40 Jahre Sat.1: Mit „Raumschiff Enterprise“ beginnt Hassliebe

Erinnerungen an bessere Zeiten trösten über Probleme

Stefan Genrich
Stefan Genrich – 07.01.2024, 10:00 Uhr

Sat.1 verdankt Erfolg zum Beispiel (v.l .) Patrick Stewart, Enie van de Meiklokjes sowie Mark Harmon – und wechselt manchmal das Logo. – Bild: Warner Bros. Discovery; Sat.1 / Claudius Pflug; CBS
Sat.1 verdankt Erfolg zum Beispiel (v.l .) Patrick Stewart, Enie van de Meiklokjes sowie Mark Harmon – und wechselt manchmal das Logo.

Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1984, ging der erste deutsche Privatsender an den Start: Sat.1, der im ersten Sendejahr noch unter dem Namen PKS firmierte. Das runde Jubiläum nimmt die Redaktion von fernsehserien.de zum Anlass, um dem Sender mit dem bunten Ball zu gratulieren: In den kommenden Wochen teilen Redakteure und Mitarbeiter der unterschiedlichsten Generationen ihre Erinnerungen und persönlichen Gedanken rund um Sat.1. Heute berichtet Serienkritiker Stefan Genrich über seine durch „Raumschiff Enterprise“ ausgelöste Hassliebe zu Sat.1.

Der Ausbildungsplatz in der Großstadt verspricht 1986: Freiheit! Wer braucht da Fernsehen, wenn so viel zu erleben ist? Der Verzicht auf die Glotze dauert einige Monate, bis die Nachricht einschlägt: In Hamburg wird Sat.1 terrestrisch verbreitet – damit ist „Raumschiff Enterprise“ über die ausgezogene Zimmerantenne zu sehen. Der tonnenschwere und unhandliche Mini-Apparat wandert aus dem elterlichen Haushalt in die Bude des Fans von Spock und Captain Kirk. Die herrlichen Abenteuer landen verrauscht und in Schwarz-Weiß auf dem Bildschirm. Verzweiflung bricht aus, wenn das Regionalfenster die Serie verdrängt. In diesen Tagen beginnt meine Hassliebe zu Sat.1.

In „Raumschiff Enterprise“ faszinieren Spock (Leonard Nimoy, l.) und Captain Kirk (William Shatner) notfalls in Schwarz-Weiß und verrauscht. Warner Bros. Discovery /​ Tele 5; Bearbeitung SGE /​ fernsehserien.de

Serien erobern das Herz

„Star Trek“ überflutet den Sender

Später lebe ich im Studentenwohnheim in Münster. Dann hängt der Kasten am Kabelnetz, wodurch die Empfangsqualität ansteigt. Das Herz klopft, als Sat.1 „Raumschiff Enterprise“ nahezu komplett ausstrahlt – also auch die einst vom ZDF ausgesonderten Folgen. 1993 kommt endlich der Pilotfilm „Der Käfig“, der eigentlich niemals veröffentlicht werden sollte. Vorerst fehlt die geheimnisumwitterte Nazi-Episode „Schablonen der Gewalt“. Besonders nachmittags überflutet „Star Trek“ den Privatsender, der ab 1993 auf „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“ setzt. 1994 startet „Star Trek – Deep Space Nine“. 1996 hebt erstmals „Star Trek – Raumschiff Voyager“ ab. Dank unzähliger Wiederholungen leidet weder ein Seminar noch ein Job unter der Sucht nach Science-Fiction.

„Bezaubernde Jeannie“ kuschelt mit Bösewicht

Mit dem Umzug in eine Wohngemeinschaft wird die TV-Welt bunt. Indes stören die Grautöne wenig in der Frühzeit von Sat.1. Anteilseigner Leo Kirch holt Unmengen an Material aus seinen Archiven. Neben „Raumschiff Enterprise“ tauchen andere Lieblinge der 70er-Jahre auf, zum Beispiel „Verliebt in eine Hexe“. Dabei möchte das Innere Kind die „Bezaubernde Jeannie“ vor ihrem sogenannten Meister Tony Nelson (Larry Hagman) warnen: Hey, du kuschelst mit dem Bösewicht J.R. Ewing aus „Dallas“ – aber das ist eine andere Geschichte.

„MacGyver“ hat die Haare schön

Manchmal gefällt mir Trödel wie „Auf der Flucht“. Dr. Kimble hält 120 Folgen durch, bis der einarmige Mörder enttarnt wird. Eher überzeugen zeitgemäße Typen wie „MacGyver“ – schon alleine frisurentechnisch. Sein Nachfolger „MacGyver“ kann weder beim Look noch bei der Coolness mithalten. Aber das Original mit Richard Dean Anderson ist zu häufig aus den selben Zutaten zusammengemischt. Gegen Ende einer Episode befreit sich MacGyver mit Alltagsgegenständen aus einer vermeintlich aussichtslosen Lage. Ein Freund oder eine schutzbedürftige Frau begleitet den pfiffigen Bastler. Wenn der tapfere Kerl den Bösewicht überlistet, schreit der Fiesling wütend den Namen seines Feindes ins Universum: MacGyyyveeeer!. Jedenfalls erfreut der unbewaffnete Kämpfer gegen Ungerechtigkeit nach wie vor.

„Frasier“ wandert durch die Kanäle

Anti-Held „Frasier“ hat sein Unwesen auf anderen Kanälen getrieben, bevor er 1997 mit seiner Sitcom bei Sat.1 einzieht. Ab 2001 baut er werktags nach Mitternacht eine kleine Fan-Gemeinde auf. Die Fortsetzung ab Herbst 2023 ist dem Streaming-Dienst Paramount+ vorbehalten.

Martin Crane (John Mahoney, r.) wohnt beim Sohn „Frasier“ (Kelsey Grammer). Paramount+

2013 treiben die ersten beiden Staffeln von „Homeland“ den Puls nach oben. Der militärische Einsatz von „J.A.G. – Im Auftrag der Ehre“ dauert zehn Jahre ab 1996. Größeren Erfolg verzeichnet „Navy CIS“ ab 2005. Dieser Knüller prägt Sat.1. Drücken wir ein Auge zu, dass es naiv und kriegerisch zugeht. Ebenso laufen Ableger wie „Navy CIS: Hawaii“.

„Die Landarztpraxis“ ersetzt weder „Danni Lowinski“ noch „Edel & Starck“

Ansonsten verschwinden frische Serien – ganz zu schweigen von folgenreichen Eigenproduktionen. „Der Bergdoktor“ und „Der Bulle von Tölz“ gefallen vielleicht keinen Schöngeistern. Trotzdem schärfen solche Wohlfühl-Serien das Profil des Senders. „Die Landarztpraxis“ und ab Januar 2024 „Das Küstenrevier“ belegen den Vorabend. Diese Leichtgewichte ersetzen keine originellen Qualitätsserien. Gerne erinnere ich an lustige Begegnungen etwa mit „Danni Lowinski“ sowie „Edel & Starck“.

Sandra Starck (Rebecca Immanuel) und Felix Edel konkurrieren und kooperieren. SAT.1 /​ Hardy Spitz

Kinofilme und aufwändige Eigenproduktionen bereichern Programm

Mehrteiler wie „Der Tunnel“ und viele Reißer bringen Erfolg

Filme oder Mehrteiler aus eigenem Hause: „Der große Sat.1-Film“ bietet Reißer wie „Callboys – Jede Lust hat ihren Preis“ und „Die Todesgrippe von Köln“. Sat.1 schändet das deutsche Filmerbe mit der Reihe „German Classics“, die zum Beispiel „Das Mädchen Rosemarie“ als Neufassung verwurstet. Im Frühjahr 2023 schieben „Die Wanderhure“ und „Die Hebamme“ Überstunden, denn diese Schmonzetten kehren als „Sat.1 FilmFilm Klassiker“ zurück. 2001 glänzt der Sender mit edlen Eigenproduktionen. Die Historiendramen „Der Tunnel“, „Vera Brühne“ und „Wambo“ kassieren begehrte Auszeichnungen.

Im „FilmFilm“ gilt „Das Philadelphia Experiment“ als Delikatesse

Allerdings könnten die Senderchefs grübeln, ob die Einschaltquoten und Werbeeinnahmen den beträchtlichen Aufwand rechtfertigen. Eventuell stimmt die Kasse eher bei Kinofilmen aus dem Einkauf. Andererseits wandern etliche Blockbuster zur Sender-Schwester ProSieben. 1991 lädt Sat.1 erstmals zum „FilmFilm“. Welch wunderbare TV-Zeiten, in denen ein alter Schinken wie „Das Philadelphia Experiment“ als Delikatesse gilt! Auch zu Weihnachten 2023 locken bewährte Filme wie Teile von „Stirb langsam“ und „Pirates of the Caribbean“. Immerhin ist „Top Gun: Maverick“ als frische Kost zu genießen.

Sat.1 kopiert nettes Allerlei

„Glücksrad“ und „Geh aufs Ganze!“ zerstreuen am Feierabend

In der Unterhaltung drehen Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher zehn Jahre das „Glücksrad“. Trotz oder gerade wegen ihrer absurden Schleimerei gefallen die Moderatoren Frederic Meisner und Peter Bond. Niemand anders als Maren Gilzer präsentiert so elegant Buchstaben. Bei „Geh aufs Ganze!“ treibt Jörg Draeger ab 1992 den Kandidatinnen und Kandidaten den Schweiß auf die Stirn, weil sie lieber Sachpreise als den „Zonk“ aus Plüsch abgreifen.

Das „Glücksrad“ kann Kandidaten überfordern. CC BY-NC-ND @ Stiftung Museen für Humor und Satire

Harald Schmidt und Jörg Pilawa stehen für den Sender

Ähnlich lebhaft wirkt „Richterin Barbara Salesch“ von 1999 bis 2012. Niemand braucht solche belanglosen Sendungen. Aber sie zerstreuen angenehm in einer nachmittäglichen Pause oder am Feierabend. Höheres Niveau verspricht „Die Harald Schmidt Show“ zwischen 1995 und 2003. Der Gastgeber lästert und plaudert in seiner Late Night so witzig und klug wie niemals zuvor oder danach. Bis heute fasziniert mich „Das große Backen“. Darüber hinaus setzt Sat.1 selten Duftmarken in der Unterhaltung, sondern kopiert nettes Allerlei. Leider hat der Sender Hugo Egon Balder mit „Genial daneben“ vergrault. Möglicherweise bereut Jörg Pilawa seinen Ausstieg bei der ARD und die Rückkehr zu Sat.1. Hier hat er schnell Flops gesammelt. Aus unerfindlichen Gründen schalten viele Leute „Das 1% Quiz“ ein. In Jörg Pilawas deutscher Ausgabe fehlen das Tempo und der Humor aus dem britischen Original.

MacGyver könnte Sat.1 mit Taschenmesser und Klebeband retten

Nur „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ und „:newstime“ bringen aktuelle Berichte

1994 erreicht Sat.1 einen durchschnittlichen Marktanteil von 14,9 % und strotzt vor Kraft. Deshalb ertönt 1995 der Slogan „Volle Stunde – volles Programm“. Dahinter steckt eine Kampfansage an die ARD: Das TV-Publikum soll gefälligst die „Tagesschau“ vergessen und um 20:00 Uhr im Privatkanal herumschwimmen. Mit wechselndem Erfolg buhlen die Nachrichten von Sat.1 seit 1985 um Aufmerksamkeit. Zumindest wählen 2004 rund 2,3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Hauptausgabe von „Sat.1 News“. Im selben Jahr wird eine „Info-Offensive“ verkündet, die 2007 durch Sparmaßnahmen verpufft. Regelmäßig bringen lediglich „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ und „:newstime“ am Abend die aktuellen Berichte. MacGyver, bitte rette die Nachrichten – und beseitige die Probleme des Senders mit Taschenmesser und Klebeband!

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei fernsehserien.de würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

Lieblingsserien: Frasier, Raumpatrouille, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Stammt der "Beste MacGyver Vorspann aller Zeiten" nicht (zumindest in Teilen) aus einem anderen Film, bei dem sich die Produktion von MacGyver nur bedient hat?
    • (geb. 1965) am

      Die Überführung des Sarges stammt aus dem Film „Finale in Berlin“. Aber die irre Verwandlung in einen Jetski passiert nur in „MacGyver“. Im Film verläuft die Überführung reibungslos. Doch die Fluchhelfer finden tatsächlich eine Leiche anstelle eines vermeintlichen Überläufers.
  • (geb. 1990) am

    baywatch sollte man auch nicht vergessen war auch großer erfolg damals in sat 1


    aber was das mal für ein toller sender war einfach
    schade wie  unansehbar dieser sender (genau wie P7) 
    geworden ist.........
    • (geb. 1991) am

      Mit "Kommissar Rex" war Sat 1 auch die deutsche Heimat einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Serien aller Zeiten. Sie wurde in über 100 Länder verkauft.
      • am

        ... die RTL vorher ablehnte.
    • (geb. 1991) am

      Mit "Verliebt in Berlin" und "Anna und die Liebe" hatte Sat1 auch damals zwei äußerst erfolgreiche eigenproduzierte Telenovelas im Angebot gehabt.
      • am

        Leider nach 1 Stunde zappen den bis 10.00 immer wieder das gleiche und nicht mehr interessant ob news Themen usw.langweilig und al albern.
        • (geb. 1963) am

          Ich hatte mich gar nicht mehr so genau daran erinnert, dass es dieser Sender war, auf dem das Star-Trek-Bündel (TOS, TNG, DS9 und VOY) in den 80er und 90er-Jahren zunächst gesendet worden ist. Aber ja, damals habe ich die Serien wohl auch ziemlich regelmäßig verfolgt – wenn vielleicht auch nicht so intensiv, wie mancher Hardcore-Fan.
          • (geb. 1988) am

            So schade, was aus Sat.1 geworden ist. Gesichter des Senders hat man vollends vergrault. Eigentlich könnte man das Frühstücksfernsehen in Dauerschleife senden - wohl das einzig gebliebene Aushängeschild des Senders.
            Shows werden leider - in der gesamten Sendergruppe - ausgeschlachtet mit unnützen Ablegern erweitert und ziehen sich meist künstlich derart in die Länge, dass man am Format schnell die Lust verliert.
            Eigenproduktionen im fiktiven Bereich sind seit Jahren Mangelware, sodass man bei der ZDF-Wohlfühlkopie "Die Landarztpraxis" fast schon überrascht sein darf, dass nicht nur die erste Staffel komplett ausgestrahlt, sondern sogar eine Zweite geordert wurde.
            Die Zeit hat's auf jeden Fall nicht gut mit Sat.1 gemeint...
            • (geb. 1963) am

              »Die Zeit hat's auf jeden Fall nicht gut mit Sat.1 gemeint...«

              Das gilt wohl nicht nur für Sat.1. Ich habe vielmehr den Eindruck, dass Fernsehen insgesamt mittelfristig keine Chance gegen die Streaming-Dienste hat. Das klassische Fernsehen wird vermutlich gemeinsam mit uns »Boomern« aussterben, das ist meine Prognose.
          • am

            Hieß es im März/April 1990 als erstmals die drei originalen Star Wars Filme, Beverly Hills Cop und Ghostbusters ausgestrahlt wurden nicht schon FilmFilm? Donnerstag Abend, 21 Uhr, das weiß ich noch genau.
            • (geb. 1975) am

              Ich gucke kein SAT.1, Pro 7, , Kabel 1, RTL nicht mehr seit Jahre bringen nur Müll.
              • am

                Aha...interessant (nicht)
            • (geb. 1976) am

              Heute sendet SAT1 beim Publikum vorbei.
              • (geb. 1990) am

                genau wie P7

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