2020, Folge 992–1010

  • Folge 992 (30 Min.)
    Noch immer entscheidet Herkunft über Karriere. Wer aus schwierigen Verhältnissen kommt und trotzdem einen sozialen Aufstieg schaffen will, hat einen besonders harten Weg vor sich. „37°“ begleitet drei junge Menschen, die um gute Bildung kämpfen: gegen das Milieu, aus dem sie kommen, gegen Vorurteile, gegen das Gefühl der Einsamkeit, weil sie von zu Hause keine Unterstützung bekommen können. Was treibt sie an? Erreichen sie ihre Ziele? Robin (16) wächst in einem Kölner Viertel auf, in dem es rau zugeht. Wegen einer Schlägerei verbrachte er sechs Wochen im Krankenhaus.
    In der Schule störte er den Unterricht, hatte schlechte Noten und flog schließlich vom Gymnasium. Auf der Realschule läuft es auch nicht besser, bis er Jacqueline Langer kennenlernt, eine neue Lehrerin. Sie hört ihm zu, macht ihm Mut. Robin beginnt, über sich nachzudenken: „Ich kann eigentlich mehr. Warum denke ich nicht weiter? Warum lasse ich mich immer ablenken?“ Dann fasst er einen Entschluss: Er will die Mittlere Reife schaffen und danach auf ein Wirtschaftsgymnasium gehen.
    Aber er muss einiges aufholen. Ohne Nachhilfe und Disziplin wird er den Abschluss nicht schaffen. Kevin (19) studiert im zweiten Semester Pharmazie in Marburg. Ein anspruchsvolles Studium. Viele brechen ab. Kevin will unbedingt durchhalten. Er ist allein mit seiner alkoholkranken Mutter aufgewachsen. „Ich weiß nicht, wie oft ich als Kind meine Mutter ins Bett gebracht habe und nicht andersrum“, erinnert er sich. Als es seiner Mutter immer schlechter ging, brachte ihn das Jugendamt in eine Wohngruppe. Das Abitur hat er mit 1,2 geschafft, weil er eine außergewöhnliche Begabung für Naturwissenschaften hat.
    Aber jetzt lebt er zum ersten Mal allein, in einem kleinen Studentenzimmer, und hat keine Familie, die ihn auffängt, wenn er mal Sorgen oder Stress hat. Nejla (29) ist Lehrerin an einem Gelsenkirchener Gymnasium, ausgerechnet für Deutsch. Als Kind kam sie mit ihrer kurdischen Familie aus der Türkei. In der Grundschule hatte sie noch Sprachprobleme und wurde auf die Hauptschule geschickt. Doch dann hat sie ihren Ehrgeiz entdeckt.
    Lehrerin will sie werden. Ihre eigenen Lehrer sagten: „Das packst Du nicht. Du kommst von der Hauptschule. Du wirst es nicht schaffen.“ Aber sie setzte sich durch, auch gegen den Widerstand innerhalb ihrer Familie. Drei junge Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen, aber mit einer Gemeinsamkeit: Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Bildungsweg sind sehr schlecht. Reichen Begabung und Ehrgeiz, wenn man den sozialen Aufstieg schaffen will? Der Film zeigt, dass es noch etwas gibt, was alle drei brauchen: einen Menschen, der an sie glaubt. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.01.2020ZDF
  • Folge 993 (30 Min.)
    Weite Landstriche der neuen Bundesländer sind verlassen, viele Menschen in den Westen abgewandert. Aber es gibt Hoffnung: junge Menschen, die wieder zurückkehren in die alte Heimat. Es sind oft erfolgreiche, junge Leute, die vor Jahren den Osten verlassen haben und in den alten Bundesländern oder im Ausland beruflich durchgestartet sind. Jetzt zieht es sie wieder zurück. Warum nur? Mittlerweile halten sich Ab- und Zuwanderung sogar die Waage. Barbara und ihr Mann Florian sind Paradebeispiele für diese „Sehnsucht nach der alten Heimat“.
    Nach dem Abitur in Sachsen-Anhalt studiert er in München und avanciert in Zürich zum anerkannten Architekten. Sie studiert nach dem Ost-Abi in Tübingen und Zürich, bringt es innerhalb kürzester Zeit zur Dozentin an den Unis in München, Zürich und Lyon. „Bei allem Erfolg war unser gemeinsamer Traum, unsere Kinder in der Heimat aufwachsen zu lassen, nie verblasst.“ Auch wollen sie „das Land nicht den anderen überlassen“, wie sie sagen. „Sachsen-Anhalt ist zwar nicht Sachsen, aber auch hier stößt du überall auf rechte Gesinnung.“ Vier Jahre nach der Geburt der ersten Tochter erfüllen sie sich den Traum.
    Sie kaufen ein 300 Jahre altes Pfarrhaus an der Havel und renovieren es jetzt historisch gerecht, ohne fremde Hilfe. „Ein Fulltime-Job mit viel Ärger, Frust und Überraschungen.“ Langsam arbeitende Ost-Behörden, fehlende und schlecht ausgebildete Handwerker bringen sie „manchmal fast zur Verzweiflung“. Bei allen Schwierigkeiten – sie wollten zwischenzeitlich mehrmals aufgeben und in ihr altes, komfortables Leben in Zürich zurück -, halten sie durch.
    „Heimat, das riecht man, hört man, sieht man in der Landschaft und in den Städten – auch wenn sie nicht so aufgehübscht sind wie im Westen“, ringt Barbara um eine Erklärung. Außerdem ist ihnen wichtig, dass ihre Kinder viel Kontakt mit den Großeltern haben, die ganz in der Nähe wohnen und eine echte Hilfe sind. Das Projekt ist eine „Bewährungsprobe für uns alle“. So ähnlich sieht es auch der Betriebswirtschaftler Martin. Als sich seine Eltern nach der Wende wegen der Arbeit in den prosperierenden Südwesten Deutschlands abmachen, bleibt er noch zwei Jahre bei Oma und Opa im Harz, bis er sein Abitur in der Tasche hat.
    Dann zieht er den Eltern hinterher in den Schwarzwald – ins „Schlaraffenland der Medizintechnik“. Nach dem Studium avanciert Martin, der fließend Spanisch, Portugiesisch, Englisch und Französisch spricht, rasch zum Vertriebsleiter in einem führenden Unternehmen für Medizintechnik für die Märkte in Frankreich, Spanien, Portugal und Lateinamerika. Damit verbunden sind längere Aufenthalte in Brasilien und Frankreich als leitender Manager.
    Eine Bilderbuchkarriere. Doch gemeinsam mit seiner Frau beschließt Martin, wieder in den heimatlichen Harz zurückzugehen. Das „Verlangen nach Heimat ist kaum zu erklären“, sagt er, „das kribbelt im Bauch, das spürt man einfach.“ Martin bekommt problemlos eine Stelle als Vertriebsleiter in einem chemischen Industrieunternehmen, seine Frau will noch warten und für eine Übergangszeit im Westen bleiben. Dass dann doch nicht alles so glatt läuft in der neuen, alten Heimat, damit hat er nicht gerechnet.
    Mit Haut und Haaren hat sich Karla von Anfang an in das Rückkehrer-Abenteuer gestürzt. Die Juristin mit Studium in halb Europa hat sich in den Gemeinderat ihres Heimatdorfes in der Lausitz wählen lassen, leitet Kinder- und Jugendsportabteilungen, setzt sich für das Freibad ein und gründet ein Start-up für ökologische Windeln. Inzwischen hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Haus am Dorfrand renoviert und jede Menge Zukunftsprojekte. Der Bürgermeister schwärmt: „Karla ist ein Juwel für uns.“ Die Filmemacher von „37°“ haben die Rückkehrer monatelang begleitet und waren auch in den Krisenmomenten mit dabei. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.01.2020ZDF
  • Folge 994 (30 Min.)
    Essstörungen gelten als Frauenkrankheit. Doch mindestens jeder zehnte Betroffene ist ein Mann. Elija (19) und Markus (32) wollen aus ihrer Magersucht heraus. Gelingt ihnen das? Magersucht bei Männern: Das gibt es eigentlich nicht. Das haben 14-jährige Mädchen, die aussehen wollen wie Heidi Klum. Meist bricht die Magersucht in der Pubertät aus, aber auch Erwachsene sind betroffen. Markus war 26, als es mit dem gefährlichen Hungern losging. Er studierte in Münster, wollte Lehrer werden, als er mit Ausdauersport begann, um muskulöser auszusehen.
    Parallel dazu wollte er sich gesünder ernähren. Was als Hobby begann, wurde in kürzester Zeit zu einem Zwang. Er konnte nicht mehr aufhören zu hungern, zu joggen. Alles drehte sich nur ums Nichtessen. Markus magerte auf 38 Kilogramm ab, bei einer Größe von 1,94 Meter, und wäre fast gestorben. Entgegen aller Prognosen der Ärzte hat er überlebt. Nach seinem letzten langen Krankenhausaufenthalt in der Uniklinik Bochum und einem Jahr intensiver Therapie in einer Wohngemeinschaft darf er in eine Therapiewohnung umziehen.
    Dort muss er sich selbst versorgen und das Alleine-Leben üben, ist aber in engem Kontakt mit einem Ernährungsbetreuer und Therapeuten. Der 32-Jährige will sein Leben zurück, weiter zunehmen, wieder reisen, Freunde treffen, irgendwann auch wieder arbeiten. Wird er allein klarkommen? Warum manche Menschen an einer Essstörung erkranken und andere nicht, kann bis heute nicht vollständig beantwortet werden. Inzwischen weiß man zumindest, dass mehrere Faktoren eine Rolle spielen: Gene, Hormone, psychische Probleme und gesellschaftliche Einflüsse.
    Der 19-jährige Elija aus der Nähe von Siegen war 16, als er Instagram und YouTube für sich entdeckte. Heute weiß er, dass die Fotos und Videos ein Idealbild entworfen haben, das für ihn als sportlichen, aber kräftig gebauten Jungen eigentlich nicht zu erreichen war: „Ich hatte vorher kein Schönheitsideal von Männern oder Jungen. Das fing erst an, sich zu entwickeln. Und für mich war es dann ‚muskulös und dünn‘. Und beim nächsten Essen, beim nächsten Gang ins Fitnessstudio übernimmt man das, und dann merkt man nach einiger Zeit, oh, es funktioniert echt.“ Elija trainiert jeden Abend im Fitnessstudio, später auch noch morgens vor der Schule und manchmal sogar in den Freistunden.
    Parallel dazu isst er immer weniger, wird immer schwächer. Und macht dennoch weiter, quält sich an den Maschinen im Studio. Bis er bei einem Sportfest in der Schule, auf das er sich sehr gefreut hat, merkt, dass er gar keine Kraft mehr hat. Das bringt die Wende. „37°“ begleitete Elija und Markus ein Dreivierteljahr bei ihrem Versuch, wieder gesund zu werden. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.01.2020ZDF
  • Folge 995 (30 Min.)
    Unkontrollierte Zuckungen, merkwürdige Töne, manchmal obszöne Ausbrüche: Menschen, die die Krankheit Tourette haben, erregen Aufmerksamkeit, meist negativ. Wie werden sie damit fertig? Menschen mit Tourette können ihre Ticks so wenig beeinflussen wie Gesunde einen Niesanfall. Das Umfeld reagiert häufig irritiert. Aber das Tourette-Syndrom ist keine komische Angewohnheit, sondern eine unheilbare, neuropsychiatrische Erkrankung. Das Tourettesyndrom tritt meist schleichend auf, im Alter zwischen sechs und acht Jahren, fast nie nach dem 18. Lebensjahr.
    Betroffen sind in Deutschland schätzungsweise 40 000 Menschen, viermal mehr Jungen als Mädchen. Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Nach der Pubertät können die Symptome schwächer werden, doch meistens bleiben sie dauerhaft. Die Ursachen sind bis heute nicht gefunden, sie können in einem gestörten Stoffwechsel im Gehirn liegen, aber auch genetisch bedingt sein. Die „37°“-Sendung begleitet zwei Protagonisten, die mit dem Tourettesyndrom leben. Wie gehen sie mit ihrer Krankheit um? Wie erleben sie die Reaktionen der Mitmenschen? Worüber können sie trotz des Leidens auch lachen? „Ich hasse Tourette“, sagt Pauline traurig.
    Die 18-Jährige kann immer noch nicht fassen, wie sehr sich ihr Leben innerhalb eines Jahres verändert hat. Urplötzlich begannen die Ticks. Erst nur mit Augenrollen, ungewollten Schlägen auf die Brust und schließlich merkwürdigen Tönen, die sie von sich gibt. Ausgerechnet in der Zeit, als die Schülerin in Island ein Gymnasium besucht. Anfangs versucht Pauline, die Ticks zu verheimlichen, doch das verschlimmert sie nur.
    In Deutschland dann – im Frühjahr 2019 – kam die Diagnose: Tourette. Paulines Mutter Ute kann seither nicht mehr Vollzeit arbeiten: „Ich muss mich daran gewöhnen, dass Pauli nicht mehr so tickt wie früher.“ Zu Beginn der Dreharbeiten hofft Pauline noch auf ein Wunder. „Manchmal habe ich sehr gute Tick-Tage, dann ticke ich wenig und habe die Hoffnung, es wird besser. Sie versucht, trotz Tourette-Diagnose und einer Vielzahl von Arztterminen, in Berlin ihr Abitur zu machen. Doch das erfordert Kraft und Selbstbewusstsein.
    Denn die Erkrankung zeigt sich unberechenbar. Nahezu wöchentlich verändern sich die Ticks. „Wenn ich neue Menschen treffe, rufe ich fast immer ‚Du kannst nix‘“, sagt Pauli. Manchmal freut sie sich, wenn sie andere Menschen durch ihre Ticks zum Lachen bringt, „dann war die Krankheit wenigstens für etwas gut“. Doch dann erlebt Pauline immer wieder Tiefpunkte. Denn Tourette kommt selten allein. Angst-, Zwangs- und Aufmerksamkeitsstörungen, Depressionen und Suchterkrankungen können die Begleiterscheinungen sein.
    Pauline muss schließlich für drei Monate in eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden. „Bei dem Wort Psychiatrie war ich erst mal geschockt“, sagt ihre Mutter Ute, „aber dann bedeutete Psychiatrie einfach Hilfe.“ Medikamente, Tests, Therapien und dann immer wieder der Versuch, ein „normales“ Leben zu führen. Zum Glück hat Pauline gute Freundinnen, die sie so nehmen, wie sie ist, und schnell eingreifen, wenn sie im Restaurant ungewollt „Mango-Salat“ ruft. Auch so ein Tick.
    Ein Jahr lang begleitet die Dokumentation die Schülerin. Ein Jahr, in dem immer neue Symptome dazukommen. „Die schlimmste Erfahrung ist, Pauli nicht helfen zu können“, sagt Ute und drückt ihre Tochter innig an sich. Die zwei halten zusammen und hoffen, trotz Tourette den Weg in ein „normales“ Leben zu finden. „Klar gab es Leute, die mich nachgemacht haben und einfach gemein waren. Ich glaube aber, dass viele Leute mit einem Handicap in manchen Punkten stärkere Menschen sind. Man kann daran wachsen.“ Bei Bijan K. aus Darmstadt begannen als Grundschüler die ersten Ticks.
    Er galt als Zappelphilipp, der seinen Kopf heftig nach hinten warf und manchmal eine Halskrause tragen musste. Seine Großeltern, bei denen Bijan aufwächst, können mit den seltsamen Symptomen nichts anfangen. Es vergehen Jahre, bis tatsächlich die Diagnose Tourettesyndrom fällt. Dennoch wollte Bijan schon als Schüler in die Politik gehen. Trotz der Krankheit hat der heute 30-Jährige sein Abitur und ein Volkswirtschafts-Studium abgeschlossen. Statt Rückzug Einzug in den Hessischen Landtag als Abgeordneter.
    Jeden Tag Sitzungen, Treffen mit Menschen und ihren Anliegen. Viele haben sich daran gewöhnt, dass seine Hand öfter mal ausrutscht und Zentimeter unter ihrer Nase landet oder sein Kopf zur Seite kippt. Aber seine Ticks verletzen niemanden, auch sprachlich nicht. Nur ein Viertel der Tourette-Betroffenen hat die sogenannte Koprolalie, bei der unbeabsichtigt obszöne Wörter gerufen werden. Davon und auch von anderen Zwangsstörungen blieb Bijan verschont. Heute nimmt er keine Medikamente mehr und versucht erst gar nicht, seine Ticks unter Kontrolle zu bringen, weil das viel anstrengender ist.
    Auch wenn Bijan offen mit seinem Tourette umgeht, belastend ist es doch, weil „man sich tagtäglich damit auseinandersetzen muss. Es lässt einen nicht in Ruhe.“ Spürbar wird das vor allem in Stresssituationen. Bei einer Reise nach Berlin zum Bundestag vermehren sich seine Ticks, werden auffälliger und unkontrollierter. Es ist auch der Lärm der Großstadt, der seine Ticks triggert. Zu Hause, wenn es ruhiger wird, geht es ihm besser.
    Im Privatleben hat er eine Freundin, einen verlässlichen Freundeskreis, er macht Fitness, spielt Fußball und sogar Theater. Durch seinen politischen Erfolg ist er Botschafter einer höchst komplexen Krankheit geworden. Das ist Bijan wichtig, aber darauf will er nicht reduziert werden. Künftig will er eher als Politiker wahrgenommen werden. Dennoch bleiben die Ticks. Sichtbar und hörbar. Eine Behinderung? Bijans Antwort lässt seinen speziellen Humor durchblicken. „Ach, was ist schon Behinderung. Ich sehe jeden Tag eine Menge Leute, die haben vermeintlich keine Behinderung und stehen sich trotzdem unglaublich im Wege.“ (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.01.2020ZDF
  • Folge 996 (30 Min.)
    Sehr große und sehr kleine Menschen leben stets außerhalb der Norm. Ob vererbt oder durch eine Krankheit – zahlreiche Herausforderungen machen Alltag und Beruf kompliziert. Der kleinwüchsige Ralf und seine normal große Frau Susi möchten ihrer Tochter helfen, ihr Leben trotz Kleinwuchses zu meistern. Rolf Mayr hat seine Söhne motiviert, ihre Größe für den Basketball zu nutzen. Und Annas Eltern haben sich für eine Hormonbremse entschieden. Ralf Hebold (41) aus Magdeburg hat Achondroplasie, eine genetisch bedingte Störung des Knochen- und Knorpelwachstums.
    Als Kind musste er sehr schmerzhafte Beinverlängerungs-Operationen über sich ergehen lassen – die haben ihm 15 Zentimeter geschenkt. Heute ist er 1,47 Meter groß. Seiner Tochter, die diese Krankheit geerbt hat, möchte er diese OPs am liebsten ersparen. Er hofft dennoch, dass auch sie eines Tages ein normales Auto fahren und ein selbstständiges Leben führen kann. Deshalb ist die vierjährige Judy in Behandlung bei Professor Klaus Mohnike, Endokrinologe und Chefarzt in der Universitätsklinik Magdeburg.
    Der forscht gerade an einem neuen Medikament, das ihr Wachstum fördern könnte. Wird Judy davon profitieren? Oder wird sie sich später doch – wie der Vater – die Beine operativ verlängern? Vorsorglich erkundigen sich die Eltern bei Professor Rainer Baumgart in München, wie ein solches Prozedere ablaufen würde. Wird es heute noch so schlimm sein wie früher? „Sie wird das schon schaffen“, meinen die Eltern einhellig. Denn eines hat Ralf seiner Tochter jetzt schon mitgegeben: Selbstbewusstsein! Und tatsächlich, Judy macht es wie ihr Vater und klettert überall hoch, um selbst das zu erreichen, was sie möchte.
    Sich helfen lassen ist die absolute Ausnahme. Auch im Kindergarten lässt sie sich von niemandem gängeln. Rolf Mayr (55), genannt Bibo nach dem großen Vogel in der „Sesamstraße“, ist mit 2,22 Metern der größte Deutsche. „37°“ hat bereits über ihn berichtet. Bibos Sohn Daniel (24) wurde damals vom Arzt vermessen, um eine Prognose über seine Größe zu erstellen. Nun ist Daniel mit 2,18 Metern ausgewachsen und Basketball-Profi geworden – wie früher sein Vater.
    Beide haben im Sport die Möglichkeit gefunden, das Beste aus ihrer Länge zu machen. Nach seiner Knieverletzung vor zwei Jahren kämpft er unermüdlich um sein Comeback. „Die Körpergröße gibt eine gewisse Sicherheit. Ich merke, dass ich von Natur aus Respekt erzeuge“, erzählt Daniel. Auch wenn Größe oft von Vorteil ist, bringt sie auch Nachteile mit sich: Man fällt überall auf, wird oft angequatscht oder ungefragt fotografiert. Das regt vor allem Bibos zweite Ehefrau Gaby auf, die selbst 1,80 Meter aufweist und ihren Mann bei einem „Große-Leute-Forum“ kennengelernt hat.
    Inzwischen haben sie zusammen einen dritten Sohn, Peter, der mit Sicherheit auch so riesig wird wie seine beiden Halbbrüder. Der Vater bringt ihnen bei, gelassen mit all dem umzugehen. Sie haben gelernt, vor jedem Türrahmen den Kopf einzuziehen und sich beim Küssen zu den Mädchen hinunterzubeugen. Die wiederum müssen stets weit nach oben schauen. Augenhöhe ist nur möglich, wenn man sich auf Stufen stellt. Für Mädchen ist es schwieriger, so groß zu sein.
    Es widerspricht dem Klischee von Frauen, die normalerweise kleiner sind als Männer. Anna aus Itzehoe ist mit 13 Jahren schon 1,85 Meter groß. In der Schule fällt sie ständig auf. Um dem entgegenzutreten, verhält sie sich meist ein wenig schüchtern. Ihre ebenfalls sehr großen Eltern lassen ihr Hormone verschreiben, damit sie nicht zwei Meter groß wird – eine etwa dreifach dosierte Antibabypille. Die verursacht oft Übelkeit. Wird sich die Behandlung für Anna auszahlen? Drei Familien mit ungewöhnlich großen und kleinen Menschen erzählen in „37°“, wie sie ihr Leben meistern und sich gegenseitig unterstützen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 04.02.2020ZDF
  • Folge 997 (45 Min.)
    Nicht immer wissen die Käufer von Lederwaren, woher das Leder stammt. In dem „37°“-Film spürt Autor Manfred Karremann die verschlungenen Wege der Tiertransporte auf. Deutschland ist ein Hauptabnehmer von Schuhen, deren Leder aus der Türkei stammt. Gefertigt werden sie auch aus der Haut deutscher Tiere. Und das, obwohl die Exporte von Rindern unter anderem in die Türkei inzwischen stark eingeschränkt oder verboten wurden. Der Grund ist, dass die Transport- und Schlachtbedingungen nicht akzeptabel waren. Trotzdem finden sich nicht nur in Schlachthöfen in der Türkei, sondern auch in Ländern wie dem Libanon und Libyen Tiere, die ursprünglich aus Deutschland stammen.
    Und das geht so: Ahnungslose Landwirte verkaufen Kälber an einen Händler. Der verkauft sie weiter. Oft gehen die wenigen Wochen alten Tiere anschließend direkt in eine Mast in Länder wie Spanien. Kaum gemästet, sind die deutschen Rinder auf dem Weg in den Nahen Osten oder nach Nordafrika. Aber auch Milchkühe, die zur Zucht exportiert wurden, finden sich in den Schlachthöfen, so die investigativen Recherchen von Manfred Karremann. In einem Fall wurden sogar schwangere Kühe als Zuchttiere ordnungsgemäß aus Bayern nach Osteuropa transportiert.
    Von dort aber dann nahtlos mit anderen Papieren als Schlachtvieh nach Spanien gekarrt und auf ein Schiff mit Ziel Libyen verladen. Doch: Auch legale Wege führen noch immer aus Deutschland in sogenannte Drittländer. Einfach, indem Rinder aus einem Bundesland mit Exportverbot in ein anderes ohne diese Beschränkung verschoben und von dort ausgeführt werden. Weil sie billig sind, werden daneben Hunderttausende Rinder aus Brasilien in den Nahen Osten und die Türkei transportiert – die Exporte erreichen Rekordzahlen. Oft sind die Frachter aus Südamerika mehr als drei Wochen unterwegs, für die Tiere eine Tortur.
    Nicht selten wurde für ihre Mast Regenwald abgeholzt. Unzählige Schiffe verpesten Luft und Wasser für solche Lebend-Transporte. Vor allem in der Türkei zu Leder verarbeitet, kommt die Haut dieser Tiere oft auch nach Deutschland. Leder sei nur ein Abfallprodukt aus der Schlachtung, so meinen viele. Doch das stimmt nur zum Teil: Millionen Schuhe, Gürtel und Lederjacken sind auch Teil der Wertschöpfung. Eben nicht nur Fleisch, sondern auch Leder kann aus Tierquälerei stammen, für den Menschen giftig sein und sogar das Klima schädigen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 18.02.2020ZDF
    • Alternativtitel: Letzter Halt Jobcenter! - Mitarbeiter in der Hartz-IV-Fabrik
    Folge 998 (30 Min.)
    Sie arbeiten dort, wo keiner gern hingeht. Angestellte im Jobcenter oder im Sozialamt entscheiden über Sozialleistungen. Oftmals aber auch über die schwierigen Schicksale ihrer Kunden. Meist sind Sachbearbeiter, Fallmanager oder Sozialarbeiter der letzte Halt für Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben und Unterstützung brauchen. Sie sind Verwalter von Amts wegen, aber auch Problemlöser, Tröster und Motivatoren. Das Ziel für die Mitarbeiter ist vom Gesetz vorgegeben: ihren Kunden ein Leben in „Würde“ zu ermöglichen. Und das ist herausfordernd.
    Wer „zum Amt“ geht, ist im Regelfall im unteren Drittel der Gesellschaft angekommen. Über fünf Millionen Menschen in Deutschland sind momentan auf Leistungen nach SGB II angewiesen, besser bekannt als Hartz IV, weitere 1,1 Millionen auf Grundsicherung, also auf die Leistungen der Sozialämter. Zum Umgang mit diesen „Leistungsempfängern“ sind die Meinungen in der Öffentlichkeit gespalten. „Fördern!“, sagen die einen, die an Unterstützung und Weiterbildung denken. „Fordern!“, die anderen, die Steuergelder nicht für „Faulpelze“ ausgeben wollen, die das Sozialsystem ausnutzen.
    Die Leistungen der Jobcenter und Sozialämter unterscheiden sich. Doch gemeinsam ist ihnen, dass ihre Mitarbeiter mit Menschen konfrontiert sind, die unterschiedliche soziale Probleme haben. Sie sollen Langzeitarbeitslose wieder fit für den Arbeitsmarkt machen, Menschen vor der Obdachlosigkeit bewahren, staatliche Zuwendungen gerecht verteilen. Eine Mammutaufgabe für die Mitarbeiter in den 430 Jobcentern und über 420 Sozialämtern in Deutschland. Wie erleben sie ihre Kunden? Wie nahe gehen ihnen die Schicksale der Hilfe suchenden Menschen? Wo stoßen sie an ihre Grenzen? Die „37°-Reportage gibt Einblicke in den konfliktreichen Alltag einer Sachbearbeiterin, eines Fallmanagers sowie einer Sozialarbeiterin.
    „Es ist ein Irrglaube, zu sagen: Die sind alle faul.“ Thomas M. (55) arbeitet im Jobcenter Bochum als Fallmanager. Er betreut Kunden mit „multiplen Vermittlungshemmnissen“. Das heißt Menschen, die lange arbeitslos, psychisch krank, verschuldet, vorbestraft und oft mehreres gleichzeitig sind. Sein Ziel ist es, seine Kunden über maximal zwei Jahre wieder arbeitsfähig zu machen.
    Dafür braucht er Verständnis, Geduld und gute Kenntnisse im Dschungel der Hilfsangebote im sozialen System. Er definiert Erfolg in kleinen Schritten und versucht, Sanktionen zu vermeiden. Doch die sind manchmal notwendig. „Wenn jemand dreimal nicht zu einem vereinbarten Termin kommt, dann machen wir auch schon mal Hausbesuche.“ „Ich kann mich gut in die Kunden hineinversetzen, denn ich war früher selbst Hartz-IV-Empfängerin.“ Melanie O. (41) ist heute Sachbearbeiterin in der Leistungsabteilung des Jobcenters Berlin Mitte.
    Die alleinerziehende Mutter hat sich hochgearbeitet. Zu ihr kommen die Kunden, wenn Leistungen nach SGB II nicht oder nicht vollständig gezahlt werden. Oftmals bekommt sie dann Frust und auch Aggressionen ab, denn mit etwas über 400 Euro monatlich kommen viele nicht aus. Durch ihre engagierte Art gelingt es Melanie meistens, die Kunden zu beruhigen, sie kann aber auch durchgreifen. Die 41-Jährige lebt voll und ganz für ihren Job und will sich innerhalb des Jobcenters noch weiterentwickeln. Wird ihr ein Aufstieg gelingen? „Wenn das soziale System bei Einzelfällen nicht greift, dann komme auch ich an meine Grenzen.“ Katrin M. (38) hat im Sozialamt Magdeburg eigentlich nur eine Aufgabe: Menschen vor Obdachlosigkeit zu bewahren.
    Doch das ist eine komplexe Herausforderung. Denn zu ihr kommen Menschen, denen durch Mietschulden eine Wohnungsräumung droht. Sie ist aber auch mit psychischen Erkrankungen, schwierigen Familiensystemen und tragischen Geschichten ihrer Klienten konfrontiert. Mit Pragmatismus und Wertschätzung versucht sie zu helfen, wo sie kann. Nicht immer ist sie erfolgreich. Wie geht sie mit den Problemen um? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 25.02.2020ZDF
  • Folge 999 (30 Min.)
    Menschliche Tragödien und Wunder liegen dicht beieinander, wenn Eltern ein Kind erwarten. Wenn der Traum vom gesunden, wunderbar entwickelten Baby jäh endet, weil es zu früh zur Welt kommt. Im Jahr 2018 kamen insgesamt 64 417 Kinder vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche als Frühgeborene zur Welt. Damit sind Frühgeborene die größte Kinderpatientengruppe in Deutschland. „37°“ begleitet drei Familien mit ihren Frühgeborenen. Eine Schwangerschaft dauert circa 40 Wochen. Wenn ein Baby vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren wird, dann ist es ein sogenanntes „Frühchen“.
    Die Situation wird für die Eltern und das Kind dann oft zu einer großen Belastung, wenn die Wehen einsetzen, obwohl ein Kind im Mutterleib längst nicht voll entwickelt ist. Wenn das Leben von Mutter und Kind auf dem Spiel steht, wenn die Mischung aus Hoffnung und Bangen Paare zermürbt. Wenn Mütter und Väter nur noch am Brutkasten sitzen, auf Piepen der Geräte hören und auf Schläuche starren, rund um die Uhr in den Hochrisikobereichen der Kliniken sitzen, beten, hoffen, trauern. Auch wenn die Überlebenschancen gut sind, wenn Babys „nur“ drei, vier oder fünf Wochen zu früh auf die Welt kommen, ändert sich das Familienleben schlagartig.
    Beruf, Geschwisterkinder, alles muss unter einen Hut, kann nur unter enormen Belastungen miteinander vereinbart werden. Ein Spagat zwischen ehemaligem Alltag und dem Rest der Familie. Wenn das Frühchen „geheilt“ entlassen wird, geht es in vielen Familien erst los mit den Therapien. „Einmal Frühchen, immer Frühchen“ sagen die Ärzte. Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie, ein Leben lang nachholen, weil ein paar Wochen fehlen.
    Ariane und Dieter Eitzeroth versuchen jahrelang, auf natürlichem Wege ein Kind zu bekommen. Schwanger wird Ariane erst nach künstlicher Befruchtung. Die 31-Jährige erwartet Zwillinge. Schon nach der Hälfte der Schwangerschaft geht sie mit Blutungen zum Frauenarzt. Der stellt fest, dass sich der Muttermund bereits geöffnet hat. Sofort wird sie in die Klinik eingewiesen. Wenige Wochen später, am zweiten Weihnachtsfeiertag, kommen die Kinder nach genau 23 Schwangerschaftswochen zur Welt: Erst Ella, dann ihr Bruder Alexander, 17 Wochen zu früh.
    Beide haben Hirnblutungen erlitten, bei Alexander wird außerdem ein schwerer Herzfehler diagnostiziert. „Er hat so lange gelebt, bis er sicher sein konnte, dass seine Schwester es schafft“, sagt Ariane heute. Der kleine Alexander starb mit neun Monaten in der Klinik. Im kleinen Ort Lengers bei Bad Hersfeld leben vier Generationen der Familie Eitzeroth. „Alle haben mitgekämpft, alle haben gemeinsam Ella durchgebracht. Nur Krankengymnastik brauchte sie zur Unterstützung, sonst keine weiteren Therapien. Unsere Familie war die Lebensgrundlage“, sagt die Mutter heute.
    Überwunden ist diese harte Zeit nicht. Schuldgefühle, zum unglücklichen Schwangerschaftsverlauf beigetragen zu haben, hat sie noch heute, der Tod von Alexander schmerzt tief. „Jedoch ist Ella solch ein Geschenk, das hält uns lebendig und gibt uns viel Glück“, sagt Ariane. Ella ist eines der jüngsten Frühchen Deutschlands. Außerdem in der Reportage: Die Zwillingsmädchen Ava und Alexandra werden in der 26. Schwangerschaftswoche per Kaiserschnitt geholt, beide schweben in Lebensgefahr. „37°“ beobachtet über Monate die Entwicklung der beiden. Schaffen sie es gesund nach Hause? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 10.03.2020ZDFDeutsche Online-PremiereDi 03.03.2020ZDFmediathek
  • Folge 1000 (30 Min.)
    Was bewegt Menschen, wenn es plötzlich ruhig und still um sie wird? Wie verändert sich ihr Leben in der Isolation? „37°“ zeichnet ein Bild dessen, was sich unter Deutschlands Dächern in der Corona-Quarantäne abspielt. Womit verbringen die Menschen ihre Zeit? Was fehlt ihnen? Und was gewinnen sie möglicherweise durch die aufgezwungene Entschleunigung? Der Film zeigt Menschen aus unterschiedlichen Alters- und Gesellschaftsgruppen mit verschiedenen Herausforderungen: die Studentin, die bisher von einer Party zur anderen getanzt ist und jetzt mit sich allein klarkommen muss.
    Eine fünfköpfige Familie, in der bisher nur Mutter und Vater positiv auf Corona getestet wurden und die sich nun fragen, wie sie in dieser Situation ihre Kinder und den Großvater vor der Ansteckung schützen können. Eine Schwangere in der 38. Woche, die hofft, dass ihr Baby erst dann auf die Welt kommt, wenn sie aus der Quarantäne wieder draußen ist. Eine Yogalehrerin, die jetzt endlich den lang gehegten Plan umsetzt, ihr Geschäftsmodell zu verändern und ihre Kurse in Zukunft online anzubieten. Eine Pfarrerin, die ihre Community jetzt verstärkt mit Online-Predigten versorgt und Hoffnung verbreitet, dass die Gesellschaft nach der Corona-Krise die Chance hat, eine neue, eine bessere zu werden.
    Und wie geht es eigentlich Menschen, die kein Obdach haben und somit gar nicht die Möglichkeit, sich in Zeiten wie diesen in den eigenen vier Wänden zu verkriechen, um sich vor Ansteckung zu schützen? Großteils durch private Handyaufnahmen der Betroffenen, Video-Tagebücher sowie Chats gewährt der Film Einblick in Deutschlands Küchen und Wohnzimmer zu Zeiten der Corona-Pandemie und gibt Zeugnis darüber, wie unsere Gesellschaft mit dieser Krise umgeht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 31.03.2020ZDF
  • Folge 1001 (30 Min.)
    Die Covid-19-Krise hat Deutschland fest im Griff. Niemand weiß, wie sich die Situation entwickeln wird. In dieser unsicheren Lage kümmern sich viele Deutsche erst einmal um sich selbst. Doch es gibt Menschen, die inmitten dieses Ausnahmezustands für andere da sind – die stillen Helden der Corona-Krise. Menschen, die sich um Obdachlose kümmern, die Kranke pflegen, die Kinder auf die Welt bringen und Trost beim Verlust eines Menschenlebens spenden. Seit fünf Jahren kümmert sich Sylvia Senger um die Ärmsten der Armen in Hamburg: Obdachlose, Alkoholiker, Junkies.
    Sie ist bestens vernetzt in der Stadt, und das macht sich jetzt bezahlt. Denn sie schafft es immer noch, genug Spenden aufzutreiben, um all ihre Schützlinge zu versorgen. Doch es wird jeden Tag schwieriger, Nachschub zu organisieren. Hinzu kommt die Sorge, auf Menschen zu treffen, die kaum Zugang zu Hygiene und Desinfektion haben. Sylvia Senger zieht mit einem Bollerwagen und Atemmaske durch die Hamburger City und verteilt Essen, Getränke und Hygieneartikel.
    Wibke Bohny erlebt zur Zeit hautnah, wie enorm die Corona-Krise an den Nerven hochschwangerer Frauen zerrt. Neben der Angst vor Ansteckung ist es vor allem die Tatsache, dass die Kindsväter nicht mehr mit in den Kreißsaal dürfen. Statt voller Freude der Geburt entgegenzublicken, stehen die werdenden Eltern unter Stress. Hebamme Bohny spendet ihnen Trost und versucht gleichzeitig, selbst mit der ungewohnten Situation klarzukommen. Hätte sie nicht eine Spende an Schutzmasken bekommen, stünde die Hebamme jetzt ohne da.
    Zu kaufen gibt es die Masken schon lange nicht mehr – doch zum Schutz der schwangeren Frauen und Neugeborenen, die Bohny täglich besucht, sind sie unerlässlich. „Ist ja schön, dass die Nachbarn abends auf den Balkonen für uns klatschen, aber was wir brauchen ist Schutzkleidung und Desinfektionsmittel“, sagt die 35-Jährige. In Mettmann gehört Oliver Hofer zu den dringend benötigten Helfern. Er ist Chefarzt der Anästhesie und Notfallmedizin im evangelischen Krankenhaus.
    Elf Covid-19-Patienten müssen hier aktuell versorgt werden. Und „ganz nebenbei“ muss der normale Krankenhausalltag weitergehen. Eine Mammutaufgabe für Hofer und sein Team, denn keiner von ihnen weiß, wie lange der Ausnahmezustand noch anhalten wird. Wie das Virus eine ganze Gemeinde durcheinanderbringt, spüren im niedersächsischen Eime Stefanie und Ellen Radtke. Sie sind nicht nur ein Ehepaar, sondern auch die Pastorinnen vor Ort. „Taufen, Beerdigungen und Seelsorge. Unser Job hat so viel mit Umarmungen und Berührungen zu tun.
    Aber das geht jetzt ja alles nicht mehr, wir müssen komplett umdenken“, sagt Stefanie Radtke. Das engagierte Pastorinnen-Paar entwickelt in Zeiten von Corona immer neue Ideen, um das Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Ellen Radtke spielt Online-Spiele mit Konfirmanden, es gibt einen Einkaufsservice für Ältere und Gottesdienste im Online-Stream. Besonders schmerzhaft ist die Kontaktsperre auch dann, wenn das Leben zu Ende geht. Beerdigungen dürfen die Pastorinnen nur noch im kleinsten Kreis abhalten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.04.2020ZDF
  • Folge 1002 (30 Min.)
    Die vorgeburtliche Diagnostik hat enorme Fortschritte gemacht. Aber sie kann Eltern auch in ein Dilemma stürzen, wenn sie von einem Gendefekt oder einer Erkrankung ihres Babys erfahren. Wollen wir unser Kind bekommen, auch wenn es nicht gesund ist oder eine Beeinträchtigung hat? Eine Entscheidung über Leben und Tod. Der „37°“-Film begleitet drei Elternpaare, die diese dramatische Zeit erlebt und sich für ihre Babys entschieden haben. „Für uns brach eine Welt zusammen, die Tage danach habe ich wie in Trance erlebt“, erinnert sich Vanessa (37), Lehrerin aus Düsseldorf.
    „Wir sind in ein tiefes Loch gefallen, damit haben wir einfach nicht gerechnet.“ In 95 von 100 Fällen gehen die Eltern nach der Feindiagnostik beruhigt nach Hause. Den meisten dienen die Untersuchungen zur Versicherung, dass alles in Ordnung ist. Es ist Vanessas dritte Schwangerschaft, die beiden anderen Kinder sind drei und fünf. Doch der sogenannte Praena-Test, ein Bluttest, ergibt Trisomie 21. Ihr Baby hat das Downsyndrom.
    Vanessas erster Gedanke war: „Das schaffen wir nicht. Das war eine große Angst und so viele Sorgen, dass der erste Impuls einfach war: Wir können das Kind nicht bekommen.“ Statistisch gesehen entscheiden sich neun von zehn werdenden Eltern gegen ein Baby mit Downsyndrom – die Dunkelziffer liegt vermutlich noch höher. Auch für Vanessa und ihren Mann gibt es nach der Diagnose kein anderes Thema mehr, sie reden über nichts anderes. Am Ende entscheiden sie sich gegen eine Abtreibung.
    „Erst mal habe ich mich gar nicht für unser Baby entschieden, sondern viel mehr gegen einen Schwangerschaftsabbruch. Das waren die schlimmsten Wochen unseres Lebens“, so Vanessa. Auch wenn es bei den vorgeburtlichen Tests manchmal zu falschen Ergebnissen kommen kann, Vanessa würde sie immer wieder machen, um sich vorzubereiten, zu informieren. „Und weil ich so das Gefühl habe, wirklich entscheiden zu können. Für mich wäre es viel schlimmer, dann bei der Geburt festzustellen, dass mein Kind nicht gesund ist.“ Wie wird die Familie den Alltag später meistern, wie stark wird das Downsyndrom ausgeprägt sein? Ohne die Untersuchungen und Behandlungen noch in der Schwangerschaft wäre Paul heute nicht auf der Welt.
    „Jedes Kind an sich ist ein Wunder. Aber wir hatten nochmal ein extra Wunder obendrauf. Als wir die erste Diagnose bekommen haben von Paul, hieß es, er würde seine Geburt nicht überleben. Jetzt ist er zweieinhalb.“ In der 17. Schwangerschaftswoche erfahren Uschi (34) und Dominik (37) aus Würzburg, dass ihr Baby nur eine Niere hat, und auch die funktioniert nicht.
    So kann ihr Sohn kein Fruchtwasser bilden und würde spätestens bei der Geburt ersticken. „Letztendlich haben wir dann entschieden, Paul weiter zu behalten und die gemeinsame Zeit noch positiv zu nutzen, um Erlebnisse zu haben, die man auch mit Kindern so hätte“, erinnert sich Uschi. Über Umwege erfahren sie von einer neuen Behandlungsmethode, einer künstlichen Fruchtwasserauffüllung im Mutterleib.
    Die Chancen sind gering, doch Uschi und Dominik entscheiden sich für die Prozedur und lassen sie insgesamt sechs Mal wiederholen. Mit Erfolg: Paul lebt, sein Zustand ist stabil. Nachts schließen ihn seine Eltern an eine Dialyse an, er ist auf starke Medikamente angewiesen, aber ansonsten kann er normal leben. Seine Eltern haben einen Verein mit gegründet, um andere werdende Eltern mit problematischer Diagnose zu unterstützen, zu informieren, aufzuklären. „Das Schlimmste, das man machen kann, ist, irgendwie damit zu hadern, dass man ein Kind mit ein paar extra Aufgaben hat.
    Klar haben wir Einschränkungen, aber es wird einfacher, und wir nehmen alles in Kauf dafür, dass wir den kleinen Paul haben“, so die Eltern. Loredana (40) und Marco (45) haben bereits zwei Kinder, Louisa und Elia, neun und 14 Jahre alt, als Loredana erneut schwanger wird. Ein absolutes Wunschkind. Mit 40 gilt Loredana als Risikoschwangere, deshalb rät ihre Frauenärztin zu weiteren Vorsorgeuntersuchungen.
    Der Befund ist auffällig, ein großer Schock für Loredana und Marco. Weitere Untersuchungen folgen, lange ist vollkommen unklar, was dem Baby fehlt, ob es einen Gendefekt hat, wie krank es ist. Nach Wochen stellt sich heraus, dass das Baby an das sogenannte Noonan-Syndrom hat, einen Gendefekt mit ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Wie stark sich der Gendefekt bei ihrem Baby auswirken wird, lässt sich nicht voraussagen, das Spektrum reicht von körperlichen Einschränkungen bis hin zu geistiger Behinderung.
    Eine Abtreibung kommt für Loredana und Marco nicht infrage. „Wir haben uns dieses Baby so sehr gewünscht, wir gehen jetzt Schritt für Schritt weiter. Natürlich machen wir uns riesige Gedanken um die Zukunft, auch mit unseren beiden großen Kindern, wie das alles werden wird, aber wir versuchen, positiv zu bleiben.“ Doch dann treten unerwartet schwere Komplikationen auf. Der „37°“-Film begleitet drei Familien über ein Jahr, durch die Schwangerschaft sowie die Zeit nach der Geburt. Und er beleuchtet den Alltag mit einem schwer kranken Kind. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.04.2020ZDF
    ursprünglich für den 07.04.2020 angekündigt
  • Folge 1003 (30 Min.)
    Ein Jahr lang begleitet „37°“ zwei herzkranke Kinder und ihre Familien. Nur eine Transplantation kann die Kleinen retten. Doch die Spendenbereitschaft in Deutschland ist gering und die Warteliste lang. Wie gehen die Eltern mit der Angst um, dass ihre Kinder jeden Moment sterben könnten? Im Münchner Klinikum Großhadern warten der 13 Monate alte Daniel und die zwei Jahre alte Franka seit Monaten auf das rettende Spenderherz. Beide leben auf der kinderkardiologischen Station. Sie kennen keinen Spielplatz, kein Planschbecken, keine Geburtstagsparty. Da ihre Herzen zu schwach zum Schlagen sind, werden sie von einer externen Herzmaschine unterstützt.
    Die Maschine ist Fluch und Segen zugleich: Sie hält die Kinder am Leben, aber das sperrige Gerät macht es unmöglich, die Station zu verlassen. Ausflüge reichen gerade einmal bis zum großen Panaromafenster der Kinderstation. „Wie schön wäre es, wenn jetzt der Helikopter kommt und für alle hier neue Herzen bringt“, sagt Daniels Mutter Diana. Während die Väter tagsüber arbeiten, verbringen die Mütter den Alltag mit ihren Kindern in der Klinik. Sie träumen von einem ganz normalen Familienleben, von Ausflügen in die Natur oder von einem gemeinsamen Frühstück. Wann dieser Wunsch erfüllt wird, weiß niemand.
    Spenderherzen sind rar. Im Jahr 2018 erhielten in dieser Klinik gerade einmal zwei Kinder ein neues Herz. Derzeit warten dort aber fünf Kinder auf die erlösende Nachricht. Es gibt in Deutschland einfach zu wenige Eltern, die bereit sind, die Organe ihrer verstorbenen Kinder für eine Transplantation freizugeben. Zehn bis 15 Prozent der Betroffenen sterben, weil sie nicht früh genug ein neues Herz bekommen. Der Film erzählt von starken Müttern und Vätern, die den angstvollsten Momenten in ihrem Leben mit großer Standhaftigkeit entgegensehen und immer an eines glauben: Das Herz meines Kindes wird schlagen – gesund und stark. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.04.2020ZDF
  • Folge 1004 (30 Min.)
    Eva Erben (89) hat zwei Konzentrationslager, Selektionen von Mengele und durch einen unglaublichen Zufall den Todesmarsch überlebt und sagt, dass sie trotz allem ein glückliches Leben hat. Als Kind jüdischer Eltern wächst Eva in Prag auf. 1941, da ist sie elf, kommt sie mit den Eltern nach Theresienstadt, 1944 nach Auschwitz. Ihr Vater wird getötet, die Mutter stirbt auf dem Todesmarsch, den Eva nur durch ein Wunder überlebt. Da ist sie 14. Eva Erben hatte eine behütete Kindheit in Prag. Mit ihren Eltern lebte sie in einer schönen Villa; Musik, Literatur, all das gehörte zu ihrem Leben.
    1941 wird sie mit ihren Eltern nach Theresienstadt gebracht, wo – wie sie sagt – „die intellektuelle Crème de la Crème“ gefangen gehalten wurde. Es gab Theateraufführungen der Häftlinge, Sportveranstaltungen, Fußballturniere. Theresienstadt galt als Vorzeige-KZ. Dort lernte sie Peter, ihren späteren Mann, kennen. Er trainierte die Jungenmannschaft im Fußball. Eva war für ihn ein Kind, das er wenig beachtete. Ihr gefiel er damals schon. 1944 wurde sie mit ihrer Mutter nach Auschwitz gebracht und musste dort brutalste Haftbedingungen, Kälte und Hunger aushalten.
    Heute glaubt sie, dass sie vieles nur deshalb überstanden hat, weil ihr ihre Mutter immer wieder durch Erzählungen und Geschichten eine Fantasie-Gegenwelt erschaffen hat, in die Eva sich hineinträumen konnte. Während des Todesmarsches stirbt ihre Mutter an Erschöpfung, Eva muss mit den anderen weiter. Eine Nacht sollen die Häftlinge in einem Stall verbringen. Eva kuschelt sich eng an die einzige Kuh, weil es dort warm ist, den Gestank nimmt sie dafür in Kauf.
    Am nächsten Morgen wacht Eva allein neben der Kuh auf, die anderen sind weitergezogen. Die Hunde der Aufseher haben das Mädchen in dem stinkenden Kuhmist nicht aufspüren können. Bauern finden das erschöpfte Mädchen und verstecken es die letzten Kriegswochen. Nur langsam kommt Eva wieder zu Kräften. Nach Kriegsende kehrt sie nach Prag zurück. Zufällig trifft sie Peter wieder, die beiden verlieben sich. Peter bringt Eva mit dem Schiff nach Israel, und die beiden beginnen ihr gemeinsames Leben. Beeindruckend an Eva Erben ist ihre Vitalität und ihr ungebrochener Optimismus.
    Sie hadert nicht mit der Vergangenheit, sondern bezeichnet sich sogar als glücklichen Menschen. Glücklich deshalb, weil sie sich – trotz der Quälereien durch die Nazis, trotz des furchtbaren Verlusts der Eltern – immer geliebt fühlte. Erst von Vater und Mutter, später von ihrem Mann und ihren Kindern. „37°“ reist mit Eva Erben nach Prag, besucht die Orte ihrer Kindheit, begleitet sie bei einem Vortrag in Theresienstadt, ist dabei, wenn sie dahin fährt, wo die Bauern ihr damals das Leben gerettet haben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.04.2020ZDF
  • Folge 1005 (30 Min.)
    Wenn ein Mensch plötzlich verschwindet, tauchen Fragen auf: Will er sich entziehen? Wurde er entführt oder vielleicht sogar getötet? Die Ungewissheit hinterlässt gebrochene Familien. Jedes Jahr werden in Deutschland 100 000 Menschen als vermisst gemeldet. Die meisten tauchen nach zwei bis vier Tagen wieder auf, doch tausende bleiben verschwunden. Wie gehen Verwandte damit um? Welche Möglichkeiten haben sie, nach den Vermissten zu forschen? Der „37°“-Film widmet sich zwei Vermisstenfällen und geht der Frage nach, wie die Familienangehörigen die Ungewissheit verarbeiten. Sie müssen nicht nur mit ihrer eigenen Angst, sondern auch mit Spekulationen umgehen lernen, die von ihrer Umgebung an sie herangetragen werden. Der Film dokumentiert aber auch, was passiert, wenn plötzlich Gewissheit da ist und eine Familie mit dem Mord an einer Angehörigen konfrontiert wird.
    Edith und ihr Mann Dirk sind sich von Anfang an sicher: Anna ist nicht einfach abgehauen. Anna muss etwas zugestoßen sein. Von der Kinderbetreuerin fehlt seit dem 23. Juni 2019 jede Spur. Am Abend haben Edith und ihre Zwillingsschwester noch im Kreis der Familie zusammengesessen. Doch zum geplanten Mittagessen am nächsten Tag erscheint Anna, die nur 150 Meter entfernt wohnt, nicht. Die Familie hat einen Schlüssel zur Wohnung der Vermissten, doch das Schloss wurde ausgetauscht. Die beiden Hunde der 35-Jährigen, die sie niemals alleine gelassen hat, sind in der Wohnung. Für die Familie aus Gelsenkirchen ist in diesem Augenblick klar: Anna ist etwas passiert.
    Sie informieren die Polizei, die sechs Tage später, in Absprache mit der Staatsanwaltschaft Essen, einen Suchaufruf veröffentlicht. 5000 Euro Belohnung werden für sachdienliche Hinweise ausgeschrieben. Die Familie lebt in einem Albtraum. „Die Ungewissheit bringt uns um“, sagt der Schwager der Vermissten. Monate vergehen. Die Familie muss sich in dieser Zeit auch mit bürokratischen Anforderungen auseinandersetzen: Auflösung von laufenden Verträgen, Versicherungen und am Ende auch Annas Mietwohnung.
    Wochenlang war die von der Kriminalpolizei beschlagnahmt, weil die Spurensicherung nach Hinweisen suchte. „Wir können keine Krimis gucken, wir erleben einen realen Horror“, sagt Dirk, der wie ein Schutzschild für Edith und ihre Eltern agiert. Seelische Unterstützung bekommt die Familie in dieser Zeit kaum. Die Kriminalbeamten gewähren keine Einblicke, immer mit der gleichen Begründung: „ … dass aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit keine weiteren Auskünfte über den Ermittlungsstand erteilt werden.“ Wieder gehen Monate ins Land. Tränen und Trauer begleiten die Familie täglich.
    Dann die Wende im Fall Anna: Im November 2019 steht die Polizei vor der Tür und bringt der Familie die traurige Nachricht: Anna ist tot, sie wurde ermordet. Die Polizei hat einen Mann verhaftet, der Videos besitzt, auf denen die tote Anna zu sehen ist. Es handelt sich um eine Person, gegen die die Familie bereits einen Verdacht hegte. Doch die grausige Gewissheit bringt keine Ruhe. Annas Leiche wurde bisher nicht gefunden, weil der mutmaßliche Täter schweigt. Der katholischen Familie bleibt bislang der letzte Trost verwehrt. Sie können sich nicht würdevoll bei einem Begräbnis von Anna verabschieden.
    Liegt ein Tötungsdelikt vor, geht die Kriminalpolizei in den meisten Fällen von einer Beziehungstat aus. Auch Petra und Stephanie, die ältere und die jüngere Schwester von Heidi D. glauben nicht, dass Heidi Opfer eines zufälligen Verbrechens ist. Im November 2013 wurde die 49-jährige Postbotin zuletzt in der Nähe ihres Zuhauses in Nürnberg gesehen. Seither fehlt jede Spur. Fünf Tage nach ihrem Verschwinden leitet das Bundeskriminalamt eine öffentliche Fahndung ein. Ohne Ergebnis, doch da man Heidis Portemonnaie, ihren Personalausweis und ihr Handy in ihrem Haus findet, gehen die Fahnder von einem Gewaltverbrechen aus.
    Über sechs Jahre sind seither vergangen, in denen die Schwestern eine Achterbahn der Gefühle durchleben mussten. Wer innerhalb eines Jahres nicht zurückkehrt, bleibt laut Statistik des Bundeskriminalamtes meist für immer verschollen und wird spätestens nach zehn Jahren für tot erklärt. Petra ist als Abwesenheitspflegerin für die Vermisste eingesetzt, seit Jahren kümmert sie sich um die Vermögensverhältnisse von Heidi, hütet das Ersparte. Auch die Lieblingskleidung von Heidi haben sie und Stephanie behalten, für den Tag, an dem ihre Schwester hoffentlich wieder auftaucht.
    „Wir haben uns ein Versprechen gegeben“, sagen Petra und Stephanie, „wir kämpfen für die Wahrheit bis zum Schluss“. Doch immer wieder geraten beide in emotionale Grenzsituationen: Mal glaubt jemand, Heidi erkannt zu haben, mal meldet die Presse einen Leichenfund. Auch die Suche bei „Aktenzeichen XY ungelöst“ im Dezember 2017 schürt neue Hoffnung, doch auch sie bleibt ergebnislos. Im Mai 2018 ein weiterer Höhepunkt des Unerträglichen. Das Haus, in dem Heidi und ihr Lebensgefährte gewohnt haben, wird nach richterlichem Beschluss auf den Kopf gestellt. Die Kriminalpolizei hat Anlass zur Vermutung, dass Heidis Leiche dort versteckt sein könnte.
    Aber wieder nichts. Petra und Stephanie machen dennoch weiter. Jetzt haben sie die Ermittlungsakten angefordert, die ihnen Einblicke in die Vernehmungsprotokolle der Polizei geben. Vielleicht wurde etwas übersehen, vielleicht finden sie einen Hinweis. Es ist eine kräftezehrende Recherche. „Vieles, was wir über unsere Schwester durch Zeugenaussagen erfahren, hätten wir gar nicht wissen wollen.“ Seit ein paar Monaten haben sie in Nürnberg-Fischbach wieder Plakate mit der Verschwundenen aufgehängt. Heidi soll nicht in Vergessenheit geraten. Die Suche geht weiter. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 12.05.2020ZDFDeutsche Online-PremiereDi 12.05.2020ZDFmediathekDeutsche Online-PremiereMi 16.03.2022YouTube aktualisierte Fassung
    Am 16.03.2022 wurde auf dem YouTube-Kanal von 37 Grad eine aktualisierte Fassung mit einer Texttafel am Ende veröffentlicht: "Im Fall von Anna S., wurde Michael S. im Dezember 2020 zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Am 14.03.2022 wurde in einem Keller in Krefeld eine eingemauerte Frauenleiche entdeckt. Eine Obduktion bestätigt: Es ist Anna S."
  • Folge 1006 (30 Min.)
    Anna, Peggy und Melanie sind Hebammen. Mit viel Idealismus und hohem persönlichen Einsatz versuchen sie, die Lücken der Schwangerschaftsversorgung zu schließen. Leicht ist das nicht. Von ihrem Einsatz und Geschick hängt nicht selten ab, wie angst- und schmerzfrei eine Mutter ihr Kind zur Welt bringt. Aber es fehlt an Geld in den Kliniken und an politscher Unterstützung. Folge ist ein gefährlicher Hebammen-Mangel in Deutschland. Melanie (40) kennt Phasen, in denen sie praktisch kaum noch aus dem Kreißsaal herauskommt: „Das kann manchmal ganz schön haarig sein, ich hatte in acht Tagen fünf Geburten, danach war der Akku leer, und ich hatte eben nicht die Zeit, mich zu regenerieren.“ Doch weil sie Frauen unter der Geburt nicht allein lassen und sie lieber im 1:1-Modell betreuen möchte, nimmt die Beleg-Hebamme aus Bad Mergentheim das alles in Kauf.
    Deshalb ist ihr Handy immer auf Empfang – es klingelt mitten in der Nacht, an Feiertagen und auch, wenn eines ihrer drei Kinder krank ist.
    Damit Melanie für ihre Frauen da sein kann, hält ihr Ehemann Andreas zu Hause die Stellung. „Es funktioniert nur, wenn alle zurückstecken.“ Doch trotz Rufbereitschaft und hohem Arbeitspensum kann Melanie lange nicht alle Schwangeren betreuen, die sie täglich anrufen. Besonders schlimm ist es, wenn Frauen sie weinend um Unterstützung bitten und nicht selten schon eine traumatische Geburt ohne angemessene Hebammen-Begleitung erlebt haben, wie sie erzählt. „Es macht mich traurig und wütend, wenn ich sehe, dass Frauen im wichtigsten Moment ihres Lebens allein gelassen werden.“ Peggy (45) arbeitet als festangestellte Hebamme am Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim.
    Auch sie leidet unter dem Mangel an Hebammen in Deutschland: „Also, es gibt Tage, da tut einem das schon ganz schön weh, dass man einer Frau sagen muss, ich muss jetzt mal raus, und die sagt: ‚Nein, bitte bleib hier, geh nicht weg!‘ Die Frauen brauchen einfach jemanden, der bei ihnen ist, der Zeit hat, und dann braucht man auch andere Dinge weniger, wie Schmerzmittel oder Kaiserschnitte.“ Manchmal betreut sie parallel bis zu drei, vier Frauen, die in den Wehen liegen.
    Die Angst, Fehler zu machen, begleitet sie nicht selten bis in den Schlaf. Dabei würden die leitende Hebamme und das Klinikum liebend gern mehr Geburtshelferinnen einstellen, statt Leih-Hebammen und ausländische Fachkräfte zu engagieren. Doch in ganz Deutschland beklagen Krankenhäuser schwere Probleme bei der Stellenbesetzung von Hebammen, was mit deren extremer Arbeitsbelastung begründet wird, wie ein aktuelles Gutachten des Bundesministeriums für Gesundheit ergeben hat.
    Das Fallpauschalensystem ist ein maßgeblicher Grund, weswegen Geburtshilfe für Kliniken immer unrentabler wird. Die Folgen der notwendigen Sparmaßnahmen sind dramatisch und für alle spürbar. Um in ihren Schichten alles für das Wohl von Müttern und ihren Kindern geben zu können, arbeitet Peggy mittlerweile nur noch in Teilzeit. „Zwar sind die Dienste stressig, aber irgendwann zu Ende, und dann kann ich nach Hause gehen.
    Und das ist für die Hebammen, die immer rufbereit sind, natürlich nicht so.“ Davon kann Anna (38) ein Lied singen. „Auch wenn man mir das nicht immer ansieht, dass ich zwei durchwachte Nächte hinter mir habe, habe ich mich schon einige Male am Rande der Belastbarkeit gefühlt.“ Kein Wunder bei einem Arbeitspensum, das nicht selten bei 90 Wochenstunden liegt. Anna lebt für ihren Traumberuf – und als eine der wenigen Hebammen in Deutschland macht sie noch Hausgeburten.
    Für sie der „schönste Weg, Kindern auf die Welt zu helfen“, weil sie den Frauen dabei Ruhe, Selbstbestimmung und viel Zeit geben kann, damit die Geburten so natürlich wie möglich stattfinden können. Dafür muss die Hebamme wie all ihre freiberuflichen Kolleginnen eine extrem teure Haftpflichtversicherung abschließen und ihre Arbeit genau dokumentieren. „Wir sind bis zu 30 Jahre haftbar für mögliche Fehler. Mit diesem Druck können viele nicht umgehen.“ Und tatsächlich geben immer mehr freiberufliche Hebammen die Geburtshilfe auf.
    Doch auch bei der Betreuung von Frauen im Wochenbett legen engagierte Hebammen wie Anna und Melanie drauf. Ein Hausbesuch dauert schnell mal eine Stunde, der Lohn dafür: circa 38 Euro. Ihr Patchwork-Leben mit Mann und sechs Kindern leidet nicht selten darunter. „Viele Ehen zerbrechen“, weiß ihr Mann Igor. „Aber ohne Geburtshilfe, ohne diesen Zauber, könnte ich es mir nicht vorstellen“, sagt Anna.
    Schon seit Jahren warnen die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutsche Hebammenverband: Es gibt zu wenig Hebammen, um die Versorgung der Frauen zu gewährleisten. Neue Maßnahmen wie die Haftpflicht-Ausgleichszahlung vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen oder die Neuordnung und Akademisierung des Berufsstandes sind zwar auf den Weg gekommen, aber das Fallpauschalensystem, die schlechte Bezahlung und die mangelnde gesellschaftliche Anerkennung machen es Hebammen immer schwerer, das zu tun, was sie am besten können: dem Wunder Leben seinen Weg zu bereiten. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 19.05.2020ZDF
  • Folge 1007 (30 Min.)
    Plötzlich querschnittgelähmt – Nikolas ist 17 Jahre alt, als er sich im Sport-Leistungskurs die Halswirbelsäule bricht. Wird er sich je wieder selbstständig bewegen können? Wie viel Unabhängigkeit kann sich Nikolas zurückerobern? Wie stark ist sein Rückenmark beschädigt? „37°“ begleitet den ehemaligen Leistungssportler ein Jahr lang dabei, wie er darum kämpft, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen. Am letzten Schultag vor den Ferien unterläuft Nikolas am Reck in der Schulturnhalle ein Fehlgriff, der sein Leben innerhalb einer Sekunde grundlegend verändert.
    „Ich war im Stütz und wollte einen Rückwärtssalto-Abgang machen. Hab zu früh losgelassen, nehme ich jetzt an. Dann war erst mal alles weg“, erinnert sich Nikolas. „Das erlebt man wie in Trance, diese Zeit“, sagt Nikolas’ Mutter Nadja. „Wir wollen Nikolas ein Familiengefühl geben und ihn unterstützen, so gut es geht.“ Sie lässt sich von ihrem Arbeitgeber beurlauben und bezieht ein Apartment in der Klinik. Nikolas’ Vater Karsten arbeitet von nun an Vollzeit im Homeoffice, kümmert sich um den elfjährigen Sohn Konstantin und den Haushalt.
    Am Wochenende tauschen die Eltern: „Unser Leben hat sich drastisch verändert seit dem Unfall.“ In den ersten drei Wochen ist Nikolas vom Hals abwärts vollkommen bewegungsunfähig. Doch dann ein Lichtblick: Bei Untersuchungen stellen die Ärzte fest, dass bei ihm eine inkomplette Lähmung vorliegt. Die Nervenbahnen in seinem Rückenmark sind nicht vollständig durchtrennt und können noch manche Impulse zwischen Gehirn und Körper übermitteln.
    Und tatsächlich: Nikolas lernt allmählich, wieder zu greifen, aufrecht im Rollstuhl zu sitzen und ihn selbst anzuschieben. Bald gelingt es ihm, kurz zu stehen. Dr. Andreas Hug, Oberarzt der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg, macht Nikolas Mut: „Die meisten Fortschritte machen die Patienten in den ersten sechs Monaten nach Eintritt der Lähmung. Ich würde die Hoffnung nicht aufgeben, dass noch mehr möglich ist.“ Das spornt Nikolas an: „Ich möchte hier aus der Klinik herauslaufen und ein möglichst normales Leben führen können.“ Unermüdlich kämpft er nun jeden Tag dafür.
    Mit der Motivation, die er schon als Sportler an den Tag legte, trainiert er in täglicher Ergo- und Physiotherapie. Gehbewegungen übt der 17-Jährige mit einem Therapie-Roboter. Wird Nikolas sein großes Ziel erreichen, oder macht er keine weiteren Fortschritte? Inzwischen lässt die Familie ihr Haus barrierefrei umbauen. Wann kann Nikolas die Klinik verlassen, und wie wird er daheim zurechtkommen? Der „37°“-Film begleitet Nikolas und seine Familie durch eine Zeit voller Bangen und Hoffen, Erfolge und Ernüchterung. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 26.05.2020ZDF
  • Folge 1008 (30 Min.)
    „37°“ zeigt die Höhen und Tiefen von drei Familien, in denen der Betrieb von einer Generation zur nächsten übergeben wird. In vielen deutschen Unternehmen steht ein Generationenwechsel in der Führung an. Die Söhne und Töchter sollen weitermachen. Doch die Übergabe in der Familie ist eine heikle Sache. Bettina Weiss (37) ist Geschäftsführerin der SWO Werkzeug und Formenbau in Oberau bei Garmisch-Partenkirchen. Ein Familienunternehmen seit 49 Jahren. Bis vor einigen Jahren leitete die Mutter das Unternehmen mit zwölf Mitarbeitern.
    Nach einem Schicksalsschlag musste die jüngste der drei Töchter übernehmen. Seitdem liegt die Verantwortung für das Unternehmen und das Einkommen von drei Familien hauptsächlich in den Händen von Bettina Weiss. Mutter Monika tut sich schwer, loszulassen: „Die Verantwortung abgeben als Mutter ist genauso schwer wie loslassen vom Geschäft. Da hat man das Gefühl, ‚jetzt bist du nichts mehr‘.“ Aktuell hat die Corona-Krise das Unternehmen schwer getroffen. Aufträge sind ausgesetzt, alle Mitarbeiter sind in Kurzarbeit.
    Mutter und Tochter müssen mehr denn je zusammenarbeiten und entscheiden, wie es weitergehen soll. Manuela Huber (47) ist Gas-Wasserinstallateurin und ein bayerisches Original. Sie schimpft, sie lacht und redet wie ein Wasserfall – mit einem Dialekt, der sich nach grünen Wiesen und Urlaub auf dem Bauernhof anhört. „Ich wollte alles werden, nur nicht in den elterlichen Betrieb gehen. Ich wusste nicht mal, wie ein Wasserhahn aussieht“, berichtet Manuela von den Anfängen.
    Doch dann ließ sie sich auf einen Deal mit dem Vater ein. „Ich mache eine Lehre, wenn ich sofort raus aus der Schule kann. Ich habe die Schule gehasst.“ Papa Walter willigte ein. Und so durfte Manuela Stift und Schulranzen gegen Mutternschlüssel und Blaumann eintauschen. Ihre Zwillingskinder Charlotte und Alex sind bald 16. Der Sohn will das Gleiche machen wie die Mutter – aus ähnlichen Beweggründen: „Weil er genauso faul in der Schule ist wie ich.“ Charlotte wäre aus Sicht der Mutter die ideale Nachfolge für sie.
    Denn „sie kann mit den Leuten, packt an, hat Charme und ist clever.“ Wenn sie nur nicht so schusselig wäre … Noch weiß Charlotte nicht, ob sie sich den Stress der Mutter antun will. „Die Mama arbeitet jetzt sehr, sehr viel. Ich würde mir irgendwann denken: Ich bin der Chef. Ich kann jetzt auch mal um elf aufhören und muss nicht bis drei in der Nacht arbeiten.“ Der Schreinerei-Betrieb Ort ist in der Spessart-Gemeinde Rothenbuch eine Institution.
    Ein Familienleben zwischen Hobelspänen, Holzbrettern und Leisten. Und das schon in der 3. Generation. Irgendwann soll Junior Maximilian (32) den Betrieb von Vater Richard (58) übernehmen. „Es geht im Handwerk auch gar nicht anders. Denn es findet sich kein Nachwuchs“, so Richard. „Die Kinder heute werden gedrängt, zu studieren. Sie sollen ja ein gutes Leben haben“, so beschreibt Maximilian seine Erfahrungen im Umfeld. „Das Handwerk ist ein anstrengender Beruf.“ Für Vater und Sohn heißt das in der Regel eine Sieben-Tage-Woche und maximal sechs Tage Urlaub im Jahr. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 23.06.2020ZDF
    ursprünglich für den 09.06.2020 angekündigt
  • Folge 1009 (30 Min.)
    Sie schrubben Böden, wienern Fenster, putzen Toiletten. Es ist harte körperliche Arbeit, meist wird sie von Frauen verrichtet. Wie kommen sie damit klar, dass sie den Dreck anderer wegmachen? Oft haben sie mehrere Putzstellen, hetzen von einem Ort zum nächsten, um finanziell einigermaßen über die Runden zu kommen. Um ihren Job werden sie nicht gerade beneidet. So jedenfalls das Klischee. Stimmt es, oder gibt es Frauen, die den Job gern machen? Isa hat acht verschiedene Putzstellen. Die gebürtige Polin ist nach dem Abitur ins hessische Rödermark gezogen, wo sie sich als Reinigungskraft selbstständig gemacht hat.
    Dass Putzen sinnlos ist, dagegen wehrt sie sich vehement. „Schmutz erzählt Geschichten“, sagt Isa, „darunter verbirgt sich oft Unerwartetes.“ Isa ist eine Frohnatur und seit 2007 Putzfrau aus Leidenschaft. „Beim Putzen kann ich entspannen, meine Gedanken sortieren und bleibe fit.“ Die alleinerziehende Mutter ist bei ihren Kunden beliebt, doch ihr Job geht auch ganz schön auf die Knochen. Steffi ist 48 und Toilettenfrau in einem Kaufhaus in Hamburg.
    Mit entwaffnender Freundlichkeit schwingt sie jeden Tag die Klobürste. Die Kunden kommen auf ihre Toilette, und Steffi nimmt sich danach gern Zeit für ein Gespräch. Zwischendurch greift sie immer wieder zur Gitarre und singt. Das macht sie in der „Szene“ bekannt. Viele Prominente saßen schon auf ihren Toiletten. Wenn kein Betrieb ist, schreibt Steffi Gedichte. Ihr erstes Buch soll noch 2020 veröffentlicht werden. Bei Iris, 45, fällt es schwer zu glauben, sie habe ihren Traumberuf gefunden. Iris reinigt Leichenfundorte, vermüllte Wohnungen, Obdachlosenheime und putzt bei psychisch auffälligen Menschen, die betreut werden.
    Die zweifache Mutter lebt in Vechelde, hat fünf Angestellte und in den Jahren vieles gesehen, was anderen Menschen schlaflose Nächte bereiten würde. Die Herausforderungen sind immer wieder neu. Iris weiß genau, wie man Blutflecken beseitigt oder schlechte Gerüche entfernt. 14-Stunden-Arbeitstage sind keine Seltenheit, aber dafür verdient sie mehr als eine „normale“ Putzkraft. Harte Arbeit und bescheidenes Gehalt. Was sind das für Menschen, die für andere putzen? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 30.06.2020ZDF
    ursprünglich für den 23.06.2020 angekündigt
  • Folge 1010 (30 Min.)
    „37°“ stellt Menschen vor, die dahin gehen, wo andere lieber wegschauen. Der Film zeigt mutige Mannheimer, die versuchen, einen Stadtteil zu retten, den viele bereits abgeschrieben haben. Die Bevölkerung wächst hier stärker als in der Gesamtstadt, seit Jahren bereitet die Armutseinwanderung aus Osteuropa dem Stadtteil viele Probleme. Auch wenn die Kriminalitätsstatistik im Vergleich zu gesamt Mannheim nicht besonders herausragt – wer kann, zieht weg. „Ich schäme mich für Deutschland, dass wir hier ein Paradies geschaffen haben für billigen Sex, aber nicht die Verantwortung tragen möchten für die Frauen, die hier traumatisiert und ausgebeutet werden“, sagt Julia Wege, die sich mit ihrem Verein „Amalie“ der Armutsprostitution entgegenstellt.
    Doch das ist nicht das einzige Problem der Neckarstadt-West. Auch Stefan Semel ist weggezogen, der Müll auf den Straßen, der Lärm in der Nacht, all das war ihm zu viel. Trotzdem kommt er jeden Tag in die Neckarstadt, um vor allem den Kindern hier eine Stütze zu sein. Denn obwohl es immer mehr Schüler ohne Deutschkenntnisse gibt und die sozialen Probleme in den Familien offensichtlich sind, gibt es im Viertel keine einzige Ganztagsschule.
    Stefan Semel kämpft mit seinem Verein „Aufwind e.V.“ für das Recht der Kinder auf ein gewaltfreies Leben und für Bildungsgerechtigkeit. Seit 15 Jahren bietet er ihnen ein Ersatz-Zuhause und hat hier aus leistungsschwachen Schülern schon einige Abiturienten gemacht. Melis Sekmen kennt die Nöte der Kinder und Jugendlichen hier, wie kaum eine andere. Sie selbst hat das Milieu hinter sich gelassen.
    Aufgewachsen vis-à-vis der Rotlichtmeile, zogen ihre Eltern weg, damit die Tochter eine bessere Zukunft hat. Es ist ein offenes Geheimnis: Wer will, dass sein Kind erfolgreich ist, der meidet die Schulen der Neckarstadt-West. Immer mehr bildungsorientierte türkische Familien ziehen weg – Melis Sekmen will das ändern, deshalb macht sie Politik. Die Neckarstadt-West, mit all ihren Herausforderungen von damals und heute, hat aus ihr eine Kämpferin gemacht. Sie will, dass die Schwächsten am stärksten gefördert werden, wie zum Beispiel die Prostituierten, die bei „Amalie“ Schutz suchen.
    Julia Wege hat bisher 90 Frauen aus der Zwangsprostitution gerettet. Mit viel Mut und wenig Geld hat sie Bordelle abgeklappert und den von der Gesellschaft vergessenen Frauen ein neues Leben ermöglicht. Sie wird genauso wie Stefan Semel weitermachen, damit der Stadtteil wieder lebenswert wird, für alle. Der Film zeigt, was drei engagierte Menschen tun, damit ein Stadtteil wie Neckarstadt-West mit seiner kulturellen Vielfalt ein lebenswerter Ort bleibt und nicht in eine parallele Welt abgleitet. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 07.07.2020ZDF

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