Wendejahre, Folge 81–91

  • Folge 81
    August 1980: Das blumengeschmückte, verschlossene Werkstor der Leninwerft wird zum Wallfahrtsort. Ein verwittertes Papst-Porträt gibt den vielen Pilgern Hoffnung. Bepackt mit Tüten und Kartons, mit Körben und Taschen ziehen täglich hunderte die Dockstraße entlang. Sie bringen Brot, Wurst, Tomaten, Mineralwasser und Zigaretten: Verpflegung für die Streikenden, die das Werftgelände besetzt halten – im Kampf gegen steigende Preise, stagnierende Löhne, sinkenden Lebensstandard. Anführer der Industriearbeiter: Lech Walesa. Niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass er zehn Jahre später der erste Präsident eines neuen, freien und demokratischen Polen sein wird. (Text: Phoenix)
  • Folge 82
    Johannes Paul II. steht winkend in seinem „Papamobil“. Langsam rollt der Jeep über den Petersplatz. Es ist der 13. Mai 1981. Tausende haben sich zur Generalaudienz auf dem Petersplatz in Rom eingefunden. Der Papst segnet Gläubige und Ungläubige. Doch plötzlich: Schüsse aus der Menschenmenge. Schmerzverzerrt sinkt der Papst in die Arme seines polnischen Sekretärs. Der Jeep jagt zum nächsten Krankenhaus. Fünf Stunden kämpfen Ärzte um das Leben des Kirchenoberhaupts. Der Einschusskanal ist nur fünf Millimeter neben der Hauptschlagader. Doch der Papst überlebt – ein Wunder.
    Der Täter Ali Agca wird noch an Ort und Stelle festgenommen und bald zu lebenslanger Haft verurteilt. Aber wer war der Auftraggeber: Die türkische Mafia? Der sowjetische Geheimdienst? Oder gar der Vatikan selbst? Der Anschlag auf Papst Johannes Paul II. – bis heute ist er nicht aufgeklärt. (Text: Phoenix)
  • Folge 83
    Die Inseln befinden sich wieder unter der gewünschten Regierung. Gott schütze die Königin! Mit feierlichem Pathos meldet General Moore, Oberbefehlshaber der britischen Truppen, am 14. Juni 1982 die Kapitulation des Gegners. Der Krieg ist zu Ende. 74 Tage zuvor hatten die Argentinier die britische Kronkolonie besetzt. 500 Kilometer vom südamerikanischen Festland, 12.000 Kilometer von Großbritannien entfernt.
    Die Schlacht im Südatlantik kostet 750 argentinischen und 265 britischen Soldaten das Leben. Die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher lässt sich von den Verlusten aber nicht beirren: Nach dem Sieg stocken die Briten ihre Millitärpräsenz auf. Erst 1998 normalisiert sich das Verhältnis wieder: Der argentinische Präsident Carlos Menem absolviert seinen ersten Staatsbesuch in Großbritannien. (Text: Phoenix)
  • Folge 84
    In jede Ecke, jede Nische quetschen sich Reporter. Vor dem Podium lauern die Fotografen. Alle wollen dabei sein: bei der Präsentation von Hitlers geheimen Tagebüchern durch den Tagebuchbeschaffer Gerd Heidemann, die Chefredakteure Peter Koch und Felix Schmidt und den britischen Historiker Hugh Trevor-Roper. „Die Geschichte des Dritten Reiches“, so titelt die Sensations-Ausgabe des Stern, muss „umgeschrieben werden“. Doch das Materialprüfungsamt findet im Auftrag des Bundesarchivs in Labortests heraus: Die Tagebücher sind gefälscht. Der größte journalistische Coup der Nachkriegszeit wird zur größten Pleite. Der Stern erleidet einen riesigen Image-Verlust. Fälscher Kujau und Beschaffer Heidemann müssen für über vier Jahre ins Gefängnis. Der Journalist Heidemann lebt heute als Sozialhilfe-Empfänger in Hamburg. (Text: Phoenix)
  • Folge 85
    Der smarte Steward Gaetan Dugas von Air Canada spielt eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Aids. Zwischen New York und San Francisco hat der Homosexuelle viele Partner. Als Wissenschaftler die Daten der ersten 248 Aids-Opfer auswerten, stellen sie fest: Mindestens 40 von ihnen hatten Kontakt mit dem Kanadier („Patient Null“). Zunächst werden nur Homosexuelle und Drogenabhängige zu den Risikogruppen gezählt. Und erst als Bluter und Babys an Aids sterben und prominente Fälle wie Rock Hudson und Freddy Mercury Aufsehen erregen, schreckt die Öffentlichkeit auf.
    Die Immunschwäche wird auch für Heterosexuelle zur todbringenden Seuche. Bis heute gibt es weltweit 14 Millionen Aids-Tote, einen Impfstoff bisher jedoch nicht. Mit einer teuren Tabletten-Therapie kann der Ausbruch der Krankheit hinausgezögert werden. Für die mehr als 20 Millionen Infizierten in der Dritten Welt ist die lebensverlängernde Therapie allerdings unbezahlbar. (Text: Phoenix)
  • Folge 86
    Die Nacht zum 28. Januar: Ingenieure der Raketen-Herstellerfirma Morton Thiokol entdecken schwere Sicherheitsmängel an der US-Raumfähre „Challenger“. Doch die NASA duldet keinen Aufschub des Starts. Sie hat ihn bereits mehrfach wegen schlechten Wetters verschoben. Der Tag des 28. Januar: Tausende Schaulustiger haben sich am Stützpunkt Cape Canaveral und Millionen vor den Fernsehern versammelt. Sie erleben das schwerste Unglück in der Geschichte der bemannten Raumfahrt: 73 Sekunden nach dem Start explodiert die Challenger, 17 Kilometer über dem Meeresspiegel. Die gesamte Crew, sieben Menschen, stirbt – weil Dichtungsringe zwischen zwei Segmenten der rechten Feststoff-Rakete brüchig waren. Seit dieser Tragödie ist kein Mensch mehr im All ums Leben gekommen. Ab 2004 werden Astronauten für die Raumstation „ISS“ ständig im Orbit arbeiten. (Text: Phoenix)
  • Folge 87
    26. April, 1:23 Uhr in der Nacht: Ingenieure des Atomkraftwerks Tschernobyl beginnen mit der Simulation eines Notfalls. Sie schalten vier Hauptkühlpumpen ab. Was folgte, war eine Katastrophe. Sofort schießt die Reaktorleistung auf das 100-fache. Rohre bersten. Die Wucht der Detonation schleudert den Reaktordeckel in die Höhe. Der weltweit älteste Reaktortyp hat keine Sicherheitshülle aus Stahlbeton. 70 Tonnen Nuklearbrennstoff steigen auf.
    Wie ein unsichtbares Leichentuch breitet sich die tödliche Strahlung aus – die 200-fache Radioaktivitätsmenge der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki. Direkt betroffen: 135.000 Menschen im Umkreis von 150 Kilometer. Millionen in der Ukraine und Russland. Die radioaktiven Niederschläge erreichen sogar Westeuropa, den Balkan und Vorderasien. Nach eiligen Reparaturarbeiten klaffen heute bereits wieder Risse in der Reaktorruine. Tschernobyl – immer noch eine tickende Zeitbombe. (Text: Phoenix)
  • Folge 88
    11. Oktober, Genf, Hotel „Beau Rivage“, Zimmer 317: Die Tür ist nicht versperrt, auf dem Bett liegen Notizzettel. Im Bad: CDU-Politiker Uwe Barschel – in der mit Wasser gefüllten Badewanne, bekleidet, tot. Wenige Wochen nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident Schleswig-Holsteins. Im Körper Barschels finden sich Giftstoffe. War es Selbstmord? Mord? Immer neue Enthüllungen über Wahlkampf-Manipulationen, Stasi-Machenschaften und Waffenschiebereien belasten Barschel schwer. Doch die Wahrheit bleibt auf der Strecke. 1998 werden die Ermittlungen eingestellt. Bis heute sind die Umstände des mysteriösen Todes nicht geklärt. (Text: Phoenix)
  • Folge 89
  • Folge 90
    9. November: Günter Schabowski, Sprecher des SED-Zentralkomitees, tritt vor die Presse. Um 18:57 Uhr fragt ihn ein Journalist nach dem neuen „Reisegesetz“. Seine Antwort: „Privatreisen ins Ausland können ohne Voraussetzungen beantragt werden. Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ „Ab wann gilt das?“ Schabowski blättert in seinen Unterlagen: „Nach meiner Kenntnis … sofort.“ Irrtum – das Gesetz sollte erst später in Kraft treten. Aber sofort beginnt ein Massenansturm auf die Grenzübergänge. Um 22:30 Uhr bleibt den DDR-Posten nur ein Ausweg: die Öffnung der Schlagbäume.
    Auf der Mauer vor dem Brandenburger Tor tanzen Menschen aus Ost und West im Glückstaumel, feiern den Triumph des Volkes über die steinerne Grenze. 28 Jahre lang hat die Mauer die deutsche Hauptstadt geteilt, ihre Bewohner unmenschlich voneinander getrennt. Sektkorken knallen, „Mauerspechte“ hämmern kleine Stücke aus dem „antifaschistischen Schutzwall“. Aufbruchsstimmung überall: Der Weg in die Einheit ist frei. Die quälende Unfreiheit der DDR-Bevölkerung ist nach 28 Jahren zu Ende. Doch mit der „Mauer in den Köpfen“ haben West- und Ostdeutsche auch jetzt, zehn Jahre später, noch immer zu kämpfen. (Text: Phoenix)
  • Folge 91
    Schelesnowodsk im Kaukasus, es ist der 15. Juli 1990: Leger gekleidet spazieren die Staatsmänner Helmut Kohl und Michail Gorbatschow mit einer kleinen Gruppe nahe dem Gebirgsdorf Archysam am Fluss Selemtschuk entlang. Sie lassen sich an einem klobigen Holztisch nieder, reden fröhlich, lachen herzlich. Sprechen über die Schönheit der Landschaft, das gesunde Klima. Und nebenbei über die Zukunft Deutschlands. Später schreibt Gorbatschow in seinen Memoiren: „Dort besiegelten wir die deutsche Einheit.“
    Tags darauf erklärt der Kanzler: Das vereinte Deutschland wird Mitglied der NATO. Die UdSSR zieht alle Truppen aus der DDR ab. Und Deutschland verspricht der UdSSR wirtschaftliche Hilfe in Milliardenhöhe. Der Weg zur deutschen Einheit ist frei: Bald folgt die Währungsunion, die Siegermächte treten von ihren Besatzerrechten zurück, die DDR-Volkskammer erklärt den Beitritt zur Bundesrepublik. Bis die Lebensverhältnisse in Ost- und West-Deutschland angeglichen sind, wird es allerdings noch Jahre dauern. (Text: Phoenix)

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