bisher 39 Folgen, Folge 20–39
20. Rita Prigmore – Die Welt ist wunderlich
Folge 20Rita Prigmore, geborene Winterstein, überlebte als Säugling die Gräuel der NS-Zeit. Und das ist alles andere als selbstverständlich. Als Angehörige der Minderheit Sinti und Roma gehörte ihre Würzburger Familie aus Sicht der fanatischen NS-Schergen einer „minderwertigen Rasse“ an und sollte ausgelöscht werden. Ein Großteil ihrer Familie wurde im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. Aber Rita überlebte, da sie als Zwilling von den NS-Ärzten für medizinische Experimente „gebraucht“ wurde. Rita Prigmore blickt aus dem Fenster auf das malerische Mainufer der Stadt Würzburg. Obwohl sie genau hier infolge der Menschenrechtsverletzungen der NS-Pseudowissenschaft schlimmste Misshandlungen erfahren hat, liebt Rita Prigmore ihre fränkische Heimatstadt.
Seit dem 16. Jahrhundert ist ihre Familie fest verwurzelt in der Gegend. Ihre Vorfahren haben hier als Korbflechter für die Weinbauern, als talentierte Spitzenklöpplerinnen oder als Künstler und Musiker gearbeitet. Ritas Mutter, Theresia Winterstein, war am Würzburger Stadttheater eine beliebte Tänzerin und Sängerin. Aber auch wenn die Familie ein selbstverständlich integrierter Teil der Gesellschaft war und voll und ganz dazugehörte: Gegen den Rassenwahn der Nazis war kein Ankommen.
Die NS-Rassengesetze legitimierten das perfide Rechtssystem, durch das Sinti-Familien zunächst systematisch diskriminiert, als „nicht lebenswert“ definiert und schließlich zu einem Großteil umgebracht werden konnten. Wer nicht ins Konzentrationslager deportiert wurde, musste sich einer Zwangssterilisation unterziehen lassen. So auch die junge Tänzerin Theresia Winterstein. Doch als sie zu ihrem Sterilisationstermin kam, stellten die Würzburger NS-Ärzte ihre Zwillingsschwangerschaft fest. Die Säuglinge durften zur Welt kommen, wurden der Mutter Theresia Winterstein aber weggenommen.
Die Mediziner jener Zeit führten Experimente an den Mädchen durch. So versuchte man etwa, die braunen Augen der Mädchen mit Tinteneinspritzungen blau zu färben. Ritas Zwillingsschwester Rolanda überlebte diesen grausamen Eingriff nicht. Rita leidet heute noch unter den Spätfolgen. In diesem Interview erzählt die beeindruckende 77-Jährige der Autorin Michaela Wilhelm-Fischer von der Kraft einer Familie, die trotz der Traumata wieder ins Leben fand, von einem langen Kampf um Anerkennung hin zu einer Wiedergutmachung sowie von ihrer unbegrenzten Liebe zum Leben. (Text: ARD-alpha)Deutsche TV-Premiere Do. 08.04.2021 ARD-alpha Deutsche Streaming-Premiere Di. 23.03.2021 ARD Mediathek 21. Claus Günther: „Wir fühlten uns stark“
Folge 21Seine Vorbilder hießen Hitler, Göring und Goebbels. Seine Schulbücher waren bebildert mit Helden in Naziuniformen. Seine Überzeugung war es, einer überlegenen „arischen Herrenrasse“ anzugehören – denn das erzählten die Wissenschaftler jener Zeit. Claus Günther war damals Kind. Er kannte nichts anderes. Aber nach Kriegsende erfährt er, welche zerstörerische Wirkung die Nazi-Ideologie hatte. Weshalb haben so viele Menschen mitgemacht? Wie konnte die Menschenverachtung des diktatorischen NS-Systems zum Ideal werden? Der Bericht von Claus Günther bringt manches Licht ins Dunkel.
Bei Kriegsende ist Claus Günther 14 Jahre alt. Die Jahre zuvor aber waren wie ein verführerisches Abenteuer. Er gehörte zu einer Masse. Er fühlte sich stark. Zum Beispiel, als er Adolf Hitler mit eigenen Augen bei der Schiffseinweihung des KdF-Kreuzfahrtschiffes „Wilhelm Gustloff“ an den Hamburger Landungsbrücken sah und inmitten einer wogenden und jubelnden Menschenmasse stand. Sein Vater trug in SA-Uniform die Fahne, als während der Novemberpogrome 1938 die Harburger Synagoge zerstört wurde.
Nach Kriegsende erfährt Claus Günther, dass seine eigenen jüdischen Nachbarn im Konzentrationslager ermordet wurden. Bis heute schämt er sich dafür, als 10-Jähriger jene Nachbarn antisemitisch beschimpft zu haben. Seit vielen Jahren ist Claus Günther gerade durch diese Erkenntnisse ein Kämpfer für Demokratie und mahnt, stets wachsam zu beobachten, was im eigenen Umfeld geschieht: „Das Schlimme ist: Es waren sogenannte normale Menschen: Der Friseur, der da die Synagoge mit zerstört hat. Das ist es also, was eine Diktatur mit Menschen machen kann.“ Claus Günther (Text: ARD-alpha)Deutsche TV-Premiere So. 07.11.2021 ARD alpha 22. Wilhelm Simonsohn: Leben im freien Fall
Folge 22Er wuchs als Sohn eines jüdischen Kaufmanns in Hamburg-Altona auf und machte Karriere als Luftwaffenpilot bei der Wehmacht. Was widersprüchlich klingt, wird in Wilhelm Simonsohns Biografie zur sonderbaren Wirklichkeit. In seinem abenteuerlichen Lebensbericht erzählt der 101-Jährige von den Tumulten während der Weimarer Republik, der Verhaftung seines Vaters ins Konzentrationslager sowie seinen Erinnerungen an die Zerstörung Warschaus, die er in Wehrmachtsuniform im September 1939 mit eigenen Augen gesehen hat. Wilhelm Simonsohn wurde am 09.09.1919 in Hamburg-Altona geboren.
Als er im Alter von 15 Jahren zur Marine-Hitlerjugend kommt, wird er dort als „Judenlümmel“ beschimpft. Nach der Machtergreifung 1933 durch die NSDAP werden jüdische Geschäfte boykottiert. Auch der Kohlehandel der Familie Simonsohn ist betroffen. Da lüften die Eltern ein Geheimnis: Wilhelm Simonsohn erfährt, dass er nicht der leibliche Sohn seiner Eltern Bertha und Leopold ist, sondern adoptiert wurde. Einerseits bricht für Wilhelm eine Welt zusammen. Auf der anderen Seite rettet diese Beichte sein Leben. Denn nach der perfiden Rassetheorie der Nazis, wurde der Adoptivsohn als „der nordischen Rasse“ zugehörig eingestuft.
Während also sein Vater ins Konzentrationslager gebracht wird, wird Wilhelm zu Wehrmacht eingezogen. Wilhelm Simonsohn schildert in diesem Augenzeugenbericht aus zweierlei Perspektiven: Aus dem Blickwinkel des Sohnes eines Juden, der an den Folgen der Rassendiskriminierung der Nazis stribt. Aber auch aus dem Blickwinkel des Soldates, der den Überfall auf Polen und Frankreich mitgemacht hat. Vor allem die Bilder, die sich ihm nach der Zerstörung Warschaus eingebrannt haben, haben seine tiefe Überzeugung, Pazifist zu werden, verstärkt: „Unter den Trümmern lagen geschätzte 20.000 tote Menschen.
Und die armen Menschen, die mit bloßen Händen auf dem Acker Kartoffeln ausgruben, weil sie Hunger hatten. Da habe ich mir geschworen, egal, was kommen mag, du wirst nie Bomben auf menschliche Siedlungen werfen.“ Bis heute setzt Simonsohn sich für eine bessere Welt ein. Auf seiner ersten „Fridays for Future“-Demonstration war der heute 101-Jährige mit 99 Jahren.“Ich habe fünf Urenkelkinder und mache mir große Sorgen um den Bestand der Menschheit.“ (Text: ARD-alpha)Deutsche TV-Premiere So. 07.11.2021 ARD alpha 23. Georg Stefan Troller – Das geheime Drehbuch
Folge 23 (60 Min.)Georg Stefan Troller zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dokumentarfilmern und Fernsehmachern der Nachkriegszeit. In diesem Interviewfilm blickt der 1921 als Sohn einer jüdischen Familie in Wien geborene Jahrhundert-Zeitzeuge auf sein bewegtes Leben zurück. Es heißt, er habe um die 2000 Interviews geführt. Mit außergewöhnlichen Menschen – Ikonen gleich: Mit Edith Piaf, Josephine Baker oder Konrad Adenauer. Mit Pablo Picasso, Marlene Dietrich oder Woody Allen. Die Liste ist lang und liest sich wie ein Who’s who der letzten 70 Jahre. Um die 170 Filme hat er gemacht und viele Bücher geschrieben.
Aber was fand er über sich selbst heraus? Über den Mann, der sich als Kind der 1920er Jahre als waschechten Wiener empfand. Der dann fliehen musste, weil er Jude war. Durch großes Glück konnte Georg Stefan Troller in die USA emigrieren. Am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 kehrte er als US-Soldat nach Europa zurück. Der einst Verfolgte wurde zum Befreier. Trollers Talent, Fragen zu stellen, kommt erstmals in seiner Zeit als Soldat in München zum Vorschein – zunächst beim Verhören von Kriegsgefangenen. Dann aber wird der junge GI als Reporter beim Sender der Alliierten eingesetzt: bei Radio München, dem Vorläufer des Bayerischen Rundfunks.
In seiner darauf folgenden Karriere als Dokumentarfilmer, Autor und Fernsehmacher hat er TV- Geschichte geschrieben. Wie wird man zu dem, der man später ist? In welche Richtung lassen Schicksalsschläge oder Entscheidungen den Kern eines Menschen reifen? Woran zerbricht man? Woran nicht? Journalistenkoryphäe Georg Stefan Troller hat sich von diesen Fragen stets treiben lassen. Fragen, die er an sich selbst und an das Leben hatte. Nur: Er stellte sie lieber anderen: „Man war froh, dass man durch diese Befragung anderer Menschen seine Selbstbefragung objektiviert hatte.
Es gab mir die Chance mich selber in andere Menschen hineinzuversetzen und ihre Lösungen als meine Möglichkeiten zu übernehmen. Nie durfte dergleichen in einer Redaktion mitgeteilt werden. Aber das war das geheime Drehbuch.“ In diesem einstündigen Interviewfilm lässt Georg Stefan Troller einen Blick wie durch ein Schlüsselloch in sein Innerstes zu. Ehrlich, reflektiert und humorvoll zeigt er sich als der, der er in 100 Jahren Leben wurde: ein weltgewandter Weltenwandler. (Text: BR Fernsehen)Deutsche TV-Premiere Di. 07.12.2021 BR 24. Charlotte Knobloch – Eine Kindheit im Versteck
Folge 24 (45 Min.)Charlotte Knobloch.Bild: HonorarfreiAm 29. Oktober 1932 erblickt Charlotte Neuland das Licht der Welt. Sie wird in eine düstere Zeit geboren: Nur drei Monate nach der ihrer Geburt kommt Adolf Hitler an die Macht. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten beginnen Jahre maximaler Menschenverachtung gegenüber andersgläubigen, vermeintlich „andersartigen“ und als lebensunwert gebrandmarkten Menschen. Boykotte gegen jüdische Geschäfte und Berufsverbote für Juden, auch für Charlottes Vater, den etablierten Münchner Rechtsanwalt Siegfried „Fritz“ Neuland, sind nur der Anfang. Im Laufe der Zeit wird das Leben für jüdische Menschen immer bedrohlicher.
Mit den „Nürnberger Gesetzen“ von 1935 werden Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden zunächst angeprangert und dann illegal. Charlottes Mutter, Margarethe Neuland, verlässt die Familie. Sie war einst zum Judentum konvertiert und hält dem Druck der Gestapo nicht stand. Charlottes Großmutter, Albertine Neuland, wird zur wichtigsten Bezugsperson des Mädchens. In der Nacht von 9. auf den 10. November 1938 wird die Sechsjährige Zeugin der Novemberpogrome: Jüdische Geschäfte werden vor ihren Augen zerstört und geplündert, Menschen geschlagen, misshandelt und abgeführt. Als von München aus im Jahre 1941 die ersten Deportationen in die Konzentrationslager beginnen, bringt Siegfried „Fritz“ Neuland seine Tochter zur tiefreligiösen katholischen Bäuerin Kreszentia Hummel in Mittelfranken.
Ihr hat Charlotte Neuland ihr Überleben zu verdanken. In diesem Interviewfilm nimmt Charlotte Knobloch die Zuschauerinnen und Zuschauer mit in ihre persönliche Vergangenheit voller Angst, Diskriminierungserfahrungen und Verluste. Charlotte Knobloch hat diese Erfahrungen wirkungsvoll verwandelt: Als eine der wichtigsten Persönlichkeiten jüdischen Lebens im deutschsprachigen Raum hat sie ihr Leben dem Kampf für Frieden, Gleichberechtigung und Demokratie gewidmet. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 23.01.2022 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Do. 13.01.2022 BR Mediathek 25. Angelica Bäumer
Folge 25Angelica Bäumer ist Journalistin, Autorin und Kunstmanagerin. In diesem Interviewfilm aus der Reihe „Zeuge der Zeit“ berichtet die 1932 geborene Wienerin von der tief prägenden Zeit ihrer Kindheit, in der sie gemeinsam mit ihrer jüdischen Familie durch großes Glück die NS-Verfolgung in einem Versteck überlebt hat. Es beginnt wie im Bilderbuch: Frankfurt am Main in den vibrierenden Goldenen Zwanziger Jahren. Der junge Maler Eduard Bäumer studiert am Städelschen Kunstinstitut. Er verliebt sich in die Wiener Jüdin und Malerei-Studentin Valerie Feix. Sie genießen das Leben, treffen Freunde, interessieren sich für die „Neue Sachlichkeit“, die großen Maler aus Italien und Frankreich.
Eduard und Valerie heiraten und 1932 kommt das erste von drei Wunschkindern zur Welt: Angelica – ein Wildfang mit Lockenkopf. Die Zukunft steht der jungen Familie offen. So scheint es. Doch 1933 kommt Adolf Hitler an die Macht, und mit dem Beginn des NS-Regimes ist nichts mehr wie zuvor. Valerie Bäumer zählt als Jüdin zur verfolgten Gruppe, die Werke von Eduard Bäumer gelten als „entartete Kunst“. Familie Bäumer flüchtet nach Salzburg – hier ist es bis zum Anschluss Österreichs im Jahr 1938 sicherer als in Deutschland. Aber dann beginnen auch hier Bedrohung und Verfolgung der Juden. Seit der Denunziation durch einen Verwandten im Jahr 1943 ist Angelicas Mutter Valerie Bäumer täglich den Schikanen der Gestapo ausgesetzt.
Valerie und die Kinder müssen den gelben „Judenstern“ tragen. In die Pässe wird das große „J“ für „Jude“ eingetragen. Angelicas geliebte Großmutter, Ida Feix, wird ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, und Eduard und Valerie müssen Zwangsarbeit leisten. Es sind Jahre voller Angst und Entbehrungen, Diskriminierung und massiver Ungerechtigkeit. Aber auch Jahre des Glücks im Unglück: So bekommt Familie Bäumer Hilfe von einem katholischen Pfarrer, der die Kinder in Zeiten höchster Bedrohung bei sich versteckt und ihnen so das Leben rettet. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 17.07.2022 ARD alpha 26. Josef Salomonovic – Meine gestohlene Kindheit
Folge 26Der Holocaust-Überlebende Josef Salomonovic, 1938 in Mährisch-Ostrau in der ehemaligen Tschechoslowakei in eine jüdische Familie geboren, wird im Alter von drei Jahren gemeinsam mit seinen Eltern Dora und Erich und seinem größeren Bruder Michael von den Nationalsozialisten zunächst ins Ghetto Litzmannstadt/Lodz verschleppt. Im Ghetto werden Josefs Eltern und sein Bruder zur Zwangsarbeit in den Deutschen Munitionswerken verpflichtet. Der kleine Josef bleibt drei Jahre lang tagtäglich in einer Baracke zurück, leidet unter Hunger, Durst und Einsamkeit, bis seine Familie spät abends erschöpft nach Hause kommt.
Immerzu bangt die Familie ums blanke Überleben und noch mehr um das Überleben des kleinen Josef: „Sie nannten uns Parasiten. Und einer von diesen Parasiten war ich, weil ich als kleines Kind nicht arbeiten konnte. Daher haben sie die Kranken, die Alten und Kinder etappenweise nach Auschwitz gebracht.“ Immer wieder hat Familie Salomonovic Glück im Unglück. Doch dann wird das Ghetto geräumt und es folgt im Juni 1944 die Deportation ins Vernichtungslager Auschwitz und nach kurzer Zeit ins Konzentrationslager Stutthof. Dort wird Vater Erich vor den Augen Michaels ermordet.
Während des Todesmarsches durch Böhmen können Dora Salomonovic, Michael und der schwerkranke Josef fliehen. Auf der Flucht sieht Josef zum ersten Mal in seinem Leben Ziegen, Hühner und eine Kuh. Wegen der jahrelangen Mangelernährung wachsen ihm erst nach der Befreiung im Alter von sieben Jahren Zähne. Josef Salomonovic hat den Holocaust überlebt. In diesem intensiven Interviewfilm berichtet er vom schier Unbegreiflichen; davon, was Menschen anderen Menschen antun können. Mit seinem Zeugnis möchte er dazu beitragen, dass so etwas nie mehr geschieht. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 06.11.2022 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Do. 27.10.2022 ARD Mediathek 27. Elly Gotz – Vom Zufall des Schicksals
Folge 27Elly GotzBild: BR / Fotograf: Michael MaylandtElly Gotz überlebte den Holocaust. In diesem eindrucksvollen Interviewfilm berichtet er nicht nur darüber, wie er mit der Todesangst im Konzentrationslager umging, sondern auch, wie es ihm mit 13 Jahren im Ghetto Kaunas in Litauen gelang, eine geheime Bibliothek einzurichten. Elly Gotz wird 1928 in der litauischen Stadt Kaunas geboren. Als er 13 Jahre alt ist, wird er gemeinsam mit seiner Familie und anderen jüdischen Nachbarn und Verwandten von den Nationalsozialisten in ein Ghetto gepfercht. Seine Eltern müssen Zwangsarbeit leisten, täglich werden Menschen von den deutschen Befehlshabern oder antisemitischen Litauern gefoltert oder umgebracht.
Juden werden als „Untermenschen“ angesehen, die es zu vernichten gilt. Auch ihre Kultur soll nach dem perfiden Plan der Nationalsozialisten verschwinden, und so müssen alle Juden ihre Bücher abgeben. Aber Elly und sein Vater Julius Gotz möchten sich weder das Leben noch ihre Kultur stehlen lassen. Unter Lebensgefahr richten die beiden in einem verlassenen Speicher eine geheime Bibliothek ein. Während seine Eltern bei der Zwangsarbeit sind, versteckt sich Elly hier und liest. Puschkin, Goethe, Schiller.
„Das war meine Bildung im Ghetto“, sagt Elly Gotz, der nach dem Krieg Ingenieur geworden ist und seit 1964 in Kanada lebt. Letztlich ist es auch die Ausbildung zum Schlosser in einer improvisierten Metallschule im Ghetto Kaunas, die Elly immer wieder das Leben rettet. Denn als ausgebildeter Arbeiter hat er später im Konzentrationslager Dachau durch seine Fachkompetenz die Möglichkeit, im Außenlager Kaufering eine bessere Arbeit an einer Zementpumpe zu bekommen. Hierhin reist er im Jahr 2022 – 77 Jahre nach seiner Befreiung – wieder zurück: „Für mich sprechen diese Steine“, sagt er, während er über das Lagergelände läuft.
„Diese Steine erzählen die Geschichte. Ich stehe hier und ich sehe die Gespenster der Leute, die da herumwanderten, hungrig und krank. Die Gespenster fragen mich: Was hast du getan, dass du 77 mehr Jahre verdienst. Ich antworte: Es war ein Zufall des Schicksals, aber ich nütze die Jahre, um zu erzählen, was hier passiert ist.“ Welche Albträume er jahrelang hatte, wie er seinen Hass in Tatendrang umlenkte und welche Gefahren von Demagogen auch heute noch ausgehen, davon erzählt Elly Gotz in diesem intensiven Film. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 22.01.2023 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere So. 15.01.2023 ARD Mediathek 28. Pnina Katsir – Brot und Licht und Wärme
Folge 28Deutsche TV-Premiere So. 05.03.2023 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Mo. 20.02.2023 ARD Mediathek 29. Hana Malka – Wir haben überlebt
Folge 29„Ich habe die schönste Kindheit erlebt, die man sich nur vorstellen kann. Wir fuhren Ski, wir spielten Theater – und: Wir kannten keinen Antisemitismus“, erzählt die 1923 in der Nähe von Prag geborene Hana Malka. Aber mit dem Einmarsch Hitlers 1939 in Böhmen-Mähren ändert sich alles. Hana Malka ist 16 Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht in Böhmen und Mähren einmarschiert. Bis zu diesem Zeitpunkt spielte es in ihrem Leben keine Rolle, dass ihre Mutter Jüdin und ihr Vater Christ ist. „Man lebte einfach zusammen“, sagt die in Israel lebende Körpertherapeutin.
Als ihre Mutter Irma 1942 auf einer Liste zur Deportation ins Ghetto Theresienstadt steht, entscheidet sich Hana, mit ihr in den Zug zu steigen. Hana Malka selbst bleibt zunächst noch verschont, da sie nach der perfiden Rassenideologie der Nazis als „Halbjüdin“ gilt. In Theresienstadt wird sie Zeugin brutalster menschlicher Verbrechen. Menschen sterben an Hunger und Krankheiten, Tausende werden in die Gaskammern von Auschwitz gebracht und dort ermordet.
Auch Hana muss ins Vernichtungslager Auschwitz. Aber sie hat Glück im Unglück und wird als „arbeitsfähig“ eingestuft. In einer Munitionsfabrik des Konzentrationslagers Flossenbürg arbeitet die junge Frau in Tag- und Nachtschichten. Immer wieder sind es der Zusammenhalt ihrer Freundinnen und die Solidarität junger Frauen, die ihr Hoffnung schenken. Ihre Mutter Irma überlebt den Holocaust nicht. Hana wird 1945 befreit: „Wir haben überlebt. Es war Glück. Man kann nichts Anderes sagen. In solchen Sachen hat man nur Glück oder nicht.“ (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 05.03.2023 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Mo. 20.02.2023 ARD Mediathek 30. Eva Madelung: Das Geheimnis meines Vaters Robert Bosch
Folge 30Eva Madelung ist Psychotherapeutin und die jüngste Tochter des Großindustriellen Robert Bosch. Dass ihr Vater während der NS-Zeit Oppositionelle und Verfolgte unterstützt, weiß Eva Madelung als Mädchen nicht. Es geschieht im Geheimen. Eva selbst ist als Mädchen begeisterte Nationalsozialistin und will nur eines: dazugehören. 1931 wird Eva Madelung als Eva Bosch in privilegierte Verhältnisse hineingeboren. Sie ist anders als die anderen, denn ihr Vater Robert Bosch ist einer der bedeutendsten Unternehmer seiner Zeit.
Begonnen hat er im Jahr 1886 in einer Stuttgarter Hinterhofwerkstatt, später wird er mit der Weiterentwicklung der elektrischen Magnetzündung für Automobile weltweit bekannt und erfolgreich. Der Unternehmer gilt als ausgesprochen modern, liberal und menschenfreundlich. Als Hitler 1933 an die Macht kommt, ahnt Bosch als einer der wenigen, welch zerstörerisches Potenzial in den Ideen der Nationalsozialisten schlummert. Er hilft im Geheimen jüdischen Familien beim Aufbau eines neuen Lebens im Exil, und in seinem Unternehmen entwickeln sich Oppositionszellen um Carl Goerdeler und Hans Walz – der „Bosch-Kreis“.
Bosch verachtet das nationalsozialistische Regime. Und doch bleiben Widersprüche, denn das Unternehmen beschäftigt Zwangsarbeiter und profitiert wirtschaftlich sehr stark von der Rüstungsindustrie beider Weltkriege. Kaum ein Militärfahrzeug oder Panzer wäre ohne die Bosch-Zünder gefahren. Ein Spagat zwischen Ablehnung und Anpassung an das System – in einer Epoche der Extreme.
Als Psychotherapeutin beschäftigt sich Eva Madelung ihr Leben lang mit den Widersprüchen, die in Familien schlummern. Auch in ihrer eigenen. Denn sie selbst war als Mädchen von der Richtigkeit des NS-Systems überzeugt: „Mein Vater war ein wütender Nazi-Gegner. Eines Abends habe ich ihn schreien hören: ‚Warum bringt denn den Kerle niemand um!‘ Und ich habe genau gewusst, er meint Hitler. Und ich war ja Jungmädel und ich bin erschrocken. Alle anderen waren begeistert, die haben alle mitgemacht.
Und ich habe da den Vater zu Hause, der darüber schimpft. Als Kind sitzt man dann irgendwie in einer Falle. Ich sage es immer wieder: Der Mensch ist ein Herdentier. Man will dazugehören.“ Anhand von selten gezeigtem privatem Archivmaterial der Familie Bosch erzählt dieser Film eine kaum bekannte und spannende Familiengeschichte. Zeitzeugin Eva Madelung erklärt am Beispiel ihrer eigenen Biografie, wie leicht es geschehen kann, dass man in den Sog von Populismus und menschenverachtenden Systemen gerät. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 12.11.2023 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Mi. 08.11.2023 ARD Mediathek 31. Christian Pfeil: Trotz allem
Folge 31Christian Pfeil ist Sinto. Einst abwertend als „Zigeuner“ gebrandmarkt, werden alle seine Familienmitglieder von den Nationalsozialisten aus ihrer Heimat Trier in verschiedene Konzentrationslager verschleppt und gefoltert. Einige Angehörige werden in Auschwitz umgebracht. Christian Pfeil überlebt. Aber die Ausgrenzungen gehen nach dem Krieg weiter. Die Nachkriegsbehörden legen fest, dass Sinti und Roma nicht aus „rassischen“ Gründen verfolgt und ermordet wurden, sondern wegen „asozialer und krimineller Haltung“. Entschädigungsanträge von Sinti und Roma werden daher meist abgelehnt.
An offiziellen Stellen oder Gesundheitsämtern sitzen darüber hinaus auch nach dem Krieg häufig die gleichen Beamte, die während der NS-Zeit für die Verfolgung der Sinti und Roma mit verantwortlich waren. Nach einem Fernsehauftritt im Jahr 1993 wird Christian Pfeil Opfer eines Neonazi-Anschlags. Er bekommt Morddrohungen und sein Lokal wird zweimal komplett zerstört und mit Nazi-Schmierereien verschandelt. Auch hier wird ihm staatliche Unterstützung durch Polizei und Justiz untersagt. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 19.11.2023 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Mi. 08.11.2023 ARD Mediathek 32. Eva Szepesi – Die Angst weicht nie
Folge 32Die Holocaustüberlebende berichtet von ihrer traumatisierenden Flucht vor den Nazis und ihrem Überleben im Vernichtungslager Auschwitz.Bild: Michael Maylandt / BR / BR/Michael MaylandtEva ist zwölf Jahre alt, als sie vor den Nationalsozialisten aus Budapest fliehen muss. Sie erlebt Dinge, die an Unmenschlichkeit nicht zu übertreffen sind. Sie verliert alles, was ihr lieb ist. Und: Sie überlebt Auschwitz. Nun erzählt sie ihre Geschichte. Wenn Eva Szepesi nach ihrer Kindheit in Budapest gefragt wird, strahlen ihre Augen: Besonders gerne erinnert sie sich an den duftenden Aprikosenbaum im Garten der Großeltern, unter dem sie mit ihren Cousinen und den Nachbarskindern so oft spielte. Auch die feierlichen Sabbatabende mit der Familie rufen bittersüße Erinnerungen hervor: Als Kind besucht Eva zu Weihnachten ihre christlichen Freunde und freut sich mit ihnen, wenn sie ihre Geschenke öffnen, und an Chanukka sind diese Kinder wiederum im Hause Diamant zu Gast – bei Valeria und Károly, den Eltern, bei Eva und dem knapp vier Jahre jüngeren Bruder Tamás.
Das NS-Regime zerstört das Idyll. Eva versteht die Welt nicht mehr, als eine Lehrerin sie eines Tages in der Schule als „stinkendes, dreckiges jüdisches Mädchen“ beschimpft.
Auch ihre nichtjüdischen Freunde beginnen sie zu demütigen. Ihr Vater versucht Eva zu erklären, dass die Kinder von der antisemitischen Propaganda beeinflusst und sich ihrer Worte nicht bewusst seien. Aber der Trost des Vaters kann die nahende Katastrophe nicht aufhalten. Károly Diamant wird 1942 zur Zwangsarbeit verpflichtet und gilt seit 1943 als verschollen. Ein Jahr später spitzt sich auch für seine Frau Valeria und die beiden Kinder die Lage zu: Die etwa 800.000 ungarischen Juden sind bis 1944 von Deportationen verschont geblieben.
Aber unter der Regie des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann werden ab Mai 1944 etwa 424.000 von ihnen binnen 56 Tagen nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Evas Mutter schickt Eva aus Verzweiflung auf die Flucht in die Slowakei und hofft, das Kind auf diese Weise retten zu können. Zunächst wird die Zwölfjährige von einer liebevollen Familie aufgenommen, dann von zwei Schwestern. Aber Ende Oktober 1944 wird sie von der Gestapo gefangen genommen und ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Eva erlebt Monate in Todesangst, geprägt von gnadenloser und sadistischer Gewalt, von Hunger, von Kälte. Am 27. Januar 1945 befreit die Rote Armee Auschwitz-Birkenau. Eva bekommt davon zunächst nichts mit. Das ausgehungerte und kranke Mädchen liegt ohnmächtig zwischen Tausenden von Leichen. Ein russischer Soldat aber sieht, dass sie lebt. „Er hat mich angelächelt, und ich habe versucht zurückzulächeln. Das war wie eine zweite Geburt.“ Eva wird in einem Lazarett versorgt und findet langsam zurück ins Leben, aber sie wartet täglich auf die Rückkehr ihrer Mutter und ihres Bruders: „Ich habe immer gewartet.
Ich habe gedacht, dass wir wieder zusammen sein werden. Denn das hatte meine Mutter mir beim Abschied versprochen. Ich habe mein Leben lang gewartet.“ Schließlich entdeckt Eva Szepesi im Jahr 2016 die Namen ihrer Mutter und ihres Bruders im Buch der Ermordeten in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. An diesem Tag kann sie ihr Warten beenden. 70 Jahre nach Kriegsende. „Erst dann konnte ich trauern“, sagt Eva Szepesi. „Aber die Angst weicht nie.“ (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 21.01.2024 ARD alpha 33. Ursula Dorn – Mein Leben als Wolfskind
Folge 33Ursula Dorn ist neun Jahre alt, als die Rote Armee 1945 in Ostpreußen einmarschiert. Die Großmutter des Mädchens wird vergewaltigt und bestialisch ermordet, die kleinen Geschwister sterben den Hungertod. Ursula gelingt die Flucht in den Wald. „Der Wald war unser Schutz, unsere Heimat“, sagt Ursula Dorn. Sie ist eines von etwa 20.000 „Wolfskindern“, die vor der Hungersnot und den Rache- und Gewaltexzessen sowjetischer Soldaten aus Königsberg in die litauischen oder polnischen Wälder fliehen. Ursula versteckt sich in Litauen, bettelt um Milch und Brot bei Bauern oder verdingt sich als illegale Arbeiterin.
Das Grauen beginnt aber bereits lange vorher: Ursula wird am 19. April 1935 geboren und wächst während der NS-Herrschaft im ostpreußischen Königsberg auf: als Arbeiterkind auf dem Schleppkahn ihrer Großeltern. Gleich zu Kriegsbeginn 1939 muss ihr Vater Fritz Buttgereit an die Front. Dass er 1946 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft stirbt, erfährt sie erst Jahrzehnte später. Auch von all den Verbrechen, die Deutschland unter dem Hakenkreuz begeht, bekommt Ursula nur wenig mit. Ihre Kindheit findet in Bombenkellern statt.
Dort harrt sie während der Luftangriffe der Alliierten gemeinsam mit ihren kleinen Geschwistern Tage und Nächte aus. Ihr Leben ist geprägt von Todesangst und ständigem Hunger. Als die Rote Armee Anfang April 1945 die Stadt einnimmt, wird das Mädchen mit anderen deutschen Kindern und Frauen als „Kriegsbeute“ auf einen Todesmarsch geschickt. Die Frauen werden systematisch und tagtäglich vor den Augen der Kinder vergewaltigt. Hunger quält die Überlebenden. Ursula schlachtet in ihrer Verzweiflung einen Hund, um ihn zu kochen.
Krank und verlaust bettelt sie die russischen Soldaten um Essen an. Als die inzwischen Zehnjährige selbst kurz vor dem Hungertod steht, steigt sie eines Tages in einen sowjetischen Beutezug und fährt ins Nirgendwo. Sie landet schließlich im litauischen Kaunas, wo sie sich als Wolfskind im Wald versteckt. Ursula Dorn hat lange geschwiegen und ihre Geschichte für sich behalten. In diesem Film berichtet sie schonungslos von den Traumata ihrer Kindheit, von ihrer späteren Flucht aus der DDR und von dem grenzenlosen Leid, das Kinder in Kriegen erfahren müssen. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 14.04.2024 ARD alpha 34. Otto Kernberg
Folge 34„War Hitler Narzisst?“ fragt Dr. Manfred Lütz in diesem Interview einen der bekanntesten Psychoanalytiker der Welt: den 1928 in Wien geborenen und vor der Shoah noch rechtzeitig nach Südamerika geflohenen Zeitzeugen Otto Kernberg. Sein Name ist aus Forschung und Praxis nicht wegzudenken, wenn es um die Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen geht – wie etwa dem Narzissmus, antisozialem Verhalten oder der Borderline-Erkrankung. Otto Kernberg blickt auf ein turbulentes Leben zurück. Er ist ein echter Wiener, liebt seine Stadt und kennt sie wie seine Westentasche. Aber als er zehn Jahre alt ist, ändert sich alles für ihn. Österreich wird am 15. März 1938 Teil des Deutschen Reiches unter Adolf Hitler.
Gerade noch rechtzeitig gelingt es Familie Kernberg nach Südamerika zu fliehen. In Santiago de Chile wird Otto Kernberg später ein renommierter Psychiater und Psychoanalytiker. Ende der 1950er-Jahre kommt der nächste große Wandel in Kernbergs Leben: Er emigriert in die USA, wird in New York Professor für Psychiatrie an der Cornell University und Ausbildungsanalytiker an der New Yorker Columbia University. Gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund, dem Psychiater und Theologen Manfred Lütz spricht Otto Kernberg in diesem Interview sehr persönlich über seine Kindheit in Wien, seine Einschätzungen zur politischen Weltlage, über Donald Trump und über die große Frage: „Was ist Glück“? (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 14.04.2024 ARD alpha 35. Marione Ingram
Folge 35Marione Ingram gilt als letzte Zeitzeugin, die den Holocaust und auch den Hamburger Feuersturm von 1943 überlebt hat. Als jüdisches Kind von Nationalsozialisten verfolgt, wandert sie nach Kriegsende in die USA aus. Ihre eigenen unverarbeiteten Traumata im Gepäck, wird sie in New York Zeugin des strukturellen Rassismus in den USA. Marione ist entsetzt über die Ungleichbehandlung der schwarzen Bevölkerung und schließt sich in den 60ger Jahre der US-Bürgerrechtsbewegung an. Sie gründet eine „Freedom School“ in Mississippi und es dauert nicht lange, bis sie von der rassistischen und gewaltbereiten Terrororganisation Ku-Klux-Klan bedroht wird.
Aber Marione Ingrams Entscheidung ist gefallen. Sie setzt sich für Menschen ein, die unterdrückt werden oder gesellschaftlich keine Stimme haben. Aus eigener Erfahrung weiß die 1935 geborene Aktivistin, wie es sich anfühlt, seiner Grundrechte beraubt zu werden: Weil Juden nicht in Schutzräume durften, wurde sie als siebenjähriges Mädchen von Nachbarn während des Bombenhagels in Hamburg nicht in die Luftschutzkeller gelassen.
Auch die Kirche verwehrte dem Mädchen den Schutz. Wie kommt es, dass ausgerechnet eine Herzblut-Pazifistin wie Marione Ingram den Satz: „Krieg hat mich gerettet“, über die Lippen bringt? Welche Erlebnisse kann sie bis heute nicht vergessen und was macht es mit ihr, für dieses Interview noch einmal nach Hamburg gekommen zu sein? Hiervon und von ihrer unglaublichen Überlebensgeschichte berichtet die Wahlamerikanerin in diesem Film. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 10.11.2024 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Fr. 08.11.2024 ARD Mediathek 36. Ivar Buterfas-Frankenthal – Der unbeugsame Mahner
Folge 36Eine Erinnerung verfolgt Ivar Buterfas-Frankenthal seit mehr als 80 Jahren: Schulkameraden in Uniformen der Hitlerjugend zwingen den Siebenjährigen auf ein Eisengitter, zünden Papier an und wollen ihn verbrennen. Ivar entkommt knapp seinen lachenden Peinigern. Aber es haben sich tiefe Wunden eingebrannt. Ivar Buterfas-Frankenthal wird am 16. Januar 1933 als Sohn einer Hamburger Akrobatenfamilie geboren. Die Familie ist mit ihren acht Kindern europaweit auf Bühnen unterwegs. Aber in Ivars Geburtsjahr kommt Adolf Hitler an die Macht, und das Leben ändert sich von einem Moment auf den anderen. Denn Ivars Vater ist Jude.
Bereits kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wird er zum Aufbau des Konzentrationslagers Esterwegen gezwungen und später ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert. Während Ivars Vater im KZ täglicher Folter ausgesetzt ist, wird in Hamburg das Leben für Ivars christlich getaufte Mutter und ihre als „Halbjuden“ gebrandmarkten Kinder immer schwieriger. Daher entscheidet sich die Mutter, die Identität ihrer Kinder zu verheimlichen, und behauptet, bei einem Bombenangriff alle Papiere verloren zu haben. So gelingt es ihr, mit ihren acht Kindern ins von den Deutschen besetzte Polen zu fliehen.
Dort aber wird die jüdische Identität der Kinder entdeckt, und die Familie flieht im Sommer 1943 zurück ins nahezu vollständig ausgebombte Hamburg. Hier überlebt die Familie den noch weitere zwei Jahre andauernden Krieg und Verfolgung in einem Kellerloch. Jahrzehnte später lassen die Erlebnisse während der Verfolgung durch die Nationalsozialisten Ivar Buterfas-Frankenthal zum Mahner werden. „Ich bin durch die Hölle gegangen“, sagt er rückblickend. Seine Berufung findet der erfolgreiche Bauunternehmer schließlich in der Erinnerungsarbeit gegen Unmenschlichkeit und gegen das Vergessen. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 10.11.2024 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Fr. 08.11.2024 ARD Mediathek 37. Dr. Rachel Salamander – Spuren in die Zukunft
Folge 37Dr. Rachel Salamander spricht über ihr Leben in Deutschland als Jüdin in der Nachkriegszeit.Bild: Michael Maylandt / BRDeutsche TV-Premiere So. 24.11.2024 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Mo. 18.11.2024 ARD Mediathek 38. Beate Klarsfeld – Die Nazijägerin
Folge 38 (60 Min.)Die deutsch-französische Journalistin und Nazijägerin Beate Klarsfeld. Bildcollage: links: Beate Klarsfeld wird auf Nazijagd von chilenischen Polizisten abgeführt (links). Rechts: Beate Klarsfeld beim Interview.Bild: Michael Maylandt / BRGemeinsam mit ihrem Mann Serge Klarsfeld, selbst Überlebender der Shoah, Anwalt und Historiker, ging Beate Klarsfeld seit den 1960er Jahren auf die Suche nach NS-Tätern, die nach 1945 unbehelligt Karriere machen konnten. Darunter Kurt Lischka, Herbert Hagen oder Ernst Heinrichsohn. Letzterer war als einstiger SS-Mann direkt an Deportationen französischer Juden beteiligt gewesen, konnte aber zwischen 1960 und 1980 problemlos CSU-Bürgermeister einer bayerischen Gemeinde werden. Auch im Ausland konnten Karrieren fortgesetzt werden. Wie etwa die von Klaus Barbie, der einstige Folterspezialist der SS mit Beinamen „Der Schlächter von Lyon“.
Er und andere lebten als Mitarbeiter vom US-Geheimdienst und auch unterstützt vom deutschen Außennachrichtendienst im Kampf gegen den Kommunismus in Südamerika. Das Nazijäger-Ehepaar Klarsfeld weigerte sich, zur Tagesordnung überzugehen. Sie machte es sich zur Lebensaufgabe, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Ein zentraler Moment in Beate Klarsfelds Kampf gegen das Vergessen war ihre spektakuläre Ohrfeige gegen Bundeskanzler Kiesinger am 7. November 1968. Kiesinger, der während der NS-Zeit als Mitglied der NSDAP und im Auswärtigen Amt tätig gewesen war, stand für sie exemplarisch für die fehlende Aufarbeitung und die Verdrängung der NS-Vergangenheit in der jungen Bundesrepublik.
„Zeugin der Zeit: Beate Klarsfeld – Die Nazijägerin“ ist mehr als ein historisches Porträt. Es ist eine Erinnerung an den Wert des Widerstands gegen Ungerechtigkeit, eine Hommage an den Mut zur Unbequemlichkeit und ein Aufruf, Verantwortung zu übernehmen – auch wenn die Mehrheit schweigt. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 26.01.2025 ARD alpha Deutsche Streaming-Premiere Do. 23.01.2025 ARD Mediathek 39. Gidon Lev
Folge 39Gidon Lev hat den Holocaust überlebt und gehört zu den wenigen Zeitzeugen, die ihre Erfahrungen noch selbst weitergeben können.Bild: Michael Maylandt, Montage: BR / BR, privat / BR/privat/Michael Maylandt/Montage: BRDer Holocaust-Überlebende Gidon Lev wurde mit sechs Jahren ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort verlor er seine gesamte Familie, bis auf die Mutter. Heute wendet er sich auf TikTok an die junge Generation. (Text: ARD alpha)Deutsche TV-Premiere So. 04.05.2025 ARD alpha
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