2020, Folge 1011–1028

  • Folge 1011 (30 Min.)
    „Ich werde Jägerin, weil ich die Natur liebe und sie schützen möchte“, so Silvia. Knapp 80 Prozent aller Frauen und Männer, die ihren Jagdschein machen, nennen dieses Motiv. Die Kurse der deutschen Jagdschulen sind so voll wie noch nie. Dabei ist die Jagdausbildung langwierig und sehr schwierig. Ein Viertel der Schüler ist weiblich, in Großstädten ist es auch mal die Hälfte – das ist neu. „Ich hätt’ nie gedacht, was alles dazugehört“ – vorsichtig nimmt Jagdschülerin Silvia (47) ein Rehkitz auf. Mit Grasbüscheln in den Händen, damit es ihren Geruch nicht annimmt.
    Silvia rettet das Kitz vor den tödlichen Klingen des Mähdreschers und bringt es an den Waldrand, wo es die Mutter finden wird. Praxisunterricht in Silvias Jagdschule. Lange musste die Krankenschwester Silvia sparen, um sich ihren Wunsch zu erfüllen, Jägerin zu werden. Die Ausbildung zur Jagdprüfung ist anstrengend. Rund acht Monate lang hat sie zweimal die Woche abends Theorieunterricht und fast jedes Wochenende Praxis. Nahezu ein Jahr lang wird Silvia in Abendkursen und an den Wochenenden pauken, bis sie die Jagdprüfung machen darf.
    „Grünes Abitur“ wird die staatliche Prüfung auch genannt. Rund 19 Prozent der Schülerinnen und Schüler wiederholen die Prüfung. Jule ist die Jagdausbilderin von Silvia. Sie erklärt in ihrem praktischen Unterricht, dass die Rehe im Mai ihre frisch geborenen Kitze im hohen Gras verstecken und die Kleinen auch nicht weglaufen – der beste Schutz vor Feinden wie dem Fuchs. Doch eben nicht vor dem Mähdrescher. Jule (30) ist angehende Tierärztin und lehrt zusätzlich zu ihrem eigenen Studium in einem Münchner Jagdbildungszentrum abends die Fächer Wildbiologie sowie Jagdpraxis.
    Jule ist selbst begeisterte Jägerin. Dazu gehört nicht nur die Hege, sondern auch das Schießen von Wild. Zum eigenen Verzehr. Fleisch aus der Massentierhaltung wird sie nie mehr essen, seitdem sie im Studium ein Pflichtpraktikum im Schlachthaus gemacht hat. „Als Jägerin habe ich Ehrfurcht vor dem Lebewesen, das ich erlege“, erklärt Jule. Auch Jäger Hermann (54) ist im vollen Einsatz für eine gesunde Balance zwischen Landwirtschaft, Waldbesitzern und dem Wild. Wenn er den Bauern überreden kann, einen Acker mit Pflanzen für das Wild stehen zu lassen, wird das Rehwild die jungen Waldbäume nicht anfressen.
    Die Anzahl der Rehe, Füchse, Wildschweine, die in einem Revier geschossen werden, bestimmt der Staat, nicht der Jäger. Und diese Vorgabe ist vielen Jägern sogar viel zu hoch, erfahren die Zuschauer von Hermann, einem Jäger mit eigenem Revier. Er versucht, mit Schutzmaßnahmen für Bäume und Äcker die verpflichtende Abschussquote möglichst gering zu halten. „Nicht alle Jäger sehen das so“, sagt Hermann. „Einige glauben immer noch, dass möglichst viel Wild zum Schutz der Bäume geschossen werden muss.“ „37°“ begleitet Silvia, Jule und Hermann.
    Alle drei erklären: Sie sind Jäger oder wollen es werden, weil sie die Jagd als aktiven Naturschutz verstehen und den Lebensbereich des Wildes verbessern wollen. Sie hegen das Wild, aber halten durch die Jagd auch den Bestand in der Balance. Doch noch etwas ist den neuen Jägern von heute wichtig: Sie möchten dem rasenden Leben etwas Sinnstiftendes entgegensetzen: Flora und Fauna genießen, verstehen und schützen. Was hat sich in der Jagd geändert? „37°“ geht einem Phänomen auf die Spur: Jäger werden – aus Liebe zur Natur. Ein Widerspruch? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.07.2020ZDF
  • Folge 1012 (30 Min.)
    Dem Handwerk fehlt Nachwuchs. Ist es deshalb out? Eine neue Generation junger Meister versucht, das Image des Handwerks als altbackene Zunft aufzupolieren, überrascht mit neuen Ideen. Können die jungen Meister mit ihren neuen Geschäftsideen dem alten Handwerk neuen Auftrieb geben? „37°“ begleitet drei junge Handwerker. Sie sind nicht nur bereit, die Ärmel hochzukrempeln und zuzupacken: Sie betreiben ihr Handwerk auch aus und mit Leidenschaft. Hufschmied Georg Stinauer hat eine eigene Kunst des Hufbeschlags entwickelt.
    Sein perfektes Hufeisen besteht aus Metall und Kunststoff in der richtigen Kombination. Jahrelang hat der 33-Jährige an diesem neuen Hufbeschlag getüftelt und dabei festgestellt: Pferde laufen nicht nur leichter, sogar Rückenschmerzen können verschwinden, wenn sie ein individuell angepasstes Eisen bekommen. Hufe zu beschlagen, sagt der leidenschaftliche Schmied aus dem bayerischen Ebersberg, sei zwar eine „echte Buckelei“, doch für ihn gebe es nichts Schöneres. Johanna Röh hat sich als Frau im männerdominierten Tischlerhandwerk durchgesetzt.
    Mit 32 führt sie im niedersächsischen Alfhausen eine eigene Werkstatt mit einem Auszubildenden. Ihre Spezialität ist es, Möbel zu bauen, die zu den Menschen passen. Auch für ausgefallene Kundenwünsche findet sie eine Lösung, fertigt Ornamente für einen Whiskeyschrank oder fräst das Relief des Jakobsweges und passt es in eine Schrankwand nach Maß ein. In Berlin hat der 32-jährige Metzgermeister Jörg Fostera einen der erfolgreichsten Betriebe der Stadt. Die Metzgerei „Kumpel & Keule“ hat 18 Angestellte und ist einer der größten Ausbildungsbetriebe Berlins.
    In der Schule wurde ihm aufgrund schlechter Noten eine Hartz-IV-Karriere vorausgesagt, doch dann entdeckte er das Handwerk, legte die Meisterprüfung mit eins ab und studierte Betriebswirtschaft. Mit den Händen zu arbeiten, berichten die jungen Meister, biete eine besondere Art der inneren Befriedigung. Zu sehen, was man schaffe, zu spüren, wie sich der Werkstoff bearbeiten lasse, etwas herzustellen, das gebraucht werde, das schaffe Zufriedenheit.
    Und nebenbei ist der Beruf auch noch krisenfest, wie sich jetzt in Zeiten von Corona zeigt. Weder die Schmiede noch die Tischlerei musste bisher wirtschaftliche Einbußen hinnehmen, und die Metzgerei brummte sogar. Der Umsatz steigerte sich um 30 Prozent, weil die Menschen mehr selbst kochen. Handwerk hat eben doch „goldenen Boden“. Während in den letzten 20 Jahren die Zahl der Studierenden kontinuierlich stieg, fehlt dem Handwerk der Nachwuchs. 2019 blieben 53 000 Lehrstellen unbesetzt, so die Bundesanstalt für Arbeit. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.07.2020ZDFDeutsche Online-PremiereDi 21.07.2020ZDFmediathek
  • Folge 1013 (30 Min.)
    Tanja, Claudia und Andrea – drei Frauen und Mütter, ein Schicksal: Als ihre Kinder geboren wurden, haben sie sich finanziell voll und ganz auf ihre Ehemänner verlassen. Das althergebrachte Rollenverständnis „er arbeitet, und sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder“ hat zunächst gut funktioniert. Doch dann kommt für die drei Frauen das böse Erwachen. Nach der Trennung stehen sie plötzlich vor einem existenzbedrohenden Desaster, müssen von jetzt auf gleich schauen, wie sie ihre Kinder und sich durchbringen – ein Neustart für die drei Frauen, den jede für sich auf ihre Art und Weise angeht.
    Vor der Ehe war Tanja erfolgreiche Fremdsprachenkorrespondentin, hat sogar mal mehr verdient als ihr Ehemann, ein Wirtschaftsprüfer. Doch nach der Geburt ihrer beiden Söhne musste ihr Mann karrierebedingt umziehen, nahm seine Frau und die Kinder mit, und für Tanja bedeutete das den Verzicht auf ihren Job. Sie war fortan für die Erziehung ihrer Kinder zuständig und arbeitete nur noch „geringfügig beschäftigt“. Mit Anfang 50, nach der Scheidung, ist sie jetzt dabei, sich noch einmal eine eigene Existenz aufzubauen.
    Sie startet beruflich durch und arbeitet daran, sich den Traum von ihrem eigenen Modelabel zu verwirklichen. Auch die gelernte Krankenschwester Claudia hatte sich nach der Geburt ihrer beiden Kinder in Sachen Geld voll und ganz auf ihren Mann verlassen, hatte darauf vertraut, über ihn im Alter abgesichert zu sein. Doch nach 30 Jahren Ehe will er die Scheidung. Mit 59 zieht sie das erste Mal ohne Familie in eine kleine Wohnung und begibt sich auf Jobsuche. Alles auf null – und das mit Angst vor der drohenden Altersarmut.
    Claudia und Tanja sind keine Einzelfälle. In Deutschland arbeiten über 50 Prozent der Mütter in Teilzeit. Und in keinem anderen europäischen Land tragen Frauen anteilig so wenig zum Familieneinkommen bei. Wenn es schlecht für sie läuft, dann tappen diese Frauen direkt in die Armutsfalle. Noch viel zu häufig ist bei vielen Frauen ein Desinteresse an allen Geldangelegenheiten zu spüren, das sich auch kulturell erklären lässt. Bis 1962 durften Frauen in Deutschland nicht einmal ein eigenes Bankkonto eröffnen, und bis 1974 brauchten sie noch die Erlaubnis ihres Ehemannes, um überhaupt Geld verdienen zu dürfen.
    Diese Zeiten sind längst vorbei. Und doch gibt es hierzulande leider heute noch den Trend bei vielen jungen Frauen, mit Heirat und Kindern die finanzielle Verantwortung dem Ehemann zu überlassen. Zum Beispiel die 32-jährige Andrea im Westerwald. Die Bäckereifachverkäuferin hatte vor der Geburt ihrer Kinder den Backshop in einer Tankstelle geleitet. Auch für sie bedeutete die Geburt ihrer Kinder das berufliche Aus.
    Die frühen Anfangszeiten hätte sie mit ihrer familiären Situation nicht vereinbaren können. So blieb sie zu Hause bei Tochter und Sohn und überließ das Geldverdienen ihrem Ehemann. Nach sieben Jahren steht auch sie vor der Scheidung. Da ihr Sohn erst ein Jahr alt ist und auf dem Land die Möglichkeiten der Kinderbetreuung schwierig sind, kommt für sie erst mal nur eine geringfügige Beschäftigung infrage. Die Reportage begleitet Andrea, Tanja und Claudia auf ihrem Weg, ihr Schicksal nach der Trennung zu meistern und einen Weg aus der „Geldfalle“ zu finden. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 04.08.2020ZDF
  • Folge 1014 (30 Min.)
    Die moderne Medizin stellt uns vor die vielleicht schwierigste Frage unseres Lebens: Was und wie viel wollen wir ertragen, um zu leben, wenn unser Körper doch unheilbar krank ist? Durch die Möglichkeiten der modernen Medizin steigt die Zahl derer, die ohne permanente Intensivpflege nicht überleben würden. Also lieber Apparatemedizin und oft qualvolles Leiden? Was will der Patient, der sich vielleicht gar nicht mehr äußern kann? Der 65-jährige „taz“-Mitbegründer und Journalist Benedict Mülder bekam im Jahr 2009 die Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS, eine Krankheit, die zu totaler Bewegungslosigkeit führt.
    Er hat sich damals dafür entschieden, mit der Krankheit weiterzuleben. Mit Beatmung und zu Hause bei seiner Familie. Seine Frau Dagmar hat die Entscheidung mitgetragen – aus Liebe zu ihm: „Es war uns klar, dass wir uns immer für das Leben entscheiden.“ Die Alternative zur Beatmung wäre der Tod gewesen. Seit Jahren liegt Benedict Mülder nun bewegungslos in einem Pflegebett im Wohnzimmer seiner Familie. Der Alltag findet um ihn herum statt: das Abendessen mit Sohn Jim genauso wie der regelmäßige Besuch von seinen Freunden.
    Durch das Krankenbett im Wohnzimmer hat Benedict Mülder Anteil am Leben. Aber welchen eigentlich? Er ist völlig passiv und reagiert nicht auf Ansprache. 2016, als er noch kommunizieren konnte, hat er klar gesagt: Dieses Leben ist für ihn lebenswert. Ob er das heute immer noch so empfindet? Das wissen weder seine Frau noch seine Freunde. Johannes Kalbhenn muss täglich Entscheidungen über das Leben anderer treffen. Der 41-Jährige ist Oberarzt einer Intensivstation am Universitätsklinikum Freiburg und behandelt oft Patienten, die sich nie damit auseinandergesetzt haben, unter welchen möglicherweise massiven Einschränkungen sie trotzdem weiterleben wollen – oder nicht.
    Noch komplexer wird die Frage, wenn sich Patienten nicht mehr äußern können oder nicht mehr bei Bewusstsein sind: „Mit jedem Organ, das wir durch Apparate ersetzen können, wächst die Verantwortung. Ist es überhaupt sinnvoll, das zu tun?“, so Johannes Kalbhenn. Wenn ein Patient nicht mehr bei Bewusstsein oder dement ist, es keine Patientenverfügung gibt, ist die größte Herausforderung für den Arzt, durch Gespräche mit Angehörigen herauszufinden, was dessen mutmaßlicher Wille ist.
    Es gibt dabei nie hundertprozentige Gewissheit, ob eine getroffene Entscheidung wirklich im Sinne des Patienten ist. „37°“ begleitet Menschen, die sich damit auseinandersetzen, wie Patientenwille und moderne Medizin zueinander stehen. Im Film geht es vor allem um die ethische Seite des Themas, bei der es selten ein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 11.08.2020ZDF
  • Folge 1015 (30 Min.)
    Loverboys geht es nicht um Liebe, wie es der Begriff vermuten lassen könnte. Liebe wird von den Tätern nur vorgetäuscht, um ihre Beute zu manipulieren. Loverboys sind Zuhälter. Sie lauern vor Schulen, sie tarnen sich im Internet – ihre Opfer: weiblich, möglichst jung und oft einsam. Ganz normale Mädchen und junge Frauen, die erst emotional abhängig gemacht werden, um sie dann in die Prostitution zu locken. „Wenn du mich liebst, gehst du für mich anschaffen!“ Mit dieser Masche gelingt es immer mehr sogenannten Loverboys, Mädchen in die Prostitution zu zwingen. Wer sagt, „das könnte mir nicht passieren“, unterschätzt diese Masche, die immer erfolgreicher wird.
    Sandra N. war Gymnasiastin, als sie ihren Loverboy im Internet kennenlernte. Viele Monate chatten die beiden, und er gewinnt ihr Vertrauen und ihre Liebe. Nach einigen Monaten erzählt er ihr, dass er Schulden hat, und bittet sie, ihm zu helfen, indem sie sich prostituiert. Sandra lehnt entsetzt ab, „doch er sagte ständig zu mir, wenn ich ihn wirklich liebe, dann würde ich das für ihn tun“, so Sandra. Schließlich willigt sie ein. In den Osterferien 2009 fängt sie an, in einem sogenannten Flatrate-Bordell zu arbeiten.
    Anfang 2014, nach über viereinhalb Jahren in der Prostitution, schafft sie es schließlich, auszusteigen. Der Film begleitet Sandra N., wie sie den Kampf gegen die Prostitutionsgesetze in Deutschland aufnimmt, denn die liberale Haltung Deutschlands zum Thema Prostitution trägt ihrer Meinung nach zum Erfolg der Masche bei. Sabine Kopal ist Sozialarbeiterin und arbeitet mit Prostituierten im Stuttgarter Leonhardsviertel. Sie weiß, wie schwer der Kampf gegen die Loverboy-Masche ist. Sie geht auf den Straßenstrich, klärt auf, hilft, wo sie kann, hat ein Ohr für Probleme, „doch viele Opfer werden massiv unter Druck gesetzt“, so die Sozialarbeiterin.
    Der Film begleitet Sabine Kopal unter anderem dabei, wie sie in einer Schutzwohnung Anna trifft, ein Loverboy-Opfer. Die Zuschauer erfahren, wie die Frau auf ihren Loverboy hereingefallen ist und was sie erleben musste. In dem Café, das der Verein in dem Szeneviertel unterhält, ist einmal wöchentlich auch eine Frauenärztin anwesend. Sie weiß, was diese Tätigkeit mit dem Körper einer Frau macht. Katharina war Mitte 20 und Studentin, als sie ihren Loverboy kennenlernte.
    Schließlich ging sie für ihn anschaffen. Immer in dem Glauben, dass alles für die gemeinsame Zukunft sei. „Die Liebe hat mich da durchgetragen.“ Doch irgendwann klopfte die Polizei an ihre Tür. Nach drei Jahren kam das böse Erwachen. Der Film lässt Opfer zu Wort kommen und beschäftigt sich mit den Tätern. Wer sind die Loverboys? Wie schwer ist es, die Täter zu überführen? Die Dunkelziffer der Loverboy-Masche ist hoch, denn vielen Frauen fehlt das Opferbewusstsein, und sie schämen sich, auf diese Masche reingefallen zu sein. In dem Film trauen sie sich, ihre Geschichte zu erzählen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 18.08.2020ZDF
  • Folge 1016 (30 Min.)
    Erwachsen werden ist immer kompliziert. Aber wie schwierig ist es, Abitur zu machen während einer Pandemie? Sie prägt eine ganze Generation, jetzt gibt es das Leben vor Corona und das danach. Die Zeit des Abiturs ist an sich ein emotionaler Ausnahmezustand, Angst und Unsicherheit gehören dazu. Dafür soll nach den Prüfungen die große Freiheit kommen – der beste Sommer des Lebens. Stattdessen kam 2020 Corona. Zoe ist 18 Jahre alt und besucht die Hamburger Klosterschule. Anfang März waren in Hamburg Ferien und Zoe im Skiurlaub. Danach sollten die Abiturienten ihren letzten Schultag haben, die Motto-Woche feiern und dann ab Mitte April ihre Prüfungen absolvieren.
    Doch aufgrund der Pandemie kam alles anders: Auf die Ferien folgte die Schulschließung, im Anschluss eine Debatte, ob und wie man das Abitur stattfinden lassen könnte. Zwei Hamburger Abiturienten starten eine Onlinepetition und fordern ein Durchschnittsabitur: Die Noten der letzten zwei Jahre sollen den Abi-Schnitt bilden, ganz ohne Prüfungen. „Ich will kein Abitur ohne Prüfung. Sonst heißt es für immer, wir haben das Corona-Abitur, und das ist gar kein richtiges.
    Ich kann mich schon immer gut selbst organisieren, aber mich belastet die ganze Situation, nicht zu wissen, was passiert, nicht planen zu können für die Zeit danach“, so Zoe. Der Notendruck ist groß: Zoe will Jura studieren, am liebsten in Berlin. Dazu muss sie einen Numerus clausus von 1,5 schaffen. Aber erst mal wollte sie im Sommer ihre erste große Reise antreten, monatelang durch Asien reisen. Jetzt liegen alle ihre Pläne auf Eis. „Ich habe Angst, vor allem um meine Familie und Freunde mit einer Vorerkrankung.
    Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll. Ich vermisse meine Freunde, aber es macht mir Angst zu wissen, dass Millionen Menschen sterben könnten, wenn wir uns nicht an die Maßnahmen halten.“ Zoes beste Freundin Lucie (19) ist ein Einzelkind, seit Wochen hat sie ihre Freunde ausschließlich im Videochat gesehen. Lerngruppen dürfen nicht stattfinden, die Bibliotheken sind geschlossen, der Unterricht findet, wenn überhaupt, online statt. Lucie ist eine gute Schülerin, später will sie entweder Biologie studieren oder Kunst.
    „Es ist doch ein Lebensabschnitt, zwölf Jahre lang haben wir auf unseren Abschluss hingearbeitet und uns auf die Zeit danach gefreut. Und jetzt kann ich mich noch nicht mal an meinen letzten Schultag erinnern oder mein Abi so richtig feiern. Gerade war ich noch eine ganz normale Schülerin, und jetzt bin ich plötzlich erwachsen.“ Lucie und Zoe planen, im Sommer nach Berlin zu ziehen, und sind auf der Suche nach einer WG. Vielleicht macht Lucie dort ein Freiwilliges Ökologisches Jahr, Auslandsaufenthalte sind wohl ohnehin kaum möglich.
    „Ich habe Angst davor, dass unser Leben nie mehr normal wird, so wie vorher. Es gibt so viele Themen, mit denen unsere Generation umgehen muss, von Klimawandel, über Gender-Fragen bis Rassismus. Und jetzt auch noch Corona.“ Für Owen und Quinten (20) aus Zoes Jahrgangsstufe am Gymnasium ist die Zeit der Kontaktsperre ein bisschen weniger einsam: Das ist der Vorteil, wenn man zusammen mit seinem Zwilling Abitur macht. Sie lernen zusammen, unterstützen sich gegenseitig. Nach dem Abi-Ball wollten die passionierten Gamer ein paar Wochen Familienurlaub in Korea machen, das fällt flach.
    „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass uns die Pandemie auch Chancen bietet als Gesellschaft und zeigt, wozu wir gemeinsam in der Lage sind. Das finde ich viel wichtiger als die Tatsache, dass ich vielleicht erst nicht in Urlaub fliegen kann oder erst später anfangen kann zu studieren“, meint Quinten. Eigentlich möchte Quinten ab September Games Management in Wedel studieren – ob das in Zeiten der Pandemie klappt? Owen benötigt für sein geplantes BWL-Studium einen guten Abschluss, aber mit Mathematik hat er im Homeschooling extrem zu kämpfen: „Das Abitur wird die größte Herausforderung meines Lebens.
    Die Pandemie macht es schwieriger, weil die Konzentration fehlt, wir Unterricht verpasst haben und man einfach schlechter lernen kann. Und das hat Auswirkungen auf unsere Zukunft.“ „37°“ begleitet vier junge Menschen beim Erwachsen werden in der Corona-Krise und zeigt, wie sich die Pandemie auf ihre Leben auswirkt. „37°“ zeigt sie im Ausnahmezustand zu Hause in ihren Familien sowie während der Prüfungen und dokumentiert, was danach in ihrem Leben in dieser besonderen Zeit passiert. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 25.08.2020ZDF
  • Folge 1017 (30 Min.)
    Ein eigenes Kind. Für viele Menschen ist das ein großer Traum. Rund sechs Millionen Deutsche sind ungewollt kinderlos und bereit, vieles zu wagen, um ihren Traum doch noch zu erfüllen. Die einen gehen wie Silvia und Johannes den Weg über eine Kinderwunschklinik. Andere versuchen wie Verena, über „Social Freezing“ dem Druck der biologischen Uhr zu entgehen. Denny, homosexuell, hat übers Internet die Mutter seines Sohnes gefunden. Silvia und Johannes, beide 27 und seit fünf Jahren verheiratet, wünschen sich ein Kind. Nach vier Fehlgeburten sind sie jetzt in einer Kinderwunschklinik in Behandlung.
    Silvia hat einen Gendefekt, nur ein Teil ihrer Eizellen hat alle Erbinformationen. Damit sie doch noch ein gesundes Kind bekommen kann, soll eine genetische Untersuchung der Embryonen helfen. Sie wird nach der Befruchtung im Reagenzglas vorgenommen. Diese sogenannte Präimplantationsdiagnostik ist in Deutschland nur unter strengen Auflagen erlaubt. Deshalb wählen Silvia und Johannes den Weg nach Österreich. Nach vielen Rückschlägen können die beiden jetzt einen ersten kleinen Erfolg verbuchen.
    Verena war gerade 30 geworden, als ihre Eltern vor vier Jahren vorschlugen, dass sie sich Eizellen einfrieren lassen sollte. Humbuk, dachte sie, doch der Gedanke ließ sie nicht los. Mit 34 – und zum Zeitpunkt der Dreharbeiten partnerlos – entscheidet sie sich für „Social Freezing“: Verenas Eizellen werden eingefroren. Damit erhöht sich ihre Chance, auch noch in höherem Alter ein Kind bekommen zu können. Hormontherapie, OP mit Vollnarkose und hohe Kosten sind der Preis für die Freiheit vom Druck der biologischen Uhr.
    Partnerlosigkeit ist, so die Mediziner, das große Thema von Frauen, die sich für diese Behandlung entscheiden. Eine Garantie auf ein Kind ist „Social Freezing“ allerdings nicht. Denny (31) hat sich seinen Traum vom Kind bereits erfüllt. Er ist homosexuell und hätte nie gedacht, dass es überhaupt einmal so weit kommen könnte. Dass er jetzt mit seinem Sohn Emilian den ersten Geburtstag feiert, verdankt er einer Onlineplattform, die ihn mit Jaqueline (37) zusammengebracht hat. Die Alleinerziehende war bereits 35, als sie sich entschied, ein zweites Kind zu bekommen.
    Aber diesmal ohne Mann. Bei Emilians Geburtstagsfeier käme keiner auf die Idee, welche ungewöhnliche Geschichte sich hinter der Familienkonstellation verbirgt. Viele Themen rund um den Kinderwunsch sind mit Tabus behaftet. Fehlgeburten, Unfruchtbarkeit, Partnerlosigkeit: Es braucht Mut, sich diesen Themen zu stellen. Der Film „Mein Traum vom Kind“ gibt Einblick in die Gedanken, Träume, Hoffnungen und Niederlagen von Menschen mit Kinderwunsch und zeigt, welche Wege sie gehen, um sich den Traum vom Kind zu erfüllen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 01.09.2020ZDF
  • Folge 1018 (30 Min.)
    Es ist nach wie vor ein Tabuthema, dabei ist Suizid die zweithäufigste Todesursache unter den 15- bis 25-Jährigen. Junge Menschen können schwer am Leben verzweifeln, oft bleibt es im Verborgenen. Der „37°“-Film zeigt Betroffene, Angehörige sowie Menschen, die sich für mehr Aufklärung und Unterstützung einsetzen. Monja hatte schon als 13-Jährige Suizidgedanken. Das Gefühl, Außenseiterin in der Schule zu sein und wenig Halt in der Familie zu finden, machte ihr das Dasein unerträglich. Im Alter von 16 Jahren unternahm sie ihren ersten Suizidversuch und wurde im letzten Moment gerettet.
    Doch ihre schwierige Lebenssituation änderte sich nicht, und sie rutschte immer tiefer in die Depression. Ihre Selbstverletzungen wurden schlimmer, sie versuchte weitere Male, sich das Leben zu nehmen, und kam mehrfach in die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Neben therapeutischer und ärztlicher Behandlung ist Monja durch Zufall auf die Internetplattform Helpmail [U25] gestoßen, ein Hilfsangebot für Menschen unter 25, getragen vom Arbeitskreis Leben Freiburg (AKL) und dem Deutschen Caritasverband (DCV). Der Mail-Austausch mit ihrer gleichaltrigen Beraterin Misa wird für Monja ein Anker. In der Anonymität lässt es sich leichter über alles austauschen, so die Erfahrung von [U25].
    Bei Emily war es der Druck in der Schule, den sie irgendwann nicht mehr aushielt. Ihre Selbstzweifel wurden immer stärker. In der neunten Klasse dachte sie an Suizid. Auch wenn Emily eine sehr enge Bindung zu ihren Eltern hat, so war es ihr nicht möglich, sich in ihrem depressiven Zustand zu öffnen. Einerseits aus Scham, andererseits, weil sie niemanden mit ihren negativen Gedanken belasten wollte. Viele Jugendliche trauen sich nicht, über ihre Depressionen und Suizidgedanken zu sprechen, setzen in der Öffentlichkeit eine „Maske“ auf, erklärt Emilys Arzt, Prof. Dr. Franz Joseph Freisleder, von der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik am Starnberger See.
    Tabuisierung und Stigmatisierung psychischer Erkrankungen in der Gesellschaft verstärken das Schweigen Betroffener. Emilys Freund Alex drehte mit seiner Schülergruppe einen Film über Jugendliche mit Suizidgedanken, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Mit einer Petition im Bayerischen Landtag kämpft die Gruppe für mehr Prävention und Hilfsangebote an Schulen. Emily und Monja wissen jetzt aus eigener Erfahrung: Offen reden ist der erste Schritt zur Besserung. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 08.09.2020ZDF
  • Folge 1019 (30 Min.)
    Unsere Gesellschaft wird immer älter. Vielerorts herrscht Fachkräftemangel. Es schlägt die Stunde der Senior-Azubis, die mit 50 plus ins kalte Wasser springen und eine Ausbildung beginnen. Was treibt Menschen dazu, rund 15 Jahre vor der gesetzlichen Rente beruflich neu durchzustarten, mit Teenagern die Schulbank zu drücken und sich dem Prüfungsstress auszusetzen? Heike ist 52 Jahre alt, studierte Informatikerin, verheiratet und Mutter von drei Kindern. Als diese flügge wurden, wollte sie zurück in ihren Job – nur um festzustellen, dass sie sich die Arbeit in der IT-Branche nicht mehr vorstellen konnte.
    Sie fängt noch einmal von vorne an und beginnt eine Ausbildung zur Lokführerin bei der Stuttgarter S-Bahn. Hier ist sie nicht nur die älteste Schülerin, sondern noch dazu die einzige Frau. „Das ganze Leben ist Veränderung. Ich warte ja nicht darauf, dass ich in 13 Jahren in Rente gehe. Ich möchte mein Leben jetzt gestalten, und ich mache gerne was Neues. Die Arbeit erfüllt mich, deshalb ist es genau das Richtige für mich.“ Der Quereinstieg zur Lokführerin dauert nur zwölf Monate, dafür ist das Lernpensum enorm.
    Neben Fahrschule und theoretischem Unterricht muss Heike vier Abschlussprüfungen schaffen. Ein bisschen Prüfungsangst hat sie auch: „Ich bin es auch nicht mehr gewohnt, zu lernen – wenn man das 20, 30 Jahre nicht gemacht hat, ist es schon schwierig, sich zu konzentrieren, und es ist einfach auch so, dass man nicht mehr so leicht lernt.“ Matthias hat 30 Jahre lang als Bankkaufmann gearbeitet. Irgendwann wurde ihm der Druck zu groß. Er kündigte, ließ sich ein Tattoo stechen und steckt mit 54 jetzt mitten in der Ausbildung zum Erzieher.
    Seine vier Kinder sind inzwischen aus dem Haus. Früher hat er das Dreifache verdient, dafür hat er jetzt regelmäßige Arbeitszeiten: „Der Umgang mit den Kindern ist bereichernd. Zu sehen, wie sich Kinder entwickeln und da dann ein stückweit daran beteiligt gewesen zu sein. Das finde ich schon super. Und dass man einfach gemocht wird, Kinder sind da total ehrlich.“ Anstrengend ist es trotzdem, und manchmal merkt er auch, dass er keine 20 mehr ist. Seine Familie steht voll hinter ihm. Seine Frau arbeitet schon seit 30 Jahren als Erzieherin, jetzt hilft sie ihm beim Lernen für die Schule.
    Vor allem am Anfang tat der ehemalige Banker sich schwer mit seiner neuen Rolle als Azubi: „Früher war ich derjenige, der seinen Kollegen geholfen hat, erfolgreich zu sein, und Kritik ausgeteilt hat. Jetzt muss ich mich zurücknehmen und akzeptieren, dass mir Berufserfahrung und Kenntnisse fehlen. Das ist nicht immer einfach, vor allem wenn ich manchmal die Meinung meiner Vorgesetzten nicht teile.“ Die selbstständige Künstlerin Gabriele (52) aus Osnabrück steht kurz vor dem Abschluss ihrer dreijährigen Kochausbildung.
    Ihre Mitschüler an der Berufsschule sind vorwiegend zwischen 16 und 20 Jahre alt, ihre Küchenchefin Marie könnte mit 23 Jahren ihre Tochter sein. „Diese starke Hierarchie, das war für mich erst mal schwierig, mich da einzufinden, in diese Azubirolle, dass man funktionieren muss und das tun, was einem gesagt wird. Das war schon schwierig am Anfang.“ Durch die Kochausbildung hat sich Gabrieles Leben grundlegend verändert. Einerseits durch den Umgang mit den jungen Kollegen und durch die nächtlichen Arbeitszeiten in der Gastronomie.
    Meist muss sie dann arbeiten, wenn ihre Freunde freihaben. „Das ist schon ein Knochenjob, der dem Körper sehr viel abverlangt. Ich glaube, dass der Körper schon, wenn man 20 Jahre jünger ist, fitter ist. Ich musste mich wirklich erst daran gewöhnen und habe das mindestens ein halbes Jahr lang mit Massage begleitet.“ „37°“ begleitet drei Menschen, die das Abenteuer wagen und ganz unten, als Lehrlinge, neu anfangen, Seite an Seite mit 20-Jährigen. Die Zuschauer erleben sie bei den großen Herausforderungen, die ihre neue Aufgabe bereithält. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 15.09.2020ZDF
    • Alternativtitel: Homeoffice am Strand - Mit dem Laptop auf Weltreise
    Folge 1020 (30 Min.)
    Weltweit sind inzwischen geschätzt mehrere Millionen Internet-Nomaden unterwegs. Gut ausgebildete junge Selbstständige reisen um die Welt und bleiben, wo es ihnen gerade gefällt. Diese digitalen Nomaden schreiben Blogs, texten, programmieren, leben von Werbung oder Onlinekursen. Die meist 25- bis 35-Jährigen wollen nicht mehr von neun bis fünf im Büro sitzen und auf ein Eigenheim sparen. Sie sind bereit, einfacher zu leben. Sie verzichten auf Komfort, möchten ihr Geld leichter verdienen und das Leben mehr genießen.
    Und mit den neuen Erfahrungen im Homeoffice während der Corona-Krise könnten es jetzt noch viel mehr digitale Nomaden werden. Denn was zu Hause gut klappt, funktioniert auch am Strand, wenn es dort Internet gibt. „Auf Reisen ist jeder Tag ein Abenteuer.“ Als die Corona-Reisewarnung für die EU aufgehoben wird, packt Nina Buschmann (43) sofort ihren Camper und zieht mit Sohn Nicolai (7) wieder los. Nina Buschmann ist seit ihrer Jugend als Lehrerin in der Welt unterwegs. Das Internet macht es möglich, von fast überall zu unterrichten.
    Als ihr Sohn Nicolai geboren wurde, hat sie ihn einfach auf ihre Reisen mitgenommen. Inzwischen hat er schon mehr als 60 Länder gesehen. Seit 2019 geht Nicolai in die Schule. Wird sie das Nomadenleben bald aufgeben müssen? Bastian Barami (35) bereist seit 2015 die Welt. 2017 hat er seinen Wohnsitz in Wuppertal abgemeldet. Im Internet hat er mühsam gelernt, online Geld zu verdienen. Heute ist er ein erfolgreicher Unternehmer, der auf seinem Blog officeflucht.de anderen Mut macht, aus dem konventionellen Arbeitsmarkt auszusteigen und sich selbst zu verwirklichen.
    Nach fünf Jahren Weltreise hat er seine Zelte in Deutschland ganz abgebrochen und verdient sein Geld hauptsächlich mit Onlinekursen über ortsunabhängiges Arbeiten. „Zuhause ist für mich dort, wo ich willkommen bin und gut leben kann.“ Jenny (31) und Christian (32) Juraschek sind in Mettmann bei Düsseldorf aufgewachsen und seit drei Jahren in der Welt unterwegs. Beide haben Betriebswirtschaft studiert und ihre gut bezahlten Jobs in einem großen Unternehmen gekündigt, um unabhängig zu sein.
    2019 wurde Sohn Louis geboren. Die beiden sind froh, nach der Corona-Zwangspause in Deutschland auf Gran Canaria arbeiten und leben zu können: „Endlich spüren wir wieder unsere Freiheit.“ Sie wollen die nächsten Wochen auf den Kanarischen Inseln bleiben und in ihrem Blog unaufschiebbar.de über das Reisen in Corona-Zeiten berichten. Doch ist das Leben der modernen Nomaden tatsächlich so „cool“, wie es auf Instagram, Facebook und YouTube erscheint? Wie sieht der Arbeitsalltag unter Palmen wirklich aus? Wie lebt es sich ohne festen Wohnsitz, ohne geregeltes Einkommen, immer unterwegs und immer ein Fremder? Verlieren der Strand, das Meer, der Sonnenuntergang nicht irgendwann ihren Reiz? Wie funktioniert Partnerschaft, Familie, wenn man immer unterwegs ist? Und vor welchen besonderen Herausforderungen stehen sie in Corona-Zeiten? „37°“ begleitet vier digitale Nomaden auf ihren ersten Reisen nach dem Corona-Shutdown. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 22.09.2020ZDF
    • Alternativtitel: Wohnungsnot - Obdachlose Familien in Deutschland
    Folge 1021 (30 Min.)
    Seit 2014 ist die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland um 150 Prozent gestiegen. Bundesweit sind es etwa 1,2 Millionen, darunter fast ein Viertel Familien mit Kindern. Und längst hat die Wohnungslosigkeit auch den Mittelstand erreicht. Gerade die explodierenden Mieten in den Städten machen es so schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Schon zwei Monate Mietrückstand reichen aus, um die Wohnung zu verlieren. Im Oktober 2019 landete Petra P. mit ihrem achtjährigen Sohn Deniz und ihrer schwer kranken Mutter im Obdachlosenheim. Auf 18 Quadratmetern leben sie zu dritt, das entspricht ungefähr der Größe von vier Tischtennisplatten.
    Und doch ist es für sie erst einmal viel: „Wir haben ein Zimmer, das ist besser, als auf der Straße zu leben.“ „37°“ begleitet die Familie über sechs Monate in der Notunterkunft, in der sie sich mit 86 Menschen eine Küche, Toilette und Dusche teilen muss. Privatsphäre gibt es nicht. Und was als Übergangslösung für wenige Wochen gedacht war, wird für Petra und ihre Familie schnell zu einer Sackgasse: „Wir haben schon 34 Wohnungsabsagen bekommen. Mit einem schlechten SCHUFA-Eintrag haben wir einfach keine Chance.“ Nur ein Vermieter mit Herz könnte ihnen und vor allem dem achtjährigen Deniz noch eine Zukunft geben.
    Lorina L. ist Sozialarbeiterin, ihr Lebensgefährte Anlagetechniker. Noch leben sie mit drei Kindern in ihrer Wohnung, aber schon seit vier Monaten ohne Mietvertrag, denn der Vermieter hat ihnen wegen Eigenbedarf gekündigt – und das, obwohl ihr viertes Kind in wenigen Wochen zur Welt kommt. Die Chance, bezahlbaren Wohnraum für sechs Personen zu finden, scheint aussichtslos: „Schon am Telefon winken Vermieter ab, vier Kinder seien zu viel.
    Wir kommen uns wie asozial abgestempelt vor, nur weil wir eine Großfamilie sind.“ Vor wenigen Tagen flatterte die Räumungsklage ins Haus, und der bald sechsköpfigen Familie droht nun die Obdachlosigkeit. „Wir wissen einfach nicht, wohin wir sollen. Die Notunterkunft ist voll, ein Albtraum, uns läuft die Zeit davon.“ Insgesamt fehlen 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen. Das bekommen auch Chris und Daniela zu spüren. Sie und ihr fünfjähriger Sohn Giulio verloren die Wohnung wegen Eigenbedarf.
    Beide arbeiten als Gebäudereiniger in Vollzeit, aber ihr Gehalt reicht nicht, um die horrenden Mieten zahlen zu können. Außerdem ist der Markt so eng, dass Chris und Daniela bei Besichtigungsterminen oft in langen Schlangen stehen, um eine günstig angebotene Wohnung überhaupt besichtigen zu können. „Die Konkurrenz ist einfach zu groß. Wir standen schon zu hundert vor einer Tür.“ Auch sie landeten zunächst im Obdachlosenheim. „Da waren wir mit alleinstehenden Männern und Suchtkranken zusammen, für unser Kind unzumutbar.“ Um ihr Kind zu schützen, sind sie in einer billigen Pension untergekommen und arbeiten in Schichten, einer nachts, der andere am Tag, damit immer einer beim Sohn bleiben kann.
    Ihre Wohnungssuche haben sie bereits aufs Land ausgeweitet, weil es hier billiger ist. „Wenigstens haben wir einen sicheren Job. Und wenn wir jeden Tag zwei Stunden Fahrtzeit bis zum Arbeitsplatz auf uns nehmen müssen, weil wir eine Wohnung im Dorf finden, Hauptsache wir haben endlich wieder ein Dach über dem Kopf.“ „37°“ begleitet drei obdachlose Familien in ihrem Alltag ohne feste Bleibe und bei der verzweifelten Suche nach einer bezahlbaren Wohnung. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 06.10.2020ZDF
  • Folge 1022 (30 Min.)
    Vielen Menschen will ihre erste Liebe nicht aus dem Kopf gehen. Die Jugendliebe prägt in besonderem Maße und wird als existenziell angesehen. Viele sind mit ihrer Jugendliebe zusammen aufgewachsen und teilen die gleichen Werte und Ansichten. Was aber bleibt von ihr? Oft ist es nicht mehr als ein Bündel Briefe. Sie kann aber auch aufleben – und zur großen Liebe werden. „37°“ begleitet drei außergewöhnliche Liebesgeschichten über ein Jahr und startet damit lange vor der Corona-Krise. Giselas und Tims Geschichte ist fast unglaublich.
    1982 lernt die 17-jährige Gisela einen jungen US-Amerikaner kennen, der auf der Durchreise ist. Die beiden verlieben sich ineinander und werden ein Paar. Gisela geht für ihn in die Staaten, nach zwei Jahren trennen sie sich unter Tränen. Giselas Eltern sind krank, sie wird in Deutschland gebraucht. Gisela heiratet einen anderen Mann, bekommt zwei Kinder. Die Familie wird von Schicksalsschlägen heimgesucht: Giselas Eltern sterben sehr früh, dann stirbt ihr Mann mit nur 33 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. 2014 hat Giselas Sohn eine schwere Depression und nimmt sich das Leben.
    Im selben Jahr taucht über ein berufliches Netzwerk auf einmal Tim wieder in ihrem Leben auf. Er schreibt ihr fortan jeden Tag und schafft es, Gisela in dieser dramatischen Lebensphase aufzufangen. Gisela und Tim begegnen sich schließlich nach fast 30 Jahren zum ersten Mal wieder und erleben die ganz große Liebe. Was bislang eine Fernbeziehung ist, ändert sich im Laufe des Films. Tim zieht nach Deutschland. Er kann nicht mehr ohne Gisela sein und lässt dafür seine beiden Töchter (20 und 22) in den USA zurück.
    Sein Haus am Pazifik tauscht er gegen ein kleines Apartment in Kassel, wo er eine Stelle als Lehrer an einer bilingualen Schule gefunden hat. Das neue Leben kann endlich beginnen – ein Leben voller Herausforderungen. Gabi und Mirek geben für ihre wiederentdeckte Liebe ebenfalls viel auf, Mirek wird von großen Teilen seiner Familie bis heute gemieden – für ihn eine schlimme Situation. Die Liebesgeschichte von Mirek und Gabi beginnt 1983 im Skilager und endet ganz schnell wieder – wegen eines Missverständnisses.
    Gabi bekommt später mit einem anderen Mann zwei Kinder, Mirek wird ebenso Vater von zwei Kindern. 2008 findet ein Schultreffen statt. Mirek geht auf Gabi zu und gesteht ihr ohne große Umschweife, dass er damals verliebt in sie war. Was dann kommt, sind extreme Höhen und Tiefen, immer begleitet von dem Wissen, dass Unumkehrbares passieren wird. Mireks Verhältnis zu den beiden Söhnen ist sehr eng, ihretwegen zieht er nicht zu Gabi und ihren beiden Kindern, ihretwegen führen sie seit elf Jahren eine aufreibende Wochenendbeziehung und pendeln 300 Kilometer zwischen dem Tegernsee und dem oberfränkischen Marktredwitz.
    Gabi und Mirek sind heute 52 und 53 Jahre alt und sind sich sicher: „Das, was wir leben, ist nichts für Feiglinge.“ Aber sie fühlen sich trotzdem vom Leben beschenkt. Gilla lebt allein in Baden-Württemberg und ist fest entschlossen: Sie möchte Karel, ihre Jugendliebe aus Holland, wiederfinden. Über 52 Jahre sind seit ihrem letzten Treffen vergangen. Ihre Liebesgeschichte beginnt im Sommer 1967 bei einem Strandurlaub in Zandvoort. Gilla und Karel jedoch wissen, dass vieles gegen diese Beziehung spricht: die Entfernung, die eigenen Lebenspläne, die Abneigung von Karels Eltern gegenüber Deutschen.
    Dann ist der Sommer vorbei, und die beiden verlieren sich aus den Augen. Jahrzehntelang macht Gilla einen Bogen um Karels Briefe. Jetzt, mit 71, will sie sich der Vergangenheit stellen, denn bei der Suche nach Karel braucht sie professionelle Unterstützung. Wird sie Karel finden? Und falls ja – gibt es ein Happy End für die beiden? „37°“ zeigt in diesem Film Menschen, die große Opfer bringen, um sich den Traum ihres Lebens zu erfüllen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 13.10.2020ZDF
  • Folge 1023 (30 Min.)
    Ohne Pflegekräfte vor allem aus Osteuropa wäre die Versorgung in Alten- und Seniorenheimen, aber auch in der häuslichen Betreuung hierzulande nicht mehr vorstellbar. Für die Frauen ist die Arbeit in Deutschland finanziell attraktiv – aber sie zahlen einen hohen Preis. Der Film begleitet zwei Pflegerinnen aus Bulgarien und Albanien zu ihren Arbeitsstätten und zu ihren Familien, die sie in ihren Heimatländern zurücklassen. Der Pflegenotstand in Deutschland ist ein Dauerthema. Derzeit werden hierzulande 2,12 Millionen Menschen zu Hause betreut und rund 868 500 in Pflegheimen.
    Tendenz steigend. In einem aktuellen Gutachten ermittelten Forscher der Universität Bremen, dass die Zahl der Pflegekräfte allein in Altenheimen um rund 120 000 erhöht werden müsste, um den aktuellen Personalmangel abzufedern. Die Situation wäre noch dramatischer, würden die meisten Hilfsbedürftigen nicht zu Hause betreut, unterstützt durch bezahlte Pflegekräfte aus dem Ausland, zumeist aus Osteuropa. Nach Schätzungen des Verbands für häusliche Betreuung und Pflege arbeiten rund 300 000 Osteuropäerinnen in Deutschland.
    Für die Pflegebedürftigen und deren Angehörigen sind sie häufig die „letzte Rettung“. „37°“ betrachtet diese Situation aus der Perspektive von zwei Frauen, die ihre Heimat verlassen haben, um in Deutschland in der Altenpflege zu arbeiten. Der Film begleitet die Frauen in ihre Heimatländer und beleuchtet ihre persönlichen Lebensverhältnisse. Beide lassen Familie zurück, Kinder, Ehepartner, eigene Eltern. Bis auf wenige Urlaubswochen im Jahr beschränkt sich der Kontakt auf elektronische Medien.
    Eine zusätzliche Belastung zu dem physisch und psychisch aufreibenden Beruf, dem sie in der Fremde nachgehen. Stanimira kommt aus Sliven, einer Kleinstadt in Bulgarien. Sie ist 46 Jahre alt, verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Seit drei Jahren betreut sie in Renningen in der Nähe von Stuttgart den 96-jährigen Willi Eichhorn. In Bulgarien war sie über 20 Jahre Verkäuferin. Um ihre finanzielle Situation zu verbessern, suchte sie im Internet nach einer Agentur, die Betreuerinnen nach Deutschland vermittelt.
    Über die „Sofiapflege“ kam sie nach Renningen. Mit Mira, wie sie von den Familienangehörigen genannt wird, hatten sie großes Glück, erzählt der Sohn von Willi Eichhorn. Stanimira bleibt für viele Monate am Stück und fährt nur einmal im Jahr für vier Wochen nach Hause. So hat der hochbetagte Willi Eichhorn, dessen Demenz fortschreitet, eine kontinuierliche Betreuung und Stanimira wenig Verdienstausfall. Allerdings ist die Arbeit als Betreuerin, die permanente Verfügbarkeit anstrengend und kräftezehrend. Nach drei Jahren braucht Stanimira einen Tapetenwechsel.
    Sie möchte Willi Eichhorn verlassen, ausgerechnet in der Corona-Krise. Suela ist Albanerin und ausgebildete Krankenschwester. Als die 32-Jährige von der Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten, erfährt, arbeitet sie in einer Klinik und lebt mit ihrem Mann und der sechsjährigen Tochter in der kleinen Stadt Librazhd. Um eine bessere Zukunft zu haben, entscheidet sie sich für ein Ausbildungsprogramm der DEKRA, um später als Fachkraft in Deutschland arbeiten zu können. Das Programm läuft in Kooperation mit deutschen Kliniken und Senioreneinrichtungen und endet mit der Fachkundeprüfung für deutsche Pflegekräfte.
    Bis dahin arbeitet Suela als Hilfskraft in einer Senioreneinrichtung der Volkssolidarität im sächsischen Aue. Ihren Mann und ihre sechsjährige Tochter sieht sie jeden Tag, allerdings nur am Handy. Sie mussten in Albanien bleiben. In ihrer Freizeit lernt Suela viel Deutsch. Um die Prüfung bestehen zu können, muss sie besser Deutsch sprechen. Als Fachkraft würde sie mehr verdienen und könnte dann Tochter und Mann nach Deutschland holen. Das ist ihr großer Traum. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 20.10.2020ZDF
  • Folge 1024 (30 Min.)
    Jedes Jahr nehmen sich ungefähr 700 Menschen auf deutschen Schienen das Leben. Statistisch gesehen erlebt das jeder Lokführende ein bis zwei Mal im Berufsleben. Eine Erfahrung, die für jeden einzelnen Lokführenden eine extreme psychische Belastung bedeutet. Manche können danach nie wieder auf eine Lok steigen und müssen ihren Beruf aufgeben. Andere erleiden eine posttraumatische Belastungsstörung. Sören ist erst seit einem Jahr Lokführer, als er einen tödlichen Personenunfall erlebt. An einem Dezembernachmittag steht plötzlich ein Mädchen mitten auf dem Gleis. Sören leitet die Bremsung ein, betätigt das Signalhorn, doch vergeblich.
    Der 35-jährige Lokführer kann nur noch die Augen schließen und auf den Knall warten. Er hat einen Menschen überfahren, und fortan plagt ihn die Frage: Bin ich schuld an ihrem Tod? Wolfgang ist seit 30 Jahren Lokführer. In diesem Zeitraum wurde er bereits fünf Mal mit Schienensuiziden konfrontiert. Fünf Mal versucht er, den seelischen Belastungen standzuhalten, doch dann gerät auch er in eine Spirale aus Schuldgefühlen und Selbstzweifeln. Seine Kollegen und Freunde beobachten, dass Wolfgang sich immer mehr in sein Schneckenhaus zurückzieht. Er strengt sich an, die belastenden Bilder in seinem Kopf wieder loszuwerden. Doch er schafft es nicht allein und begibt sich schließlich in eine psychosomatische Fachklinik am Chiemsee.
    Rund 30 000 Lokführende gibt es im deutschen Eisenbahnnetz. 30 000 Menschen, die immer mit der Angst leben müssen, dass sich plötzlich ein Mensch vor ihren Zug wirft. Über Schienensuizid wird zu wenig gesprochen – offensichtlich ein Tabuthema in unserer Gesellschaft. Vor allem in den Medien soll nicht darüber berichtet werden, aus Angst vor Nachahmern. Doch damit wird übersehen, dass auch die Lokführenden Opfer sind, und ihre enorme psychische Belastung wird totgeschwiegen. Diesen Lokführenden möchte die „37°“-Reportage „Schatten im Gleis“ eine Stimme geben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 27.10.2020ZDF
  • Folge 1025 (45 Min.)
    Zwei Familien kämpfen um ihren Wald, der ihre Existenz sichert und nun vor ihren Augen vertrocknet und vom Borkenkäfer zerstört wird. Aber Aufgeben ist keine Option. Wie retten sie den Wald? „Lebt“, sagt Christian Hardt knapp und stapft ein paar Meter weiter. „Lebt auch“. Mit seinem Vater Hans-Friedrich kontrolliert er, ob die Wildkirsch-Setzlinge angegangen sind, auf die sich nun viel Hoffnung richtet. Können sie den Wald hitzefest machen? Noch ein oder zwei heiße Sommer wie die letzten, und der deutsche Wald ist nicht mehr zu retten.
    Hans-Friedrich Hardt hebt einen Fichtenzapfen auf und zerdrückt ihn in der Hand zu Staub. „So trocken ist es jetzt schon im Frühjahr – das gab es hier noch nie“, sagt er. Er weiß das so genau, weil der Wald seit fünf Generationen im Besitz seiner Familie ist, die Buch geführt hat über den Wald, die ihn liebte und von ihm lebte. Doch das wird durch Trockenheit und Schädlinge seit Jahren immer schwieriger. „Wir zahlen inzwischen mehr für das Beseitigen der toten Bäume, als wir an dem Holz verdienen“, sagt Hans-Friedrich Hardt.
    Vor vier Jahren hat er die grüne Idylle an der Bevertalsperre im Bergischen Land seinem Sohn überschrieben, der eigentlich andere Lebenspläne hatte. „Und seitdem haben wir hier einen heißen Sommer nach dem anderen.“ Der Vater seufzt. „Es quält mich, dass ich Christian zurück gelockt habe und es hier nun so schlimm aussieht.“ Auch Familie Vorwerk, Waldbesitzer am Möhnesee im Sauerland, leidet mit ihrem Wald. 90 Prozent ihrer Bäume sind durch Trockenheit und Borkenkäfer zerstört. „Für meinen Vater ist es die totale Katastrophe.
    Er meint, dass er mit seinen gepflanzten Fichten versagt hat“, erzählt Gerhard Vorwerk mit Blick auf eine Front brauner Bäume. Die Enkel werden von diesem Wald nicht leben können, so viel ist klar. Ein Hoffnungsschimmer ist die neue Försterin Annemarie Hille. „So jemand hatten wir noch nie“, schwärmt Vorwerk, „die hat Ideen und setzt sie akribisch um.“ Ein unwegsames Gelände, sehr viel Totholz und kaputte Bäume, die jederzeit umfallen können, das ist die Lage. Die Försterin sieht den Kampf der Fichte gegen Hitze und Borkenkäfer am Möhnesee als verloren – aber glaubt an die Chance, durch andere Baumsorten und Pflanzanordnung einen neuen, klimaresistenten Wald zu schaffen.
    „Ich bin nicht vorbelastet und so deprimiert“, erzählt die junge Frau. „Mir macht es richtig Spaß, an der Zukunft dieses Waldes zu arbeiten.“ Vater und Sohn Hardt überlegen unterdessen, wie sie den Wald anders bewirtschaften könnten. Einen Friedwald würden sie gerne einrichten, aber Beisetzungen im Wald – das findet nicht überall Zustimmung im angrenzenden Dorf.
    Schlaflose Nächte haben die Hardts aber wegen etwas anderem: Durch die Trockenheit steigt die Waldbrandgefahr enorm. Wenn er die vielen Corona-gestressten Städter anrollen sieht, die an der Bevertalsperre Erholung suchen, dann weiß er, dass manche ihre Kippen nicht richtig ausdrücken oder gar Lagerfeuer machen. Ein Nachbarwaldgebiet ist kürzlich niedergebrannt. „Mein absoluter Alptraum“, sagt Hans-Friedrich. „Ich liebe diesen Wald.“ Zum Glück sind die meisten Setzlinge angegangen, kleine grüne Blättchen ragen aus dem staubigen Waldboden. Ein gutes Zeichen. Grün, das weiß jeder, ist die Farbe der Hoffnung. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 24.11.2020ZDF
  • Folge 1026 (30 Min.)
    In Deutschland gibt es über 4000 Bestattungsunternehmen – eine Branche im Aufbruch. „37°“ begleitet drei moderne Bestatter, für die der Beruf mehr bedeutet, als nur Särge zu verkaufen. Wie nehme ich richtig Abschied? Standen früher traditionelle Bestattungsrituale im Vordergrund, liegt der Fokus der Bestatterheute auf psychosozialer und seelsorgerischer Arbeit mit Hinterbliebenen. Eine jüngere Generation versucht, die Branche neu auszurichten. Ganz neue Maßstäbe in der Bestattungskultur will Eric Wrede (40) setzen.
    Er ist Gründer und Inhaber eines alternativen Bestattungshauses in Berlin. Früher arbeitete Eric erfolgreich als Musikmanager eines großen Plattenlabels. Doch das war dem heute 40-Jährigen irgendwann nicht mehr genug. Er schraubte seinen Lebensstil drastisch herunter, lieh sich Geld und absolvierte ein Praktikum bei einem Bestatter. Heute verfolgt er einen radikalen Ansatz: Lediglich ein Sargmodel hat er im Angebot – zum Selbstkostenpreis. Sein Geld verdient der Familienvater vor allem durch eine individuelle und oft zeitintensive Betreuung der Hinterbliebenen.
    Angehörige erhalten Gelegenheit, in Ruhe Abschied von den Verstorbenen zu nehmen und sich auf Wunsch sogar am Sarg-Bau und der Herrichtung des Leichnams zu beteiligen. Dafür gibt es laut Eric gute Gründe: „Du verabschiedest dich nicht von einer Leiche, sondern du verabschiedest dich von jemand, der eine Geschichte hat.“ Eric möchte seine Kundschaft dafür sensibilisieren, sich bereits im Vorfeld des Ablebens aktiv mit dem Tod auseinanderzusetzen.
    Auslöser für Erics Lebenswandel war das Hören eines Radiointerviews mit dem Bestatter Fritz Roth, der als Vorreiter alternativer Bestattungsformen in Deutschland gilt. Nach dessen Tod führt inzwischen Tochter Hanna (33) das Unternehmen, gemeinsam mit ihrem Bruder David. Zum Bestattungshaus in Bergisch Gladbach gehört sogar ein eigener Friedhof – ein absolutes Novum in Deutschland. Erlaubt sind hier zwar nur Urnenbeisetzungen, jedes Grab kann von den Angehörigen jedoch individuell gestaltet werden.
    Hanna möchte das Areal zu einem Ort der Begegnung machen und in den Alltag möglichst vieler Menschen integrieren. Deshalb sind spielende Kinder auf dem Gelände keine Seltenheit. Über ihren Arbeitsansatz sagt die Rheinländerin „Man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern man muss die Wünsche zulassen.“ Auch für Hanna ist es wichtig, mit dem Thema Endlichkeit bereits zu Lebzeiten offen umzugehen. So weiß die Mutter zweier Kinder schon mit gerade Mitte 30 ganz genau, wie ihre eigene Beisetzung später einmal verlaufen soll.
    Jetzt möchte Hanna mit ihrem Berliner Kollegen Eric ein gemeinsames alternatives Bestattungshaus in Leipzig gründen. Bereits seit 1859 existiert das Bestattungshaus Tüllmann in Warstein. Vor zwei Jahren übernahm Christian das Unternehmen von seinem Vater Wilhelm. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat der 42-Jährige keine klassische Bestatter-Ausbildung absolviert. Doch schon als Jugendlicher half Christian Tüllmann regelmäßig im Unternehmen der Eltern aus.
    In der näheren Umgebung hat das Bestattungshaus, das Christian bereits in sechster Generation führt, kaum Konkurrenz. Traditionen gelten vor Ort viel. Doch auch Christian merkt, dass sich die Wünsche seiner Kunden ändern. Darauf muss er reagieren. Keine leichte Aufgabe, in einem so konservativ geprägten Landstrich. Trotzdem ist der Diplomingenieur verstärkt auf der Suche nach neuen Ideen. Neben serviceorientierten Leistungen, wie der Übernahme von Formalitäten auf Ämtern, hat der Unternehmer für seine Kunden auch Schmuck im Angebot, in den sich problemlos Aschestaub eines Verstorbenen einfüllen lässt.
    Kindern das Thema nahezubringen, ist dem zweifachen Familienvater ein echtes Anliegen. Regelmäßig empfängt er Schulklassen oder Kindergartengruppen in seinem Unternehmen, um schon mit den Kleinen über das Thema Endlichkeit und gutes Abschiednehmen zu sprechen. Dabei hat er Interessantes beobachtet: „Kinder nehmen den Tod als etwas ganz Natürliches wahr, wenn man mit ihnen darüber offen redet.“ (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 01.12.2020ZDF
  • Folge 1027 (30 Min.)
    Ein gut situierter Familienvater, Anwalt und Kommunalpolitiker kehrt der Gesellschaft den Rücken und lebt fortan mit Wolfshunden im Wald. Warum tut er das? „37°“ begleitet den Aussteiger bei der täglichen Herausforderung, sich als Rudelchef zu behaupten, und versucht zu verstehen, warum ihn das Leben mit den Wolfshunden so viel mehr erfüllt als sein früheres – inmitten seiner Familie und im Dienste der Gesellschaft. Ein drei Meter hoher Metallzaun markiert das Ende einer unbefestigten Waldstraße. Zwischen Bäumen, Gestrüpp und Drähten liegt eine kleine Holzhütte.
    Die Luft ist feucht und schwer, es riecht nach rohem Fleisch: Mittagszeit für Christian Berges tierische Familie. Auf großen Tellern trägt der klein gewachsene Mann ganze Hühnchen in die Gehege. Die hüfthohen Raubtiere beobachten ihn, pirschen sich langsam an. Als Berge gerade den Zaun hinter sich zuzieht, schnellen sie hervor. Seit 2004 lebt der 57-Jährige gemeinsam mit seinen Tieren als Familie in Buchholz an der Aller. Die Wolfshunde lassen sich optisch kaum von einem wilden Wolf unterscheiden, und auch ihr Verhalten ist weit entfernt von dem eines wohlerzogenen Haushundes.
    Mit vorsichtigen Schritten und leuchtenden Augen betritt ein großes, graues Tier das spartanisch eingerichtete Wohnzimmer. Der Raum erinnert mit dem zerschlissenen Sofa, dem abgewetzten Teppich und den Bissspuren an den Dielen an eine große Hundehütte. Auf einem Regal über dem Türrahmen steht eine mit Strasssteinen verzierte Urne. Darin die Asche von Berges „Seelenwolf“ Noomi – so nennt er seine erste Wolfshündin.
    Sein größter Wunsch: einen wilden Wolf in der Natur sehen und an dieser Stelle die Asche seines geliebten Tieres verstreuen. In seiner Vergangenheit lebte Berge ein bürgerliches Leben: Mit seiner Frau, zwei Kindern und einem Familienhund wohnt er im Speckgürtel von Hannover, arbeitet als Familienanwalt im Dorf, engagiert sich ehrenamtlich und in der Kommunalpolitik. Mit der Zeit lasten die täglichen Anforderungen schwer auf seinen Schultern. Zum körperlichen Ausgleich fährt er stundenlang Rennrad, nicht selten bis zur totalen Erschöpfung.
    In dieser Zeit beginnt Berge, der früher Angst vor Hunden hatte, sich für Wölfe zu interessieren, und er schafft sich nach und nach zwei Hunde und drei Wolfshunde an. Die Diagnose Burnout stellt Berges Leben auf den Kopf. Es folgt die Scheidung. Berge zieht aus, flüchtet in den Wald. Die Tiere nimmt er mit. Berge möchte weit weg sein von der Gesellschaft und ihren Normen, fühlt sich von den Menschen nicht verstanden. Zu seinen fünf Tieren kommen weitere Wolfshunde hinzu.
    Je näher sie genetisch am Wolf sind, umso größer Berges Faszination. Früher kämpfte er für Familien, nun haben die Raubtiere diesen Platz eingenommen. Als „Anwalt der Wölfe“ verdient er durch Vorträge das Geld, das er für sein spärliches Leben braucht. Seine Kinder akzeptieren mittlerweile das neue Leben ihres Vaters, besuchen ihn aber nur selten. Im Freundeskreis von Berge finden sich vor allem Wolfsfans und Aktivisten, mit denen er seine Faszination teilen kann.
    Der Einsamkeit in der Holzhütte entkommt Berge durch die sozialen Medien. Dort postet er täglich Fotos, Videos und Texte zu seinen Tieren und zum Thema Wolf – letztere vor allem in Richtung der Wolfsgegner. Die Diskussion über die Chancen und Risiken durch die Rückkehr der wilden Wölfe in Deutschland ist in vollem Gange. Christian Berge, der sich selbst als „Speerspitze des Wolfsschutzes“ sieht, hat mit seiner Haltung schon viele Wolfsgegner gegen sich aufgebracht. Er sagt, er wolle für die Tiere kämpfen, solange er Kraft dafür hat.
    Die braucht er auch, um sich immer wieder als Anführer des Rudels durchzusetzen. Wie lange wird der 57-Jährige noch durchhalten – körperlich wie mental? Der Film zeichnet ein Porträt des ehemaligen Anwalts und heutigen Wolfsschützers Berge. Um zu verstehen, weshalb er seinem bürgerlichen Leben den Rücken gekehrt hat, unternehmen die Filmemacherinnen eine Reise in Berges Vergangenheit und begleiten ihn über ein Jahr lang in seinem Alltag. Ein Film über ein Leben Tür an Tür mit den Raubtieren und einem Menschen, der sich nichts Schöneres vorstellen kann. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 15.12.2020ZDF
  • Folge 1028 (30 Min.)
    Aufregend, romantisch, kompliziert – sich verlieben kann sich im Alter genauso anfühlen wie in jungen Jahren. „37°“ zeigt Menschen, die spät im Leben noch mal das Abenteuer Beziehung wagen. Frisch verliebt mit über 80? Wie fühlt sich das an? Geht das überhaupt nach Jahrzehnten der Ehe und der Einsamkeit? Und was sagt die Familie? Ein hoffnungsvoller Film über fünf Menschen auf dem Weg zum großen Glück im Alter. Christa (81) und Siegfried (79) aus Bremen sind beide verwitwet, hatten ihre Häuser verkauft und waren in eine altersgerechte Wohnung umgezogen.
    Sie hatten sich gut im Leben ohne Partner eingerichtet. Bis sie in den Senioren-Apartments Nachbarn wurden. Bei Christa hat es sofort gefunkt. „Da flatterten sogar wieder Schmetterlinge im Bauch“, sagt sie. Siegfried brauchte etwas länger, bis bei ihm der Groschen fiel, dass Christa gern mehr will als nur gemeinsam Kaffee trinken. Doch nun sind die beiden unzertrennlich. „Wie einsam ich vorher war, wird mir erst jetzt so richtig klar“, gesteht Siegfried. Auch Marianne (68) ist Witwe. Vor 17 Jahren starb ihr Ehemann an Leukämie.
    Seitdem hat sie einige Männer getroffen. Mit einem sah es eine Weile mal vielversprechend aus, aber dann hat es doch nicht gepasst. Seitdem sucht Marianne einen neuen Partner. Sie probiert es mit Onlinedating, ist auf verschiedenen Single-Seiten angemeldet. Doch der Richtige war noch nicht dabei. Nach einem Leben voller Beziehungen und Erlebnisse hat jeder emotionalen Ballast – das macht es schwer, findet Marianne. Oder sind ihre Ansprüche zu hoch? Bei ihrer Suche bewegt sie sich zwischen Selbstzweifel, Resignation und Hoffnung.
    Erika und Norbert sind beide über 80 und verwitwet, als sie sich bei der ZDF-Reihe „Mit 80 Jahren um die Welt“ bewerben und tatsächlich als zwei von sechs Kandidaten ihren Traum von fernen Ländern verwirklichen können. Zufällig kommen beide aus Berlin. Auf der Reise funkt es schon. Zurück in der Heimat treffen sie sich in Erikas Wohnwagen auf dem Campingplatz am Rande der Stadt. Nach Erikas anfänglichem Zögern entwickelt sich eine zarte Liebe. „Ich kann kaum glauben, wenn er sagt, alles an mir sei schön. Mein Körper ist doch alt“, sagt Erika.
    Und Norbert schwärmt: „Ich hatte schon einige Angebote von Frauen, aber nur bei Erika hat es so richtig gefunkt.“ Ihre Zukunftspläne? Ab und zu überlegen sie, zusammenzuziehen. Aber keiner von beiden will seine Wohnung aufgeben. „Ist ja auch schwer nach all den Jahren, die man dort verbracht hat“, sagt Erika. Sie genießen den Moment, planen nicht lange im Voraus – wer weiß, wie lange es noch geht. Die letzten Jahre nicht einsam, sondern gemeinsam verbringen – da sind sich alle fünf Menschen in dieser Reportage einig – das wäre das größte Glück. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 22.12.2020ZDF

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