Langbein (Text: ORF)Original-TV-Premiere So. 23.08.2020 ORF 2 Diagnose: Reformbedarf. Wie belastet ist unser Gesundheitssystem?
Folge 166Auch ohne Pandemie steht das österreichische Gesundheitssystem vor einer schweren Belastungsprobe: Die Generation „Babyboomer“ geht schrittweise in Pension, junge Ärzte und Ärztinnen wollen immer seltener in Einzelpraxen ordinieren. Das führt – speziell abseits der Ballungszentren – schon jetzt zu Problemen bei den Nachbesetzungen. Auch in den Städten sinkt die Anzahl jener Ärzte, die einen Vertrag mit einer Krankenkasse haben. Gleichzeitig sorgt der Boom an Wahlärzten schön länger für das Ende der viel beschworenen „Einklassenmedizin“. Dem Beitragsfinanzierten Gesundheitssystems fehlen angesichts steigender Arbeitslosenzahlen hunderte Millionen Euro. Welche Ideen gibt es nun, das hohe Kassendefizit auszugleichen? Im Pflegebereich ist das vorhandene System abhängig von – schlecht bezahlten – Pflegekräften aus dem Ausland.
Das heimische Gesundheitswesen ist vorerst gut durch die Corona-Pandemie gekommen – das belegt etwa die bislang niedrige Mortalität an Covid-19-Erkrankten in Österreich. Dabei dürften große Betten-Kapazitäten in den Spitälern und die – noch – vorhandene Kompetenz in der Primärversorgung, bei Hausärzten und Hausärztinnen, eine ausschlaggebende Rolle gespielt haben. Die neue „Menschen & Mächte“-Dokumentation hat mit Ärzten und Ärztinnen sowie mit anerkannten Experten und Expertinnen gesprochen und geht dabei der Frage nach, wie zukunftsfit unser Gesundheitssystem ist. Ein Film von Gregor Stuhlpfarrer (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 12.11.2020 ORF 2 Reality Check Demokratie: Wie Demokratie gelingen kann
Folge 167Was wäre, wenn unsere Demokratie nicht selbstverständlich wäre? Können wir uns auf verbriefte Grundrechte und die Verfassung verlassen? Funktioniert Demokratie automatisch, auch ohne Beteiligung und Mitwirkung? Was bedeutet „digitale Demokratie“? Vor allem aber: Was mutet die Demokratie den Staatsbürger/innen zu, wenn sie tatsächlich funktionieren soll? Mit diesen Fragen beschäftigt sich die Menschen & Mächte-Dokumentation von Klaus Unterberger, der sich in Österreich, in der Schweiz, in Irland und in Ungarn auf die Suche nach Menschen macht, die aktiv und engagiert für Demokratie und Selbstbestimmung eintreten.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der österreichischen Bundesverfassung macht Unterberger einen aktuellen Reality Check: Was sind Grundrechte wert, wenn sie nicht eingefordert und überprüfbar umgesetzt werden? Wie steht es mit der aktuellen Verfassung unserer Demokratie? Nicht zuletzt hat die Covid-19 Pandemie neue Herausforderungen für den demokratischen Alltag gebracht. Was ist daraus zu lernen? Welche Perspektiven ergeben sich daraus für den Rechtsstaat und nicht zuletzt für die Wirkung der verfassungsrechtlichen Grundrechte? (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 25.11.2020 ORF 2 Die Kinder-Retterin und der Massenmörder
Folge 1682021 jährt sich der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Jugoslawien zum 80. Mal. Der Unterwerfung folgen Massenmorde und Deportationen von Serben sowie Jüdinnen und Juden. In Kroatien kollaboriert das faschistische Ustascha-Regime unter Ante Paveli? mit den deutschen Besatzern. Mehrere Terrorlager werden gebaut, darunter das KZ Jasenovac. Zu dieser Zeit lebt die Tirolerin Diana Budisavljevi? (geborene Obexer) in Zagreb. Sie ist mit einem kroatischen Arzt verheiratet. Am 15. Jänner 2021 hätte sie ihren 130. Geburtstag gefeiert. Der mutigen Frau sollte es zwischen Oktober 1941 und Mai 1945 gelingen, mindestens 10.000 Kinder aus den Ustascha-Konzentrationslagern vor dem sicheren Tod zu bewahren. In Österreich ist sie kaum bekannt und ihre mutigen Rettungsaktionen weitgehend vergessen. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 13.01.2021 ORF 2 Geschlossenes Land – geteilte Gesellschaft?
Folge 169Ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Krise zieht Fritz Dittlbacher Bilanz, abseits von Zahlen und Fakten, leuchtet ins Zwischenzeilige, ins Zwischenmenschliche, aber auch ins Offensichtliche. Seit einem Jahr bemerken wir die Erweiterung unseres Sprachschatzes, denn jede Krise schafft das ihr eigene, teils anglisierte Vokabular: Lockdown, Superspreader, Cluster, Homeoffice, Social Distancing. Bei Pandemien kann sich schon auch die Angst voreinander über das Miteinander stülpen. Man schaut eher auf das eigene Durchkommen, wird misstrauischer, ängstlicher, sucht Sündenböcke, Schuldige. Wie stark ist noch die Solidarität? Wird „Social Distancing“ aus persönlichen Sicherheitsbedürfnissen auch nach erfolgreicher Verabreichung des Impfstoffes gelebt? Werden wir uns jemals wieder sorglos die Hand geben? All diesen Fragen mitsamt vielfältigen Krisenbewältigungsmodellen geht Fritz Dittlbacher in seiner dokumentarischen Langzeitbeobachtung nach, untersucht in unterschiedlichen Regionen Österreichs, im dörflichen und stätischen Umfeld, die sozialpsychologischen Nebenwirkungen der Corona-Pandemie auf das Zusammenleben der Menschen, die „Nebenwirkungen“ abseits medizinischer Faktoren. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 11.03.2021 ORF 2 Hugo Portisch, Lebensnotizen
Folge 170Hugo Portisch ist tot, die Stimme des besten Journalisten des Landes verstummt. Die Stimme eines Kosmopoliten, eines Mannes für den Heimat immer Breite und nicht Enge bedeutete, die Stimme eines kritischen Patrioten, Chauvinismus war ihm fremd, analytisches Tiefenlot seine Spezialität, ob in der Weltpolitik oder der Zeitgeschichte, kritischer Journalismus das Credo seines langen beruflichen Lebens. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 01.04.2021 ORF 2 Prinz Philip – Der Mann der Königin
Folge 171Philip, Herzog von Edinborough darf wohl als „Jahrhundert-Zeitzeuge“ betrachtet werden. Auch im wahrsten Sinne des Wortes. Am 10. Juni hätte er seinen 100. Geburtstag gefeiert. Bereits im Februar 2021 bangte nicht nur das britische Königshaus, sondern auch das ganze Land um sein Leben, denn er wurde mit einer Infektion ins Spital eingeliefert die zu Herzproblemen führte. Der „royale Senior“ war ein unermüdlicher Diener der britischen Monarchie und als dienst ältester Prinzgemahl der britischen Geschichte auch ein Rekordhalter, verheiratet mit der dienst ältesten Königin der Welt, Elizabeth II. Erst 2017, mit 96 Jahren zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Die Dokumentation in der Bearbeitung von Andreas Novak und Veronika Hotowy erzählt seine Lebensgeschichte. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mo. 12.04.2021 ORF 2 Tarnen, täuschen, tricksen. Wilhelm Berliner und der Phönix-Skandal
Folge 172Nachdem am 17. Februar 1936 der Vorstandschef der „Phönix“-Lebensversicherung, Wilhelm Berliner, überraschend gestorben war, platzt in den Monaten danach eine Bombe nach der anderen. Im Mai ist das Ausmaß der finanziellen Katastrophe nicht nur im ganzen Land, sondern auch europaweit bekannt. Der Phönix ist bankrott. Wilhelm Berliner, der „Napoleon der Versicherungsbranche“, hatte den österreichischen Phönix-Konzern zum drittgrößten Lebensversicherer Europas gemacht – mit Niederlassungen in 23 Ländern.
Das Finanzloch liegt bei schwindelerregenden 250 Millionen Schilling – auf heutige Verhältnisse umgelegt wären das rund 10 Milliarden Euro. Etwa 330.000 kleine Polizzen-Inhaber waren betroffen. 1300 Mitarbeiter verloren ihren Arbeitsplatz. Was nun folgt, ist der größte Polit- und Wirtschaftskrimi der Zwischenkriegszeit. Prominente Politfunktionäre des autoritären Ständestaates müssen reihenweise zurücktreten, sind durch Bestechung in den Skandal involviert. Ebenso der amtierende Finanzminister Ludwig Draxler.
Es gibt auch Selbstmorde. Berliner hatte bereits jahrelang getarnt, getäuscht und getrickst. Um den Crash zu kaschieren, wurden Politiker aller Couleurs und auch Journalisten bestochen. Die akribisch geführte Bestechungsliste ist dutzende Seiten lang. Die als Spenden deklarierten Bestechungsgelder beliefen sich auf rund 3 Millionen Schilling. Detailreich beleuchtet Georg Ransmayr diesen völlig vergessenen Skandal, der auch alle Korruptionsaffären in der 2. Republik in den Schatten stellte. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 19.05.2021 ORF 2 Der Russland-Feldzug (1) – Krieg und Tod
Folge 173Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel das Dritte Reich die Sowjetunion. Das Ziel: Die Unterwerfung des russischen Volks in einem „Rassenkrieg“ und die Vernichtung des Kommunismus. Hitler wie Stalin führten diesen Krieg so brutal und kompromisslos, dass es an der „Ostfront“ zu den furchtbarsten Schlachten, den höchsten Opferzahlen, den größten Verbrechen im 2. Weltkrieg kam. Menschen & Mächte geht erstmals der Frage nach, wie dieser Krieg auf beiden Seiten der Front erlebt wurde. Wehrmachtssoldaten, Rotarmisten und ihre Nachkommen erzählen von ihren traumatischen Erfahrungen im Krieg, von Begegnungen mit dem Feind, von Kriegsgefangenschaft und schweren Nachkriegsjahren, von den physischen wie psychischen Kriegs-Folgen. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Di. 08.06.2021 ORF 2 Der Russland-Feldzug (2) – Geteilte Erinnerung
Folge 174Vor 80 Jahren, am 22. Juni 1941, begann der Krieg zwischen dem Drittem Reich und der Sowjetunion. Die Folgen bestimmen die Beziehungen Österreichs zu Russland bis heute, in einer Zeit neuer Spannungen zwischen EU und Putin-Russland. Menschen & Mächte analysiert, wie die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg Österreich und Russland bis heute eint und trennt. Russische und österreichische Zeitzeugen erzählen, wie Kriegsgeneration, Kriegsgeschichten und Feindbilder ihre Jugend und ihr Leben prägten, in Besatzungsjahren, Kaltem Krieg und seit dem Fall des Eisernen Vorhangs. Ingrid Wendl, Udo Jürgens, Ewald Pfleger und Kurt René Plisnier, Mitglieder der Band OPUS wuchsen noch mit Geschichten „vergewaltigender Bolschewiken“ und Russland-Klischees à la Ivan Rebroff auf, bevor sie selbst russische Menschen trafen und eigene Erfahrungen machen konnten. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 09.06.2021 ORF 2 Verschleppt und ausgebeutet. Zwangsarbeit in Österreich
Folge 175Man stelle sich vor, die eigene, gerade dreizehn Jahre alt gewordene Tochter verschwindet spurlos, weder Radio, Fernsehen, Zeitungen noch Internet existieren als Suchhilfen. Die Polizei gibt keine Auskunft und droht den Suchenden mit Deportation. So könnte man die Deportationsmethoden des NS-Regimes während des Russlandfeldzuges zusammenfassen. Schwer traumatisiert und entwurzelt landeten Hunderttausende sowjetische Jugendliche als Zwangsarbeiter in einer völlig fremden Umgebung. Hier wurde eine ganze Generation um Lebensperspektiven und Zukunftschancen gebracht. Ab 1941 war auf dem Gebiet des heutigen Österreich jede dritte Arbeitskraft eine Zwangsarbeiter bzw. ein Zwangsarbeiter.
Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge oder deportierte Zivilisten hatten die durch Masseneinberufungen verloren gegangene Arbeitskraft zu ersetzen. 1944/45 schuftete etwa eine Million Menschen, um das auf Ausbeutung und Versklavung gebaute System nationalsozialistischer Kriegsökonomie bis zum Ende am Leben zu erhalten. Die Dokumentation von Andreas Novak und Wolfgang Stickler berichtet über diese Schicksale und das auf 2.300 Metern errichtete höchstgelegene Zwangsarbeitslager in Österreich und beschäftigt sich mit einem Aspekt nationalsozialistischer Verbrechen, der trotz seiner gewaltigen Dimensionen nur unzureichend im öffentlichen Bewusstsein verankert ist. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 09.06.2021 ORF 2 Gegen den Strom – Was blieb vom Widerstand gegen das NS-Regime?
Folge 176Ihre Eltern setzten buchstäblich ihr Leben aufs Spiel, kämpften – auf unterschiedliche Art – gegen ein mörderisches System – und wurden für diesen Kampf nach Ende des Zweiten Weltkriegs oft spät, oft nur zum Teil wertgeschätzt: Widerstandskämpfer und Widerstandskämpferinnen in Österreich. Aber was bleibt vom mutigen Handeln der Widerstandskämpfer, mehr als 80 Jahre nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs? Wie wurden die Werte und Ideale dieser Menschen an die nächste Generation, an die Töchter und Söhne, weitergegeben? Und welche Prägungen haben bis heute Bestand? (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 14.07.2021 ORF 2 Anklage Massenmord. 75 Jahre Urteile von Nürnberg
Folge 177Srebrenica, Ruanda, Syrien – immer wieder Kriegsverbrechen, Massenmord, sogar Völkermord. Die Überlebenden fordern Gerechtigkeit, die Täter werden nur selten verurteilt. Vor 75 Jahren geschah es zum ersten Mal, im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkriegs. Unter ihnen zwei Österreicher, Arthur Seyß-Inquart und Ernst Kaltenbrunner. Auch der wichtigste Zeuge der Anklage war ein Österreicher: Generalmajor der Wehrmacht Erwin Lahousen. Einer der Zeitzeugen des Nürnberger Prozesses war Siegfried Ramler, Kind aus einer Wiener jüdischen Familie, 1938 Flüchtling in einem Kindertransport nach London, nach Kriegsende Dolmetscher beim Nürnberger Prozess.
Zum ersten Mal erzählte er im ORF über seine Erinnerungen an ein Tribunal, das Justizgeschichte geschrieben hat und juristische Normen für künftige Kriegsverbrecherprozesse setzte. Ohne Nürnberg keine Erklärung der Menschenrechte, keine Gründung der UNO, kein Srebrenica- oder Ruanda-Tribunal. Und kein ständiger internationaler Strafgerichtshof in Den Haag, der seit 2002 die Prinzipien des Nürnberger Prozesses fortführt. Ein Film von Robert Gokl und Gregor Stuhlpfarrer (Text: ORF)Original-TV-Premiere So. 03.10.2021 ORF 2 Im Häfen
Folge 179Im Dezember werden immer wieder Häftlinge im Rahmen der Weihnachtsamnestie entlassen. Der Strafvollzug gehört zu jenen politischen Bereichen, mit dem man in der Öffentlichkeit und in der Wählergunst nicht unbedingt punkten kann. Ein sogenanntes „Randgruppenthema“, dementsprechend marginalisiert ist der öffentliche Diskurs darüber. Ein Fehler, denn letztlich entscheidet die Qualität des Vollzuges über Resozialisierungserfolge, Rückfälle und den Grad der öffentlichen Sicherheit. Und da ist Reformbedarf angesagt. Denn schon seit Jahren stellt die hohe, bei etwa 50 Prozent gelegene, Rückfallquote bei entlassenen Straftätern der Effizienz des Strafvollzuges nicht gerade das beste Zeugnis aus. Robert Gokl analysiert das Vollzugssystem, aber auch die für Erfolg oder Misserfolg der Resozialisierung wichtigen Schnittstellen zwischen Gerichten, Strafvollzug und Bewährungshilfe und zeigt „Best Practice“- Beispiele aus dem Ausland. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 15.12.2021 ORF 2 Wer liebt, tötet nicht. Gewalt gegen Frauen
Folge 181„Mann tötet Ehefrau vor den Augen der Kinder“, „Frau verblutet im Stiegenhaus“, „Freundin schwer verletzt im Spital“, „Mann stürzt sich mit Tochter vor Railjet“. Schlagzeilen wie diese haben sich in den letzten Jahren wieder gehäuft. Körperliche Gewalt, Mord oder sogenannte „Bestrafungstötung“ als Finale von Beziehungskonflikten, die ihren Ausgang in eingereichten Scheidungen, Trennungsabsichten oder mehrfachen Gewaltausbrüchen seitens des Mannes haben. Neben den vielen publizistisch unbeachteten, zwar vielleicht schmerzhaften, jedoch problemlosen Trennungen, sind andere wiederum dazu angetan, intensiv über die Gründe des gewaltsamen Endes eines Zusammenlebens dokumentarisch zu reflektieren, das einst mit großen Gefühlen begann und letztlich am Friedhof endete.
Auch Frauen morden Männer, aber in der statistischen Erfassung bedeutend weniger als dies umgekehrt der Fall ist. Die Doku analysiert, welche sozialhistorischen und psychologischen Ursachen das hat. Wie entwickelte sich das Mann-Frau-Verhältnis historisch und wie haben sich Frauen- und Männerbilder im Laufe der Geschichte verändert? Anhand von Fallbeispielen werden die Ursachen und traumatischen Folgen von Gewalt und ihren vielfachen Facetten beleuchtet. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 18.05.2022 ORF 2 Amon Göth: Vater, Großvater, Massenmörder
Folge 182Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ machte Amon Göth zur Verkörperung des NS-Massenmörders schlechthin. Lange war nur wenig über die reale Vorlage des Wiener SS-Mannes bekannt. Robert Gokls Doku erzählt seinen Werdegang vom Schulabbrecher bis zum „Schlächter im KZ Plaszow“. Dort erschoss er, teils vom Balkon seiner am Lagergelände befindlichen Villa, etwa 500 Häftlinge. Robert Gokl beschreibt nicht nur die immer tiefere Verstrickung des „Pflichterfüllers Göth“ in den mörderischen Zivilisationsbruch, sondern lässt auch dessen Nachkommen wie etwa seine Enkelin Jennifer Teege, aber auch seine Tochter Monika in sehr persönlichen Statements zu Wort kommen.
Beide erfuhren über die Vergangenheit ihres Vaters bzw. Großvaters nur durch Zufall. Frau Teege etwa berichtet über den Schrecken, der sie durchfuhr, als sie bei sich Gesichtszüge ihres Großvaters zu entdecken glaubte. Monika Göth-Kalder, die Tochter Göths, erzählte jahrelang in Schulen über die Verbrechen ihres Vaters. Eine Dokumentation über generationenübergreifende Erinnerung. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 13.07.2022 ORF 2 Engelbert Dollfuß – Diktator im Kanzleramt
Folge 183Bis weit in die 2.Republik hinein, entzweite der Diskurs über die historische Bedeutung und das Wirken von Kanzler Engelbert Dollfuss die beiden Großparteien SPÖ und ÖVP. Engelbert Dollfuss, ein Bundeskanzler der polarisiert. Eine recht ambivalente Persönlichkeit, ein politischer Exekutor des autoritären Staates. Sein 130. Geburtstag jährt sich am 4. Oktober 2022 zum 130.Mal. Die Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit, mitsamt persönlicher und politisch-ideologischer Prägungen analysiert Georg Ransmayr in seiner Dokumentation.
Gerade Engelbert Dollfuss, der im NS- Abwehrkampf ein christlich deutsches bundesstaatliches Gegenkonzept entwickelte und die NSDAP, als ideologische Hüterin der waren Lehre des Deutschtums verbieten ließ, sollte Opfer von Hitlers kompromisslosen Führungsanspruch werden. Die versuchte Realisierung seiner berufsständischen Staatsideale überlebte der Kanzler nicht lange. Er hatte zwar den Kampf gegen die Sozialdemokratie gewonnen, jenen gegen die Nationalsozialisten bezahlte er aus beschriebenen Gründen jedoch mit dem Leben.
Am 25.Juli fiel er einem braunen Putschversuch zum Opfer. Die Dokumentation von Georg Ransmayr zeichnet auch detailreich die Vorgänge um seinen Tod nach und analysiert behauptete Verstrickungen aktiver oder ehemaliger Regierungsmitglieder in Putsch und Ermordung. Nach seinem Tod sollte Engelbert Dollfuss, gleichsam als Märtyrerkanzler vom Himmel aus über seine Staatskonstruktion wachen. Die Verehrung bis zum März 1938 manifestiert sich auch in Denkmäler, Gemälden und Weihestätten wie die Dollfuss-Kapelle auf der Hohen Wand. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 05.10.2022 ORF 2 Still gestanden
Folge 184In welchem Zustand ist unser Bundesheer, welcher Ruf eilt ihm voraus oder hinterher? Für Viele, auch interne Kritiker ist die Diagnose klar: über Jahrzehnte kaputtgespart, Imageverlust, desolate Kasernen, mangelnde Ausrüstung und Grundwehrdiener, die nach absolviertem Präsenzdienst von verlorenen Monaten reden, sind die wenig schmeichelhaften Realitäten. Wie Gegenwarts- und vor allem Zukunftsfit ist unser Heer in Zeiten akuter Kriegsgefahren und Bedrohungspotentialen, die der Ukrainekrieg deutlich vor Augen geführt hat. Am Nationalfeiertag präsentiert man sich in einer in den letzten Jahren immer kleiner gewordenen Leistungsschau am Wiener Heldenplatz.
Auch die Auslandseinsätze wurden reduziert. Und „Todschläger“-Argumente kursieren zuhauf: Bundesheer aufrüsten? Nein danke, lieber in Sozialpolitik investieren. Diese Argumentation ist seit dem Bombardement ukrainischer Städte und Dörfer durch die russischen Armee mittlerweile dem Bekenntnis zur „budgetären Aufrüstung“ des Heeres gewichen. Fritz Dittlbachers Analysen kreisen gerade auch im Umfeld des Nationalfeiertages um das abseits des Sichtbaren Angesiedelte. Ein verteidigungswürdiges Land sollte auch verteidigungsfähig sein. Ein Faktum, das sich nicht ausschließlich auf die Frage künftiger Käufe militärischer Geräte reduzieren kann, sondern auch aus dem Blickwillen des mentalen Wehrwillens und der Einsatzbereitschaft für die Verteidigung aller in der Vergangenheit erkämpften bürgerlichen Freiheitsrechte zu betrachten ist.
Wie schnell die in Gefahr geraten zeigt abermals der Krieg in der Ukraine. Wie definiert das Bundesheer seine Identität und die künftigen Aufgaben im krisengebeutelten Europa? Gewaltverzicht und Friedenspolitik wird sich auch künftig nicht durch leere oder geschlossene Kasernen ausdrücken, und es wird wohl auch nicht im Sinne der Militärs sein, wenn man vom Bundesheer sagen kann: das Beste an dieser Armee ist ihre künftige Unauffälligkeit (Text: ORF)Original-TV-Premiere Di. 25.10.2022 ORF 2 Südtirol – Heimat auf Italienisch
Folge 185Der sogenannte „Marsch auf Rom“ zwischen 27. und 31.Oktober 1922 bezeichnet die Phase der faschistischen Machtübernahme durch Benito Mussolini in Italien mitsamt folgender, radikal durchgeführter „Italienisierung“ Südtirols. „Politischer Notstand“ verkoppelt mit (politischen) Konflikten zwischen deutsch-österreichischer und italienischer Identität kennzeichneten die 20er und 30er Jahre, dann die „Stahlpakt-Phase“ zwischen Hitler und Mussolini mitsamt 2.Weltkrieg. Moderater dann nach 1945, jedoch zeitweise auch Gewalt besetzt, Stichwort: Bombenanschläge, die Jahrzehnte der Auseinandersetzung und Debatten um Selbstbestimmung und Autonomie.
Stetig begleitet von lange gespannten, wenn nicht gestörten Verhältnissen zwischen Wien und Rom. Die Dokumentation von Andreas Pfeifer legt frei, wie das österreichisch-italienische Grenzland mit seiner Sonderstellung in nationalen und europäischen Krisenzeiten umgegangen ist und wie die letztlich erstrittene Autonomie die kulturelle und politische Distanz zu Rom und zu Wien vergrößerte.
Viele Südtiroler und Südtirolerinnen beharren mittlerweile auf einem Identitätsgefühl, das weder dem italienischen Zentralstaat noch der österreichischen Schutzmacht zugeneigt ist und sich zwischen Bergeshöhen und Belcanto, Tracht und Trattoria, Speck und Spaghetti einen eigentümlichen Weg bahnt. Das sprachliche Wandern zwischen den beiden Welten kreiert und kreierte häufig den Charme des Unperfekten, den Mangel an fehlerfreiem Deutsch wie fließenden Italienisch. Wie Südtiroler deutscher und italienischer Muttersprache mit- und nebeneinander leben – und wie sich das Lebensgefühl im Land aus alpinen und mediterranen Quellen gleichermaßen speist, spürt Andreas Pfeifer in dieser, auch an wichtigen historischen Orten gedrehten „Menschen und Mächte“ Dokumentation nach.
Pfeifer reist durch Südtirol, streift dabei die eigene Lebensgeschichte, seine zweisprachige Kindheit und Jugend, spricht mit Zeitzeugen, die unter dem Faschismus litten und wandert analytisch mit kritischen Zeitgenossen wie Reinhold Messner durch ein Idyll und seine Schattenseiten. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 27.10.2022 ORF 2 Ausgebeutet
Folge 187Sie arbeiten als Erntehelferin, als Paketzusteller oder als Fahrradbote. Sie müssen sich im Forst besonderen Gefahren aussetzen oder werden am Bau von Scheinfirmen betrogen. Sie stammen aus Rumänien, Ungarn der Slowakei, aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan. Trotzdem verdienen sie auf österreichischen Feldern, Baustellen oder in heimischen Wäldern ihr Geld. Auch wenn ihr Lohn in Österreich vergleichsweise niedrig ist, verdienen sie ein Vielfaches vom Durchschnittsgehalt in ihren Herkunftsländern. Die neue Menschen&Mächte-Dokumentation analysiert mit Betroffenen sowie mit Experten und Expertinnen die Mechanismen von Ausbeutung am österreichischen Arbeitsmarkt. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 28.12.2022 ORF 2 Österreichische TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 29.12.2022„Weg mit der Quatschbude! – Die Ausschaltung des Parlaments 1933“
Folge 189Am 4. März 1933 kommt es bei einer Sondersitzung des Nationalrates zur folgenschwersten Panne der österreichischen Geschichte. Eine Stimmzettel-Verwechslung lähmt das Parlament und läutet das Ende der jungen Demokratie ein. Bundeskanzler Engelbert Dollfuss nutzt die Gelegenheit, um die von vielen diffamierte „Quatschbude“ auszuschalten und einen diktatorischen Ständestaat zu errichten. Die Dokumentation von Georg Ransmayr skizziert, wie sich die österreichische Gesellschaft nach diesem „Staatsstreich auf Raten“ verändert hat und was die Zweite Republik aus dem Untergang der Ersten Republik wirklich gelernt hat. Denn eine Frage beschäftigt mittlerweile viele im Land: wie krisensicher ist der österreichische Parlamentarismus in Zeiten von Corona-Krisen, Ukraine-Krieg, Inflation und Polit-Populismus? (Text: ORF)Original-TV-Premiere Fr. 03.03.2023 ORF 2 Braune Brettln, Braunes Leder
Folge 190Fußball und Skifahren – Nationalsportarten in Österreich, schon seit den Dreißigerjahren. Mit dem „Anschluss“ 1938 wurden auch die Sportvereine in das NS-System eingegliedert. Jüdische Spitzensportler und Funktionäre wurden vertrieben oder ermordet. „Arischen“ Sportler inszenierte die NS-Propaganda als Helden, Draufgänger, Himmelhunde. Im „totalen Krieg“ mussten auch sie an die Front, ihr größter Sieg hätte der „Endsieg“ werden sollen. Martin Betz analysiert, wie der Nationalsozialismus den Sport missbrauchte; wie viele bekannte Sportler begeistert daran mitwirkten; und wie nach 1945 unter rot-weiß-roten Fahnen weiter gespielt und gesiegt wurde, als ob nichts geschehen wäre. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Di. 04.04.2023 ORF 2 Vor dem Kollaps: die Pflege der Alten
Folge 191Die Lebenserwartung steigt, Großfamilien sind selten geworden, viele Menschen leben allein – immer mehr Österreicherinnen und Österreicher brauchen in der letzten Phase ihres Lebens Betreuung und Pflege. Von überforderten Angehörigen und 24-Stunden-Betreuerinnen, fehlenden Hausärzten und Hausärztinnen, intensiv gesuchtem medizinischen Personal in den Krankenhäusern … Das System steht vor dem Kollaps. Denn die Anzahl der zu Pflegenden und die Belastung der Angehörigen steigt deutlich schneller als die Zahl der Pflegekräfte und der Pflegeheime.
Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind zum Teil schauderhaft, Personal kommt seit Jahren überwiegend aus strukturschwachen Regionen in Osteuropa. Menschen&Mächte zeigt in „Vor dem Kollaps: die Pflege der Alten“, wo Österreichs Gesundheitssystem dringenden Nachholbedarf hat. Ein Film aus der Perspektive sowohl der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen wie auch derer, die Tag für Tag diese schwere körperliche Arbeit leisten und ihr Bestes tun, um das Leben auch in seinen letzten Phasen lebenswert zu machen. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 29.06.2023 ORF 2 Die zweite Reihe der Macht
Folge 192Sie schreiben Reden, managen das Marketing, koordinieren die Termine – als treue Dienerinnen und Diener ihrer politischen Herrschaften und als Steigbügelhalter für deren Karrieren. Die Menschen in der zweiten Reihe der Macht sitzen auch selbst an den Schalthebeln, gleich hinter der Politik. Sie beeinflussen den Lauf der Entscheidungen und ihre Kommunikation. Von Ausnahmen abgesehen, wie dem durch die Chataffäre tief gefallenen Thomas Schmid, folgt nach dem Ende der politischen Karriere der Chefs nicht unbedingt das eigene Karriere-Ende. Viele landen in gut dotierten Spitzenpositionen staatlicher oder privater Unternehmen oder treten gar in die politischen Fußstapfen ihrer Herrinnen und Herren, erklimmen Top-Funktionen, bis hinauf zum Bundeskanzler. Menschen&Mächte geht auf Spurensuche in den Hinterzimmern politischer Macht. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 20.09.2023 ORF 2 Tirol unter Palmen
Folge 1931933 überqueren knapp 100 „Pioniere“ aus Österreich den Atlantik, um ein Stück Tirol in den brasilianischen Urwald zu verpflanzen. Anführer der Expedition ist Andreas Thaler, ein ehemaliger Landwirtschaftsminister mit einer skurrilen Vision: eine alpenländische Kolonie für bis zu 30.000 Österreicher im Süden Brasiliens: „Dreizehnlinden“, auf Portugiesisch „Treze Tílias“. Heute leben knapp 9.000 Menschen in Dreizehnlinden, rund 60 Prozent haben noch österreichische Wurzeln. Menschen & Mächte dokumentiert ein von „echten“ Bewohnerinnen und Bewohnern betriebenes „Alpen-Disneyland“ in Südamerika, ein einzigartiges Mini-Universum, in dem österreichische und brasilianische Kultur verschmolzen sind. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 18.10.2023 ORF 2 Österreichische Erstausstrahlung ursprünglich angekündigt für den 11.10.2023Die Akte Noricum – Österreichs geheime Waffengeschäfte
Folge 195Mitte der 1980er-Jahre wird Österreich von einem der größten Politskandale der 2. Republik erschüttert. Zwei Aufdecker-Journalisten entdecken im damaligen Jugoslawien, dass eine Tochterfirma der verstaatlichten Voestalpine geheime Waffen-Geschäfte mit dem Iran abwickelt. Schnell wird klar, dass die Kanonenexporte der Firma Noricum gegen das Kriegsmaterialgesetz verstoßen und wegen der österreichischen Neutralität streng verboten sind. Als die Sache auffliegt und prominente Manager sowie ehemalige Regierungsmitglieder auf der Anklagebank landen, will die Politik nichts gewusst haben.
In Wahrheit betrachteten Kreisky, Sinowatz & Co.Waffenexporte sehr wohl als Instrument, um der österreichischen Nahostpolitik Nachdruck zu verleihen. Die Waffenhändler der Voest waren wiederrum willig, quasi im Auftrag der Republik Gesetze zu brechen, um die marode Voest mit ihren zehntausenden Arbeitsplätzen zu retten. Doch nun – Jahrzehnte danach – brechen damalige Entscheidungsträger ihr Schweigen. Sie schildern in der neuen Menschen & Mächte – Doku „Die Akte Noricum“, warum die Politik an der Vertuschung mitgewirkt hat. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 06.12.2023 ORF 2 Alexander Van der Bellen – Vom Flüchtlingskind zum Präsidenten
Folge 196Als Sohn einer estnisch-russischen Flüchtlingsfamilie wird Van der Bellen 1944 in Wien geboren. Der Vormarsch der Roten Armee auf die Stadt zwingt die Familie im Frühjahr 1945 dazu, weiter in den Westen des Landes zu gehen. Sie landen schließlich im Tiroler Kaunertal, wo „Sascha“ Van der Bellen seine ersten Kindheitsjahre verbringt. Bei Dreharbeiten im Kaunertal erzählt der Altbürgermeister Josef Raich von der überlieferten, positiv gestimmten Aufregung im Tal, als sich Van der Bellens Vater, ein „Weltkaufmann“ aus Estland, dort mit seiner Familie niedergelassen hatte. Die Schul- und Studienzeit verbringt Alexander Van der Bellen in Innsbruck.
Im Gymnasium wird er Schulsprecher, erinnert sich der damalige Schulkollege Tilmann Märk. „Das könnte man gewissermaßen als erste politische Tätigkeit sehen“, ergänzt er. Als promovierter Volkswirt schlägt der spätere Politiker jedoch zunächst eine Karriere in der Wissenschaft ein und tritt in „Club 2“-Sendungen als Wirtschaftsexperte erstmals medial in Erscheinung. Sein vormaliger Doktorand Peter Pilz holt ihn 1993 in die Politik: „Ich habe das Gefühl gehabt, dass ihm auf der Uni schon ein bisschen fad war, aber es war trotzdem nicht einfach, ihn zu überzeugen.“ Van der Bellen wird Nationalratsabgeordneter der Grünen, 1997 übernimmt er für elf Jahre den Parteivorsitz.
2016 kandidiert Alexander Van der Bellen für das Amt des Bundespräsidenten. Die dramatische Stichwahl mit Wahlwiederholung gegen den freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer führt zu einer noch nie dagewesenen Polarisierung im Land, die auch international für Aufsehen sorgt. Als Bundespräsident bemüht sich Van der Bellen zunächst um Versöhnung. Sein Verhältnis mit der FPÖ bleibt jedoch angespannt.
„Ich finde, dass er mit der Art und Weise, wie er Politik gemacht hat, nicht ganz überparteilich war“, so Norbert Hofer im Interview. In Van der Bellens Amtszeit fallen der Ibiza-Skandal, die Abwahl von Sebastian Kurz als Bundeskanzler, die Ernennung einer Beamtenregierung mit Brigitte Bierlein als erste Frau im Kanzleramt sowie die Corona-Pandemie und Chats-Affären. Landkarte des politischen Handelns ist in diesen Zeiten die österreichische Bundesverfassung, der Van der Bellen Eleganz attestiert. Äußerungen wie „So sind wir nicht“ oder „Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“ gehören zum ironischen Unterton des Präsidenten.
In der „Menschen & Mächte“-Dokumentation kommen neben dem Staatsoberhaupt selbst viele Wegbegleiterinnen und -begleiter zu Wort, darunter der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler a.D. Wolfgang Schüssel, Bundeskanzlerin a.D. Brigitte Bierlein, Salzburgs langjährige Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler oder die Klimaaktivistin Lena Schilling. Auch ausländische Staatsoberhäupter wie die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen über ihren österreichischen Amtskollegen und das, was sie in Europa vereint. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 18.01.2024 ORF 2 Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl
Folge 197Wien 1935: Fritz Mandl ist damals ein Mann, der „in jeder Hauptstadt der Welt bekannt und gefürchtet“ war. So steht es in der Autobiografie der berühmten Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr. Sie war Mandls zweite Ehefrau und hat die dunkle Aura ihres Ex-Gatten nach der Scheidung kräftig aufgebauscht. Im Kern lag die Filmdiva aber richtig. Der europäische „Patronenkönig“ der 1930er Jahre kannte bei den Geschäften des Munitionskonzerns Hirtenberger keine Skrupel. Fritz Mandl bewundert den italienischen Diktator Mussolini und unterstützt den österreichischen Heimwehr-Faschismus, der 1933 in die Dollfuß-Diktatur führt.
Mitunter verblüfft Mandl jedoch Freund und Feind. Indem er 1936 im Spanischen Bürgerkrieg die republikanischen Gegner der Franco-Faschisten beliefert. Mandl war – wie Historiker belegen – ein gerissener Opportunist und Grenzgänger, der im Dunstkreis von Polit-Abenteurern und der High Society viele in seinen Bann ziehen konnte. Hedy Kiesler-Mandl wird ihrem Mann aber die größte Schmach seines Lebens zufügen.
Fritz Mandl hatte ihr nach ihrer Rolle im Erotikfilm „Ekstase“, der damals wegen seiner Nacktszenen für einen Skandal sorgte, die Schauspielerei verboten. Deswegen brennt Kiesler nach Hollywood durch, wo sie unter dem Künstlernamen Hedy Lamarr zur „Marilyn Monroe der Weltkriegsjahre“ wird. 1938 muss Mandl wegen seiner jüdischen Wurzeln und seiner Rolle als Heimwehr-Geldgeber vor den Nationalsozialisten fliehen. Mandl ist abgebrüht genug, um den Nazis bei der „Arisierung“ seines Konzerns eine bescheidene Entschädigung abzutrotzen.
Was außer ihm bei Enteignungen durch das NS-Regime praktisch niemand geschafft hat. In Südamerika baut Mandl ein neues Firmenimperium auf. Doch er landet nach einer Geheimdienstverschwörung zu Unrecht als NS-Spion im Gefängnis. Trotzdem muss der Austro-Argentinier hart kämpfen, bis er sein von den Nazis geraubtes Vermögen 1957 zurückerhält. Von neuen schönen Frauen umgeben kommt der Jetset-Manager mit dem Hirtenberger-Konzern wieder ins Geschäft – bis dubiose Munitionsexporte mit der österreichischen Neutralität kollidieren.
„Der Patronenkönig – Das unheimliche Leben des Fritz Mandl“ ist ein Film über einen Grenzgänger, der ein einzigartig schillerndes Leben geführt hat. Mit exklusiven Interviews und Familienfotos, einer bislang unveröffentlichten Tonband-Aufnahme von Fritz Mandl sowie historischen Spielszenen wird die Laufbahn des Munitionsfabrikanten nachgezeichnet. Gedreht wurde die mit Mitteln der Verwertungsgesellschaft Rundfunk (VGR) geförderte ORF-Dokumentation in Österreich und Argentinien.
Bis heute ist Buenos Aires der Wohnort von Fritz Mandls ältester Tochter Maria „Puppe“ Mandl. Sie und andere schildern eindrucksvoll und ungeschminkt, dass Mandl zwei Gesichter hatte. Der Familienpatriarch mit insgesamt fünf Ehefrauen konnte liebenswürdig sein und Menschen in seinen Bann ziehen. Er konnte aber auch herrisch agieren und seine Absichten eiskalt umsetzen. Die Lebenswege von Fritz Mandl und Hedy Lamarr blieben jahrzehntelang auf seltsame Weise verkettet.
Mandl sah in Lamarr wohl ewig die Traumfrau, die ihm aber seine Grenzen aufgezeigt hatte. Sie stellte ihn als faschistischen Finsterling hin, von dem sie sich emanzipieren musste, um ein Weltstar werden zu können. Dennoch: Mandl war, wie die Historikerin Ursula Prutsch schreibt, weit mehr als die unheimliche Nebenfigur im Vorleben der Filmdiva. Die erste TV-Doku über Fritz Mandl erzählt von einem Überlebenskünstler, der sich wie kein anderer durch stürmische Zeiten geturnt hat.
Und heute – 100 Jahre nachdem Fritz Mandl im Alter von 24 Jahren der Generaldirektor der Hirtenberger Patronenfabrik wurde? Der einstige Paradekonzern ist schon lange Geschichte. 1981 hat Mandls Witwe das Unternehmen an die damalige Voestalpine verkauft, die mit der neuen Tochterfirma in den Noricum-Skandal schlitterte. Erhalten geblieben ist hingegen Mandls Jagdvilla „Fegenberg“ in Schwarzau im Gebirge in Niederösterreich. Sie befindet sich jedoch nicht mehr im Besitz der Familie Mandl und war Schauplatz für diverse Spielszenen der „Menschen & Mächte“-Produktion. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 24.04.2024 ORF 2 Windeln, Wünsche, Wirklichkeit: 100 Jahre Muttertag
Folge 198Vier Kinder hatte eine Frau Anfang des 20. Jahrhunderts durchschnittlich in Österreich. Heute sind es weniger als eineinhalb Kinder. An Stelle der Großfamilie also die Kleinfamilie: oft mit Einzelkind, oft alleinerziehend. Immer wieder wurde versucht, mehr Frauen und Männer dazu zu bringen, Eltern zu werden. Aber ob Mutterkreuz oder Kindergeld – es blieb erfolglos. Menschen & Mächte analysiert Ursachen und Folgen des demographischen Wandels und erzählt von einem Jahrhundert des Muttertags zwischen Mutterglück und Mutterleid, Kinderlachen und Kinderweinen, Emanzipation und Tradition. Eine emotionale Zeitreise rund ums Kinder-Kriegen und Kinder-Aufziehen. Rührselige Muttertags-Schlager wie Heintjes „Mama“ fehlen darin genauso wenig wie die Bitternis in „Mother’s Little Helper“ von den Rolling Stones. (Text: ORF)Original-TV-Premiere Do. 09.05.2024 ORF 2 Radio – Macht – Geschichte
Folge 199Am 1. Oktober 1924 ging die erste österreichische Radio-Sendung „on air“ – der Beginn einer andauernden Erfolgsgeschichte auf analogen Ätherwellen und digitalen Datenströmen. Heute, 100 Jahre später, sind die ORF-Radios selbstverständliche akustische Begleiter durch den Tag – vom Radiowecker über das Autoradio bis zum Podcast am Smartphone. Robert Gokls „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Radio – Macht – Geschichte“ macht im Rahmen des multimedialen ORF-Schwerpunkts „100 Jahre Radio“ am Mittwoch, dem 16. Oktober 2024, um 22:30 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON Hörfunk-Geschichte sichtbar und analysiert die Bedeutung des Radios für die österreichische Zeitgeschichte.
Am Freitag, dem 18. Oktober, begibt sich „100 Jahre Radio – Die Show“ um 20:15 Uhr in ORF 2 und auf ORF ON auf eine mitreißende Zeitreise durch zehn Jahrzehnte Radiogeschichte. Paul Lendvai: „Ohne die Bedeutung des Radios zu kennen, kann man die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts nicht verstehen!“ Als das Radio zu senden beginnt, ist der Erste Weltkrieg erst sechs Jahre her. Wie die Massenmedien danach löst auch das Radio große Hoffnungen und utopische Erwartungen aus.
Albert Einstein 1930: „Was speziell den Rundfunk anlangt, so hat er eine einzigartige Funktion zu erfüllen im Sinne der Völkerversöhnung.“ Historiker Rainer Hubert: „Das Radio hat den Wahrnehmungsbereich der Menschen drastisch erweitert.“ Karin Moser, Rundfunkhistorikerin: „Man hoffte, dass es nie wieder möglich sein würde, die Menschen in einen Krieg zu hetzen wie 1914. Über das Radio könnten alle miteinander in Verbindung und über die Grenzen hinweg befreundet sein.“ Karl Kraus spottete: „Der Welt ist großes Heil erflossen, der Hausmeister an den Kosmos angeschlossen.“ Für Karl Kraus wie viele andere waren diese Radio-Utopien überzogen.
Bereits zehn Jahre später platzen die Träume. 1934 stürmen Nationalisten die RAVAG-Studios in Wien, das erste Mal, dass ein Rundfunkgebäude bei einem Putsch gestürmt wird. In den nächsten Jahrzehnten instrumentalisieren totalitäre Diktaturen das Radio als ideales Mittel der Massenbeeinflussung. Paul Lendvai: „Die Lügenfabrikation von Diktaturen war damals die gleiche wie heute. Nur die Technik war anders.
Diktaturen haben immer Angst vor der Wahrheit.“ Nach 1945 brachte der Kalte Krieg neue Bedeutung für das Radio. Paul Lendvai: „Es war eine Phase in der Weltpolitik, wo von allen Seiten die Rundfunksendungen als Instrumente der Macht und als Zerstörer der Macht gewirkt haben.“ Gleichzeitig beginnt in Österreich das Fernsehen, „der Bildfunk“, viele Funktionen des Hörfunks zu übernehmen. Das Radio erfindet sich neu, seit der Rundfunkreform 1967 sendet der ORF die Struktur-Programme Ö1, Ö3, Ö Regional. Rainer Hubert: „Es war ein Modernisierungsschub fürs Radio.
Und ohne den wäre das heutige Radio nicht mehr denkbar.“ In den 1990er Jahren fällt das ORF-Monopol, die ersten Privat-Radios beginnen zu senden. Bald darauf folgt auf Liberalisierung Digitalisierung: Das analoge Antennen-Radio bekommt Konkurrenz, auch aus dem Internet: durch tausende Internet-Radios, Streaming- Plattformen, Podcasts. Karin Moser: „Das Radio ist im Heute angekommen. Man kann nachhören, das konnte man früher nicht. Man ist nicht mehr zeitlich gebunden.“ Paul Lendvai: „Man hat auch schon vor Jahren das Ende der Bücher vorausgesagt … und es ist nie gekommen. Ich glaube, wir werden noch lange Jahre Radio hören!“ (Text: ORF)Original-TV-Premiere Mi. 16.10.2024 ORF 2 Geheimsache Lucona – Die dunkle Macht des Udo Proksch
Folge 200Das Frachtschiff „Lucona“.Bild: ORF23. Jänner 1977: Das Frachtschiff „Lucona“ wird im Indischen Ozean von einer Explosion zerrissen. Sechs Personen sterben, die Fracht – eine angebliche Uranerz-Aufbereitungsanlage – sinkt auf den Meeresgrund. Doch das vermeintliche Unglück entpuppt sich als gigantischer Betrug. Udo Proksch, der Societylöwe und Gründer des „Club 45“, hat das mit Industrieschrott beladene Schiff versenken lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Proksch landet als sechsfacher Mörder lebenslang in Haft. Seine Verbindungen in höchste Kreise erschüttern die SPÖ-geführten Regierungen der 1980er Jahre.
Warum haben ihn führende Minister und einflussreiche Beamte jahrelang vor dem Gefängnis bewahrt? Auch mysteriöse Todesfälle sorgen bis heute für Spekulationen. Hat Proksch als Technologieschmuggler und Waffenhändler mit Geheimdienst-Kontakten in die DDR und den Nahen Osten schmutzige Geschäfte der Verstaatlichten Industrie vorbereitet? Die neue „Menschen & Mächte“-Doku „Geheimsache Lucona – Die dunkle Macht des Udo Proksch“ lüftet die letzten Geheimnisse rund um den berühmt-berüchtigten „Lucona“-Strippenzieher. Ein Film von Georg Ransmayr und Gregor Stuhlpfarrer (Text: ORF)Original-TV-Premiere So. 29.12.2024 ORF 2