Staffel 3, Folge 1–4

Staffel 3 von „Armes reiches Deutschland“ startete am 29.10.2023 im ZDF.
  • Staffel 3, Folge 1 (30 Min.)
    Schichtdienst und Kindererziehung: Jessica Böcking aus Unna versucht alles unter einen Hut zu bringen. – Bild: ZDF und Lars Schwellnus /​ Docuvista Filmproduktion./​Lars Schwellnus /​ Docuvista Film
    Schichtdienst und Kindererziehung: Jessica Böcking aus Unna versucht alles unter einen Hut zu bringen.
    Ständig Geldsorgen und nie Zeit für sich: Das ist der Alltag von vielen Alleinerziehenden. Fast jede fünfte Familie in Deutschland ist eine Familie mit alleinerziehendem Elternteil. Rund 35 Prozent der Alleinerziehenden sind auf Bürgergeld angewiesen. Keine andere Gruppe ist so stark armutsgefährdet wie alleinerziehende Frauen. 5:00 Uhr morgens – der Wecker klingelt. Jessica Böckings Tag beginnt. Die Krankenschwester hat oft Frühschicht. Sie pendelt von Unna nach Dortmund, an schlechten Tagen braucht sie eine Dreiviertelstunde pro Strecke.
    Offiziell hat sie eine 35-Stunden-Stelle, aber durch zwölf- oder 15-Stunden-Tage liegt ihre tatsächliche Arbeitszeit deutlich drüber. „Ich muss so viel arbeiten, sonst reicht das Geld nicht aus. Darunter leiden dann meine Kinder, die natürlich gerne mehr Zeit mit mir verbringen würden.“ Ihr Sohn ist 13, ihre Zwillingsmädchen sind acht Jahre alt. Ungefähr dreimal die Woche kommt frühmorgens eine ehrenamtliche Helferin vom Projekt „Eulen und Lerchen“.
    Sie passt auf die Kinder auf, bis sie zur Schule gehen. Wenn Böcking Spätschicht oder Nachtschicht hat, springt ihre Mutter ein. Nach der Nachtschicht setzt Jessica ihre Kinder auch mal in paar Stunden vor den Fernseher, um Schlaf nachzuholen. Zeit für sich selbst hat sie nie: „Ich brauche ja schon extrem viel Unterstützung, um meinen normalen Alltag zu schaffen und arbeiten zu gehen. Da werde ich bestimmt nicht fragen: Hey, du hast diese Woche schon fünfmal auf meine Kinder aufgepasst, kommst du noch ein sechstes Mal, damit ich ins Kino gehen kann?“ Eine Fußballzeitschrift kaufen oder einfach mal Pizza bestellen: Das ist nicht drin für Madlen und ihre drei Kinder, zwölf, 13 und 16 Jahre alt.
    Madlen ist seit elf Jahren alleinerziehend. Mit einer Teilzeitstelle, Wohngeld und Unterhalt hält sich die technische Zeichnerin über Wasser. Aber es reicht hinten und vorne nicht: „Ich möchte einfach mal einkaufen gehen, ohne darauf achten zu müssen, wie viel dann am Ende rauskommt“, wünscht sie sich.
    Mehr als halbtags arbeiten kann sie nicht – aus gesundheitlichen Gründen und weil sie sich nachmittags intensiv um ihren jüngsten Sohn kümmern muss. Er hat eine sozial-emotionale Entwicklungsstörung und besucht vormittags eine Integrativschule. „Die einzige Zeit, die ich für mich habe, ist mein Arbeitsweg. Ich gehe zu Fuß und genieße diese 30 Minuten sehr“, erzählt Madlen. Durchatmen ist nur selten möglich: Vor Kurzem waren Madlen und die Kinder für eine Woche in Greifswald im Urlaub. Dafür hatte sie fünf Jahre lang gespart. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.10.2023ZDF
  • Staffel 3, Folge 2 (30 Min.)
    „Ich arbeite selbst und ständig“ – so fasst Ladeninhaber Jens Zeller seine Situation zusammen.
    Zwölf-Stunden Tage, Dauerstress und am Ende wenig Geld prägen das Leben vieler Selbstständiger. Nach Corona ist es jetzt die Inflation, die ihnen das Leben zusätzlich schwer macht. Trotzdem wagen Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit. Ihr Traum: die Freiheit zu haben, eigene Ideen zu verwirklichen. Der Alltag ist dann doch oft ernüchternd. Aber Aufgeben ist für die meisten keine Option. Wenn das Telefon klingelt, ist Pauline Döring zur Stelle: Die 56-Jährige ist seit 28 Jahren selbstständige Taxifahrerin und derzeit auf jeden Auftrag angewiesen.
    Doch auch wenn sie manchmal täglich über zehn Stunden im Auto sitzt – unterm Strich ist ihre Bilanz immer noch weit unter Vor-Corona-Niveau. Die Einnahmen sind da, aber die massiv gestiegenen Kosten für Versicherungen, Sprit, Waschstraße und Reparaturen fressen den Gewinn komplett auf. Die Folge: Nur knapp 1000 Euro netto kann sie sich pro Monat als Gehalt auszahlen – das liegt weit unter ihrem früheren Lohn. „Ich liebe meinen Job, aber es ist wirklich schwer.
    Und meine Rente? Ich werde definitiv länger arbeiten müssen, anders ist es gar nicht möglich.“ In der Bäckerei von Fahad Bajwa packt die ganze Familie mit an. Der 27-jährige Berliner hatte BWL studiert und arbeitete bei einem Start-up, als sich die Chance bot, eine Traditionsbäckerei im Stadtteil Pankow zu übernehmen. Akribisch studierte Fahad gemeinsam mit seinem Vater die Bücher der vergangenen Jahre, erstellte Finanz- und Businesspläne und rechnete finanzielle Puffer für die Anfangszeit mit ein, bevor die Familie 2021 den Schritt in die Selbstständigkeit wagte.
    Doch die radikalen Preisexplosionen durch den Ukrainekrieg und die Inflation treffen den Betrieb unerwartet. 50 Prozent mehr Kosten fürs Mehl, fast ebenso viel bei Gas und Strom. „Gerade läuft der Betrieb nur, weil die ganze Familie mit anpackt“, sagt Fahad. „Mit externem Personal wäre das alles nicht zu schaffen.“ Jens Zeller hat aktuell knapp 20 Angestellte. Trotzdem steht er täglich in einem seiner fünf Läden für Wohnaccessoires, Mode und Papeterie, dekoriert Schaufenster, berät Kunden und kümmert sich abends um Rechnungen, Personalplanung und Bestellungen.
    Der Dauerstress hat ihm eine Gürtelrose und kreisrunden Haarausfall beschert, erste Anzeichen eines Burnouts. Doch aufgeben ist für Jens Zeller keine Option – zu viele Kredite und all seine Ersparnisse stecken in den Geschäften. „Ich würde mir wünschen, dass sich die Politik bei all ihren Entlastungspaketen mal Gedanken um uns Solo-Selbstständige macht. Auch wir halten Wirtschaft und Arbeitsmarkt am Laufen.“ (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.11.2023ZDFDeutsche Online-PremiereFr 10.11.2023ZDFmediathek
  • Staffel 3, Folge 3 (30 Min.)
    Ein junger Obdachloser bettelt am Kölner Hauptbahnhof.
    Hilfsbedürftige Menschen mitten in der Innenstadt: Ein Bild, an das wir uns in Deutschland offenbar schon gewöhnt haben. Doch die Inflation hat die Armut noch größer gemacht. Die Menschenschlagen vor Tafeln und Suppenküchen haben sich vielerorts mehr als verdoppelt. Viele Hilfseinrichtungen sind am Limit. 17,3 Millionen Menschen in Deutschland waren 2022 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Denny S. kommt seit drei Jahren zur Tafel. Der 45-jährige Cottbusser ist arbeitsunfähig – infolge von langjähriger Zuckerkrankheit entwickelte er einen Diabetischen Fuß.
    Letztes Jahr kurz vor Weihnachten musste dann sein rechter Unterschenkel amputiert werden. So lange es ging, arbeitete es als Pflegehelfer im Krankenhaus und hatte 1800 Euro netto in der Tasche. Jetzt lebt Denny am Existenzminimum, die Tafel ist ein wichtiger Teil seiner Versorgung. „Vor ein paar Monaten gab es noch deutlich mehr – auch mal Wurst oder Käse.“ Seit März letzten Jahres kommen auch viele Flüchtlinge aus der Ukraine zur Cottbusser Tafel. „Wenn plötzlich nicht mehr so viel da ist, bleibt das natürlich nicht ohne Konflikte.“ Kai Noack, der Leiter der Tafel Cottbus, hat die Bedürftigen daher in Gruppen aufgeteilt.
    Rentner, Ukrainer, Arbeitende et cetera. „So haben wir weniger Ärger.“ Über 2,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen regelmäßig Lebensmittel von den Tafeln. Vor allem Arbeitslose, Rentner, Alleinerziehende und Großfamilien. Die Tafeln sind inzwischen eine wichtige Säule bei der Armutsbekämpfung. Das war eigentlich nie so vorgesehen. „Ursprünglich waren wir mal Lebensmittelretter und nicht Teil des Sozialsystems“, sagt Inan Middelhoff.
    Er leitet die Tafel in Köln-Mühlheim. Er ärgert sich darüber, dass diese Einrichtungen als selbstverständlich wahrgenommen werden – von Politik und Behörden. Wie viele andere Tafeln in Deutschland auch, kommen sie Köln-Mühlheim immer mehr an ihre Grenzen. Denn nicht nur die Zahl der Bedürftigen hat drastisch zugenommen – auch die Ressourcen werden immer knapper. Tafeln und Suppenküchen werden ausschließlich von Spenden getragen.
    Vor allem Lebensmittelspenden von Supermärkten und Discountern. In den letzten Jahren hat der Handel seine Einkaufspolitik aber so optimiert, dass weniger Lebensmittel übrigbleiben. Es werden weniger Waren in die Regale gestellt, auch wenn das bedeutet, dass abends bei Rewe, Edeka & Co.die ein oder andere Lücke im Sortiment ist. „Die Kunden akzeptieren das inzwischen. So wird ja auch weniger weggeschmissen. Aber es bleibt eben auch weniger für uns.“ Christine Sparr leitet die Tafel Offenbach. Im Gegensatz zu früher hat sie große Mühe, genug aufzutreiben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 19.11.2023ZDFDeutsche Online-PremiereFr 10.11.2023ZDFmediathek
  • Staffel 3, Folge 4 (30 Min.)
    Darwin bringt Kunden Lebensmittel nach Hause. Der Arbeitsdruck ist mitunter sehr hoch, die Arbeit schwer. Gezahlt wird der Mindestlohn. Darwin verdient sich so sein Studium. Geld vom Staat nimmt er nicht an. Für seinen Lebensunterhalt will er selbst aufkommen.
    Gestiegene Preise bei Energie und Lebensmitteln, aber kaum erhöhte Arbeitslöhne – das belastet vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen. Geringverdiener sparen, wo sie können: Urlaub zu Hause, mit Bedacht einkaufen, aber irgendwann ist die Grenze erreicht. Wie weit kann es gehen? Betroffene versuchen, gegen den Abstieg anzukämpfen und sich damit zu arrangieren, dass vom Lohn nichts übrig bleibt. Marleen S. (34) ist Bäckereiverkäuferin in Brandenburg. Ihr Mann arbeitet ebenfalls im Einzelhandel. Zusammen haben sie drei Kinder, der Älteste ist 13, die Jüngste zwei Jahre alt.
    Die Kindergelderhöhung konnte die steigenden Kosten für den Nachwuchs nur abdämpfen. Zu Hortgebühren, Kitakosten und Schulausstattung kommen die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten. Die Familie spart, wo sie kann, sie beschwert sich nicht. Eine Reise ist schon lange nicht mehr drin. Die Kinder verstehen das, man könne auch gut zu Hause bleiben, trösten sie die Eltern. Iris G. arbeitet in der Küche bei einer hundertprozentigen Tochterfirma der Universitätsklinik Charité in Berlin. Ihr bleiben, nach Abzug aller Kosten, rund 650 Euro im Monat zum Leben.
    Sie hatte es nie leicht, zog zwei Kinder allein groß, konnte mit wenig klarkommen. In den Urlaub fährt sie schon lange nicht mehr, aber damit kann sie leben. Was sie aber auf die Palme bringt: Alle Mitarbeiter der Charité haben 3000 Euro Inflationsausgleich bekommen, nur die Beschäftigten der Tochterfirma, bei der besonders viele Geringverdiener arbeiten, erhielten nichts. Sie kämpft mit der Gewerkschaft dagegen an. Reserven hat sie keine, und wenn sie in einigen Jahren in Rente geht, dann wird diese sehr gering ausfallen.
    Tim P. aus Usedom ist 19 Jahre alt und macht eine Ausbildung zum Fitnesskaufmann. 800 Euro hat er im Monat netto, davon bezahlt er seine Wohnung, das Auto und alles, was er zum Leben braucht. Ab und zu stecken ihm die Eltern oder seine Oma was zu. Wichtig für ihn ist, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Teuerung versucht er durch Sonderangebote abzumildern, seinen Lieblingssmoothie gibt es nur noch, wenn er runtergesetzt ist. Schwer ist es allerdings, das Geld für neue Fußballschuhe zusammenzubringen. Darwin aus Bochum ist 26 Jahre alt.
    Er studiert Maschinenbau, leider etwas länger als andere, aber dafür verdient er sich jeden Euro selbst. Geld vom Staat zu nehmen, das sei nicht sein Ding, sagt er, lieber gehe er arbeiten. Mehrmals die Woche, wenn er keinen Unterricht hat, fährt er Lebensmittel aus zum Mindestlohn. Vater ist er mit 22 Jahren geworden, das sei nicht leicht, mache aber auch Spaß. Mit der Mutter des Vierjährigen lebt er zusammen. Sie macht ihr Abitur nach. Wenn Mitschüler eine leere Flasche im Klassenzimmer stehen lassen, sammelt sie sie ein. Auf jeden kleinen Betrag kommt es an. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.11.2023ZDFDeutsche Online-PremiereFr 10.11.2023ZDFmediathek

zurück

Erinnerungs-Service per E-Mail

TV Wunschliste informiert dich kostenlos, wenn Armes reiches Deutschland online als Stream verfügbar ist oder im Fernsehen läuft.

Auch interessant…