Staffel 2, Folge 1–6

Staffel 2 von „Geschehen, neu gesehen“ startete am 29.12.2020 auf arte.tv und am 05.01.2021 bei arte.
  • Staffel 2, Folge 1 (50 Min.)
    Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland. Seine Anführer mussten bestraft, seine Symbole und Vorhaben ein für alle Mal ausgemerzt werden. Die von den Medien stark beachteten Nürnberger Prozesse ließen auf die Befreiung Deutschlands von der verheerenden Ideologie hoffen. Doch schon bald erwies sich dieser Versuch als Wunschdenken: Die Alliierten erkannten schnell, dass die Entnazifizierung von Millionen NSDAP-naher Deutscher ein nicht realisierbares Ziel darstellte, was der deutschen Bevölkerung, die die NS-Verbrecher teilweise gedeckt hatte, zu einer gewissen Rehabilitierung verhalf.Hinzu kam, dass die Entnazifizierung mit dem Ausbruch des Kalten Krieges in den Hintergrund rückte.
    Schon ab 1947 galten nicht mehr die Nazis als die Erzfeinde, sondern die Kommunisten bzw. die Kapitalisten. Die Siegermächte jagten einander zwar die NS-Wissenschaftler ab, wollten aber gleichzeitig Deutschland nicht seiner tragenden Kräfte für den Wiederaufbau berauben. Deshalb beschränkte sich die Säuberungspolitik in den westlichen Besatzungszonen auf einen schlichten Fragebogen, während die Entnazifizierung in der sowjetischen Besatzungszone vor allem zur Ausschaltung politischer Gegner diente.
    Doch die Gründung der beiden deutschen Staaten im Jahr 1949 setzte diesem Prozess ein Ende: In der DDR wurde die Schaffung des Landes als Schlusspunkt und Vollendung der Entnazifizierung dargestellt; Adenauers BRD zählte auf das Wohlwollen der Nachbarländer, die im Namen des gemeinsamen Kampfes gegen den Kommunismus dem Erinnern das Vergessen vorzogen.
    Damit begann in Deutschland eine Phase der Amnesie, die zahlreichen ehemaligen Nazis ein unbehelligtes Leben ermöglichte.Erst Anfang der 1960er Jahre holten dank der Hartnäckigkeit von Generalstaatsanwalt Fritz Bauer der Eichmann-Prozess und die Frankfurter Auschwitzprozesse den Holocaust erneut zurück ins Licht der Öffentlichkeit. Zum ersten Mal arbeitete das deutsche Volk die NS-Verbrechen auf.Die kollektive Bewusstwerdung beschleunigte sich ab 1968, als Beate Klarsfeld Bundeskanzler Kiesinger, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied, öffentlich ohrfeigte.
    Der Vorfall war insofern symbolisch, als er die junge Generation, die den Nationalsozialismus nicht erlebt hatte, dazu veranlasste, Rechenschaft von ihren Eltern zu fordern. Mehr als 20 Jahre nach Kriegsende war in Deutschland endlich die Zeit der Selbstbefragung und der Reue gekommen.Doch die unvollständige Entnazifizierung kam letztlich allen zupass, allen außer den Millionen Opfern, von denen vielen nie Gerechtigkeit widerfuhr. Noch heute ist Deutschland nicht frei von NS-Verbrechern. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 05.01.2021arteDeutsche Online-PremiereDi 29.12.2020arte.tv
  • Staffel 2, Folge 2 (55 Min.)
    Am 1. September 1939 begann in Europa der Krieg. Angesichts der sich abzeichnenden Bedrohung berief die Schweiz ihre Mitbürger zum Wehrdienst ein. Das Land und seine Armee sahen sich einer möglichen Invasion jedoch nicht gewachsen. Zudem war die schweizerische Volkswirtschaft weitgehend importabhängig, vor allem von deutscher Kohle. Daher bemühte sich die Schweiz, die Kontakte mit allen Partnern weiterhin zu pflegen, ohne ihre traditionelle Neutralität aufs Spiel zu setzen. Einige Monate später gewann die Wehrmacht den Krieg an der Westfront gegen Frankreich, die britische Armee war auf der Flucht.
    Und die Schweiz war eingekesselt. Aus Pragmatismus und um ihren mächtigen Nachbarn nicht vor den Kopf zu stoßen, entschied sich die Alpenrepublik für eine drastische Verschärfung ihrer Flüchtlingspolitik. Tausende Juden wurden an den Grenzen abgewiesen, während das Internationale Rote Kreuz mit seinen humanitären Diensten versuchte, den Ruf des Landes aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wurden die Schweizer Banken zu willfährigen Hehlern des in den besetzen Ländern gestohlenen Nazigoldes. Die schweizerische Industrie lief auf Hochtouren, um die Wehrmacht mit Waffen und Ausrüstung zu beliefern, und schweizerische Tochterunternehmen in Deutschland beteiligten sich ohne Skrupel an den deutschen Kriegsanstrengungen.
    Mit Kriegsbeitritt der USA im Jahr 1942 wurden die Beziehungen zwischen Bern und Berlin zunehmend anrüchig, zumal sich die Schweiz mit ihren Gefälligkeiten immer stärker kompromittierte. Trotz allen Drucks behielt sie jedoch ihren Kurs bei und setzte weiter auf eine boomende Wirtschaft als Garant der vielbeschworenen Neutralität. Erst in den letzten Kriegsmonaten verwehrte Bern Deutschland die zahlreich genossenen Finanzvorteile.
    Während Europa in der Nachkriegszeit am Boden lag, erfreute sich die Schweiz bester Gesundheit. Nur ihr Ruf war etwas ruiniert. Doch sehr schnell konnte die Schweiz ihr früheres Prestige zurückgewinnen. Die Kungelei mit dem Dritten Reich war vergessen. Erst 2002 offenbarten die Archive der Banken und großen Firmen, dass Bern – bewusst oder unbeabsichtigt – die Kriegsanstrengungen der Nazis kräftig unterstützt hatte. Die Schweizer debattierten, entschuldigten sich, entschädigten die Opfer und schlossen in der Überzeugung, die Vergangenheit hiermit bewältigt zu haben, wieder ihre Archive. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 05.01.2021arteDeutsche Online-PremiereDi 29.12.2020arte.tv
  • Staffel 2, Folge 3 (52 Min.)
    Am 30. November 1943 einigten sich die Alliierten auf eine gigantische Offensive in Westeuropa, die den Feind ein für alle Mal besiegen sollte. Trotz eines knappen Zeitplans und vieler Hindernisse fiel der Startschuss für die Landung in der Normandie – eine Operation, die aufgrund von Meinungsverschiedenheiten bei der Planung, fehlenden Booten und Soldaten, mangelhafter Vorbereitung sowie schlechtem Wetter mehrfach verschoben werden musste. Am 6. Juni 1944 schließlich stürmten die alliierten Truppen die Strände der Normandie. Die überraschten Deutschen schlugen zurück, waren aber schnell unterlegen. Doch auch wenn die erste Phase der Operation überwiegend ohne große Verluste verlief, geriet die Landung in Omaha Beach zum Desaster.
    Die Wochen nach dem D-Day darauf waren ein regelrechter Alptraum: Die Wehrmacht zeigte sich trotz Unterzahl und Führungsfehlern deutlich kämpferischer als gedacht und machte die Bocage-Landschaften der Normandie für die Alliierten zur tödlichen Falle. Wegen der ungünstigen Wetterlage stockte zudem die Logistik, und die Ankunft von Verstärkungen verzögerte sich. Die Soldaten der ersten Landungswelle, die über Wochen und ohne Luftunterstützung in einem engen Brückenkopf ausharren mussten, zweifelten am Sieg. Viele desertierten, erkrankten psychisch, begingen Diebstähle oder Vergewaltigungen.
    Trotz ihrer überwältigenden materiellen und zahlenmäßigen Überlegenheit konnten die Alliierten erst nach über zwei Monaten und unter hohen Verlusten Cherbourg und Caen einnehmen und die deutsche Verteidigung durchbrechen. Das war jedoch nur ein halber Sieg, schließlich gelang der Wehrmacht der geordnete Rückzug eines Großteils ihrer Männer. Die Hoffnung, dem Gegner mit der Operation Overlord den Todesstoß zu versetzen, hatte sich nicht erfüllt, und der Krieg dauerte an. Doch letztlich ließ die triumphale Befreiung von Paris alle Fehler der Operation vergessen. Für den Rest sorgte Hollywood. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.01.2021arteDeutsche Online-PremiereDi 05.01.2021arte.tv
  • Staffel 2, Folge 4 (52 Min.)
    Am 24. März 1947 wurde Earl Mountbatten of Burma (1900 – 1979) mit großem Pomp zum Vizekönig von Indien ernannt. Obwohl die Entlassung der 410 Millionen Inder in die Unabhängigkeit bereits beschlossene Sache war, versuchte die britische Krone mit einer glanzvollen Zeremonie den Schein zu wahren. Fünfmonatige Gespräche zwischen den beteiligten Mächten endeten mit einer willkürlichen Aufteilung des Gebiets zwischen Pakistan und Indien. Die Folgen waren verheerend. Doch der Gewalt wurde weniger Bedeutung beigemessen als dem – nicht ohne Hintergedanken vereinbarten – Beitritt der beiden neuen souveränen Staaten zum Commonwealth.
    Bald darauf kam es zu Unruhen in Malaysia und Kenia, die ebenfalls mit enormer Brutalität unterdrückt wurden. In beiden Fällen wurde die Repression durch massive Propaganda verdeckt, die den „Feind“ verteufelte und die Erzählung der Ereignisse bestimmte. 1956 zwangen die beiden neuen Weltmächte USA und Sowjetunion Großbritannien, den Sueskanal aufzugeben. Der neue Premierminister Harold Macmillan wusste, dass sich Großbritannien seine imperialistische Politik nicht mehr leisten konnte, und forderte, die wirtschaftlichen Kosten der Kolonien in einem „Empire-Audit“ zu überprüfen.
    Er war bereit, auf diese Gebiete zu verzichten, wenn im Gegenzug das nationale Prestige wiederhergestellt würde. Die Armee zeigte sich damit überhaupt nicht einverstanden. 1967 stellten sich abtrünnige britische Truppen im Jemen gegen die Regierung und zwangen mit ihrer blutigen Repression Großbritannien schließlich zum Rückzug. In Südrhodesien lehnte sich die weiße Bevölkerungsgruppe auf und richtete ein Apartheid-Regime ein. Die britische Krone, der es nicht gelang, ihre Untertanen auf Linie zu bringen, musste die Hilfe des Commonwealth annehmen.
    So konnte ein Abkommen erzielt werden, das zur Gründung von Simbabwe führte. Nach dem Verlust der letzten afrikanischen Kolonie war das britische Weltreich am Ende – daran konnte auch Margaret Thatchers finales imperialistisches Aufbäumen auf den Falklandinseln nichts ändern. Während die von der einstigen Besatzungsmacht destabilisierten Länder noch heute unter dem Trauma der Dekolonisierung leiden, pflegt das Vereinigte Königreich Nostalgie und singt bei den Proms lautstark „Rule, Britannia!“ Nicht ganz so lautstark, aber wenigstens hörbar sollte längst die so notwendige Aufarbeitung der Geschichte beginnen. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.01.2021arteDeutsche Online-PremiereDi 05.01.2021arte.tv
  • Staffel 2, Folge 5 (51 Min.)
    Am 16. Oktober 1978 wurde Johannes Paul II. als erster Nichtitaliener nach über 400 Jahren zum Papst gewählt – eine Revolution. Der neue Pontifex verfolgte zwei große Ziele: die Bedeutung der Kirche in der Gesellschaft wiederherzustellen und den kommunistischen Atheismus zu bekämpfen. Dieser Ideologie versetzte er bald nach seiner Inthronisation den ersten Schlag: Auf seiner Lateinamerikareise verurteilte er die marxistisch inspirierte Befreiungstheologie, kanzelte die Priester dieser Bewegung ab und stärkte ihre konservativeren Kollegen.
    1979 holte er in seinem Heimatland Polen zum zweiten Schlag aus, als er dazu aufrief, keine Angst vor dem Sowjetregime zu haben. Die Botschaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer und löste eine beispiellose Streikwelle aus. Moskau musste die Gründung der ersten freien Gewerkschaft Solidarność akzeptieren. Mit kaum verhohlener Unterstützung der USA stärkte der Papst den Widerstand gegen die polnische Diktatur bis zu deren Sturz. Doch während er in Europa die Verteidigung der Menschenrechte propagierte, stellte er sich in Lateinamerika auf die Seite antikommunistischer Diktaturen.
    1982 traf er in Buenos Aires den Diktator Galtieri und ließ die Hilfsorganisationen abblitzen, die um eine Audienz gebeten hatten. In Chile verschloss er fünf Jahre später die Augen vor der blutigen Repression der Gegner von General Pinochet. Auch bei der Lebensführung seiner Anhänger war Johannes Paul II. konservativ: Er verurteilte die Pille und Kondome und stieß mit einer Formulierung in seinem Buch „Erinnerung und Identität – Gespräche an der Schwelle zwischen den Jahrtausenden“, die einen Vergleich von Holocaust und Abtreibung nahelegte, unter anderem beim Zentralrat der Juden in Deutschland auf Kritik.
    Trotz medialer Triumphe erntete der Papst, der sich für eine Modernisierung der katholischen Kirche aussprach, tatsächlich aber die Dogmen einer anderen Zeit predigte, bei den Gläubigen Unverständnis. Von seiner Parkinson-Krankheit schwer gezeichnet, starb er 2005. Mit seiner Heiligsprechung wurden die dunklen Flecken seiner Amtszeit getilgt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 26.01.2021arte
  • Staffel 2, Folge 6 (52 Min.)
    Als Ronald Reagan am 20. Januar 1981 als 40. Präsident der USA vereidigt wurde, steckte das Land in einer tiefen Rezession. Gleich nach seiner Ankunft im Weißen Haus war klar, dass es diesem Präsidenten an Wissen und Erfahrung mangelte. Doch die Amerikaner waren felsenfest überzeugt: Reagan würde dem Land wieder zu Stolz und Ehre verhelfen! Nachdem er das Herz der Amerikaner erobert hatte, leitete Reagan eine weitreichende Wirtschaftsreform ein, um dem Land wieder zum Aufschwung zu verhelfen. Es war eine radikale Abkehr von der Vergangenheit. Der Staat zog sich aus seiner sozialen Verantwortung zurück, die Ungleichheiten nahmen zu, die Staatsverschuldung war horrend.
    Reagan sah sich gezwungen, die größte Steuererhöhung in der Geschichte der USA vorzunehmen. Doch das schadete ihm nicht, ganz im Gegenteil: Reagan war ein Pragmatiker und schreckte vor offenen Widersprüchen nicht zurück. Geschickt surfte er auf der Welle des nun einsetzenden Wirtschaftswachstums, obwohl dies nicht sein Verdienst war, und holte sich mit klarer Mehrheit eine zweite Amtszeit. Getreu seinem Cowboy-Image hatte er nun freie Bahn, um sich seinen Erzfeind vorzuknöpfen: den Kommunismus! Verdutzt erfuhren die Amerikaner, dass Reagan einen „Krieg der Sterne“ plante.
    Die Militarisierung des Weltalls versetzte die UdSSR in Panik und trieb sie in ein ruinöses technologisches Wettrüsten. Er beendete 40 Jahre Kalten Krieg und polierte damit sein Image auf. Gorbatschow, an der Spitze einer ausgebluteten und zerfallenden Sowjetunion, war zu allen Zugeständnissen bereit. 1989 schied Reagan aus dem Amt – und war beliebter denn je, obwohl die Bilanz seiner Regierung eher durchwachsen war. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereDi 26.01.2021arte

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