2020, Folge 342–363
Bauern auf den Barrikaden – Wie Landwirte um faire Preise kämpfen
Folge 342Der Aufstand begann im Herbst: Seit Oktober 2019 gehen in Deutschland Zehntausende Landwirte auf die Straße und protestieren gegen die Agrar- und Umweltpolitik der Bundesregierung. Die Bauern sind den Vorwurf leid, sie würden aus Raffgier die Umwelt verschmutzen. Sie sollen gute Lebensmittel herstellen, doch immer strengere Vorschriften für Tierwohl und Klimaschutz erschweren ihnen das Auskommen. Im März dann eine weitere Krise: Corona. Wie hoch ist der Preis für gute Lebensmittel und eine nachhaltige, fair bezahlte Landwirtschaft? Dieser Frage geht „ZDFzoom“-Reporterin Renate Werner nach.
Schnell wird klar: Die Existenzangst vieler Landwirtinnen und Landwirte ist durchaus verständlich. Seit 2009 mussten rund 100 000 Bauernhöfe aufgeben. Stefan Bormann, ein Jungbauer aus Rheinland-Pfalz, steht kurz vor der Hofübernahme und stellt sich die Frage, ob er mit 100 Milchkühen auch in Zukunft die Familie ernähren kann. Bormanns Betrieb liegt in einem sogenannten roten Gebiet – im Grundwasser ist zu viel Nitrat. Aufgrund der flächendeckenden Nitratbelastung drohen Deutschland EU-Strafzahlungen von 850 000 Euro pro Tag; deshalb soll der Milchbauer künftig 20 Prozent weniger Gülle ausbringen und müsste ein zweites Auffangbecken bauen.
Das könnte den finanziellen Rahmen seines Hofes sprengen. Jahrelang hätte sich die Agrarwirtschaft gegen Umweltauflagen gewehrt, sagt der ehemalige niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer. Jetzt seien die Auswirkungen nicht mehr zu leugnen: Insektensterben, Rückgang der Artenvielfalt und zu viel Nitrat im Grundwasser. Politik sei vor allem für die Großbetriebe gemacht worden: Während sie immer mehr Flächen kaufen oder Ställe bauen konnten, in denen noch mehr Tiere Platz hatten, wurden die kleinen Höfe systematisch abgehängt.
Viele Landwirtinnen und Landwirte sehen nicht nur die Politik, sondern auch ihre Interessenvertretung, den Bauernverband, in der Verantwortung. Aus ihrer Not heraus gründeten sie den Verein „Land schafft Verbindung“, der viele Demonstrationen mit organisiert hat. Reporterin Renate Werner spricht mit Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied über den Unmut vieler seiner Vereinsmitglieder und begleitet Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die bei einem Treffen mit Eifelbauern um Verständnis für das Agrarpaket wirbt.
Die Landwirtschaft soll nachhaltiger und klimafreundlicher werden, doch Elisabeth Fresen aus der Nähe von Bremen ist skeptisch. Die Jungbäuerin hat vor Kurzem den Biobetrieb ihres Vaters übernommen, und obwohl die Rinderhaltung des Hofes schon immer umweltfreundlich ist, bringen ihr die neuen Umweltverordnungen nichts. Wie kann das sein? Durch die Corona-Pandemie sind die Sorgen der Bauern in den Hintergrund gerückt, denn auf einmal hatten sie neue Probleme: Erntehelfer fehlen, die Fleischpreise sinken, Absatzmärkte brechen ein.
Aber die Landwirte protestieren nicht nur. Viele haben begonnen, im Kampf um faire Preise neue Wege zu suchen. Eine Selbstvermarktungsinitiative bringt zum Beispiel in Köln regionale Produkte in die Großstadt mit dem Ziel, dass sich Bauern und Verbraucher kennenlernen. Denn informierte Kundinnen und Kunden sind ebenfalls ein Schlüssel zu einer fairen Bezahlung. Seit der Corona-Pandemie boomen solche Initiativen. Hilft die Krise am Ende sogar den Bauern? (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 01.07.2020 ZDF Die Macht der Corona-Mythen – Gefahr für die Demokratie?
Folge 343Das Coronavirus sei erfunden worden, und Bill Gates plane eine weltweite Impfpflicht. Im Internet und auf der Straße machen derzeit zahlreiche Verschwörungstheorien die Runde. Die Corona-Krise bietet offensichtlich einen Nährboden für zweifelhafte Mythen. Auch Extremisten mischen sich unter die Verschwörungstheoretiker. Politiker warnen: Dies könnte gefährlich werden. Die „ZDFzoom“-Autoren Julia Lösch und Arndt Ginzel begeben sich auf Spurensuche und wollen herausfinden, wie gefährlich Verschwörungsideologien für die Demokratie werden können. Ken Jebsen, Attila Hildmann, Heiko Schrang – sie alle haben durch die Corona-Pandemie für ihre Thesen Aufwind bekommen.
Ihre sozialen Kanäle erreichen teilweise Millionen von Menschen. Doch Verschwörungserzählungen durchdringen seit Corona auch zunehmend die sogenannte bürgerliche Mitte der Gesellschaft. Eine gefährliche Mischung, warnen Politiker wie der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul. Er sieht dadurch eine Gefahr für unsere Demokratie: „Wir haben am Anfang in bestimmten Situationen auch falsch reagiert, weil wir nur gesagt haben: Die sind alle idiotisch oder so. Und wir haben Erwartungen geschürt, als könnte Politik alle Probleme lösen.“ Martin Fehrensen betreibt den „Social Media Watchblog“ und beobachtet die Verschwörer-Szene schon seit Langem: „Man beschwört einen Widerstand – und das ist etwas, womit sich der Handwerker genauso identifizieren kann wie vielleicht ein rechter Patriot, der schon seit zehn Jahren vom Untergang der Demokratie träumt.“ Experten warnen: Das demokratische System könnte in Gefahr sein.
Proteste und Demonstrationen gegen Corona-Beschränkungen seien ein Grundrecht, wenn daraus aber gewaltsame Bewegungen entstünden, müsse dem schnell etwas entgegengesetzt werden. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 08.07.2020 ZDF Tönnies und die Werkverträge – Ausbeutung mitten in Deutschland
Folge 344Nach massenhaften Corona-Infektionen in Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies diskutiert ganz Deutschland über die Arbeits- und Lebensbedingungen von Werkvertragsmitarbeitern. Die deutsche Fleischindustrie ist zum Brennglas für prekäre Arbeitsverhältnisse, gierige Unternehmer und machtlose Gewerkschaften geworden. Ist der deutsche Arbeitsmarkt ein moderner Sklavenmarkt? „ZDFzoom“ beleuchtet die Hintergründe. Die Tönnies Holding ist Deutschlands größter Schlachtbetrieb. Rund 25 000 Schweine werden täglich im Stammwerk in Rheda-Wiedenbrück getötet und verarbeitet.
Die überwiegende Zahl der Produktionsmitarbeiter kommt aus Osteuropa und ist mit Werkverträgen beschäftigt. Sie sind oft bei Subunternehmen angestellt, die ihre Mitarbeiter häufig in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse drängen. Werkverträge sind nicht nur in der Fleischindustrie üblich, sondern auch zum Beispiel im Bausektor, der Logistikbranche, bei Gebäudereinigern oder in der Automobilindustrie – also überall dort, wo Arbeitgeber ihre Beschäftigten nicht fest anstellen wollen, um hohe Lohnkosten zu vermeiden. Das kritisiert Prof. Dr. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung scharf.
Inflationsbereinigt seien die Unternehmensgewinne in den vergangenen 30 Jahren um fast 80 Prozent gestiegen, die Reallöhne dagegen nur um rund 15 Prozent. Das verursache ein gefährliches Schrumpfen der Mittelschicht. Deutschland hat heute den größten Niedriglohnsektor in ganz West-Europa. Ursache dafür ist auch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes unter Gerhard Schröder im Rahmen der Agenda 2010. Heute versucht die SPD unter Arbeitsminister Hubertus Heil gegenzusteuern, doch in den Augen vieler Experten, wie zum Beispiel Prof. Stefan Sell, Direktor des Instituts für Sozialpolitik und Arbeitsmarktforschung der Hochschule Koblenz, greifen Heils Reformvorschläge nicht weit genug.
Dass es auch anders geht, zeigt ein Besuch in Dänemark, ebenfalls einer der ganz großen Schweinefleischproduzenten in Europa. Trotzdem gibt es in der dänischen Fleischindustrie keine vergleichbaren Corona-Ausbrüche wie beim deutschen Marktführer Tönnies. Ein Grund dafür: Werkverträge mit Subunternehmern gebe es nicht, alle Mitarbeiter seien beim Unternehmen fest angestellt und in der Regel gewerkschaftlich organisiert.
„In Dänemark muss kein Mitarbeiter befürchten, wegen Krankschreibung seinen Job zu verlieren“, so Jensen von der dänischen Lebensmittel-Gewerkschaft. Das sei in Deutschland anders. Die Autoren der Dokumentation sprechen mit Werkverträglern, Gewerkschaftsvertretern, Wissenschaftlern, Aktivisten und Politikern. Sie gehen dabei der Frage nach, ob die prekären ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnisse den Sozialstaat aushöhlen und zur Gewinnmaximierung der Unternehmen im großen Stil missbraucht werden. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 15.07.2020 ZDF Karte oder Cash – Schafft Corona das Bargeld ab?
Folge 345Seit der Corona-Krise zahlen immer mehr Menschen mit Karte oder Smartphone, statt mit Münzen oder Scheinen. Kontaktloses Bezahlen boomt. Ein Trend, der das Bargeld langsam abschafft? Aus Sorge, Viren könnten sich über das Geld verbreiten, haben Viele ihr Verhalten in der Corona-Krise geändert. Selbst kleine Beträge am Kiosk oder beim Bäcker werden jetzt mit Karte beglichen. Digitale Bezahlsysteme sind auf dem Vormarsch. Deutschland ist gespalten: Bisher liebten die Deutschen ihre Scheine und Münzen, das Portemonnaie war voll davon.
In keinem Land Europas wird so viel Bargeld mit sich herum getragen. Doch seit der Corona-Krise nutzen immer mehr Bürger das digitale Bezahlen. Lange war unklar, wie hoch die Gefahr einer Ansteckung mit Corona-Viren über das Bargeld wirklich ist. Virologen geben vorsichtig Entwarnung. Dennoch beschleunigt die Pandemie den Trend des bargeldlosen Bezahlens: Laut einer Umfrage des Deutschen Bankenverbands zahlen mittlerweile knapp 60 Prozent der Deutschen mit Karte oder Handy, Tendenz weiter steigend. Bei der Deutschen Bank hat Professorin Marion Labouré dazu eine aktuelle Studie erstellt.
„Südkorea und China haben Banknoten Quarantäne verordnet und sogar Banknoten zerstört. Ein weiteres Beispiel ist die US-Zentralbank. Als Zahlungsmittel geht Bargeld definitiv zurück. Immer weniger Menschen zahlen bar. Im Dezember hat ein Drittel der Deutschen kontaktlos bezahlt, heute zahlt rund die Hälfte kontaktlos.“ Kartenunternehmen profitieren von dieser Entwicklung, sie verdienen an den Gebühren. Datenschützer aber warnen, denn mit jeder Zahlung werden Informationen gesammelt, gespeichert und oft auch weitergegeben.
Sarah Spiekermann, Wirtschaftsinformatikerin an der Universität Wien, warnt vor einem „Überwachungskapitalismus“ mit fatalen Folgen: „Ganz normale, ähnliche Leute zahlen unterschiedliche Preise beispielsweise für Flugtickets, Hotels, werden nicht versichert oder erhalten nie ein bestimmtes Jobangebot.“ Die „ZDFzoom“-Dokumentation zeigt, wie die Corona Krise das Bargeld verdrängt, wie „Karte statt Cash“ immer mehr unseren Alltag bestimmt. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 05.08.2020 ZDF Die Sklaven der Weltmeere – Wie Seeleute schikaniert werden
Folge 346„ZDFzoom“ hat zahlreiche Missstände der Arbeits- und Lebensbedingungen von Seeleuten aufgedeckt. Viele deutsche Reedereien lassen ihre Schiffe in sogenannte Billiglohnländer ausflaggen. Seeleute klagen im Interview mit „ZDFzoom“ unter anderem über Trinkwassermangel und schlechte Verpflegung an Bord mancher Schiffe. Auch Gewerkschafter bestätigen solche Fälle. Das seien unhaltbare Zustände, sagt die Transportarbeitergewerkschaft ITF. Das sogenannte Ausflaggen von Schiffen kann weitreichende Folgen für die Seeleute haben. Das zeigt das Schicksal der Crew eines Schiffes im bulgarischen Schwarzmeerhafen Varna.
„ZDFzoom“ traf Seeleute, die inzwischen fast zwei Jahre auf ihrem Schiff leben, weil eine russische Reederei wegen Zahlungsunfähigkeit den Frachter aufgegeben hat. Seither hoffen die Seemänner, ihre ausstehenden Gehälter noch aus dem Verkauf des Schiffes zu erhalten. Das Schiff fuhr unter der Flagge des Pazifik-Inselstaates Palau. Laut internationalem Recht wäre Palau für die Crew verantwortlich, doch ein Vertreter des Landes sei lediglich einmal vorbeigekommen, um Schiffsdokumente abzuholen.
Seitdem haben die Seemänner nichts mehr aus Palau gehört. Durch den Ausbruch der Corona-Pandemie und den Rückgang des Welthandels habe sich die Lage verschärft: Laut der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen (ILO) wurden allein in den vergangenen drei Monaten sechs Schiffe von ihren Reedereien aufgegeben. Für die Besatzungen bedeutet das in den meisten Fällen, dass sie ohne Bezahlung auf den Schiffen zurückgelassen werden. Trotz wirtschaftlicher Anreize des Bundes flaggen hierzulande Reedereien ihre Flotten weiter aus, statt zur deutschen Flagge zurückzukehren.
2015 verabschiedete die Bundesregierung finanzielle Vergünstigungen für Unternehmen, deren Schiffe unter der deutschen Flagge fahren. Im „ZDFzoom“-Interview zeigt sich der maritime Beauftragte der Bundesregierung, Norbert Brackmann (CDU), resigniert, da der Trend unverändert anhält: „Klar haben wir uns versprochen, die Zahl der Schiffe unter deutscher Flagge zu stabilisieren, nach Möglichkeit sogar wieder nach oben zu treiben, das Gegenteil ist eingetreten.“ (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 12.08.2020 ZDF Alleingelassen in der Krise – Selbstständige in der Corona-Falle
Folge 347Um mit „Wumms“ aus der Corona-Krise zu kommen, hat Berlin für viele Branchen Hilfspakete in Milliardenhöhe bereitgestellt. Eine Gruppe fühlt sich alleingelassen: die Solo-Selbstständigen. Der Grund: Die Hilfspakete der Bundesregierung sorgen für Unsicherheit. Viele der rund 2,2 Millionen Solo-Selbstständigen klagen, dass ihnen die Hilfsgelder verwehrt werden. „ZDFzoom“ fragt: Wird diese Gruppe vom Staat im Stich gelassen? Die „ZDFzoom“-Reporter Norman Laryea und Viktoria Timkanicova begeben sich auf Spurensuche und wollen herausfinden, wie die staatliche Hilfe für Solo-Selbstständige in Zeiten von Corona funktioniert.
Sie treffen Tontechniker Christophe Colbeau. Er hat die beantragten 9000 Euro Soforthilfe des ersten Hilfspakets der Bundesregierung erhalten. Das Problem: Das Geld ist vor allem zur Deckung von Betriebskosten gedacht. Für Lebenshaltungskosten wie Miete, Strom oder Lebensmittel darf es nicht ausgegeben werden. Doch als selbstständiger Tontechniker hat Christophe Colbeau kaum Betriebskosten. Die hat er nur, wenn er auf Veranstaltungen arbeitet.
Keine Veranstaltungen bedeuten keine Arbeit, wenig Betriebskosten und letztendlich auch wenig Soforthilfe. Auch die Überbrückungshilfe des zweiten Hilfspakets hilft dem zweifachen Familienvater kaum. Das Problem bleibt das gleiche. Auf Hilfsgelder des Bundes haben die meisten Solo-Selbstständigen in der Praxis keinen Anspruch. Für Christophe Colbeau bedeutet das: auf Sparflamme leben, die eisernen Reserven aufbrauchen – im schlimmsten Fall sogar seine Selbstständigkeit aufgeben. Einige Länder haben nun reagiert und greifen den Solo-Selbstständigen finanziell unter die Arme.
Andere tun das nicht. Die Konsequenz: ein Flickenteppich. Die Bundesregierung bietet für finanziell in Not geratene Solo-Selbstständige indessen Hartz IV an, die sogenannte Grundsicherung. Mit einem vereinfachten Zugang zur Grundsicherung sollen Betroffene so „schnell und mit möglichst minimalem bürokratischem Aufwand“ finanziell unterstützt werden. Die Realität sieht für viele jedoch anders aus: Betroffene berichten „ZDFzoom“ von komplizierten und langwierigen Anträgen, Bergen von Papier und aufwendigen Prüfungen und oftmals auch negativen Bescheiden.
So auch Klaus Knodt. Normalerweise arbeitet er für ein Meinungsforschungsinstitut. Doch seit Corona sind ihm fast alle Aufträge weggebrochen. Mit dem vereinfachten Hartz-IV-Zugang hatte er gehofft, die Krisenmonate überbrücken zu können. Aber sein Antrag wurde abgelehnt. Begründung: Er habe zu viel „verwertbares Vermögen“. Knodt ist wütend, sagt, dass dieses Geld seine Altersvorsorge sei. Die Ersparnisse fürs Alter auflösen, um dann Hartz IV beantragen zu dürfen – Einzelfälle oder verbreitete Praxis? (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 19.08.2020 ZDF Am Puls Deutschlands – #5JahreWirSchaffenDas – Unterwegs mit Jochen Breyer
Folge 348Fast fünf Jahre ist es her, dass Angela Merkel sagte: „Wir schaffen das.“ ZDF-Moderator Jochen Breyer will mit den Menschen in Deutschland darüber reden, wie ihre Bilanz dazu ausfällt. Am 2. Juli 2020 startete der Aufruf im ZDF und den sozialen Medien, sich an der Diskussion zu beteiligen. Unter dem #5JahreWirSchaffenDas können Zuschauer und User ihre Geschichte posten. Daraus werden die Gesprächspartner für die Dokumentation ausgewählt. Deutschland im September 2015 war gespalten: in diejenigen, die für „Refugees Welcome“ standen, und diejenigen, die jeglichen Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland kritisch sahen.
Die Aussage Angela Merkels stand wie keine zweite als Symbol dafür, vereinnahmt von beiden Lagern der Diskussion. Im Sommer 2020 fühlt ZDF-Moderator Jochen Breyer den Deutschen zu diesem Thema den Puls, will erfragen, wie die Menschen heute zu Integration und der gesellschaftlichen Debatte um die Geflüchteten stehen. Jochen Breyer will den Versuch unternehmen, mit dem zeitlichen Abstand, jetzt hoffentlich etwas sachlicher, auf alles schauen zu können. Im Format „Am Puls Deutschlands“ wird Bilanz gezogen. Dafür will er von den Zuschauern und Usern wissen: Haben wir es denn geschafft? Beziehungsweise: Sind wir auf dem Weg dahin? Oder nicht? Was läuft gut, was läuft noch nicht gut? Und wie hat die Debatte damals uns als Gesellschaft verändert? Wie steht es um die mehr als eine Million Menschen, die nach Deutschland kamen und Asyl beantragten? Wie viele Menschen, die damals kamen, sind überhaupt noch da? Jochen Breyer hofft, mit Kritikern wie Befürwortern ins Gespräch zu kommen und zu erfahren, was die Menschen damals erlebt haben, was sie noch heute bewegt, welche Folgen das Thema langfristig für unser Land hatte.
Jochen Breyer fühlt damit Deutschland zum neunten Mal den Puls. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 26.08.2020 ZDF Deutschland im Datenstau – Der verschlafene Glasfaserausbau
Folge 349Ohne schnelles Internet geht in einer modernen Gesellschaft nichts mehr. Doch Deutschland hinkt beim Breitbandausbau hinterher. In der Corona-Krise wird das vielen schmerzlich bewusst. Seit viele im Homeoffice arbeiten, online Freunde treffen und lernen, herrscht Stau auf den Datenautobahnen. Der Breitbandausbau ist seit 2014 erklärtes politisches Ziel. Doch nur etwa zehn Prozent aller Haushalte sind bisher ans Glasfasernetz angeschlossen. Als ganz Deutschland in den Corona-Lockdown geschickt wurde, offenbarte sich vielerorts das Dilemma des verschlafenen Breitbandausbaus: Ruckelige Bilder und Tonausfälle bei Videokonferenzen, lange Wartezeiten beim Dokumentenaustausch im Homeoffice, Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime senkten die Bildqualität ihrer Filme, um die Übertragung nicht insgesamt zu gefährden.
Doch auch in der Landwirtschaft, im medizinischen Bereich oder bei hoch spezialisierten Industrieunternehmen verursachen schlechte Netzabdeckung und lahme Internetverbindungen Probleme. Dabei ist das Dilemma des schleppenden Breitbandausbaus hausgemacht.
Rund 5,6 Milliarden Euro stehen seit 2015 beim Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau bereit. Doch das Vergabe- und Förderverfahren für Kommunen ist langwierig und kompliziert. Dazu gibt es inzwischen Kapazitätsengpässe bei den wenigen auf Breitbandausbau spezialisierten Tiefbau-Unternehmen. Und die Telekommunikationsunternehmen setzen aus Kostengründen lieber auf die Aufrüstung von bestehenden Kupfer- oder Fernsehkabeln statt auf moderne Glasfaserleitungen bis ins Haus. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 02.09.2020 ZDF Datenkrake Amazon – Die dunkle Seite des Online-Riesen
Folge 350Amazon zählt zu den größten Corona-Krisen-Gewinnern, erreicht immer mehr Kunden. ist auch als riesiger Datenkrake aktiv. Mit dem Ziel, Kunden völlig auszuleuchten. Jeff Bezos, Gründer und Chef von Amazon, hat schon früh den Wert des Rohstoffs Daten erkannt. Und das Datensammelnetzwerk immer engmaschiger geknüpft. Jetzt ist Bezos der reichste Mann der Welt. Geschätztes Vermögen: 150 Milliarden US-Dollar. „ZDFzoom“ beleuchtet die Datenerfassungsvorgänge von Amazon und die Art und Weise, wie Kunden, Mitarbeiter und die Bevölkerung angesprochen werden, damit das Unternehmen praktisch jeden Teil unseres Lebens erreichen kann.
Ehemalige hochrangige Insider beschreiben die riesige Datensammlung durch Amazon, die es dem Unternehmen ermöglicht, das, was es über uns weiß, zu nutzen. Weitere Insider schildern „ZDFzoom“-Autor Matthew Hill, wie das „Forschungsteam für Kundenverhalten“ von Amazon eingerichtet wurde, um Verbraucher in mikroskopischen Details zu durchleuchten und „Daten-Voodoo-Puppen“ für alle zu erstellen, die jemals auf der Website eingekauft haben. Und auch die Sprachassistentin „Alexa“ spielt für den Datenkraken Amazon eine immer größere Rolle, ebenso wie Kooperationen bei neuen technischen Geräten mit beispielsweise der Polizei in Großbritannien. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 09.09.2020 ZDF Feindbild Politiker – Sorge um die Demokratie
Folge 351Hassbotschaften, Beleidigungen und tätliche Angriffe, dem sind längst nicht mehr nur Bundespolitiker ausgesetzt. Zunehmend trifft es auch Kommunalpolitiker und ehrenamtlich Engagierte. „ZDFzoom“ trifft Opfer von Hass und Gewalt, zeigt, was Angriffe und Anfeindungen mit den Menschen machen – und mit unserer Demokratie. Denn es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die politische Verantwortung übernehmen. Hassbotschaften und Morddrohungen, Hakenkreuze auf dem Auto und gelockerte Radmuttern: Längst sind es nicht mehr nur Bundespolitiker, die angefeindet werden.
Die Attacken gegen Lokalpolitiker werden mehr. Thomas Geisel hat das erlebt, er ist Oberbürgermeister von Düsseldorf. Ihn erreichten Mails wie diese: „Ist Ihnen Corona in den Kopf gestiegen, Sie dummes Stück Scheiße?“ Nicht alle Politiker halten diesem Druck stand. Manche geben ihre Ämter auf und wollen sich erst gar nicht wieder zur Wahl stellen. Denn nicht immer bleibt es bei verbalen Hassbotschaften. In Oberbayern wurde in diesem Sommer die Bezirksrätin Stefanie Kirchner, Die Linke, angegriffen. Der Täter, berichtet sie, war mit einem Messer bewaffnet und habe sie bei einem Spaziergang von hinten stranguliert.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben die Ermittlungen aufgenommen. Im „ZDFzoom“-Interview erzählt sie von dem Angriff: „Angst, die fährt jetzt immer mit. ( …) Weil ich habe ja schon den Eindruck gehabt, es ist durch den Ausspruch ‚Ihr scheiß Linke‘, dass es sich auf mich als Mandatsträgerin bezogen hat.“ Die „ZDFzoom“-Autoren Dorthe Ferber und Sebastian Galle haben Kommunalpolitiker unterschiedlicher Parteien getroffen und zeigen, wie stark die Anfeindungen sind. Der Konfliktforscher Andreas Zick von der Universität Bielefeld bemerkt eine steigende Tendenz zur Verrohung, offene Gewalt werde gebilligt: „Wenn Einzelne eine Tat begehen, dann agieren sie nicht gegenüber einer Person, sondern sie agieren gegen einen Politiker, der das System repräsentiert.“ Das Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität soll helfen, Straftaten und Täter aufzudecken.
Dazu wurden in manchen Bundesländern erste Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet. Christoph Hebbecker ist Staatsanwalt in Köln und fordert schärfere Möglichkeiten der Strafverfolgung, vor allem auch mit digitalen Mitteln: „Wir werden dauerhaft nicht erfolgreich sein, wenn wir Twitter-Verläufe ausdrucken, knicken, lochen und in dünne Aktendeckel heften.“ Bereits vor drei Jahren haben die Autoren für „ZDFzoom“ diese Tendenz beobachtet und gezeigt, wie Hass und Hetze sich im Bundestagswahlkampf verbreitet haben.
„ZDFzoom“ geht der Frage nach, wie sich seitdem das politische Klima verändert hat? Die Bilanz der Recherche: „Die Bedrohungslage ist leider nicht besser, sondern schlechter geworden. Entwarnung kann ich nicht signalisieren“, stellt dazu Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund fest. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 16.09.2020 ZDF Dunkle Machenschaften – Wie mit Daten die US-Wahlen beeinflusst werden
Folge 352Der Skandal um die Softwarefirma Cambridge Analytica hat gezeigt, wie mithilfe von Social-Media-Daten Wahlen beeinflusst werden. Auch die US-Wahl 2020 läuft Gefahr, manipuliert zu werden. Der Internet-Experte und Sonderberater für Desinformation im Britischen Unterhaus, Charles Kriel, fand heraus, wie konservative US-Kirchen und politische Organisationen versuchen, Teile der Gesellschaft durch das Verknüpfen digitaler Informationen zu beeinflussen. Charles Kriel entdeckte, dass das mittlerweile insolvente Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica mit einer Softwarefirma zusammenarbeitete, die für US-Kirchen die Wähler ausfindig macht, die am leichtesten zu beeinflussen sind.
In der Regel Menschen in schwierigen Lebenssituationen, die etwa gerade über den Verlust eines Angehörigen trauern, die sich in wirtschaftlich prekärer Lage befinden oder die drogenabhängig sind. Sie werden mithilfe von Datenverknüpfungen herausgefiltert und von religiösen Gemeinschaften angeworben. Das Ziel ist, sie an die Kirche zu binden und sie von ultrakonservativen Ansichten und entsprechenden Wahlentscheidungen zu überzeugen.
Microtargeting heißt die Methode des gezielten politischen Marketings, bei der mithilfe von Datenanalysen Zielgruppen definiert werden, an die dann ausgesuchte Botschaften geschickt werden. Was die Recherchen von Charles Kriel so brisant macht, ist die Entdeckung der Verstrickung einer machtvollen, vielen unbekannten, politischen Organisation namens Council for National Policy (CNP) mit Verbindungen ins Innere des Weißen Hauses. Sie soll hinter den christlichen Microtargeting-Plattformen und der Beeinflussung von Wahlen stecken.
Ihr eigentliches Ziel ist, die amerikanische Verfassung entsprechend konservativer christlicher Werte zu verändern. Charles Kriel und seine Lebenspartnerin und Filmemacherin Katharina Gellein Viken reisten einen Monat durch Amerika. Sie sprachen mit Predigern, Datenrechercheuren und den Erfindern der Microtargeting-Plattformen selbst. Sie trafen unter anderen die Professorin für Journalistik, Anne Nelson, die das Buch „Shadow Network“ über das Council for National Policy veröffentlicht hat, und erhielten von Insidern und Internet-Experten entscheidende Hinweise. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 23.09.2020 ZDF Betrug am Krankenbett – Was läuft schief in der häuslichen Pflege?
Folge 353In der häuslichen Krankenpflege gibt es etliche Betrüger. Viele Firmen setzen unqualifiziertes Personal ein, rechnen aber Fachkräfte ab. Zwei Milliarden Euro Schaden schätzt die Polizei. Zwei Intensivpfleger im ambulanten Dienst packen aus. Sie wollen, dass sich etwas ändert. Anonym berichten sie von Pflegekräften, die 60 Stunden die Woche arbeiten, Beatmungsmaschinen bedienen, obwohl sie dafür nicht ausgebildet seien. Um die guten Pflegedienste von Betrügern zu unterscheiden, beschäftigen die mehr als einhundert Krankenkassen in Deutschland eigene Detektive.
Bei der Kaufmännische Krankenkasse in Hannover arbeitet beispielsweise eine zwölfköpfige Abteilung zur Bekämpfung von Fehlverhalten. Die Leiterin, die Kriminologin Dina Michels bestätigt: „Es ist ein trauriger Klassiker, ungeschultes Personal einzusetzen. Es kommt oft vor, dass Pflegekräfte nicht richtig eingewiesen werden und die deutsche Sprache kaum beherrschen.“ Ein unhaltbarer Zustand, mit möglicherweise schlimmen Folgen, sagt sie: Es sei nicht auszuschließen, dass „es im Einzelfall auch zu Todesfällen kommt“.
„ZDFzoom“ berichtet über die Methoden der kriminellen Pflegedienste, zeigt was schiefläuft und welche Lücken das System hat. In vielen Ländern Europas gibt es für Pflegebedürftige einen festen Ansprechpartner, studierte Fachpfleger, die Intensivpatienten in der häuslichen Pflege entlang der gesamten Versorgungskette begleiten. Professor Dr. Michael Ewers hat sich in einer Studie an der Berliner Charité mit den vermeintlichen Missständen in der häuslichen Pflege beschäftigt. Er kritisiert, dass es in Deutschland solche festen Ansprechpartner nicht gebe.
Alle, die in der häuslichen Krankenpflege tätig seien, müssten sich in einer Behörde registrieren lassen, fordert er, um sicherzustellen, dass sie ausreichend qualifiziert seien und sich auch regelmäßig fortbilden lassen. Aber auch so etwas gebe es nicht in Deutschland, bedauert Professor Ewers. Selten gelingt es den Staatsanwaltschaften gegen betrügerische Pflegeunternehmen vorzugehen. In Berlin konnte jetzt eine Unternehmerin nach langen Ermittlungen festgenommen und verurteilt werden.
Sie hatte unter anderem auch nicht ausgebildetes Personal eingesetzt, berichtet Ina Kinder von der Berliner Staatsanwaltschaft. Häusliche Intensivpflege beispielsweise an Beatmungspatienten koste viel Geld, bis zu 25.000 Euro im Monat, sagt die Staatsanwältin: „Und wenn man dann die Pflegekräfte mit einem Kleingeld abspeist, ist das natürlich ein großer Gewinn.“ In einem Fall hätte die Unternehmerin sogar eine Frau als Pflegerin eingestellt, die taub war. „Ich verstehe nicht“, sagt Staatsanwältin Kinder, „wie man einen solchen Menschen in der Pflege beschäftigen könne.“ (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 07.10.2020 ZDF Wegwerfkälber – Das Schnitzel und seine Schattenseiten
Folge 354Damit Kühe Milch geben, müssen sie jedes Jahr ein Kalb zur Welt bringen. Männlicher Nachwuchs aber ist unwirtschaftlich und wird oft schon nach wenigen Monaten geschlachtet. Deutschlands Landwirtschaft ist auf Hochleistung konditioniert. Rund vier Millionen Tiere produzieren hierzulande mehr als 33 Millionen Tonnen Milch im Jahr. Die Bullen werden aussortiert, das Kalbfleisch teuer verkauft – zum Beispiel als Wiener Schnitzel. Die Geburt männlicher Kälber ist für viele Landwirte „störend“: Ein Milchbauer hat kaum Interesse an der Aufzucht eines Bullen.
Mast und Aufzucht sind teuer und nicht effizient. Entsprechend niedrig sind die Preise: Gerade mal 50 Euro bringt ein Bullenkalb. Schon ein einziger Tierarztbesuch kostet mehr. Auch die Zeit bis zum Weiterverkauf kostet die Bauern 120 bis 200 Euro. Die kleinen Stiere sind ein Verlustgeschäft. Es sei denn, sie werden früh geschlachtet und ihr Fleisch zu Schnitzeln verarbeitet. Die „ZDFzoom“-Autorin Katarina Schickling zeigt: Deutschlands Kälbern geht es oft nicht gut. Milch ist billig. Doch für die Aufzucht von Kälbern ist sie zu teuer. Deshalb werden die Tiere den größten Teil ihres Lebens mit einem Gemisch aus Milcheiweiß und Palmöl aufgezogen, dem sogenannten Milchaustauscher.
Sie leben in winzigen Einzelabteilen des Stalls und werden aus Eimern gefüttert, mit Gummi-Zitzen. Dieser „Milchersatz“ ist auch der Grund dafür, warum Kalbfleisch weiß und hell ist. Deutsche Kunden halten das für eine Delikatesse. Allerdings: Die Kälber erhalten auch noch in einem Alter, in dem sie normalerweise von der Milch entwöhnt und – auf einer Weide – einfach grasen würden, weiter viel Milchaustauscher und kaum Futter aus Gras, Heu oder Stroh.
Der Grund: Es enthält viel Eisen und würde das Fleisch der Kälber rot färben. Rotes Kalbfleisch aber verkauft sich schlechter und zu niedrigeren Preisen. Experten halten diese Milch-Mast für nicht artgerecht. Prof. Thomas Wittek von der Uniklinik Wien hat bei seinen Untersuchungen auf Schlachthöfen festgestellt, dass viele Tiere unter Eisenmangel litten: „Diesen Eisenmangel muss ich in der Fütterung auslösen, um weißes Fleisch zu erzeugen. Wenn der Verbraucher ein dunkles Kalbfleisch akzeptiert, wären wir das Problem mehr oder minder los.“ Dabei gibt es Konzepte für einen besseren Umgang mit Kälbern, die den Bedürfnissen der Tiere näher kommen: die muttergebundene Kälberaufzucht.
Die Kälber würden wenigstens in den ersten Wochen bei ihren Mutterkühen bleiben und wären dadurch nachweislich deutlich weniger krankheitsanfällig. In Deutschland ist das noch eine winzige Nische – nur 15 Prozent der Milchkühe behalten ihre Kälber bei sich. Kerstin Barth vom Thünen-Institut in Westerau will mit ihrer Forschung einen Beitrag dazu leisten und zeigen, dass Weidehaltung auch in der Kälbermast eine Lösung sein könnte: „Wir nehmen die männlichen Kälber, wir mästen sie nicht wie üblich intensiv mit Milch oder Milchaustauscher und Kraftfutter, sondern wir stellen sie auf die Weide.
Sie müssen sich von den Flächen hier ernähren, und das bedeutet natürlich weniger Zunahmen. Heißt aber auch, dass sie artgerechter ernährt werden. Aber wo wir ökonomisch enden, wissen wir noch nicht.“ „ZDFzoom“ wirft einem ernüchternden Blick hinter die Kulissen der deutschen Milchwirtschaft und zeigt das Leben der „Wegwerfkälber“ und warum ihr Fleisch im Supermarkt und Restaurant so teuer verkauft wird. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 14.10.2020 ZDF Wohlfahrtsverbände ohne Kontrolle? – Warum es immer wieder zu Skandalen kommt
Folge 355Immer wieder kommt es bei Wohlfahrtsverbänden zu Finanzskandalen. Einer der größten wurde 2019 bei der AWO in Frankfurt und Wiesbaden bekannt. Der Vorwurf: Veruntreuung von Geldern. Mit überhöhten sechsstelligen Gehältern, protzigen Dienstwagen und Vergünstigungen sollen sich Führungskräfte örtlicher Verbände der Arbeiterwohlfahrt jahrelang selbst bedient haben. Ein Zwischenbericht beschreibt einen Schaden in Millionenhöhe. Der Skandal bei der AWO in Südhessen ist kein Einzelfall. Auch bei der Arbeiterwohlfahrt in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen gab es 2019/2020 Vorwürfe wegen Veruntreuung von Geldern.
In der Geschichte anderer Verbände der Wohlfahrtspflege gab es ähnliche Fälle. Immer wieder geht es um Gehälter und Dienstwagen. Was läuft schief bei den gemeinnützigen Wohlfahrtsverbänden, die eine der wichtigsten Säulen des sozialen Sektors sind? Die Recherchen führen die Autorinnen Valerie Henschel und Laura Rosinus zu Politikern, Verbandsmitgliedern, Wissenschaftlern und Juristen. Sie bestätigen, dass es im Wohlfahrtssystem an vielen Stellen an Transparenz und wirksamen Kontrollstrukturen mangelt. Obwohl sich die Branche immer weiter ökonomisiert und jedes Jahr Milliarden umsetzt, führen veraltete Gesetze und traditionelle Privilegien dazu, dass bei vielen örtlichen Wohlfahrtsverbänden kaum Transparenz bei Finanzen und Verwaltung herrscht.
Im Unterschied zu den Skandalen bei anderen Großvereinen wie dem ADAC, geht es bei den Wohlfahrtsverbänden überwiegend um öffentliche Gelder. Denn die großen Verbände wie AWO, Caritas, Diakonie, DRK, der Paritätische und Zentralwohlfahrtsstelle der Juden finanzieren sich hauptsächlich über Steuern, Gelder der Kranken- und Pflegekassen und Spenden. Durch die Vorkommnisse wie bei der Frankfurter AWO wird auch innerhalb der Wohlfahrtspflege der Ruf nach mehr Offenheit laut.
Immer mehr Verbände merken, dass ihnen undurchsichtiges Finanzgebaren auf Dauer schadet. Ihr an sich positives Image bekommt Risse, und sie verlieren an Vertrauen. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern wurden mittlerweile auf Landesebene neue Standards bei der Transparenz eingeführt. Mithilfe von öffentlich zugänglichen Datenbanken sollen die Einnahmen und vor allem die Ausgaben der Wohlfahrtsverbände nachvollziehbarer sein. Auch Caritas und Diakonie haben mittlerweile eine Transparenzoffensive gestartet und veröffentlichen freiwillig Geschäftsberichte mit Gewinnen und Verlusten. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 21.10.2020 ZDF Donald Trumps Kampf um die Macht – Amerikas Demokratie in Gefahr
Folge 356Nach allen Umfragen stehen Donald Trumps Aussichten auf eine zweite Amtszeit auf der Kippe. Für viele Beobachter steht bereits fest, dass er die Präsidentschaftswahl aus eigener Kraft nur noch schwer gewinnen kann. Doch Trump und seine Gefolgsleute lassen kaum etwas unversucht, den Wahlausgang in ihrem Sinne zu „managen“. Sie kämpfen mit harten Bandagen. Ihr Ziel: dafür zu sorgen, dass möglichst viele potenzielle Wähler der Demokraten ihre Stimme nicht abgeben oder nicht abgeben können. Dazu gehört die oft dramatische Reduzierung der Wahllokale in vornehmlich „schwarzen“ Vierteln, Hunderttausende Wähler werden aus fadenscheinigen Gründen aus den Wahllisten gestrichen und die Briefwahl extrem restriktiv gehandhabt.
Mit Desinformations-Kampagnen sollen die „Black and Brown communities“ verunsichert werden, zur Wahl zu gehen. Johannes Hano deckt für „ZDFzoom“ die Methoden auf, mit denen der Wahlausgang beeinflusst werden soll und mit denen der demokratische Prozess in dem Land, das sich als „Leuchtturm der Demokratie“ sieht, ausgehebelt wird. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 28.10.2020 ZDF Der europäische Patient – Wie ein Virus unseren Kontinent verändert
Folge 357Die Corona-Pandemie ist zu einem Stresstest für Europa geworden. Politiker müssen neue Ziele definieren, damit die Bürger nicht das Vertrauen in die europäische Gemeinschaft verlieren. Es geht um nichts weniger als um das Schicksal Europas. Die Corona-Pandemie hat die EU in ihre bisher tiefste Krise gestürzt, und nun stehen die 27 Mitgliedsstaaten vor der entscheidenden Frage: Rückt Europa zusammen oder beginnt ein Erosionsprozess? Die ZDF-Korrespondenten in Brüssel, Anne Gellinek und Stefan Leifert, reisen durch Europa und sprechen mit denjenigen, die die Idee eines vereinten Europa seit Jahrzehnten am Leben halten: mit den Bauern, den Unternehmern, den Lehrern, den Flüchtlingshelfern, den Lkw-Fahrern, den Bürgermeistern und den Ärzten.
Ausgerechnet jetzt, wo Europa am Scheideweg ist, hat Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft übernommen. Deutschland ist das größte, das einflussreichste Land der EU. Für Angela Merkel ist es die zweite Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft nach 2007, und wieder ist die deutsche Kanzlerin als Krisenmanagerin gefordert. Denn die EU ist zerstritten wie lange nicht mehr, und die Corona-Krise stürzt die Staatengemeinschaft in eine schwere Rezession. Die geplante Ausgestaltung eines beispiellosen Krisenprogramms von bis zu 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der Wirtschaft ist nur eine von vielen Herausforderungen, die bevorstehen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 11.11.2020 ZDF Riskanter Kampf um den Corona-Impfstoff
Folge 358Das neue Coronavirus hält die Welt weiter in Atem. Nur ein wirksamer Impfstoff würde in absehbarer Zeit die Krise aufhalten, der Kampf um das rettende Serum ist zum Politikum geworden. Corona treibt die Impfstoff-Forschung voran wie nie zuvor, mehr als 200 Projekte gibt es weltweit. Wie viele davon die Zulassung schaffen, ist noch völlig ungewiss. Klar ist: Es wird noch Jahre dauern, bis es genug Dosen für die komplette Weltbevölkerung gibt. Die erste Zulassung eines Corona-Impfstoffes des deutschen Herstellers BioNTech könnte noch vor Ende des Jahres 2020 erfolgen.
Doch bevor alle Menschen weltweit geimpft werden können, werden noch Jahre vergehen, und das Ringen um die Priorisierung hat erst begonnen. Wer wird zuerst geimpft? Diese Frage beschäftigt in Deutschland bereits jetzt Regierung und zuständige Behörden. Doch auch international ist bereits ein Wettstreit unter den Staaten ausgebrochen, wer Zugriff auf die ersten Chargen bekommt. Vor allem wohlhabendere Länder sichern sich Millionen Dosen für die eigene Bevölkerung, allen voran die USA und Großbritannien.
Laut einer Analyse der Hilfsorganisation Oxfam sollen sich einige wohlhabende Staaten zusammen schon die Hälfte der potenziell verfügbaren Impfstoffdosen führender Kandidaten gesichert haben. Diese Staaten repräsentieren gerade mal 13 Prozent der Weltbevölkerung. Ärmere Länder befürchten, leer auszugehen. Denn ihnen fehlen die Mittel, um sich Dosen für ihre Bevölkerung zu sichern. Dabei wäre es gerade in armen Ländern wichtig, rasch zu impfen.
Denn dort ist der Kampf gegen die Pandemie viel schwieriger als in wohlhabenden Industrienationen. Es fehlt an Hygieneartikeln und sauberem Wasser, Abstandhalten ist oft ein Ding der Unmöglichkeit. Das Virus kann sich rasant verbreiten. Deshalb warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO vor nationalen Alleingängen: „Wir sind erst sicher, wenn wir alle sicher sind“, so WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Um einen weltweit fairen Zugang zu Corona-Impfstoffen zu ermöglichen, hat sich unter dem Schirm der WHO die Plattform COVAX gegründet.
Die Idee: Die Impfstoffe werden von allen Mitgliedsstaaten gemeinsam gekauft und dann über einen festgelegten Schlüssel verteilt. Doch einige Staaten stehen dem skeptisch gegenüber, Russland und die USA etwa sind nicht dabei. Auch die EU will bei der Verteilung der Impfstoffe über COVAX nicht mitmachen, unterstützt die Initiative aber mit 400 Millionen Euro. Für das Sichern von Dosen im Alleingang hingegen hat sie bereits 2,7 Milliarden Euro bereitgestellt.
Es gibt weitere Hemmnisse für den fairen und erschwinglichen Zugang zu den rettenden Impfungen. Weder Hersteller noch Staaten veröffentlichen die jeweils vereinbarten Preise. Hohe Investitionen sind nötig, um die Corona-Impfstoffe rasch zu entwickeln, deshalb hat die Bundesregierung den aussichtsreichen deutschen Projekten großzügige Unterstützung zukommen lassen. Dennoch befürchtet zum Beispiel „Ärzte ohne Grenzen“, dass die jetzt entwickelten Impfstoffe für ärmere Länder viel zu teuer sind.
Denn das Patentrecht schützt die Hersteller bis zu 20 Jahre lang vor günstigen Nachahmungen ihrer Entwicklungen. Schließlich sollen sich die hohen Investitionen für die Herstellerfirmen amortisieren. Doch zumindest Kritiker des Patentrechtsystems warnen, dass die derzeitigen Regelungen den Kampf gegen die Corona-Pandemie erschweren können. Indien und Südafrika haben bei der Welthandelsorganisation (WTO) einen Antrag gestellt, geistige Eigentumsrechte im Rahmen der COVID-19-Pandemie auszusetzen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 18.11.2020 ZDF Störfall Corona – Wie die Pandemie die Globalisierung verändert
Folge 359Gekappte Lieferketten, lahmgelegte Branchen: Als die Corona-Krise Deutschland erreicht, trifft sie die globalisierte Wirtschaft hart. Die Risiken der globalen Vernetzung werden deutlich. Lieferausfälle aus China und Europa bringen die Produktion in deutschen Fabriken zeitweise zum Stillstand. Und wegen des Corona-bedingten Lockdowns in Europa verlieren Näherinnen in Bangladesch ihr Einkommen. „ZDFzoom“ zeigt globale Abhängigkeiten und wie damit in Zeiten der Pandemie umgegangen wird. Acht Monate nach dem ersten Lockdown befinden sich Deutschland und die Welt weiterhin im Krisenmodus.
„ZDFzoom“-Reporter Hannes Vogel spricht mit Entscheidern, Expertinnen und Betroffenen in Europa und Asien, um Antworten zu erhalten auf die Frage, wie das Virus als bisher größter Störfall die globalisierte Wirtschaft beeinträchtigt. Und er fragt: Ist die Corona-Krise der Anfang vom Ende der Globalisierung? Als Anfang des Jahres in Asien die Produktion vieler Güter heruntergefahren wurde, zeigte sich das prompt in den Lieferketten.
Der endlose Strom von Rohstoffen, Bauteilen und anderen Erzeugnissen, der den Welthandel antreibt, ebbte ab. Angela Titzrath, Chefin des Hamburger Hafenbetreibers HHLA, berichtet von bis zu 40-prozentigen Einbußen in der Schiffsfracht: „Ich glaube, die Corona-Krise ist sicherlich das schwerwiegendste Ereignis nach dem Zweiten Weltkrieg.“ Ist es also an der Zeit, die Produktion nach Europa zurückzuholen, um die Versorgung der Bevölkerung auch in Krisenzeiten sicherzustellen? Die Recherchen von „ZDFzoom“ zeigen, dass tatsächlich ein Umdenken in diese Richtung stattfindet.
Unternehmen diversifizieren ihre Lieferketten und/oder beschleunigen die Digitalisierung. Der deutsch-französische Pharmariese Sanofi will angesichts der Krise die Produktion in Europa verstärken: „Wir müssen schnellstens diese totale Abhängigkeit von der Produktion in Asien bei viel zu vielen Wirkstoffen beenden“, sagt Konzern-Manager Jacques Brom. Die Herstellung von Schutzkleidung im Inland wird mit staatlichen Geldern gefördert, um Liefersicherheit in sensiblen Bereichen zu gewährleisten.
Doch was in Einzelfällen sinnvoll und notwendig ist, ergibt für die Mehrzahl der deutschen Unternehmen wenig Sinn, denn es würde die Produktion drastisch verteuern. Denn die Globalisierung ist zwar in vielerlei Hinsicht Ursache für Ausbeutung und soziale Ungerechtigkeit, doch ohne sie sähe es noch schlimmer aus. „Weniger Globalisierung bedeutet für uns alle weniger Wohlstand“, sagt Handelsexpertin Lisandra Flach vom Münchner ifo Institut.
Gerade für Schwellenländer wie Bangladesch hat der „Störfall Corona“ verheerende Auswirkungen – vor allem in der Textilbranche. Europäische Konzerne profitieren dort von Niedriglöhnen, um ihre Waren dann zu Dumpingpreisen auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt zu verkaufen. Fallen massenweise Aufträge weg, ohne dass es einen Ausgleich gibt, drohen Armut und sogar Hunger. „Es werden viel mehr Menschen an Hunger sterben als an der Pandemie“, befürchtet Globalisierungsexperte Ian Goldin von der Universität Oxford.
Aber könnte die Corona-Krise auch Positives bewirken? Eine gerechtere Arbeitsteilung, bewussteren Konsum, weniger Luftverschmutzung, mehr soziale Verantwortung? Auch auf diese Frage sucht Reporter Hannes Vogel nach Antworten. Die Bestandsaufnahme der Globalisierung in turbulenten Zeiten zeigt die Verwundbarkeit unserer vernetzten und komplexen Welt, und sie zeigt, dass es trotz allem kein Zurück in die Zeit vor der Globalisierung gibt. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 25.11.2020 ZDF Gestohlene Identität – Auf der Spur der Online-Betrüger
Folge 360Bestellbetrug ist deutschlandweit zu einem Massenphänomen geworden. 2019 registrierten die Landeskriminalämter 57 000 Fälle. Doch im Schnitt kann die Polizei nur jede dritte Tat aufklären. Das Schema ist immer gleich: Kriminelle bestellen in Onlineshops mit einer gestohlenen Identität oder gehackten Bezahldaten und fangen die Lieferung ab. Wie konnte Bestellbetrug zu einem Massendelikt werden, und warum ist es so schwer, Tätern auf die Spur zu kommen? „ZDFzoom“ zeigt, was Bestellbetrug bedeutet: Eine Kundin bekommt über Monate immer wieder Inkassoschreiben von Onlinehändlern – über Bestellungen, die sie nie getätigt hat.
Mehr als 6000 Euro an Forderungen soll sie bezahlen. Ihr drohen gerichtliche Mahnverfahren und Einträge bei der SCHUFA. Der Täter konnte nur mit ihrem Namen und Geburtsdatum bestellen. „ZDFzoom“ geht der Frage nach, ob Onlinehändler ihre Ware zu leichtfertig verschicken. Wie ist es möglich, dass Bestellbetrüger – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen im Onlinehandel – in großem Stil Ware stehlen? „ZDFzoom“-Reporterin Maja Helmer lässt sich selbst als Paket-Agentin anwerben.
Eins der Pakete, das sie nach Polen weiterleiten soll, versieht sie mit einem GPS-Tracker. Die Spur führt sie bis an die ukrainische Grenze. Es gelingt „ZDFzoom“, den Kopf einer internationalen Bestellbetrüger-Bande vor die Kamera zu bekommen: einen 36-Jährigen, der aktuell in der JVA Dresden einsitzt. Er erzählt, wie leicht die Bestell- und Bezahlsysteme im deutschen Onlinehandel auszutricksen sind. „ZDFzoom“ fragt bei Händlern und Bezahldienstleistern nach Sicherheitslücken, denn viele Betrüger nutzen gehackte PayPal-Konten.
Warum wird Neukunden Rechnungskauf angeboten, der den Betrug erst möglich macht, und wie wird die Identität des Bestellers überprüft? Mit dem wachsenden Onlinegeschäft wächst auch der Anteil der Bestellbetrugsdelikte, und das kostet die Strafverfolgungsbehörden immer mehr Ressourcen. Fazit: Mehr Sicherheit im Onlinehandel würde den Strafverfolgungsbehörden viel Arbeit ersparen. Die „Vereinigung Berliner Staatsanwälte“ sieht hier den Gesetzgeber in der Pflicht, Mindeststandards an Sicherheit im Onlinehandel vorzuschreiben, damit der Justiz Ressourcen für wichtigere Felder der Rechtspflege bleiben. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 02.12.2020 ZDF Corona und kein Personal – Droht dem Gesundheitssystem der Kollaps?
Folge 361In Deutschland fehlt es an medizinischem Personal. Die Corona-Krise zeigt, dass eines der teuersten Gesundheitssysteme lange nicht das beste ist. Womöglich droht jetzt sogar der Kollaps. Seit März 2020 wütet das Coronavirus. Im Herbst schwappt die zweite Welle über das Land. Die Intensivstationen füllen sich. Schutzmaterial, Beatmungsgeräte, das meiste ist da. Doch neben jedem Intensivbett müssen auch Menschen stehen. Und das ist kaum zu leisten. „ZDFzoom“ geht der Frage nach, warum es in Deutschland so wenig medizinisches Personal gibt.
So wie im St.-Marien-Krankenhaus in Bonn. Hier haben sie seit März alles gegeben und haufenweise Überstunden gemacht. Doch von der versprochenen Prämie hat Intensivpflegerin Lilli P. bisher nichts gesehen. Sicher hätte sie „zu mehr Geld nicht nein gesagt“, denn der ständige Personalmangel trifft Pflegekräfte hart, ob in den Krankenhausstationen oder den Heimen: „Man kann nicht 30 Patienten zu zweit betreuen, ich weiß nicht, wie das möglich sein soll“, sagt sie. Was passiert, wenn die Lage außer Kontrolle gerät, haben sie im Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam erlebt.
Dort kam es im Frühjahr zu einem großen Ausbruch. 47 Patient*innen starben. Tatsächlich fehlen in der Pflege deutschlandweit 40 000 Stellen. Die Konsequenz aus einem jahrelangen Sparkurs, verbunden mit mangelnder Wertschätzung. So geht es auch den Gesundheitsämtern. In den 70er- und 80er-Jahren war die Politik restriktiv und hat viele Aufgaben an die niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen weitergegeben. Auch dadurch entstandene Personalmängel bewirken nun, dass die Krise sich kaum bewältigen lässt.
Vielerorts unterstützen bereits Bundeswehrsoldat*innen die Gesundheitsämter bei der Umsetzung von Hygieneverordnungen und der Kontaktverfolgung. Mobile Teams fahren zu alten Menschen, die es nicht mehr allein in Testcenter schaffen. Aufgaben wie Schuluntersuchungen und Suchtprävention dagegen bleiben liegen und schaffen neue Probleme in der Zukunft. Wer die Krankheit überstanden hat, braucht häufig eine Reha-Maßnahme, so wie Gerd G.: „Mir ging es sehr schlecht. Ich hatte einen Herzinfarkt und zwei Lungenembolien durch COVID.“ Nun wird er im Rehazentrum Bad Sulza in Thüringen behandelt.
Auch hier wird der ganze Klinikalltag auf den Kopf gestellt. Um die Abstandsregeln zu beachten, müssen die Therapiegruppen verkleinert werden. Das alles bindet Personal, das auch hier kaum vorhanden ist. Immer mehr Expert*innen fordern jetzt ein Umdenken – vom Profitdenken hin zu einem Gesundheitssystem, das zum einen die Patient*innen im Blick hat, zum anderen aber auch die Menschen, die in diesem System arbeiten, fair bezahlt und wertschätzt. Sparen auf dem Rücken des medizinischen Personals darf kein Modell mehr für die Zukunft sein. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 09.12.2020 ZDF Die Bahn im Deutschland-Takt – Teures Versprechen oder reale Zukunft?
Folge 362Die Bundesregierung hat das Jahrzehnt der Schiene ausgerufen. So viele Milliarden wie noch nie fließen in die Deutsche Bahn AG. Damit soll auch die nationale Klimabilanz verbessert werden. „Starke Schiene“ nennt die DB ihr Konzept, mit dem sie mehr Verkehr auf die Schiene bringen will. Bis 2030 will sie doppelt so viele Fahrgäste transportieren. In einem „Deutschland-Takt“ sollen Großstädte im 30-Minuten-Rhythmus miteinander verbunden werden. Das heißt: viel mehr Züge, viel mehr Passagiere in Zügen und Bahnhöfen – und das bei einer veralteten Infrastruktur.
„ZDFzoom“ geht der Frage nach: Wie soll das funktionieren? In Zeiten des Klimawandels ist die Bahn ein unverzichtbarer Baustein für die Verkehrswende. Soll sie gelingen, muss die Bahn wettbewerbsfähig, modern und verlässlich werden. Dabei wurde seit der Bahnreform vor über 25 Jahren nur wenig für die Erneuerung getan. Die Bahn wollte unter diversen Bahnchefs ein börsennotierter, globaler Logistik-Player werden. Das Ergebnis sind mehr als 25 Milliarden Euro Schulden, ein unübersichtliches Firmengeflecht und eine Eisenbahn in Deutschland, bei der 2019 nur noch 75,9 Prozent der Fernzüge pünktlich waren.
Das sind etwa zehn Prozent weniger als kurz nach der Bahnreform. Auch im Corona-Monat April 2020 lag die Pünktlichkeit nur bei 88,6 Prozent. Experten meinen, mehr sei auf dem maroden deutschen Schienennetz nicht zu erreichen. Schon vor Corona litten Bahnkunden und Bahnpersonal unter Verspätungen und dem Zustand vieler Züge und Bahnhöfe. Der Bundesrechnungshof kritisiert: Die Bahn ist auf Verschleiß gefahren.
Denn was richtig kaputt ist und neu gebaut werden muss, wird vom Bund bezahlt, während Pflege und Wartung aus eigenen Mitteln getragen werden müssen. Auch so ist der miserable Zustand zu erklären. Aber wie soll die DB nun schnell zukunftsfähig werden, gar unsere Klimabilanz retten? Mit sehr viel Steuergeld: Anfang 2020 wurde in einer Vereinbarung zwischen Bahn und Bund die Bereitstellung von 86 Milliarden Euro beschlossen. Geld, das aber nur dafür reichen wird, die Bahn wieder in einen vernünftigen, funktionierenden Zustand zu versetzen.
Aber wie sollen darüber hinaus die großen Ziele Verdoppelung der Fahrgastzahlen und viel mehr Verbindungen erreicht werden? Dafür braucht es laut Bahn neue Hochgeschwindigkeitsstrecken. Aber deren Bau dauert in Deutschland mindestens 20 Jahre. Experten rechnen mit Kosten von zusätzlichen 70 bis 100 Milliarden Euro, deren Finanzierung bislang noch unklar ist. Womit die Frage, wie das alles funktionieren soll, beantwortet ist: wenn überhaupt, dann mit viel Verspätung und mit noch viel mehr Geld aus dem Bundeshaushalt.
Erst mal soll es mindestens 5,5 Milliarden Euro Corona-Hilfen vom Bund für die Bahn geben. Grund sei eine Finanzierungslücke für die weltweite Geschäftstätigkeit der DB. Während der Bundesrechnungshof gegen diese Hilfen protestiert, geht der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), davon aus, die Mittel würden „nur in Deutschland bleiben und auch nur für die Corona-bedingten Ausfälle im deutschen Eisenbahnwesen“ genutzt. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 09.12.2020 ZDF Am Puls Deutschlands – Der Querdenker-Effekt – Kann uns Corona spalten? Unterwegs mit Jochen Breyer
Folge 363Trotz zweiter Corona-Welle und steigender Todeszahlen: Der Protest der selbst ernannten „Querdenker“ ist nicht verstummt. Was treibt sie an? Wie gefährlich ist das für unsere Gesellschaft? ZDF-Reporter Jochen Breyer ist wieder „Am Puls Deutschlands“, sucht das Gespräch mit denen, die gegen die Hygienemaßnahmen protestieren: Warum glauben sie YouTube-Videos mehr als einer seriösen Studie? Und wie denkt die Mehrheit der Deutschen darüber? Barbara M. aus der Nähe von Tübingen ist eine derjenigen, die im „Corona-Jahr“ das Vertrauen in die Politik verloren haben.
Die Mutter von drei Kindern wählte immer rot oder grün – und ist jetzt plötzlich „Querdenkerin“. Ihr Hauptkritikpunkt: „Spätestens beim Lockdown, als alles absolut runtergefahren wurde, habe ich mir ausgemalt: Was passiert hinter den Türen, was macht das mit den Menschen? Ich kann nicht vor allem Angst haben und mich verstecken. Das ist meine Lebenshaltung.“ Auch Rainer K. ist mit den Maßnahmen der Politik unzufrieden. Die „Querdenker“-Proteste heute vergleicht der Leipziger mit den Montagsdemonstrationen von 1989: „Wir wurden jahrelang in der DDR falsch informiert.
Wir haben ja gespürt, was in der Zeitung stand, wie es in der Wirtschaft aussah. Da ist man als DDR-Bürger sehr sensibilisiert für Dinge, die einfach nicht realistisch dargestellt werden.“ Fehlendes Vertrauen in Politik und Medien – für Jörg Sommer vom Berliner Institut für Partizipation eint das viele der „Querdenker“. Ihre Demonstrationen seien unübersehbare Symptome eines Problems, das schon länger bestehe: „Wir sind in einer Situation, in der die ‚Ehe‘ zwischen den politischen Akteuren und kleinen, aber durchaus signifikanten Teilen der Bevölkerung eine zerrüttete Situation darstellt.“ Für ihn geht es darum, mit einer „gewissen Demut“ auf die Protestierenden zuzugehen – ohne die „Querdenker“-Bewegung, die inzwischen vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet wird, zu verharmlosen.
Miriam S. fällt das schwer. Die Krankenschwester hat erlebt, wie an der „Corona-Frage“ sogar Freundschaften zerbrechen: „Ich wurde von einer Freundin mit irgendwelchen Verschwörungs-Videos zugeballert. Und wenn man selbst an der Front steht und hört sich dann sowas an, denkt man automatisch: Da prallen zwei Welten aufeinander.“ Was sie am meisten ärgert: „Wenn Menschen sagen, dass sie sich die Freiheit nicht nehmen lassen.
Wo ist bitteschön das Problem? Die Maske schadet doch niemandem.“ Zum vierten Mal in diesem Jahr fühlt Jochen Breyer der Nation den Puls. Wie alle Dokus der Reihe „Am Puls Deutschlands“ haben Breyer und sein Team auch über die Social-Media-Kanäle des ZDF zum Dialog aufgerufen: Unter dem Hashtag #wieunscoronaspaltet wollten sie mehr erfahren über das, was Corona und Corona-Proteste mit unserem Land, mit unserer Gesellschaft machen. (Text: ZDF)Deutsche TV-Premiere Mi. 16.12.2020 ZDF
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