2016/2017, Folge 514–529

  • Folge 514
    Der US-Präsident hält die Welt in Atem. Seine Einwanderungs- und Wirtschaftspolitik führt weltweit zu Protesten. Seine Außenpolitik: unberechenbar – und äußerst beunruhigend für die internationalen Spitzenpolitiker und Außenpolitikexperten, die sich dieses Wochenende in München treffen. Mit Spannung wird deshalb auf der Sicherheitskonferenz der Auftritt von US-Vizepräsident Mike Pence und Verteidigungsminister James Mattis erwartet. Die globale Politelite trifft auf die Manager der neuen US-Macht. Werden wir Trumps außenpolitischen Kurs besser verstehen? Müssen wir den Slogan „America first“ vielleicht gar nicht fürchten? Oder ist Donald Trump doch ein globales Risiko?
    Die Gäste: Norbert Röttgen (CDU, Außenpolitiker), Thilo Sarrazin (ehem. Bundesbankvorstand und Buchautor), Ulrich Kienzle (Journalist), Sandra Navidi (Finanzexpertin), Michael Wolffsohn (Historiker)
    Norbert Röttgen
    „Die Weltordnung wird in Frage gestellt. Wir müssen uns warm anziehen und diesen Kampf aufnehmen“, sagt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Er erwartet unter Präsident Trump „eine dramatische Zäsur, die historische Dimensionen hat“. Eine Politik der Abschottung, Angriffe auf die deutsche Wirtschaft, offen ausgesprochene Drohungen gegen China und Iran – Norbert Röttgen ist alarmiert und fordert: „Wir brauchen einen radikalen Politikwechsel in Europa und müssen geschlossen auftreten.“
    Thilo Sarrazin
    Der Publizist verteidigt Trumps protektionistischen Politikansatz als „im Kern rational“. Die Leitlinie „America first“ sei nicht unvernünftig. Denn die sozialen Kosten der Globalisierung seien in der Gesellschaft ungleich verteilt, schreibt der langjährige Berliner SPD-Finanzsenator in der „FAZ“. „Eine Rückgewinnung der Kontrolle über die Einwanderung und eine konsequente standortbezogene Industriepolitik können in den USA durchaus zum Erfolg und schon in wenigen Jahren zu deutlichen Verbesserungen am unteren Ende der Einkommens- und Beschäftigungspyramide führen“, sagt Thilo Sarrazin.
    Ulrich Kienzle
    „Außenpolitisch verstrickt sich Donald Trump in sinnlose Widersprüche“, sagt der frühere ARD-Nahostkorrespondent. Ob es um die Siedlungspolitik der israelischen Regierung oder um das Verhältnis zu China geht – den US-Präsidenten „interessiere es nicht, wenn er morgen etwas Anderes als gestern verkündigt und es ihm nutzt“. Der Mann habe keine Ahnung vom Nahen Osten, resümiert Ulrich Kienzle: „Jemand der Belgien für eine Stadt hält, der kennt die Differenzen in der arabischen Welt überhaupt nicht.“
    Sandra Navidi
    „In New York haben viele Menschen Angst, dass Donald Trump einen Krieg beginnt“, schildert die deutsche Wall-Street-Insiderin die Stimmung in ihrer Wahlheimat. Der neue US-Präsident versuche, das politische System Amerikas zu zerstören, um es in seinem Sinne neu aufzubauen: „Er greift die Justiz an, um sie in die Knie zu zwingen. Er stellt jeden an den Pranger, der nicht auf seiner Linie ist.“ Dass die Wirtschaft oder die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten darunter leiden könnten, sei Trump völlig egal, fürchtet Sandra Navidi.
    Michael Wolffsohn
    Der Geschichtsprofessor kritisiert den selbstgerechten und heuchlerischen Umgang der Deutschen mit dem US-Präsidenten: „Wir sind nicht anders als Trump.“ So unterscheide sich unsere rigorose Flüchtlingspolitik eigentlich nicht von Trumps Einreisestopp für Muslime. Der Publizist mahnt zur Gelassenheit: „Die Präsidentschaft könnte für die Welt viel besser werden als erwartet.“ Denn Obamas Außenpolitik sei besonders im Nahen Osten ein Desaster gewesen, erklärt Michael Wolffsohn. „Ein neuer Ansatz kann den Karren aus der Sackgasse führen“.
    Deutsche TV-Premiere Mi. 15.02.2017 Das Erste
  • Folge 515
    Kein anderes Reformprojekt hat die Deutschen so entzweit wie die Agenda 2010 des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Für Angela Merkel ist sie eine Erfolgsgeschichte, für Kritiker ein unvergleichlicher Sozialabbau. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geht jetzt auf Distanz zur Agendapolitik, will unter anderem die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes deutlich verlängern. Was wären die Folgen? Mehr Gerechtigkeit oder nur höhere Kosten für die Steuerzahler ohne wirklichen Nutzen? Und müssten Änderungen an der Agenda nicht noch viel radikaler ausfallen – bis hin zur Abschaffung von Hartz IV?
    Die Gäste: Hannelore Kraft (SPD, Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalen), Oskar Lafontaine (Die Linke, Fraktionsvorsitzender Saarland), Ralph Brinkhaus (CDU, stellv. Fraktionsvorsitzender), Ulrich Wockelmann (Langzeitarbeitsloser und Hartz-IV-Gegner), Thomas Selter (Familienunternehmer)
    Hannelore Kraft
    „Vieles an der Agenda 2010 war gut und richtig“, sagt die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende. „Das waren strukturelle Veränderungen. Wir waren damals in der Situation mit mehr als fünf Millionen Arbeitslosen, wir mussten etwas tun.“ Aber sie habe immer gesagt, so die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, das Gesetzespaket müsse kritisch überprüft werden. „Dazu gehört die ehrliche Analyse, dass die Abstiegsängste der Menschen enorm zugenommen haben.“ Hannelore Kraft ist für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes und fordert „umfassende Verbesserungen für prekär Beschäftigte, bei Leih- und Zeitarbeit, bei Befristung. Das wollen wir durchsetzen mit einem Kanzler Martin Schulz.“
    Oskar Lafontaine
    Der ehemalige SPD-Parteivorsitzende ist einer der schärfsten Kritiker der Hartz-Reformen. Die Agenda 2010 habe zum größten Sozialabbau seit dem Krieg geführt: „Für Millionen Menschen haben sich die Lebensbedingungen verschlechtert. Wer das nicht erkennt, ist blind für die soziale Wirklichkeit in Deutschland“, erklärt der Linken-Fraktionsvorsitzende im Saarland. Die Vorschläge von Martin Schulz gehen Oskar Lafontaine nicht weit genug. „Das sind marginale Veränderungen, da kann man nicht von wirklichen Reformen sprechen. Die SPD muss sich von der Agenda verabschieden.“
    Ralph Brinkhaus
    „Wir stehen vor so vielen Umbrüchen und das Einzige, was Schulz einfällt, ist etwas an Hartz IV zu tun und die Welt zurückzubringen, wie sie früher war. Das ist armselig“, kritisiert der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion. Ralph Brinkhaus hält das System nicht für ungerecht und betont die Bedeutung der Agenda 2010 für Deutschlands Wirtschaftswachstum. „Es ist wie ein Lottogewinn, 2016 in Deutschland zu leben. Wir haben weniger Arbeitslose, reale Lohnzuwächse, eine Erhöhung der Renten und die geringste Jugendarbeitslosigkeit in Europa“, sagt der CDU-Finanzpolitiker.
    Ulrich Wockelmann
    Vor 22 Jahren verlor der gelernte Tischler nach einer Betriebsinsolvenz seine Arbeitsstelle, fand trotz Umschulung zum Fachinformatiker keine reguläre Anstellung mehr. Mit der Einführung von Hartz IV wurde der Langzeitarbeitslose zum Aktivisten und berät Sozialhilfe-Empfänger im Umgang mit Jobcentern. „Die Agenda 2010 macht die Menschen kaputt. Sie werden damit gedemütigt, dass sie keinen Job mehr haben“, beklagt der Mitgründer des Arbeitslosenvereins „Aufrecht“. Auch die SPD-Pläne, die Zahlung des Arbeitslosengeldes zu verlängern, erregen den Unmut von Ulrich Wockelmann: „Dieser Armutsgewöhnungszuschlag verlängert nur das Leiden. Hartz IV gehört abgeschafft.“
    Thomas Selter
    Der Firmeninhaber verteidigt die Agenda 2010 als das erfolgreichste Konjunkturprogramm, das es je in Deutschland gegeben hat. „Wir haben Millionen von Arbeitslose in Jobs gebracht und Deutschland wieder erfolgreich gemacht“, so Thomas Selter. Die SPD könne stolz auf ihre Leistung sein und müsse sich dafür nicht schämen, sagt der 69-jährige Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen und warnt vor Änderungen: „Wenn man das Reformpaket zurückschraubt, werden wir wieder der kranke Mann Europas!“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 08.03.2017 Das Erste
  • Folge 516
    Die Wahl in den Niederlanden könnte richtungsweisend für Europa werden. Bekommen die Populisten um Wilders und Le Pen Aufwind – oder werden sie gebremst? Ausgerechnet jetzt, nach dem Verbot der Wahlkampfauftritte von AKP-Politikern in den Niederlanden, spitzt sich der Konflikt zwischen Europa und der Türkei weiter zu: Nazi-Vergleiche und Warnungen vor einem Diktator vergiften die Debatte. Wie stark wird der Streit die niederländischen Wähler beeinflussen? Wird die Konfrontation zwischen Europa und Erdogans Türkei eskalieren?
    Die Gäste:
    Ursula von der Leyen, CDU (Bundesverteidigungsministerin)
    Christian Lindner, FDP (Parteivorsitzender)
    Jeroen Akkermans (niederländischer TV-Journalist)
    Sylke Tempel (Außenpolitikexpertin)
    Necla Kelek (Publizistin)
    Ursula von der Leyen
    Die Verteidigungsministerin warnt vor einer weiteren Verschärfung in der Auseinandersetzung um türkische Wahlkampfauftritte in Europa. „Der heiße Wahlkampf in den Niederlanden und in Deutschland um das türkische Referendum gehen vorbei. Aber Europa und die Türkei werden immer benachbart bleiben“, mahnt Ursula von der Leyen. Die stellvertretende CDU-Parteivorsitzende stellt allerdings klar, der Regierung in Ankara müsse klargemacht werden, „dass mit unerträglichen Nazi-Vergleichen einige türkische Politiker ihr Rederecht selbst infrage stellen“.
    Christian Lindner
    Der FDP-Parteivorsitzende fordert ein sofortiges Verbot aller Wahlkampfauftritte türkischer AKP-Minister in Deutschland. Die Bundesregierung sollte dem Beispiel der Niederlande folgen und „die systematische türkische Staatspropaganda auf deutschem Boden unterbinden, in dem sie zeitweise die Einreise türkischer Regierungsmitglieder verhindert“, erklärt Christian Lindner. „Die lasche Haltung der Bundesregierung empört mich. Es ist ein falsches Verständnis von Toleranz, den Gegnern der Meinungsfreiheit Meinungsfreiheit zu gewähren.“ Angela Merkel betreibe das Spiel von Herrn Erdogan, indem sie nicht klare Kante zeige, so der liberale Spitzenmann.
    Jeroen Akkermans
    Der niederländische Deutschland-Korrespondent des Fernsehsenders RTL News ist nicht überrascht über die hohen Zustimmungswerte für den Rechtspopulisten Geert Wilders. „Die Menschen in Holland fühlen sich von der Elite des Landes nicht mehr ernst genommen“, erklärt der preisgekrönte Fernsehreporter. „Das ganze Land ist nach rechts gerückt.“ Die Niederlande seien längst nicht mehr eine so tolerante Gesellschaft, wie man in Deutschland annimmt. Dennoch glaubt Jeroen Akkermans nicht, dass Wilders Regierungschef werden könnte.
    Sylke Tempel
    Die Chefredakteurin der Zeitschrift „Internationale Politik“ kritisiert die rigorose Verbotspolitik der Niederlande gegenüber Auftritten türkischer AKP-Politiker. „Das ist innenpolitisch motiviert, Geert Wilders hat das vorangetrieben“, analysiert die Journalistin: „Erdogan, Putin und Trump sind Machos und Oberegos. Sie stehen für einfache Lösungen. Es bringt nichts, ihr Machotum mit Gegenmachotum zu beantworten.“ Sylke Tempel unterstützt stattdessen den bedachten Kurs der Kanzlerin: „Angela Merkel kann mit viel Geduld und Spucke komplizierte Verknotungen auflösen.“
    Necla Kelek
    „Erdogan versucht, uns türkischstämmige Deutschen zu instrumentalisieren, um die notwendigen Stimmen für sein Referendum zu bekommen. Es kann sehr knapp für ihn werden, deswegen braucht er jede Stimme“, sagt die Soziologin und plädiert für ein absolutes Auftrittsverbot türkischer Wahlkämpfer in Deutschland. Die Tochter türkischer Eltern wurde 1995 Deutsche und kritisiert die doppelte Staatsbürgerschaft: „Hier leben zu wollen und für einen Präsidenten aus dem Herkunftsland zu sein, sogar für die Türkei sterben zu wollen, das zerreißt uns! So kommen wir nie zur Ruhe und nicht als Bürger dieses Landes an.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 15.03.2017 Das Erste
  • Folge 517
    Trotz globaler Drogenverbote nehmen nach UN-Schätzungen weltweit fast 250 Millionen Menschen illegale Substanzen. Für Produzenten und Händler ist das ein Milliardengeschäft. Politiker wie Kofi Annan erklären den „Krieg gegen die Drogen“ für gescheitert. Der Ex-UN-Generalsekretär fordert: „Wir müssen den privaten Drogenkonsum entkriminalisieren und die totale Unterdrückung der Drogen aufgeben.“ Eine drogenfreie Welt sei eine Illusion. Statt Verboten solle wie beim Tabak über Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden. Müssen wir neue Wege in der Drogenpolitik gehen? Oder ist die Legalisierung von Drogen verantwortungslos?
    Die Gäste:
    Jenke von Wilmsdorff (Fernsehreporter)
    Melanie Huml, CSU (Bayer. Gesundheitsministerin)
    André Schulz (Bund Deutscher Kriminalbeamter)
    Jörg Böckem (Journalist und Ex-Junkie)
    Werner Bartens (Medizinjournalist)
    Sabrina Kästner (war Crystal-Meth-süchtig)
    Jenke von Wilmsdorff
    In seiner umstrittenen Doku-Reihe „Das Jenke-Experiment“ testete der Journalist im Selbsttest harte Drogen wie LSD unter ärztlicher Aufsicht. „Jede Droge hat ein Spaßpotential, sonst würden die Menschen es nicht nehmen. Doch man bezahlt den Glücksrausch teuer“, bilanziert der RTL-Reporter. Die restriktive Drogenpolitik der Bundesregierung hält Jenke von Wilmsdorff für wenig sinnvoll: „Die Diskussion um Drogen muss anders geführt werden. Nur Verbieten und Bestrafen ist der völlig falsche Weg.“
    Melanie Huml
    Die CSU-Politikerin warnt vor den Gefahren durch Drogenkonsum. Besonders die Debatte um Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken sei verantwortungslos, so die Gesundheitsministerin. „Unerfahrenheit und Neugier junger Menschen können fatale gesundheitliche Folgen haben“, unterstreicht die Ärztin. Eine Entkriminalisierung des Drogenkonsums hält die CSU-Politikerin generell für falsch: „Der Staat muss Repressionen setzen und Drogen nicht zum Geschäftsmodell machen.“
    André Schulz
    „Der Krieg gegen Drogen ist verloren. Die aufwändige und ressourcenintensive Arbeit der Polizei ist weder besonders effektiv noch zielführend“, sagt der Kriminalhauptkommissar. Denn noch nie hätten weltweit so viele Menschen illegale Substanzen konsumiert wie heute. Der BKA-Bundesvorsitzende fordert deshalb ein Umdenken in der Drogenpolitik und setzt sich unter anderem für eine Entkriminalisierung der Konsumenten ein.
    Jörg Böckem
    „Keine Droge führt auf direktem Weg in die Abhängigkeit. In den ersten Jahren waren meine Rauscherfahrungen großartig, überwältigend. Warum sollte ich mir etwas so Faszinierendes madig machen?“ So beschreibt der ehemalige Heroinabhängige seinen Weg in die Sucht. Während er als Journalist Karriere beim „Spiegel“ machte, setzte er sich täglich heimlich auf der Redaktionstoilette eine Spritze. Jörg Böckem, der seit 16 Jahren clean ist, plädiert für die Entkriminalisierung von Abhängigen: „Kein Süchtiger lässt sich von Verboten abschrecken. Statt Strafverfolgung brauchen wir Aufklärung über Wirkungen und Risiken.“
    Werner Bartens
    „Jede noch so kleine Dosis einer Droge ist potenziell schädlich“, sagt der Wissenschaftsjournalist. Das gelte für Kokain genauso wie für Alltagsdrogen: „Das Nikotin weniger Zigaretten kann die Mutation auslösen, die nach Jahren zum Krebs führt.“ Die Wahrscheinlichkeit für bleibende Schäden sei aber bei häufigem Gebrauch und hoher Dosis höher, weiß der Mediziner. Aber: Welches ist die schädlichste Droge? Welcher Stoff macht am schnellsten abhängig? Und beeinträchtigt Cannabis die Intelligenz?
    Sabrina Kästner
    Die zweifache Mutter war viele Jahre abhängig von Crystal Meth. „Das erste Mal war eine sehr eindrucksvolle Erfahrung. Die Droge war leistungssteigernd, und man hat sich keine Sorgen mehr um Alltagsprobleme gemacht.“ Doch bald drehte sich alles nur noch darum, neuen Stoff zu besorgen. „Es gab mehrere Situationen, in denen meine Kinder gefährdet waren. Ich hatte mehr als einen Schutzengel.“ Erst als das Jugendamt eingriff, zog Sabrina Kästner die Reißleine und kämpft sich durch den Entzug. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 22.03.2017 Das Erste
  • Folge 518
    Am Mittwoch wird es ernst für Europa: Die britische Premierministerin Theresa May wird den lang erwarteten Austrittsantrag stellen – mit unabsehbaren Folgen für Großbritannien und Europa. Ausgerechnet jetzt präsentiert sich die EU so einig wie lange nicht mehr – so als wären alle Streitigkeiten um Euro-Rettung und Flüchtlinge vom Tisch, als würden nationalistische Kräfte die Debattenhoheit verlieren. Hat der Brexit den Effekt, dass die Europäer enger zusammenrücken? Ist der Populismus überwunden? Oder ist das ein Trugschluss?
    Die Gäste:
    Klaus von Dohnanyi, SPD (ehem. Hamburger Bürgermeister)
    Markus Söder, CSU (Bayerischer Finanzminister)
    Rolf-Dieter Krause (ehemaliger ARD-Studioleiter Brüssel)
    Beatrix von Storch, AfD (stellvertretende Bundesvorsitzende)
    Marieluise Beck, B’90/​Grüne (Bundestagsabgeordnete)
    Axel Antoni (deutscher Unternehmensberater aus London)
    Klaus von Dohnanyi
    Der ehemalige Bundesminister befürchtet durch den Brexit eher Nachteile für die deutsche als für die britische Wirtschaft. „Aber es ist gut, dass die EU jetzt im Zuge des Austritts Großbritanniens näher zusammenrückt“, fügt er hinzu. Deutschland und Frankreich sollten jetzt eine gemeinsame Verteidigungspolitik vorantreiben. Eine tiefere Integration lehnt der ehemalige Europaminister unter Helmut Schmidt allerdings ab. „Wer immer noch denkt, die EU sollte über die Gurkenkrümmung entscheiden, nützt nur den EU-Kritikern“, erklärt Klaus von Dohnanyi.
    Markus Söder
    Der CSU-Politiker warnt davor, die finanziellen Folgen des britischen Austritts aus der EU den Deutschen aufzubürden. „Die EU muss sparen, um den Brexit zu kompensieren“, sagt Markus Söder. Der bayerische Staatsminister für Finanzen fordert zudem einen fairen Umgang mit den Briten. „Sie gehören weiter zu Europa, bleiben ein wichtiger Nato-Partner und sind für Bayern der zweitwichtigste Handelspartner.“
    Rolf-Dieter Krause
    „Der Brexit macht alle zu Verlierern, aber die Briten werden die größten Verlierer sein“, glaubt der langjährige EU-Korrespondent der ARD. Denn die Fronten zwischen Brüssel und London hätten sich bereits verhärtet. „Die europäischen Länder werden keine Zugeständnisse machen. Das politische Risiko ist zu groß und würde Nachahmer animieren“, ist Rolf-Dieter Krause überzeugt. Der Journalist bezweifelt, dass sich die Partner innerhalb der zweijährigen Verhandlungszeit einigen werden: „Es könnte zum harten Schnitt kommen.“
    Beatrix von Storch
    Die Berliner AfD-Landesvorsitzende begrüßt den britischen Austritt aus der EU. Der Brexit zeige, dass es auch einen Weg aus der EU gebe. „Großbritannien wird weiter existieren und nicht ins Chaos stürzen“, sagt die EU-Parlamentarierin. Sie teile die Kritik der Brexit-Anhänger an der EU. „Diese tendiert immer mehr zum umverteilenden Zentralstaat und zur Abschaffung der Nationalstaaten“, so Beatrix von Storch. Deshalb fordere sie ebenfalls ein Referendum in Deutschland über den Verbleib in der EU.
    Marieluise Beck
    „Die Briten werden es leider erleben, dass der Weg zurück in den Nationalstaat eine dramatische Einengung bedeuten wird“, prophezeit die Grünen-Politikerin. Die EU, so die Außenpolitikerin, stehe „für Offenheit und kulturelle Vielfalt, auch wenn das Menschen verunsichern kann“. Diese Unsicherheiten machten sich die Rechtspopulisten zunutze. „Sie schüren Ängste vor Veränderung und bieten vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme an“, sagt Marieluise Beck, die erstmals 1983 in den Bundestag gewählt wurde.
    Axel Antoni
    Seit fast zwanzig Jahren lebt der gebürtige Hamburger gemeinsam mit seiner britischen Frau in London. „Land und Leute haben mein Herz im Sturm erobert“, berichtet Axel Antoni. „Doch nun sind wir EU-Bürger zur Verhandlungsmasse geworden wie Autos oder Tomaten aus Spanien.“ Zudem fürchtet der Unternehmensberater, durch den Brexit seine wichtigsten Kunden zu verlieren: „Viele große internationale Firmen werden ihre Hauptsitze nach Europa verlegen.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 29.03.2017 Das Erste
  • Folge 519
    Kanzlerin Angela Merkel ist überzeugt: „Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut.“ Tatsächlich boomen Wirtschaft und Arbeitsmarkt. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz dagegen ist sich ebenso sicher: „Millionen Menschen fühlen, dass es in diesem Staat nicht gerecht zugeht.“ Tatsächlich ringen viele Menschen mit Zeitarbeitsverträgen und Wohnungsnot. Reichtum, das glauben viele Deutsche, ist im Land sehr ungleich verteilt. Ist das nur Vorurteil gegen „die da oben“? Tatsächlich besitzt nur ein Prozent der Bundesbürger rund ein Drittel des gesamten Vermögens. Muss die Politik stärker eingreifen und etwa Managergehälter deckeln?
    Zum zweiten Mal hat Sandra Maischberger in ihr Studio interessierte Zuschauer eingeladen, die miteinander und mit Politikern und Experten diskutieren werden. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 05.04.2017 Das Erste
  • Folge 520
    Der Integrationsstreit ist wieder voll entbrannt: Mehrheitlich haben die hier lebenden türkischen Wähler für Erdogans Verfassungsreform gestimmt. Lehnen sie tatsächlich Werte wie Meinungsfreiheit oder Gleichberechtigung ab, wenn sie einen Alleinherrscher unterstützen? Fremdeln sie so stark mit ihrer Wahlheimat Deutschland? Sollten Türken mit Doppelpass den deutschen Ausweis zurückgeben, wie manche Politiker jetzt fordern? Oder ist die Mehrheitsgesellschaft mitverantwortlich dafür, dass viele türkische Mitbürger sich weiterhin benachteiligt und ausgegrenzt fühlen?
    Die Gäste:
    Julia Klöckner (CDU, stellvertretende Bundesvorsitzende)
    Bilkay Öney (SPD-Politikerin)
    Tayfun Bademsoy (Schauspieler)
    Susanne Schröter (Wissenschaftlerin)
    Ozan Ceyhun (AKP, Deutsch-türkischer Regierungsberater)
    Julia Klöckner
    Die CDU-Landeschefin von Rheinland-Pfalz unterstützt die Forderung nach einer kritischen Überprüfung des Doppelpasses, auch als Konsequenz aus dem türkischen Referendum. „Wir erleben jetzt Menschen, die von unserem freien, offenen Land profitieren, aber dem Regimeumbau in der Türkei zujubeln“, beklagt die stellvertretende CDU-Parteivorsitzende. „Eine geteilte Loyalität ist immer schwierig“, analysiert Julia Klöckner. Niemand solle glauben, dass mit der doppelten Staatsbürgerschaft Integration schneller gelinge.
    Bilkay Öney
    Die ehemalige baden-württembergische Integrationsministerin kritisiert, dass nach dem Türkeireferendum reflexartig die Integration und der Doppelpass in Frage gestellt werden. „Die Zahl der gut integrierten Türken ist hoch. Es gibt viele türkischstämmige Politiker, Lehrer, Ärzte und Unternehmer. Der Pass ist nicht das Problem, sondern die Gesinnung.“ Für die hohe Identifikation mit der Türkei macht die SPD-Politikerin unter anderem auch die Deutschen verantwortlich. „Der Alltagsrassismus ist das Problem. Den Türken wird nicht das Gefühl gegeben dazuzugehören.“
    Tayfun Bademsoy
    „Die Deutschen begreifen nicht, warum die ehemaligen Gastarbeiter jetzt Erdogan wählen“, sagt der Schauspieler („Tatort“, „Traumschiff“). Dabei sei es nur eine Gegenreaktion auf die jahrzehntelange Diskriminierung der Türken in Deutschland, glaubt der studierte Psychologe. „Beleidigungen wie Kanake, Kümmeltürke und Kameltreiber waren normal und haben auch die Saat gelegt für die heutige Ablehnung von Deutschland“, erklärt Tayfun Bademsoy, der 1969 mit seinen Eltern aus der Türkei eingewandert war. Aber auch viele Türken trügen Schuld an der missglückten Integration, weil sie sich der deutschen Gesellschaft verweigert hätten.
    Susanne Schröter
    „Der türkische Präsident Erdogan versucht zu verhindern, dass sich die Deutsch-Türken allzu sehr integrieren“, sagt die Direktorin des „Forschungszentrums Globaler Islam“ an der Frankfurter Goethe-Universität. Er betone immer wieder, dass sie in Deutschland normale Bürger werden könnten und seines Schutzes bedürften, berichtet Susanne Schröter. Denn Erdogan brauche die Deutsch-Türken, so die Islamwissenschaftlerin: „Sie sind Manövriermasse für seine Ideen eines neuen osmanischen Reiches.“
    Ozan Ceyhun
    Sind die türkischen Wähler aus Deutschland, die für Erdogans Reform gestimmt haben, schlecht integriert? Der frühere Europaabgeordnete (Grüne und SPD) nimmt seine hier lebenden Landsleute vor Kritik in Schutz: „Wenn die Türken wirklich integriert werden sollen, dann sollte man sie längst als Einheimische sehen. Warum haben sie zum Beispiel bis heute kein kommunales Wahlrecht, selbst wenn sie seit vielen Jahren hier sesshaft sind?“ Ozan Ceyhun berät die Erdogan-Regierung und begleitete im März den türkischen Außenminister auf seiner Wahlkampfreise nach Hamburg. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 26.04.2017 Das Erste
  • Folge 521
    Lange hielt der Aufstieg der Populisten die Welt in Atem. Mit Donald Trump schaffte es einer von ihnen an die Spitze einer Regierung. Sein patriotischer Schlachtruf „America First“ erschütterte die politische Weltordnung. Nach 100 Tagen im Amt als amerikanischer Präsident fällt die Bilanz zwiegespalten aus. Viele der Ankündigungen konnte er nicht umsetzen, bei manchen Positionen hat er gar eine 180-Grad-Kehrtwende gemacht. Donald Trumps einfache Rezepte scheinen nicht aufzugehen. Und in der Folge könnte der Zuspruch für Europas Populisten weiter schwinden.
    Die Gäste:
    Thomas Roth (ehemaliger ARD-Korrespondent)
    Gregor Gysi (Die Linke, Präsident der Europäischen Linken)
    Anja Kohl (ARD-Börsenexpertin)
    John Kornblum (ehemaliger US-Botschafter in Deutschland)
    Markus Feldenkirchen (Spiegel-Autor)
    Roger Köppel (Schweizer Publizist und Politiker)
    Thomas Roth
    Der langjährige Russland- und Amerika-Korrespondent nennt die ersten 100 Tage der Amtszeit von Donald Trump ein Desaster. Nichts von dem, was der US-Präsident durchsetzen wollte, sei eingetreten. Der Ex-„Tagesthemen“-Moderator zieht Parallelen zu den populistischen Versprechen von Marine Le Pen in Frankreich. Die Stichwahl am nächsten Sonntag sei noch längst nicht entschieden: „Siegt Le Pen, werden wir Europa nicht wiedererkennen. Im Dreieck Trump, Putin und eines zerfallenden Europas halte ich die Zukunft für äußerst bedenklich. Möglicherweise geraten wir sogar in militärische Konflikte.“
    Gregor Gysi
    Der langjährige Oppositionsführer der „Linken“ im Bundestag kritisiert Trumps Militärschlag gegen Syrien und dessen Unterstützung durch die Bundeskanzlerin. Sie habe den amerikanischen Präsidenten damit bestärkt, völkerrechtswidrig den Weltpolizisten zu geben. „Mit ihrer duckmäuserischen Haltung macht Angela Merkel Deutschland zum Vasallen der USA“, sagt der Präsident der Europäischen Linken.
    Anja Kohl
    Die Finanzjournalistin stellt Trump nach 100 Tagen ein mageres Zeugnis aus. „Die Liste der unerfüllten Versprechungen ist lang.“ Auch die Hoffnungen der Börse auf Steuersenkungen und höheres Wachstum sind laut der ARD-Expertin aufgebraucht. „Seit die Steuerpläne vorgestellt wurden, scheint die Trump-Euphorie wie weggeblasen. Was Trump als historische Reform verkauft, sind halb gare Steuerpläne, die ohne horrende neue Schulden nicht finanzierbar sind.“
    John Kornblum
    Der frühere US-Diplomat hält die Kritik an Donald Trump für überzogen: „Die Deutschen sehen Amerika immer kritisch und wenn Amerika nicht genau so ist, wie Deutschland es sich wünscht, ist das gleich ein Weltuntergang.“ John Kornblum, der von Bill Clinton als Botschafter 1997 nach Deutschland entsandt wurde, verteidigt den Luftschlag gegen das Assad-Regime in Syrien und hofft, dass Nordkorea diese Intervention als ein Warnzeichen versteht.
    Markus Feldenkirchen
    Der ehemalige USA-Korrespondent hält den amerikanischen Präsidenten wegen seiner Unberechenbarkeit für gefährlich. In der Auseinandersetzung zwischen Nordkorea und den USA könne „man nur beten, dass es rund um Donald Trump genügend Berater und Militärs gibt, die weniger dünnhäutig sind und deren Philosophie nicht auf dem Prinzip der 15-fachen Vergeltung beruht“, warnt Markus Feldenkirchen.
    Roger Köppel
    Trumps Wahl sei eine heilsame Erschütterung gewesen, meint der Politiker der nationalkonservativen „Schweizerischen Volkspartei“ (SVP). Der US-Präsident habe es geschafft, die Tabuthemen der letzten Jahre – illegale Einwanderung, Islam, offene Grenzen – auf die Agenda zu bringen: „Viele haben gedacht, er werde ein alleinregierender Diktator. Doch in seinen ersten hundert Tagen hat er ein gutes Team zusammengestellt und herkömmliche konservative Politik gemacht“, sagt der „Weltwoche“-Herausgeber. Gemessen an der Hysterie, die um seinen Wahlsieg gemacht wurde, falle Donald Trumps Bilanz als Präsident bislang nicht schlecht aus.
    Deutsche TV-Premiere Mi. 03.05.2017 Das Erste
  • Folge 522
    Die zehn Thesen von Innenminister Thomas de Maiziére zur Leitkultur sorgen für Streit: soll etwa die neue Leitkultur-Diskussion den Rechtspopulisten im Wahljahr ihr Thema und ihre Wähler abspenstig machen? Oder geht es wirklich um Integration? Ist es in einer Umbruchzeit mit mehr Zuwanderung und einem wachsenden Nationalismus in Europa wichtig, über eine Leitkultur zu sprechen? Und wer muss Leitkultur lernen? Etwa nur die Migranten, nur die Muslime? Oder brauchen auch die sogenannten „Bio-Deutschen“ Nachhilfe in „Leitkultur“, wenn es z.B. um Themen wie Toleranz und Gerechtigkeit geht?
    Die Gäste:
    Joachim Herrmann, CSU (Bayerischer Innenminister)
    Sawsan Chebli, SPD (Berliner Staatssekretärin)
    Motsi Mabuse (Profi-Tänzerin und Schauspielerin)
    Hans-Ulrich Jörges („Stern“-Autor)
    Birgit Kelle (Publizistin)
    Joachim Herrmann
    Der CSU-Spitzenkandidat für den Bundestag unterstützt die Thesen von Thomas de Maizière: „Wohin falsch verstandene Liberalität führen kann, zeigt Frankreich mit deutlich erstarkten Rechtsextremen einerseits und andererseits unhaltbaren Zuständen in sogenannten No-Go-Areas in Vororten von Paris.“ Der bayerische Integrationsansatz baue auf eine starke Verpflichtung zur deutschen Leitkultur. Multikulti hingegen sei gescheitert: „Nur mit den festen Leitplanken einer deutschen Leitkultur kann die Integration in Deutschland dauerhaft funktionieren“, sagt Joachim Herrmann.
    Sawsan Chebli
    „Die 10 Thesen von Thomas de Maizière zur Leitkultur sind gefährliche Stimmungsmache gegen Muslime. Kein Wahlkampf rechtfertigt das. Die Leitkultur schließt Menschen aus. Deutschland ist für mich so viel weiter“, kritisiert die SPD-Politikerin. Die gebürtige Berlinerin mit palästinensischen Wurzeln ist gläubige Muslima und fordert: „Wir dürfen die Integrationsdebatte nicht mit der Diskussion über Muslime und Islam oder Religion insgesamt vermengen. Für mich und für die allermeisten Muslime gilt das Grundgesetz ohne Wenn und Aber“.
    Motsi Mabuse
    Die RTL-Jurorin („Let’s dance“) zeigt sich erschreckt über eine zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland: „Das Klima für Ausländer in Deutschland wird rauer. Die Stimmung ist ungesund für uns alle. Es tut mir weh, dass es so viel Rassismus gibt“, sagt Motsi Mabuse, die in Südafrika aufwuchs und im Jahr 2000 als 18-Jährige nach Deutschland kam. Fremdenfeindlichkeit beobachte sie im Alltäglichen und im Internet. Die immer stärker werdende rechte Bewegung in Europa mache ihr Angst.
    Hans-Ulrich Jörges
    „Immer der gleiche Flachsinn“ – so nennt der Journalist die erneute Debatte um die deutsche Leitkultur. Der Bundesinnenminister habe sich „einen 17 Jahre alten Hut aufgestülpt“. Das Mitglied der „Stern“-Chefredaktion kritisiert die Ansammlung von islamkritischen Klischees wie „Wir geben uns in Deutschland die Hand“, „Wir sind stolz auf unsere Leistung“ oder „Wir sind nicht Burka“ – was man ebenso gegen Muslime sage.
    Birgit Kelle
    „Die Diskussion über Leitkultur ist überfällig. Integration heißt ja, sich einzufügen – und wer hier herkommt, muss sich einfügen“, sagt die Publizistin. Die Deutschen hätten wegen ihres historischen Erbes ein großes Problem mit Patriotismus und Nationalstolz, müssten aber für die vielen Neuankömmlinge genaue Regeln definieren, wie das Zusammenleben gestaltet werden soll, meint Birgit Kelle. „Es ist falsch, den Migranten nichts abzuverlangen. Wer beispielsweise einer Lehrerin in der Schule den Handschlag verweigert, hat ein Integrationsproblem.“
    Deutsche TV-Premiere Mi. 10.05.2017 Das Erste
  • Folge 523
    Der Kampf ums Kanzleramt hat erst jetzt begonnen, glaubt Martin Schulz trotz drei verlorener Landtagswahlen. Der SPD-Chef ist überzeugt, Angela Merkel als Kanzler ablösen zu können. Aber selbst treueste Sozialdemokraten fragen sich: Wenn er mehr Gerechtigkeit fordert, wie sehen dann seine konkreten Pläne aus, etwa in der Steuerpolitik? Will er zum Beispiel Reiche stärker belasten? Und macht es Angela Merkel besser? Auch sie bleibt bei der Ankündigung eines CDU-Wahlprogramms vage: Es gehe um „Innovation, Zukunftsgestaltung, Zukunftsgewandtheit, und dann daraus sich entwickelnd natürlich Gerechtigkeit“. Was soll man als Wähler damit anfangen?
    Die Gäste:
    Peter Tauber, CDU (Generalsekretär)
    Ralf Stegner, SPD (Stellvertretender Parteivorsitzender)
    Sahra Wagenknecht, Die Linke (Fraktionsvorsitzende)
    Katja Suding, FDP (Stellvertretende Parteivorsitzende)
    Robin Alexander („Welt am Sonntag“-Journalist)
    Peter Tauber
    „Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen wurde wegen ihrer verheerenden Bilanz abgewählt“, meint der CDU-Politiker. Die Bundestagswahl unterscheide sich aber von Landtagswahlen: „Wenn alle, die heute sagen ‚Merkel macht einen guten Job und soll Kanzlerin bleiben‘, CDU wählen würden, dann würde der Wahlkampf sehr entspannt werden. Aber es geht nicht einfach um ein ‚Weiter so‘. Deshalb werben wir mit einer starken Kanzlerin und überzeugenden Angeboten, wie Deutschland in einer sich verändernden Welt stark und erfolgreich bleibt“, sagt Peter Tauber.
    Ralf Stegner
    Der schleswig-holsteinische Parteichef fordert nach der Wahlniederlage in Nordrhein-Westfalen in den wichtigen Gerechtigkeitsfragen konkret zu werden. Für den Busfahrer, die Krankenschwester oder den Bauarbeiter müsse der Unterschied klar sein, ob die Bundesregierung von CDU oder der SPD geführt werde. Die Union wolle Bildungsgebühren, massive Aufrüstung und Steuersenkungen für Großverdiener, warnt der Partei-Vize. Die SPD hingegen stehe für die Entlastung normaler Familien.
    Sahra Wagenknecht
    Hannelore Kraft habe mit ihrer Koalitions-Absage an die Linke klargemacht, dass sie keine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit wolle, kritisiert die Linken-Politikerin. Ihre Partei bleibe somit die einzige Vertreterin sozialer Politik. Im Bundestagswahlkampf fordert die Fraktionsvorsitzende: „Lohndrückerei durch Leiharbeit und Dauerbefristungen muss verboten werden. Statt den Riester-Schwachsinn mit der Nahles-Betriebsrente noch zu toppen, muss die gesetzliche Umlagerente gestärkt werden. Wir brauchen Vermögens- und Erbschaftssteuern für Reiche.“
    Katja Suding
    „Die Menschen wollen die FDP zurück“, so ist das Fazit der stellvertretenden Parteichefin nach dem Erfolg bei der Landtagswahl von Nordrhein-Westfalen. Die Hamburger FDP-Vorsitzende steht für einen klar wirtschaftsliberalen Kurs im Bundestagswahlkampf: „Wir wollen die Bürger steuerlich entlasten und daher den Solidaritätsbeitrag abschaffen. Und wir müssen uns wieder stärker auf die soziale Marktwirtschaft besinnen.“
    Robin Alexander
    Mit seinem Buch „Die Getriebenen“ hat er den politischen Bestseller des Frühjahrs geschrieben. Der Hauptstadtkorrespondent der „Welt am Sonntag“ gehört zu den besten Kennern des Berliner Politikbetriebs. Die Erfolge der CDU bei den drei Landtagswahlen seien nicht bloß Merkels staatsmännischem Auftreten zu verdanken, sondern auch einer politischen Kurskorrektur: „Es ist vor allem das Thema ‚Innere Sicherheit‘ gewesen, dass die CDU in NRW auf Erfolgskurs gebracht hat.“ (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 17.05.2017 Das Erste
  • Gast: Martin Schulz, SPD (Parteivorsitzender)
    Ist Martin Schulz nach Wahlniederlagen und sinkenden Umfragewerten zum „chancenlosen Kanzlerkandidaten“(„Die Zeit“) geworden? Haben viele Genossen den „Glauben an Schulz’ Zauberkraft“ („Stern“) verloren? Jetzt hat die SPD die ersten, lang erwarteten Leitlinien ihres Wahlprogramms für die Bundestagswahl vorgestellt. Gelingt so die Stimmungswende? Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz stellt sich in einem Einzelinterview den Fragen von Sandra Maischberger und diskutiert weitere Themenfelder mit Kritikern und Experten. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 24.05.2017 Das Erste
  • Folge 525
    Gäste: Margot Käßmann (Theologin und ehemalige Bischöfin), Heiner Geißler (CDU, ehemaliger Generalsekretär), Angelika Kallwass (Atheistin und Diplom-Psychologin), Martin Lohmann (katholischer Publizist), Khola Maryam Hübsch (Journalistin und Muslima), Philipp Möller (Autor und Atheist)
    Immer weniger Deutsche glauben an Gott. Die Zahl der Kirchenaustritte ist weiter dramatisch hoch. Dennoch sorgen die Religionen immer wieder für teils heftige politische und gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Der Glaube fanatisiere die Menschen, sei schuld an Kriegen und Terror, so die Vorwürfe. Für Streit sorgt auch die Frage, wieviel Einfluss Religion und Kirche auf Staat und Politik nehmen dürfen. Spaltet die Religion also unsere Gesellschaft, sollte sie Privatsache sein und wäre die Welt am Ende gar friedlicher ohne Religionen? (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 14.06.2017 Das Erste
  • Folge 526
    Die umstrittene ARD-Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ hat viele Fragen aufgeworfen: Macht sich ein neuer Antisemitismus in Deutschland und Europa breit? Ein Antisemitismus, der sich vor allem aus dem israelisch-arabischen Konflikt im Nahen Osten nährt? Sind es wirklich vor allem muslimische Migranten, die ihre Abneigung gegenüber Juden bei uns offen zum Ausdruck bringen und damit ein antisemitisches Klima in der ganzen Gesellschaft befördern?
    Die Gäste:
    Michael Wolffsohn (Historiker)
    Norbert Blüm (CDU-Politiker)
    Ahmad Mansour (Psychologe)
    Gemma Pörzgen (Journalistin)
    Rolf Verleger (ehem. Mitglied „Zentralrat der Juden in Deutschland“)
    Jörg Schönenborn (WDR-Fernsehdirektor)
    Michael Wolffsohn
    „Es gibt neue Formen des Antisemitismus, von alten und neuen Rechten, Teilen der Linken und ganz entscheidend aus Teilen der muslimischen Welt“, sagt der Geschichtsprofessor, der die Dokumentation als herausragend lobt. Deutschland und Europa seien durch die Bevölkerung eng mit dem Nahen Osten verflochten und so zum westlichen Nebenkriegsschauplatz geworden. „Die Juden werden seit den sechziger Jahren von Extremisten und Islamisten als fünfte Kolonne Israels gesehen und sind daher im fundamentalistischen Fadenkreuz.“
    Norbert Blüm
    Der frühere CDU-Bundesminister, der sich lange für die Palästinenser in besetzten Gebieten engagierte, sah sich vor einigen Jahren mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert, weil er militärische Vergeltungsaktionen Israels scharf kritisierte. Dieser Vorwurf werde „auch als Knüppel benutzt, um jeden Hinweis auf die Missachtung der Menschenrechte totzumachen“, erwiderte Norbert Blüm, der bis heute betont: „Ich verteidige immer das Existenzrecht Israels, aber dann muss man auch das Existenzrecht der dort lebenden Araber akzeptieren.“
    Ahmed Mansour
    Der Berliner Extremismusexperte und Berater der Filmautoren beobachtet unter jungen Muslimen in Deutschland einen wachsenden Antisemitismus. Er gehöre „in muslimischen Familien zur Erziehung“. Ahmed Mansour, der als Palästinenser in Israel aufwuchs, kennt diese Einstellung aus seiner eigenen Vergangenheit: „Als Jugendlicher habe ich den Juden den Tod gewünscht und sie mit Schweinen verglichen.“ Erst die Begegnung mit jungen Israelis und Juden während seines Studiums in Tel Aviv habe seine Sicht grundlegend verändert.
    Gemma Pörzgen
    „Der Film hat einfach eine sehr klare propagandistische Linie und zeigt aus meiner Sicht eben diese ganze Thematik sehr einseitig“, sagt die Nahostexpertin. Viele Probleme würden in einem sehr aufgeregten Stil verrührt. „Ich bedaure, dass dadurch der Zuschauer weniger über die eigentlichen Probleme sowohl in der Region wie auch über den Antisemitismus in Europa erfährt“, sagt die langjährige Auslandskorrespondentin.
    Rolf Verleger
    Der frühere Psychologieprofessor zeigt sich über den Antisemitismus in Deutschland nicht verwundert: „Wenn Politiker und Medien Israels Politik für richtig halten und Repräsentanten des Judentums jede Kritik an Israel zur Kritik an Juden erklären, fordert man antisemitische Parolen geradezu heraus.“ Für Rolf Verleger sieht die Logik der Argumentation in dem Film so aus: „Es gibt keinen Grund, Israel zu kritisieren, denn die Palästinenser haben Unrecht, daher ist jede Kritik an Israel unsachlich.“ Das aber, so das ehemalige Mitglied im „Zentralrat der Juden in Deutschland“, sei falsch.
    Jörg Schönenborn
    WDR und Arte sahen sich wegen der Ablehnung der Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ scharfer, auch polemischer Kritik ausgesetzt. Von Zensur, aber auch von „antizionistischen Ressentiments“ war die Rede. Jörg Schönenborn stellt sich bei „Maischberger“ dieser Kritik. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 21.06.2017 Das Erste
  • Folge 527
    Eine 15-Jährige wird mit ihren Eltern nach Nepal ausgewiesen, obwohl sie hier geboren wurde und ein Gymnasium besucht. Ein Afghane tötet in einem Flüchtlingsheim einen Jungen. Obwohl er als verurteilter Gewalttäter bekannt war, konnte er in Deutschland bleiben. Beide Fälle haben in diesen Tagen für Aufsehen gesorgt: Was läuft in der Abschiebepraxis schief? Schiebt Deutschland zu wenige abgelehnte Asylbewerber ab? Und wenn, dann oft die Falschen? Darf tatsächlich die Mehrheit der abgewiesenen Asylbewerber in Deutschland bleiben?
    Die Gäste:
    Renate Künast, B’90/​Grüne (Bundestagsabgeordnete)
    Stephan Mayer, CSU (innenpolitischer Sprecher)
    Arnold Plickert, GdP (Erster Polizeihauptkommissar)
    Nurjana Arslanova (Flüchtlingsaktivistin)
    Michael Multerer (Bürgermeister)
    Bivsi Rana (abgeschobene Schülerin)
    Renate Künast
    „Bessere Integration statt mehr Abschiebungen“ ist das Credo der ehemaligen Bundesministerin. CSU-Forderungen nach einer Verschärfung der Abschiebepraxis lehnt Renate Künast als „populistisch“ ab. Sie beklagt vielmehr das Chaos bei der Bearbeitung der Asylanträge in Deutschland. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gäbe es massive Qualitätsprobleme. Dort ginge es teilweise „drunter und drüber“, wie der Fall des Bundeswehrsoldaten Franco A. gezeigt habe, der sich fälschlicherweise als Flüchtling registrieren konnte.
    Stephan Mayer
    Der CSU-Innenpolitiker spricht sich gegen einen vollständigen Abschiebestopp nach Afghanistan aus: „Das wäre eine Einladung für alle Schlepper und Schleuser, wenn man mit Sicherheit davon ausgehen könnte, dass auch abgelehnte afghanische Asylbewerber unser Land nicht verlassen müssten.“ Für so genannte „Gefährder“ wie gewaltbereite Islamisten verlangt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion eine Ausweitung der Ausweisungen in den Irak. Der bayerische Politiker fordert zudem andere Bundesländer auf, konsequenter abzuschieben: „Abschiebungen sind teuer, aber es ist gut investiertes Geld.“
    Arnold Plickert
    Der Polizist kritisiert den Mangel an Abschiebehaftplätzen, speziell in Nordrhein-Westfalen, und warnt deshalb vor „dramatischen Engpässen“. Erst im April mussten die Behörden in Leverkusen einen Straftäter laufen lassen, da in der Abschiebehaft kein Platz war. Besonders Straftäter aus den Maghreb-Staaten wüssten, dass ihnen hier nichts passiert, berichtet der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Die Chance, dass sie abgeschoben werden, liegt bei einem Prozent“, so Arnold Plickert, „und so lange sie hier sind, bestreiten sie ihren Lebensunterhalt durch Kriminalität.“
    Nurjana Arslanova
    „Ich hatte jede Nacht Angst, dass die Polizei in mein Zimmer kommt und ich abgeschoben werde. Eine Duldung ist der schlimmste Status, den man haben kann“, erinnert sich die 27-Jährige aus dem kaukasischen Dagestan. Zwölf Jahre lang drohte der heutigen Erzieherin die Abschiebung, bis sie sich 2014 eine Aufenthaltsgenehmigung erkämpfen konnte. Nurjana Arslanova hält die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung für unmenschlich und engagiert sich als Sprecherin für „Jugendliche ohne Grenzen“. Sie fordert ein Bleiberecht für alle Flüchtlinge.
    Michael Multerer
    Der Mord an einem fünfjährigen Jungen in der Flüchtlingsunterkunft des oberpfälzischen Arnschwang schockierte an Pfingsten ganz Deutschland. Ein Afghane erstach ein fünfjähriges Kind, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Der Täter war vorher nicht abgeschoben worden, obwohl er eine mehrjährige Haftstrafe in Deutschland verbüßt hatte und als höchst gefährlich galt. Er war im Gefängnis zum Christentum konvertiert. Christen gelten in Afghanistan als gefährdet. „Wenn die Gesetzeslage es zulässt, dass ein verurteilter Schwerverbrecher nicht abgeschoben werden kann, dann ist das ein Skandal“, empört sich der Arnschwanger Bürgermeister Michael Multerer.
    Bivsi Rana
    Die Abschiebung der 15-jährigen Bivsi löste Entsetzen aus: In Deutschland geboren und aufgewachsen, wurde sie vor wenigen Wochen mitten aus dem Unterricht in ihrem Duisburger Gymnasium herausgeholt und mit ihrer Familie in ein Flugzeug nach Kathmandu gesetzt. „Für mich war das ein Schock! Ich konnte mich noch nicht mal von meinen Freunden und meiner Klasse verabschieden“, erzählt die Schülerin. Ihre Eltern waren vor fast 20 Jahren aus Nepal eingereist. Gegen den abgelehnten Asylantrag hatten sie vergeblich durch alle Instanzen geklagt. Nun kämpft die Familie darum, wieder nach Deutschland zurück zu dürfen.
    Deutsche TV-Premiere Mi. 28.06.2017 Das Erste
  • Folge 528
    Angela Merkel lädt zum G20-Gipfel nach Hamburg. Selten wurde das Spitzentreffen der mächtigsten Politiker der Welt mit so viel Spannung erwartet. Der US-Präsident Donald Trump ist zum ersten Mal in Deutschland und trifft dort auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin – auch das eine Premiere. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sorgt im Vorfeld für Ärger, und G20-Gegner haben massive Proteste angekündigt. Kann Angela Merkel die unterschiedlichen Interessen zusammenführen oder wird der Streit eskalieren?
    Die Gäste:
    Dieter Kronzucker (Fernsehmoderator)
    Sahra Wagenknecht, Die Linke (Fraktionsvorsitzende)
    Norbert Röttgen, CDU (Außenpolitiker)
    Joachim Steinhöfel (Rechtsanwalt und Publizist)
    Haluk Yildiz (BIG-Partei)
    Dieter Kronzucker
    Seit Jahrzehnten berichtet der Fernsehjournalist von den Gipfeltreffen der Weltmächte. So gefährlich wie momentan sei die politische Lage jedoch lange nicht gewesen. „Donald Trump ist ein Sicherheitsrisiko“, warnt der langjährige Amerika-Korrespondent. Mit Russland stehe Amerika zunehmend in Konfrontation: „In Syrien kann es jeden Tag schief gehen, die Lage ist brandgefährlich.“ Die Türkei unter Erdogan erlebe eine „rasende Islamisierung“, analysiert der ehemalige Moderator des „heute journal“ (ZDF). Deshalb begrüßt Dieter Kronzucker das Auftrittsverbot für den türkischen Präsidenten während des Gipfels.
    Sahra Wagenknecht
    „G20 ist rausgeworfenes Geld, denn bei diesen Gipfeln ist bisher nie etwas Vernünftiges herausgekommen“, sagt die Linken-Politikerin. In Hamburg würden nicht Problemlöser, sondern die entscheidenden Verursacher globaler Probleme am Tisch sitzen: „Durch ihre Kriege, ihre Waffenexporte, ihre ausbeuterische Wirtschaftspolitik sind viele G20-Staaten direkt verantwortlich für Armut und Tod auf dieser Welt“, ist die Fraktionsvorsitzende überzeugt. Auch Angela Merkels Agenda würde von den Wünschen der Konzernlobbyisten bestimmt, erklärt Sahra Wagenknecht.
    Norbert Röttgen
    Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses malt ein düsteres Bild der aktuellen Weltlage und befürchtet einen Zusammenbruch der westlichen Weltordnung: „Es ist eine Minute vor Zwölf für Europa.“ Liberale und demokratische Werte seien sowohl durch Wladimir Putin als auch durch Donald Trump akut bedroht, sagt der ehemalige Bundesminister. Er hält die USA derzeit nicht für einen verlässlichen Partner. „Es gibt immer noch keine amerikanische Außenpolitik“, kritisiert Norbert Röttgen und ergänzt, dass US-Präsident Trump nicht in der Lage sei, die Nato zu führen.
    Joachim Steinhöfel
    Der Hamburger Anwalt für Wettbewerbs- und Presserecht glaubt nicht, dass die Kanzlerin beim G20-Gipfel wirklich Einfluss auf Trump oder Putin haben wird. „Merkel bringt weltpolitisch nichts voran. Wenn jemand als Stabilitätsanker fungiert, dann ist das Amerika“, sagt der ehemalige TV-Moderator. Der Politik-Blogger gewinnt der Politik des US-Präsidenten auch Positives ab. Er befürwortet Trumps Einreisestopp für muslimische Länder und findet den Austritt der USA aus dem Klimaabkommen nachvollziehbar. Joachim Steinhöfel hält die Kanzlerin auch für machtlos gegenüber Erdogan. „Merkel hat Deutschland mit ihrer Flüchtlingspolitik in eine hochproblematische Situation hineinregiert und ist damit erpressbar geworden.“
    Haluk Yildiz
    Der Gründer und Parteivorsitzende der BIG-Partei verurteilt das Redeverbot für den türkischen Präsidenten Erdoðan scharf: „Erdogan wird in Deutschland immer dämonisiert.“ Der deutsche Staat könne nicht den zwei Millionen hier lebenden türkischen Staatsbürgern das Recht vorenthalten zu hören, was der Präsident zu sagen habe. „Seine Reden in Deutschland sind immer sehr verbindend“, betont der deutsch-türkische Unternehmensberater. Die Anti-Erdogan-Haltung der Bundesregierung sei „allein politisches Kalkül aus Wahlkampfgründen“, glaubt Haluk Yildiz. (Text: ARD)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 05.07.2017 Das Erste
  • Folge 529
    Die schweren Krawalle rund um den G20-Gipfel sorgen für Entsetzen. Obwohl mehr als 15.000 Polizisten im Einsatz waren, konnte der sogenannte Schwarze Block stundenlang marodierend durch Hamburg ziehen. Der Rechtsstaat schien kapituliert zu haben. Welche Verantwortung tragen Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und die Kanzlerin Angela Merkel? Hat die Polizei durch ihr Auftreten zur Eskalation der Proteste beigetragen? Oder haben „gewalttätige Extremisten terroristische Taten“ verübt, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière sagt?
    Die Gäste:
    Wolfgang Bosbach, CDU (Innenpolitiker)
    Jutta Ditfurth (Publizistin und Politikerin)
    Gerhard Kirsch (Hamburger Hauptkommissar)
    Jan van Aken, Die Linke (Bundestagsabgeordneter)
    Hans-Ulrich Jörges („Stern“-Kolumnist)
    Wolfgang Bosbach
    „Wir sollten der Polizei nicht in den Rücken fallen“, sagt der langjährige CDU-Innenexperte. Chaoten und Kriminelle hätten während des G20-Gipfels im Hamburger Schanzenviertel unter dem Vorwand des politischen Protestes schwerste Straftaten begangen. Der CDU-Bundestagsabgeordnete mahnt, konsequent und hart gegen die Randalierer vorzugehen: „Wenn der Staat ein ‚Wehret den Anfängen!‘ nicht beherzigt, werden die Zustände immer schlimmer“, fürchtet Wolfgang Bosbach, der nach der Bundestagswahl im September aus dem Parlament ausscheidet.
    Jutta Ditfurth
    Die linke Aktivistin demonstrierte am Wochenende in Hamburg gegen den G20-Gipfel und erlebte als Demonstrantin die Ausschreitungen in der Innenstadt. Die Politikerin der „Ökologischen Linke“ macht vor allem der Polizei Vorwürfe: „Wer ein mobiles Einsatzkommando mit Maschinengewehren auf einen Platz voll Menschen schickt, schafft ein Bürgerkriegsszenario.“ Die ehemalige Grünen-Chefin attackiert den rot-grünen Hamburger Senat. „Wollen SPD und Grüne zurück zur Militarisierung der Polizei und die Bürger zum Abschuss freigeben?“, fragt Jutta Ditfurth.
    Gerhard Kirsch
    Der Hamburger Polizeibeamte war von Donnerstag bis Montag früh fast pausenlos im Einsatz. „Wir können von Glück sagen, dass kein Beamter schwer verletzt oder getötet wurde“, bilanziert der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt sieht er allein bei den kriminellen Gewalttätern des Schwarzen Blocks: „Sie waren von Anfang an nicht gewillt, das Versammlungsgesetz zu respektieren und den Aufforderungen nachzukommen, ihre Vermummungen abzulegen“, sagt der Hauptkommissar.
    Jan van Aken
    Der Hamburger Linken-Politiker organisierte die größte Protestdemo gegen den G20-Gipfel, die am vergangenen Samstag friedlich verlief. Für die vorherige Eskalation macht er die Polizei mitverantwortlich: „Ich habe direkt daneben gestanden und beobachtet, dass dieses Eingreifen der Polizei völlig unnötig war.“ Das massive Auftreten der Polizei sei politisch gewollt gewesen, glaubt der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion. „Ich habe mich die ganze Zeit gefragt“, so der scheidende Bundestagsabgeordnete, „ob der Hamburger Senat die Bilder erzeugen wollte, die er wochenlang vor dem Gipfel an die Wand gemalt hatte“.
    Hans-Ulrich Jörges
    „Olaf Scholz war unfähig, seine Bürger vor dem marodierenden Mob zu schützen. Er versagte jammervoll beim G20-Gipfel“, kritisiert der Journalist den Hamburger Bürgermeister. Es sei bereits ein Fehler gewesen, das Treffen in die Mitte einer Metropole zu legen, sagt der „Stern“-Kolumnist: „Das war eine kalkulierte Katastrophe.“ Hans-Ulrich Jörges verurteilt zudem die Verharmlosung des Schwarzen Blocks in der linken Szene: „Linksextremismus wird in weiten Teilen toleriert. Er ist fast zur Folklore geworden.“
    Deutsche TV-Premiere Mi. 12.07.2017 Das Erste

zurückweiter

Füge maischberger kostenlos zu deinen Serien hinzu und verpasse keine Neuigkeit mehr.
Alle Neuigkeiten zu maischberger und weiteren Serien deiner Liste findest du in deinem persönlichen Feed.

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn maischberger online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…

Hol dir jetzt die fernsehserien.de App