Folge 823

  • Unser ziemlich bestes Leben

    Folge 823
    Victoria ist 15 Jahre alt, ein aufgeweckter Teenager, auf dem Weg ins Leben. Zuhause, wo sie jeden Winkel kennt, bewegt sie sich so perfekt und schnell durch die Räume, dass man im ersten Moment nicht vermutet, dass sie blind ist. Ihren weißen Stock benutzt sie nur ungern, nicht nur, weil sie ihre Behinderung nicht zeigen möchte, sondern vielmehr, weil Victoria allen Hindernissen zum Trotz beweisen will, dass sie selbstständig sein kann. Bis zu den Ferien war sie in einer Regelschule. Ausgestattet mit technischen Hilfen und der täglichen Unterstützung ihrer Schwester Franziska, die in die gleiche Klasse ging, funktionierte die so genannte „Inklusion“ bei ihr recht gut.
    Dennoch ist Victoria froh, jetzt in ein Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte wechseln zu können. Das liegt rund 200 Kilometer von ihrer Heimat und ihren Freunden entfernt, nach Hause geht es nur am Wochenende. Aber hier, so sagt sie, hat sie keine Sonderrolle, wird von Mitschülern nicht schief angesehen, weil sie bei Klausuren mehr Zeit hat als die anderen und spezielle Hilfsmittel benutzen darf.
    Und Mobbing, blöde Sprüche gibt es hier auch nicht. All die Unterstützung für Victoria zu erreichen, bedurfte und bedarf gewaltiger Kämpfe mit Behörden, mit Genehmigungen und Gutachten. Ihre alleinerziehende Mutter Astrid hat damit Erfahrung, immerhin lebt in der fünfköpfigen Familie noch die 20-jährige Adoptivtochter Angelina mit Down-Syndrom. Diese Geschichte bestätigt indirekt das Motto der „Aktion Mensch“: „Schon viel erreicht. Noch viel mehr vor“. Vor 50 Jahren wurde die größte Förderorganisation im privaten Bereich gegründet, auf Initiative des ZDF.
    „37°“ greift dieses Jubiläum auf und nimmt in dem Film den Blickwinkel von Menschen mit Behinderungen ein. Sie geben Einblicke in ihr Leben, das eigentlich ganz normal sein sollte, es zu oft aber dennoch nicht ist – oder nicht war. So werden auch Zeitzeugen porträtiert, die zeigen, wie es ihnen früher ergangen ist, wie es ihnen gelang, ihren Weg in der Gesellschaft zu finden, mit Rückschlägen, mit Widerständen fertig zu werden. Der Contergan-Skandal war es, der zur Gründung der „Aktion Sorgenkind“, der späteren „Aktion Mensch“ führte.
    Bei Matthias Berg löste dieses Medikament, das seine Mutter in der Schwangerschaft einnahm, massive Schädigungen aus. Nach vielen Tiefs und Demütigungen in der Kindheit und seiner Jugend begann er einen bilderbuchhaften Aufstieg: als
    mehrfacher Weltmeister im Behindertensport, als gefragter Hornist – und heute in führender Position als stellvertretender Landrat in Esslingen. In diesem Film berichtet er darüber, wie er aus tiefster Verzweiflung seinen Weg gefunden hat – und wie er behindertenfeindlichen Äußerungen, die er heute noch gelegentlich erlebt, begegnet.
    Matthias Berg gibt einen Einblick in sein Leben mit Familie, mit vier Kindern. Sein Motto, das er auch in einem Buch beschreibt, lautet: „Mach was draus!“. So sieht er nicht nur die Gesellschaft, sondern auch Menschen mit Behinderungen selbst in der Pflicht, ihr Lebensglück zu finden. In dem Film des ZDF: „Wen’s gerade trifft“, aus dem Jahr 1970, wurde der Alltag behinderter junger Menschen porträtiert. Mit Rechercheglück gelang es, zwei der Protagonisten noch einmal wiederzufinden.
    Für diesen Film werden sie quasi als Zeitzeugen berichten, wie es ihnen in der Zwischenzeit ergangen ist – nicht immer so erfolgreich wie Matthias Berg. Menschen in entscheidenden Phasen ihres Lebens zu begleiten, ist eines der Markenzeichen von „37°“. Neben der Geschichte von Victoria und ihrem Weg in die Selbstständigkeit soll auch die Geschichte des 20-jährigen Yves erzählt werden: Sein Down-Syndrom und eine Sprachbehinderung machen es ihm nicht gerade leicht, unabhängig und selbstständig zu leben.
    Und doch verlässt er jetzt seine Eltern, zieht in eine WG in Bad Kreuznach ein, wo er gemeinsam mit fünf anderen geistig behinderten jungen Menschen den Alltag erprobt. Einkaufen, putzen, waschen, Freizeitplanung – all dies sollen sie hier erlernen, unterstützt von Betreuern, die allerdings nur tagsüber da sein werden. Ob und wie es funktioniert, werden die Beobachtungen mit der Kamera zeigen. Und noch etwas ist entscheidend: ein erfolgreiches Abnabeln von zuhause: Wenn die Eltern die Pflege des Kindes mit einer Behinderung zu ihrer Lebensaufgabe machen, stehen die Chancen auf Eigenständigkeit oft schlecht.
    Yves Mutter Heike ist dies bewusst. Aber ihr ist auch klar, dass es nicht anders gehen wird, nicht gehen kann. Menschen mit Behinderungen sollen selbstbestimmt leben, arbeiten und am Gemeinschaftsleben der Gesellschaft teilhaben dürfen, gleichberechtigt mit ihren nichtbehinderten Mitmenschen. Dies fordern die Vereinten Nationen in einer Charta, die 2009 auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat. Die 15-jährige Victoria und der 20-jährige Yves sind Teil der Generation, für die dieses Ziel zum Lebensmotto werden kann – freilich im Idealfall. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.10.2014ZDF

Cast & Crew

Sendetermine

Mi 15.10.2014
00:00–00:45
00:00–
Di 07.10.2014
22:25–23:15
22:25–
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