Staffel 2, Folge 1–3

Staffel 2 von „Armes reiches Deutschland“ startete am 02.12.2022 in der ZDFmediathek und am 07.12.2022 im ZDF.
  • Staffel 2, Folge 1
    Nach aktuellen Zahlen des Bundesamtes für Statistik sind rund 13 Millionen Menschen in Deutschland armutsbedroht. Seit Jahren verharrt die Zahl auf einem ähnlich hohen Niveau. Aber was heißt armutsbedroht, wie wirkt sich die ständige finanzielle Mangellage auf das Leben, die Ernährung, die psychische Gesundheit aus? Der Andrang in der Dortmunder Suppenküche Kana hat zugenommen. Eine warme Mahlzeit, Obst, Kaffee, Kuchen in einer Plastiktüte: Für dieses Essen steht neben Obdachlosen und Drogenabhängigen auch Alexander in der Schlange.
    Der 30-Jährige geht auf eine Schule für Tontechnik. BAföG gibt es dafür nicht. Monatlich 190 Euro kostet ihn die Schule, das Geld zwackt er von Hartz IV ab. Trotz Minijob, den er nebenher macht, reicht sein Geld meist nur bis Mitte des Monats. Dass in Deutschland niemand Hunger hat, sei ein Irrtum, meint er, selbst steht er immer wieder vor dem leeren Kühlschrank. Alexander hat den Hauptschulabschluss. Jetzt hat er ein Ziel: Eine gute Ausbildung machen. Auch Stefanie (30) und ihr Partner Patrick (36) haben Probleme, über die Runden zu kommen, seit alles teurer geworden ist.
    Stefanie ist schwanger. Sobald wie möglich will das Paar aus der Stadt raus. Ihr Kind soll an einem Ort aufwachsen, wo traditionelle Werte noch eine Rolle spielen. Im Sozialkaufhaus finden sie eine gebrauchte Wiege, auch ein Babyshirt für einen Euro. Beide würden gern arbeiten gehen, aber nicht wieder für Jobs weit unter dem Mindestlohn, die ihnen als Langzeitarbeitslose angeboten werden. Alex geht in Berlin in die zehnte Klasse, er möchte Abitur machen, Bildung ist für ihn der Weg aus der Armutsfalle.
    In einer karitativen Jugendeinrichtung findet er Unterstützung bei den Hausaufgaben. Nur wenige, die hier herkommen, streben einen höheren Bildungsabschluss an. Die Vorbilder in den Familien fehlen. Alex ist da eine Ausnahme, meint die Sozialarbeiterin, er hat Ziele. In der Kleiderkammer kann er sich gebrauchte Sachen aussuchen. Lieber hätte er auch Neue, aber das geht eben nicht, er nimmt es hin, wie es ist.
    Alex konzentriert sich auf die Schule und sein Hobby, den Sport. Gabi in Bochum ist als Rentnerin auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen. Sie hat als Altenpflegerin gearbeitet, ihre Rente würde ganz knapp reichen, aber zusammen mit ihrem Mann, der Hartz IV erhält, bildet sie eine Bedarfsgemeinschaft, jetzt sind beide auf dem Hartz-IV-Niveau. Die Zahl derer, die zur Tafel drängen, nimmt beständig zu, sagen die Betreiber der Bochumer Tafel, aber sie können keine neuen Kunden mehr aufnehmen.
    Unter dem Hashtag #ichbinarmutsbetroffen, versuchen Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, sich Gehör zu verschaffen. Alexander aus Dortmund ist bei der ersten Demonstration der Betroffenen in Berlin dabei. Es sind nicht sehr viele, die vor dem Kanzleramt demonstrieren, aber Alexander ist überzeugt: „Wer nicht sichtbar ist, auf den wird auch nicht geachtet.“ Die ZDF.reportage beleuchtet Lebenswege von Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen in der Armut angekommen sind, aber nicht dortbleiben wollen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereMi 07.12.2022ZDFDeutsche Online-PremiereFr 02.12.2022ZDFmediathek
  • Staffel 2, Folge 2
    Armut ist in Deutschland längst nicht mehr nur ein Problem von Arbeitslosen und älteren Menschen mit kleiner Rente. Immer mehr Geringverdiener kommen trotz Vollzeitjob nicht über die Runden. Über 16 Prozent der Bevölkerung werden 2021 zu den Armen gerechnet. Diese Entwicklung wird sich wohl noch weiter verschärfen. Die rasant steigenden Preise der letzten Monate machen immer mehr Arbeitnehmer zu „armen Leuten“. Corinna und Dominik sind „Multijobber“. Dominik arbeitet Vollzeit als Busfahrer, Corinna arbeitet auf 25-Stundenbasis bei einem Drogeriemarkt.
    Um mit ihren beiden kleinen Kindern in Köln über die Runden zu kommen, müssen beide aber noch zusätzlich Essen für einen Lieferservice ausfahren. Hohe Miete und Inflation setzen den jungen Eltern so zu, dass sie von morgen bis abends durch den Tag hetzen, um Jobs und Kinderbetreuung unter eine Hut zu bekommen. Trotz der enormen Anstrengungen kaufen die beiden fast nur noch im Angebot und sparen, wo sie können. David arbeitet in einem Call-Center.
    Seit der Pandemie macht er diesen Job allerdings im Homeoffice – er sitzt dann den ganzen Tag in seiner 30-Quadratmeter-Wohnung in Dortmund und nimmt bis zu 150 Anrufe am Tag entgegen – er arbeitet als eine Art Telefon-Rezeptionist für viele kleinere Unternehmen. „Das Schlimmste ist die permanente Überwachung!“ Die Telefon-Software diene nicht nur der Verwaltung der Anrufe, sie registriere auch alles, was er mache. „Da überlegst du dir schon, ob du dir noch mal einen Kaffee machst.
    Wenn du mehr als 20 Minuten am Tag kleine Pausen machst, brummt dir das System Strafzeit auf.“ David bekommt 12 Euro Mindestlohn. Julia arbeitet seit 5 Jahren bei einer großen deutschen Airline in der Kabine. Sie ist eigentlich sehr gerne Flugbegleiterin. Aber die Bezahlung ist schlecht. Im Schnitt hat sie knapp 1400 Euro netto im Monat. Fast alle Flugbeleiterinnen und Flugbegleiter, die sie kennt, machen noch Nebenjobs, damit sie überleben können. Auch Melanie macht im Homeoffice noch einen Bürojob auf 450 Euro-Basis für eine Hausverwaltung.
    Sie hat eine 7-jährige Tochter und lebt getrennt vom Kindsvater. Vor der Trennung ging es ihr dank des guten Verdienstes ihres Expartners recht gut. Jetzt aber hat sie Angst vor sozialem Abstieg. Ab 1. Oktober 2022 stieg der Mindestlohn zwar auf 12 Euro die Stunde. Die erhoffte Verbesserung des Lebensstandards wurde aber für viele durch die Inflation zunichte gemacht. Die „ZDF.reportage“ bei Menschen, bei denen trotz harter Arbeit der Lohn nicht zum Leben reicht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereMi 07.12.2022ZDFDeutsche Online-PremiereFr 02.12.2022ZDFmediathek
  • Staffel 2, Folge 3
    Die rund zwei Millionen Soloselbstständigen in Deutschland bekommen die Auswirkungen der Rezession und der Energiekrise ganz unmittelbar zu spüren und müssen sie allein tragen. Die Stimmung in diesem Herbst, sie ist so schlecht wie seit Jahren nicht mehr. Denn nicht nur die steigenden Kosten für Rohstoffe und Energie bereiten ihnen Sorge, viele wissen nicht mehr, ob und wie lange noch genug Kunden kommen, um die laufenden Kosten zu decken. Endlich auf eigenen Füßen stehen, die eigenen Ideen umsetzen, das war für Zuhra Visnjic immer das große Ziel.
    Mit damals 44 hat sich die Remscheiderin diesen Traum erfüllt und ihren Friseurmeister gemacht. Seit acht Jahren steht die dreifache Mutter zusammen mit ihren Aushilfen im Zukis Style. Frisuren stylen, kreativ Menschen verschönern, das war schon immer ihr Ding. Heute weiß die 52-Jährige nicht mal mehr, ob sie im nächsten Monat ihre Krankenversicherung bezahlen kann: „Wenn ich nichts verdiene, kann ich die nicht zahlen.“ Seitdem es täglich Berichte über Preiserhöhungen und Sparmaßnahmen gibt, gehen die Kundenzahlen stark zurück.
    Vor allem am Monatsende gibt es viele freie Spalten im Terminbuch der Friseurin. „Die Leute sparen meistens am Friseur, viele buchen nur noch Trockenhaarschnitte, oder ich stehe hier ganz allein und warte.“ Viel Puffer hat Zuhra Visnjic nicht, ihre Ersparnisse hat sie alle in den Laden investiert. Jetzt drücken neben hohen Energiekosten auch noch die Rückzahlung der Coronahilfen. Die Angst vor der Verschuldung ist bei der Soloselbstständigen groß. Eigentlich hatte sich Julia Krumm den Weg in die Selbstständigkeit einfacher vorgestellt.
    Vor fünf Jahren kündigte sie ihren sicheren Job als Beamtin bei der Bundeswehr und eröffnete ihren eigenen Laden. Mittlerweile bietet die studierte BWLerin Tattoos und Piercings auf 220 Quadratmetern Fläche an. Steigende Kosten überall, dazu die Kranken- und Sozialversicherungen und nicht zuletzt die Verantwortung für ihre zwei fest angestellten Mitarbeiterinnen lassen Julia gerade schlecht schlafen. Seit Januar sind die Farben dreimal so teuer, der 100er Pack Desinfektionshandschuhe kostet 15 Euro statt vorher 5 Euro.
    „Die Konsequenz? Wir setzen uns nächste Woche zusammen und erhöhen die Preise um die 10 Prozent. Mehr gehen die Leute nicht mit!“ Schon jetzt merkt sie, dass sich das Einkaufsverhalten der Leute auch in ihrer Stadt verändert hat. „Tattoos sind nicht überlebenswichtig, ein Luxusgut, das man nicht unbedingt zum Leben braucht.“ „Wenn die Preise noch weiter steigen, muss ich schließen, das macht kein Kunde mehr mit!“ Auch das Geschäft des vierfachen Vaters Thomas Rose aus Essen läuft extrem schlecht.
    Seine Betriebskosten und Einkaufspreise haben sich im letzten Jahr verdoppelt, auch die Miete für Wohnung und Laden hat sich erhöht, um monatlich 100 Euro. Gleichzeitig sind die Umsätze dramatisch rückläufig, in seinem Kiosk mit Blumenladen. Teilweise verdient Thomas nur noch die Hälfte von dem, was er früher am Tagesende in der Kasse hatte. „Das Geld sitzt nicht mehr so locker: Das fängt bei der Süßigkeiten-Tüte an und endet beim Blumenstrauß für die Frau am Freitagnachmittag.“ Viele Sorgen für Thomas, der mit dem Shop auch seine vier Kinder ernähren muss.
    Besorgt sind vor allem Unternehmer in strukturschwachen Regionen, wo die Leute eh schon weniger zum Leben haben. Nora Seitz aus Chemnitz hat Existenznot. Die Traditionsmetzgerei der Familie ist die letzte von einst einem Dutzend im Viertel. Und seit einem halben Jahr spürt die Fleischermeisterin, dass auch bei ihr die Kundschaft wegbleibt. Und wer überhaupt noch kommt, der kauft weniger. „Es gibt zwei Extreme bei den Kunden: Die einen, die abwarten, bis die nächste Stromrechnung kommt, und die anderen, die kaufen direkt die Billigwurst vom ALDI oder gar keine Wurst mehr.
    Weil sie einfach auch kein Geld mehr haben.“ Auch die Nachfrage nach dem Mittagstisch sinkt. „Meiner Mutter, der sieht man die Angst richtig an“, erzählt uns Nora, „und, ich habe schlaflose Nächte.“ Wie lange sie hier in der Metzgerei noch durchhalten, weiß niemand: „Wenn es so weitergeht, ist bald das Licht aus! Meine Mutter hat schon jetzt schlaflose Nächte, und das dicke Ende kommt ja erst noch!“ Ein „ZDF.reportage“ über die Angst vieler Kleinunternehmer um ihre Existenz. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereMi 07.12.2022ZDFDeutsche Online-PremiereFr 02.12.2022ZDFmediathek

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