2017/2018, Folge 1–16

  • Folge 1
    Der Fall Doğan Akhanlı und Erdoğans Einfluss in Europa
    Einen Tag war der Kölner Schriftsteller Doğan Akhanlı in Haft. Die spanischen Behörden hatten ihn, den deutschen Staatsbürger und türkischen Regimekritiker, in seinem Urlaub auf Betreiben der Türkei festgenommen. Nun ist er wieder auf freiem Fuß, darf Spanien aber vorläufig nicht verlassen. Der Fall Doğan Akhanlı hat die Debatte über die Politik der Türkei verschärft und um eine Dimension erweitert: Wie weit reicht Erdoğans Einfluss? Hat die Türkei Interpol missbraucht? Westart hat Doğan Akhanlı in Madrid getroffen und in Köln mit Günter Wallraff gesprochen. Der Enthüllungsjournalist ist seit Jahren mit Akhanlı befreundet und fordert von der Bundesregierung, die Hintergründe offenzulegen.
    „Die Angstmacher“. Innenansicht der Neuen Rechten
    Seit ihrer Gründung im Februar 2013 hat die AfD bewegte Zeiten erlebt. In 13 Landesparlamente ist sie schon eingezogen. Jetzt steht sie kurz vor dem Sprung in den Bundestag. Wer aber sind ihre Akteure? Was wollen sie? Und woher haben sie ihre Ideen? Der Soziologe Thomas Wagner liefert in seinem neuen Buch „Die Angstmacher“ eine hochbrisante Innenansicht. Er hat die Vordenker der AfD getroffen und mit ihnen über ihre Positionen, Werte und Ziele gesprochen. Mit überraschendem Ergebnis: Seit der Studentenbewegung 1968 hat die Neue Rechte viel von der Linken gelernt. Die alten Fronten gibt es nicht mehr. Die Angstmacher von heute bekämpfen die bürgerliche, tolerante und weltoffene Mitte.
    „Die humane Kamera“. Heinrich Böll im Museum Ludwig
    Heinrich Böll hatte ein besonderes Verhältnis zur Fotografie. Obwohl kamerascheu, wurde er als weltberühmter Schriftsteller unzählige Male porträtiert. Er schrieb aber auch über die Fotografie und fragte in seinem Text „Die humane Kamera“ nach der Moral der Fotografen. Für seinen Bonn-Roman „Frauen vor Flußlandschaft“ nutzte er Fotos, um Orte beschreiben zu können. Und immer wieder taucht die Fotografie als Motiv und Metapher in seinem Werk auf, denn „ein gutes Auge ge¬hört zum Handwerk¬szeug des Schrift¬steller¬s“.
    Zu Bölls 100. Geburtstag widmet das Museum Ludwig in Köln dem Literaturnobelpreisträger und seiner Beziehung zur Fotografie eine große Ausstellung. Zu sehen ist sie vom 1. September 2017 bis zum 7. Januar 2017. Bei Westart zu Gast ist der Fotograf Philipp Böll. Siham El-Maimouni spricht mit ihm über seinen Großonkel und über sein eigenes aktuelles Projekt „Orte rechter Gewalt“. In der Fotoreportage beschäftigt er sich mit Orten, an denen seit der Wende Menschen durch rechtsradikale Gewalt getötet wurden.
    „Als Paul übers Meer kam“. Bewegende Doku zur Migrationsdebatte
    Es war eine dieser Begegnungen, die das Leben verändern. 2014 lernte der Berliner Filmemacher Jakob Preuss an der marokkanischen Küste den Kameruner Paul Nkanami kennen. Jakob war auf Recherchereise für eine Doku über das europäische Grenzregime. Paul hatte seine Heimat verlassen, weil er für sich dort keine Perspektive sah. In einem Camp wartete er auf seine Chance, über das Mittelmeer nach Spanien zu kommen. Nach einer traumatischen Überfahrt in einem Schlauchboot, bei der viele seiner Mitreisenden starben, erreichte er das europäische Festland. Jakob sah die Bilder seiner Rettung in den Nachrichten. Er beschloss, Pauls weiteren Weg zu begleiten – von einer spanischen Flüchtlingsunterkunft über Paris bis nach Berlin. Die Doku „Als Paul übers Meer kam“ erzählt nicht nur die bewegende Geschichte einer Flucht, sondern auch einer außergewöhnlichen Freundschaft. Am Ende steht die Frage: Sollte es ein Recht auf Migration geben? Am 31. August startet der Film in den Kinos.
    Virtual wird real. Die Kölner Gamescom und Videodays
    Im August ist Köln das Mekka der Gamer und Youtube-Fans. Hunderttausende Besucher reisen zur Gamescom an den Rhein, um digital zu daddeln und sich über neue Trends zu informieren. Und Youtuber zum Anfassen gibt es bei den Videodays. Die Veranstalter haben ein Festival mit 500 Social-Media-Stars angekündigt, darunter so prominente wie Lukas Rieger und Mike Singer. Westart-Moderatorin Anja Backhaus hat sich auf der Gamescom umgeschaut, mit Gamern und Spieleentwicklern gesprochen und sich unter die Teenies bei den Videodays gemischt.
    Verriss oder Hymne? Denis Schecks Literaturkritik
    Literaturkritiker Denis Scheck nimmt sich dieses Mal zwei sehr unterschiedliche Bücher vor: Ann Cottens „Jikiketsugaki“, das aus ihrer Begeisterung für die japanische Kultur entstand, und Alexandra Reinwarths „Am Arsch vorbei geht auch ein Weg“. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 28.08.2017WDR
  • Folge 2
    Westart über Claus Leggewies Thesen zu einem starken Europa, die faszinierenden Fotos verlorener Orte von Sven Fennema, die Doku „Tangerine Dream. Revolution of Sound“ über die Pioniere der elektronischen Musik sowie die „Welt der Monster“, eine große Miró-Ausstellung im Max Ernst Museum in Brühl. Außerdem begleiten wir den kurdisch-irakischen Schriftsteller Bachtyar Ali durch Köln, dessen Buch „Die Stadt der weißen Musiker“ gerade erschienen ist.
    Zu Gast ist die Autorin Deborah Feldman, die aus einer ultraorthodoxen jüdischen Gemeinde in New York stammt und jetzt in Berlin lebt.
    Der Zauber vergessener Orte. Sven Fennemas Bildband „Neuland“: Er ist ein Meister der Lost-Places-Fotografie. Sven Fennema reist durch Europa auf der Suche nach Orten, die die Natur zurückerobert hat: überwucherte Kirchenruinen, verfallene Industriestätten, verlassene Dörfer und von Moos begrünte Wohnzimmer. Fasziniert von der Vielfalt des Verfalls, durchstöbert er Archive, forscht auf Satellitenaufnahmen und erkundet unwegsames Gelände. Aus seinen Aufnahmen ist ein Bildband entstanden, der die verstörende Schönheit verlassener Orte heraufbeschwört. „Ganz egal, welches Stadium des Verfalls ich antraf“, so Sven Fennema, „im Mittelpunkt stand eine unvergleichliche Ruhe und friedvolle Stimmung.“ Westart hat ihn bei seiner Erkundung eines stillgelegten Klärwerks bei Krefeld begleitet.
    Kontinent der Zukunft. Claus Leggewies Plädoyer für ein starkes Europa: „America first!“ dröhnt es über den Atlantik. „Europa zuerst!“ ist Claus Leggewies Antwort. Der Politologe plädiert für ein größeres Selbstbewusstsein der Europäer. Mit seinem neuen Buch will er aufrütteln und Mut machen – gegen rechtspopulistische, terroristische und nationalistische Bedrohungen, gegen Brexit, Euro-Krise und Abschottungsversuche. „Europa und die EU – das ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt er mit Blick auf das große länderübergreifende Engagement für Freiheit und Demokratie. „Das müssen wir stärken!“ Und den Bürgern klarmachen, dass Europa trotz aller Unkenrufe ein Kontinent der Zukunft ist.
    Science Fiction fürs Ohr. Film-Doku über die Band Tangerine Dream: Sie waren Pioniere der elektronischen Musik und auf der Suche nach dem ultimativen Sound – die Musiker von „Tangerine Dream“ um den legendären Bandleader Edgar Froese. 1967 gegründet und inspiriert vom „Space Age“ und der Erkundung des Alls, stieß „Tangerine Dream“ in neue Klangwelten vor und revolutionierte den Pop. Science Fiction für die Ohren und Bewusstseinserweiterung durch den Klang, das war Froeses Anspruch. Damit hat er Musikgeschichte geschrieben. Für ihre Doku „Tangerine Dream. Revolution of Sound“ hat Margarete Kreuzer lange Gespräche mit dem 2015 verstorbenen Visionär geführt. Ihr Film zeigt bisher unveröffentlichte Aufnahmen und Interviews mit Bandmitgliedern, Freunden und Weggefährten. Am 7. September kommt die WDR-Koproduktion ins Kino.
    Die Welt der Monster. Miró im Max Ernst Museum in Brühl: Es sind fantastische Figuren, die seit Anfang September das Max Ernst Museum in Brühl bevölkern. Geschaffen hat sie der 1893 in Barcelona geborene Künstler Joan Miró. Für seine „traumhafte Welt lebender Monster“ hat er Alltagsgegenstände kombiniert und sie in Bronze gegossen. Einige hat er anschließend knallbunt bemalt. Sie wirken wie freundliche Aliens, die es ins rheinische Brühl verschlagen hat. Noch bis zum 28. Januar 2018 zeigt das Museum die Ausstellung „Miró – Welt der Monster“. Zu sehen ist neben den Plastiken auch eine Auswahl an Gemälden und Arbeiten auf Papier. Wer sich selbst im Kombinieren und Konstruieren versuchen will, kann das digital mit einer eigens entwickelten App. Und am Schluss ein Selfie mit seinem 3D-Monster machen. Westart-Reporterin Anja Backhaus hat es ausprobiert.
    Der Erzählmagier. Mit dem kurdisch-irakischen Schriftsteller Bachtyar Ali durch Köln: Der Schriftsteller Bachtyar Ali ist ein Meister des magischen Erzählens. In seiner Heimat, dem autonomen irakischen Kurdistan, wird er als Kultautor verehrt. 1983 geriet er in Konflikt mit dem Regime des Diktators Saddam Hussein, brach sein Studium ab und widmete sich der Literatur. Mitte der 90er-Jahre kam er mit einem Fluchthelfer nach Deutschland. Mittlerweile lebt er in Köln. Lange blieb er hierzulande unbekannt, bis ihn die Übersetzung seines Romans „Der letzte Granatapfel“ im vergangenen Jahr in die Bestsellerlisten katapultierte. Jetzt ist sein zweites Buch erschienen, „Die Stadt der weißen Musiker“. Die fantastische Erzählung führt uns tief in die jüngste Geschichte Kurdistans.
    Von Brooklyn nach Berlin. Deborah Feldman über ihr neues Leben in Deutschland: Deborah Feldman stammt aus einer ultraorthodoxen jüdischen Familie in New York, die nach strengen Vorschriften lebt und keine Abweichungen duldet. Als sie die Enge nicht mehr ertrug, wagte sie die Flucht. Seit 2014 lebt sie mit ihrem Sohn in Berlin. Ihre Kindheit, ihre Jugend und den Weg in die Freiheit schilderte sie in ihrem ersten Buch „Unorthodox“. Nun ist die Fortsetzung „Überbitten“ erschienen, eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit Schuld, Vergebung und Versöhnung. Bei Westart erzählt Deborah Feldman, die Enkelin von Holocaustüberlebenden, wie sie in Berlin eine neue Heimat fand. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 04.09.2017WDR
  • Folge 3
    Runter vom Sofa! Wie wir die Demokratie neu beleben können:
    Stell dir vor, es ist Bundestagswahl und keiner geht hin! So schlimm wird es am 24. September nicht kommen. Doch von angespannter Erwartung ist unter den Bürgern auch nichts zu spüren. Der Wahlkampf dümpelt seit Wochen dahin. Auch das TV-Duell zwischen Merkel und Schulz hat nichts daran geändert. Woran liegt das? Und wie kann man die Bürger wieder für die Demokratie begeistern? Westart hat mit zwei Experten gesprochen. Marcel Solar arbeitet in Wuppertal in der Stabsstelle für Bürgerbeteiligung. Er will die Menschen dazu ermutigen, sich mehr in politische Entscheidungen einzubringen. Und der Radiomoderator und Philosoph Jürgen Wiebicke hat ein Buch gegen die politische Ratlosigkeit geschrieben. Denn Demokratie, so sagt er, ist keine Regierungs-, sondern eine Lebensform.
    Eine Stadt voller Musik. Beethovenfest Bonn:
    Jedes Jahr im September wird Bonn zum Mekka für Musiker und Musikliebhaber. Am 8. 9. beginnt das Beethovenfest – diesmal unter dem Motto „Ferne Geliebte“, das Raum gibt für große Gefühle. Westart ist am ersten Wochenende dabei. Wir besuchen die Eröffnungsmatinee mit dem Beethoven Orchester unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Dirk Kaftan, schauen uns beim Open-Air-Festival auf dem Marktplatz um und spüren den Emotionen nach, wenn unter dem Konzerttitel „Glückliche Liebe, tödliche Liebe“ Ingo Metzmacher das Gustav Mahler Jugendorchester im WCCB dirigiert. Zu Gast im Studio ist Intendantin Nike Wagner, die seit 2014 das Beethovenfest leitet. Bonnopoly.
    Bonns größter Bauskandal auf der Bühne:
    Es ist eine unglaubliche Geschichte: Ein als koreanischer Geschäftsmann getarnter Hochstapler kommt nach Bonn, verspricht, mit eigenem Geld das verwaiste Bundeshaus zu einem Weltkonferenzzentrum auszubauen – und stürzt die Stadt in ein Desaster. Nach der Insolvenz des Investors blieb die ehemalige Hauptstadt auf einem Schuldenberg in dreistelliger Millionenhöhe sitzen, eine Last, die auch bei Sozial- und Kulturausgaben zum Sparen zwingt. Das Theater Bonn hat aus der wahren Geschichte des WCCB einen grotesken Politkrimi gemacht, in dem es um die Frage geht: Wem gehört die Stadt, in der wir leben? Westart ist bei der Uraufführung von „Bonnopoly. Das WCCB, die Stadt und ihr Ausverkauf“ am 9. September dabei.
    Digitale Drecksarbeit. Moritz Riesewieck über die Müllabfuhr im Internet:
    Täglich werden im Netz Millionen Fotos gepostet, darunter viele mit verstörendem Inhalt voller Gewalt und Pornografie. Wir, die Nutzer von Facebook und Co., sollen sie nicht zu Gesicht bekommen. Das würde dem Image schaden und den Wert der „sozialen Medien“ als Werbeplattform verringern. Deshalb arbeitet eine ganze Armee von Billiglohnarbeitern daran, sie zu löschen. Viele von ihnen leben in der philippinischen Hauptstadt Manila. Der Theaterregisseur und Dokumentarfilmer Moritz Riesewieck hat sie gemeinsam mit seiner Künstlergruppe „Laokoon“ besucht. Aus den Recherchen sind ein Theaterstück und das Buch „Digitale Drecksarbeit“ entstanden.
    Kubas Kunst seit 1989. Ausstellung im Ludwig Forum Aachen:
    Karibische Lebensfreude, mitreißende Rhythmen und pittoresker Verfall: Kuba ist zu einem neuen Sehnsuchtsort geworfen. Wie sich die realen Herausforderungen und Krisen der vergangenen drei Jahrzehnte in der kubanischen Kunst widerspiegeln, das zeigt eine große Ausstellung im Ludwig Forum Aachen. Zur Sammlung des Ehepaares Ludwig gehören zahlreiche kubanische Kunstwerke, die um 1989 entstanden sind, zu einer Zeit, als auch der Inselstaat unter Fidel Castro die Folgen der Perestroika und des Mauerfalls zu spüren bekam. Sie treffen in der Schau auf aktuelle Werke kubanischer Künstler. Die Begegnung macht Entwicklungen deutlich und wirft Fragen nach dem Verhältnis von Kultur und Politik, Kunst und Markt, Globalisierung und Macht auf. „Kunst x Kuba“, die bisher größte Schau zeitgenössischer kubanischer Kunst in Deutschland, ist bis zum 18. Februar 2018 zu sehen.
    Erinnerungen an einen Avantgardisten: die Elektro-Pop-Legende Holger Czukay:
    Er revolutionierte die Rockmusik und war ein Pionier von New Wave und Elektro-Pop: der Bassist Holger Czukay. 1968 gründete er gemeinsam mit dem Keyboarder Irmin Schmidt die Kölner Band „Can“. Beide hatten bei Karlheinz Stockhausen Komposition studiert und arbeiteten auch im Studio für elektronische Musik des WDR. Sie kombinierten Klassik, Free Jazz und Rock-Rhythmen mit Elektro-Effekten und wurden zu Vorbildern für Musikgrößen wie David Bowie, Brian Eno, die Eurythmics und Radiohead. Nachdem Holger Czukay 1977 die Band verlassen hatte, machte er als Solist Karriere. Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren in Weilerswist bei Köln gestorben. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 11.09.2017WDR
  • Folge 4
    Von Paris nach Mülheim. Gila Lustiger wird Stadtschreiberin für das Ruhrgebiet
    Sie wurde in Frankfurt geboren, hat in Israel studiert und ging 1987 der Liebe wegen nach Paris. Jetzt kommt die Schriftstellerin auf Einladung der Brost-Stiftung und in Kooperation mit der lit.RUHR für ein Jahr als Stadtschreiberin nach Mülheim an der Ruhr. Berühmt geworden ist sie mit ihrem autobiografischen Roman „So sind wir“, in dem sie vom Schicksal ihrer jüdischen Familie im Nachkriegsdeutschland erzählt. Für ihren 2015 erschienenen Krimi „Die Schuld der anderen“ hat sie zwei Jahre lang in den französischen Vorstädten recherchiert. Die jüngsten Terroranschläge in Frankreich sind Thema ihres preisgekrönten Essays „Erschütterung“. Westart hat Gila Lustiger in Paris besucht und mit ihr über ihre neue Herausforderung als „Ruhrschreiberin“ gesprochen.
    Einblicke in die Inklusion. Die Doku „Schule, Schule“ von Hella Wenders
    Anita, David, Jakob und Samira – als Kinder haben sie gemeinsam die inklusive Grundschule Berg Fidel in Münster besucht. Damals hat die Filmemacherin Hella Wenders die Modellschule porträtiert. Nun sind die vier im Teenageralter und gehen auf verschiedene Schulen. Die Regisseurin wollte wissen, was aus ihnen geworden ist, seit sich ihre Wege nach der vierten Klasse getrennt haben. Ein Jahr lang hat sie die Jugendlichen begleitet. Ihre Doku „Schule, Schule“ zeigt die Träume und Hoffnungen, Sorgen und Nöte der vier. Und sie fragt danach, unter welchen Bedingungen das gemeinsame Lernen von Menschen mit und ohne Behinderung tatsächlich funktionieren kann. Der Film kommt am 21. September in die Kinos.
    Hommage an einen Exzentriker. Nick Cave als Comic-Held
    Er ist ein Zauberer des Zeichenstifts und fantastischer Geschichtenerzähler: der Graphic-Novel-Autor Reinhard Kleist. Wie man ein ganzes Musikerleben in einen Comic fasst, hat er schon vor zehn Jahren mit seinem Buch über Johnny Cash gezeigt. Jetzt erscheint seine gezeichnete Biografie von Nick Cave – pünktlich zum 60. Geburtstag des australischen Musikers. Furios entwirft er ein Panorama aus Leidenschaft und Todesnähe, begleitet die Karriere des exzentrischen Künstlers, der längst zur Legende geworden ist. Zusätzlich zur Schwarz-weiß-Biografie gibt es ein farbiges Artbook, in dem sich Reinhard Kleist mit getuschten Skizzen und illustrierten Songs dem Popstar nähert.
    Magie der Sprache und der Bilder. Alexander Kluge im Museum Folkwang
    Er ist ein unerbittlicher Beobachter und Chronist der jüngeren deutschen Geschichte: der Filmemacher, Publizist und Intellektuelle Alexander Kluge. Als einer der einflussreichsten Vertreter des „Neuen deutschen Films“ hat er immer wieder gesellschaftspolitische Diskussionen angestoßen. Seit 1987 produziert er für ein Fensterprogramm im Privatfernsehen Kulturmagazine, die subversiv das TV-Allerlei aufmischen. Anlässlich seines 85. Geburtstages widmet ihm das Museum Folkwang in Essen eine große multimediale Ausstellung. Begleitet wird sie von einer Veranstaltungsreihe unter anderem mit Georg Baselitz, Hannelore Hoger und Helge Schneider. „Pluriversum“ ist bis zum 7. Januar 2018 zu sehen. Westart hat Alexander Kluge zur Ausstellungseröffnung in Essen getroffen.
    Die Mutmacherin. Hilal Sezgins Plädoyer für eine lebenswerte Zukunft
    Klimawandel und Flüchtlingsnot, Terror, Krieg, Atomgefahr: Die Lage ist düster, doch von Weltuntergangsstimmung will Hilal Sezgin nichts wissen. Ganz im Gegenteil. „Nichtstun ist keine Lösung“ heißt ihre Devise. Mit ihrem gleichnamigen neuen Buch schreibt sie an gegen die Resignation und macht den Lesern Mut zur eigenen Courage. Wie viel wir trotz aller Widrigkeiten bewegen können, hat sie selbst unter Beweis gestellt. 2007 zog die Philosophin, Autorin und Journalistin aus der Stadt aufs Land. Heute lebt sie in der Lüneburger Heide auf einem Gnadenhof mit Schafen, Ziegen, Gänsen, Hühnern, Hasen und Katzen. Sie engagiert sich für bedrohte Menschen und Tiere und plädiert für eine neue Form des Zusammenlebens. „Niemand kann sicher sein, ob wir das mit dem Weltfrieden jemals hinkriegen“, sagt sie, „aber wir sollten es zumindest versuchen“.
    Roadtrip in die Vergangenheit. „Leanders letzte Reise“
    Eduard Leander ist 92 Jahre alt und will es noch einmal wissen. Nach dem Tod seiner Frau macht er sich auf in die Ukraine, wo er als Wehrmachtssoldat gegen die Rote Armee kämpfte und seine große Liebe Swetlana zurückließ. Als Enkelin Adele daran scheitert, ihn von seinem Plan abzubringen, begleitet sie ihn. Der gemeinsame Trip in die Vergangenheit wird zu einer Erkundung, wie alles mit allem zusammenhängt – im Mikrokosmos einer Familie ebenso wie im Makrokosmos eines krisengeschüttelten Landes. Der Film „Leanders letzte Reise“ mit Jürgen Prochnow („Das Boot“, „Kundschafter des Friedens“) in der Hauptrolle startet am 21. September. Verriss oder Hymne?
    Denis Schecks Buchkritik
    Literaturkritiker Denis Scheck diesmal über Christine Wunnickes „Katie“, eine übersinnliche Geschichte zwischen Wissenschaft und Spiritismus, und Stephan Porombkas „Es ist Liebe“, ein Buch über Liebeskommunikation in Zeiten von Tinder & Co. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 18.09.2017WDR
  • Folge 5
    „Das Leben Danach“. TV-Film über die Folgen der Loveparade-Katastrophe
    Sieben Jahre ist es her, dass im völlig überfüllten Zugang zum Loveparade-Gelände 21 Menschen getötet und über 500 verletzt wurden. Jetzt kommt ein Spielfilm ins Fernsehen, der das Leid der Überlebenden und Hinterbliebenen thematisiert. Ein Wagnis, denn das Unglück hat tiefe unsichtbare Wunden hinterlassen. Die Drehbuch-Autoren haben viele der realen Opfer besucht und lange Gespräche mit ihnen geführt. Daraus entwickelten sie eine berührende und verstörende fiktive Geschichte: Im Mittelpunkt steht die 25-jährige Antonia Schneider (Jella Haase). Sie war gerade 18 und wollte einfach nur feiern, als sie in die Loveparade-Katastrophe geriet.
    Noch immer ist sie traumatisiert und weiß nicht, wohin mit ihrer Trauer, ihrer Wut und ihrer Angst. Auch ihr Vater Thomas (Martin Brambach) und ihre Stiefmutter Kati (Christina Große) sind überfordert. Da lernt sie den Taxifahrer Sascha (Carlo Ljubek) kennen. Er hat das Gleiche erlebt wie sie. Behauptet er. Am 27. September ist die von der Kritik hochgelobte und ausgezeichnete WDR-Produktion „Das Leben Danach“ um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen. Westart hat mit Schauspieler Carlo Ljubek und Regisseurin Nicole Weegmann gesprochen.
    „The Potential of Noise“. Hommage an Musikproduzent Conny Plank im Kino
    Kennen Sie Wolperath, ein Dorf im Bergischen rund 35 Kilometer südöstlich von Köln? Hier haben die Eurythmics, Gianna Nannini und Annette Humpe Monate ihres Lebens verbracht. David Bowie wäre auch gerne gekommen, aber das wollte Conny Plank nicht. Denn der legendäre Toningenieur und Musikproduzent suchte sich genau aus, mit wem er arbeitete und mit wem nicht. Er war der Grund dafür, dass so viele Stars nach Wolperath in sein Studio pilgerten. Der Pionier des „Krautrock“ prägte den Sound von „Kraftwerk“ und „Can“, produzierte u.a. Brian Eno, Herbert Grönemeyer und Ultravox und nahm selbst eine Reihe von Alben auf. 1987 starb er mit nur 47 Jahren. Sein Sohn Stephan hat ihm mit der Doku „Conny Plank – The Potential of Noise“ ein berührendes und sehr persönliches Denkmal gesetzt. Die WDR-Koproduktion, die Archivaufnahmen mit aktuellen Interviews kombiniert, kommt am 28. September ins Kino.
    Radikales Volkstheater. Florian Fiedlers Einstand als neuer Intendant in Oberhausen
    Wohin am Wahlabend? Für Stefan Keim keine Frage. Er verbringt ihn für Westart im Theater Oberhausen, wo pünktlich um 18 Uhr der „Verfall einer Gesellschaft“ beginnt. Nur auf der Bühne natürlich, aber mit deutlichen Bezügen zur Realität. Florian Fiedler, Oberhausens neuer Intendant, hat die Uraufführung von „Die Schimmelmanns – Verfall einer Gesellschaft“ als Nazi-Horror-Boulevard-Komödie inszeniert und damit seine erste – auch politische – Visitenkarte abgegeben. Stefan Keim berichtet am Tag nach der Wahl über seine Eindrücke vom Familienschlachtfeld. Und Florian Fiedler spricht im Westart-Studio mit Siham El-Maimouni über seinen Einstand, über schlappe Wahlen und Wahlschlappen sowie über Politikfrust und Theaterlust.
    Provokant, poetisch, politisch. Georg Herold im Kunstmuseum Bonn
    Für seine Werke benutzt er am liebsten Alltagsmaterialien wie Dachlatten, Ziegelsteine und Knöpfe, aber auch mal Kaviar oder Samt. Was er daraus macht, ist aberwitzig absurd. Und die Titel seiner Arbeiten sind gerade so provokant-poetisch wie nötig, um alle Deutungen offen zu halten. Georg Herold, 1947 in Jena geboren, gehört seit den 80er-Jahren zu den einflussreichen Vertretern der internationalen Gegenwartskunst. Er war auf der Documenta und bei den Skulptur Projekten Münster vertreten, hat als Professor an der Kunstakademie Düsseldorf gelehrt und an zahlreichen großen Ausstellungen teilgenommen. Jetzt widmet das Kunstmuseum Bonn dem Kölner Bildhauer eine große Einzelschau, die bis zum 7. Januar 2018 zu sehen ist. Westart-Reporterin Anja Backhaus hat sich schon mal umgesehen.
    Mit dem Taktstock an die Spitze. Deutscher Dirigentenpreis in Köln
    Namhafte Wettbewerbe für junge Musiker gibt es viele, aber nur eine Handvoll für junge Dirigenten. In diesem Herbst feiert in Köln der Deutsche Dirigentenpreis Premiere, ein vom Deutschen Musikrat gemeinsam mit dem WDR Sinfonieorchester, der Oper Köln und dem Gürzenich-Orchester Köln ausgetragener internationaler Wettbewerb. Alle zwei Jahre will er dem hochbegabten Nachwuchs ein Sprungbrett ins Musikleben bieten. Einer der zwölf Teilnehmer ist Hossein Pishkar. Der junge Iraner hat in Teheran ein Kompositionsstudium absolviert, bevor er 2012 nach Deutschland kam, um an der Düsseldorfer Musikhochschule Orchesterleitung zu studieren. Was er sich vom Wettbewerb erhofft, wie er sich darauf vorbereitet und was gegen Lampenfieber hilft, das hat er Westart erzählt.
    Unmut im Revier. Neues Festival lit.Ruhr löst nicht nur Vorfreude aus
    Die lit.COLOGNE ist ein Erfolgsmodell. Ausverkaufte Säle, prominente Gäste, steigende Zahlen bei Angebot und Nachfrage seit der Gründung im Jahr 2000. Mit besten Kontakten in der Verlagsbranche und viel Erfahrung bei der Durchführung des Großevents wollen die Kölner Festivalmacher nun ihr bewährtes Konzept im Ruhrgebiet etablieren. Mit Unterstützung der großen Stiftungen in der Region von Brost bis RAG wird die lit.RUHR auf die Beine gestellt. Diese Form von Kultur-Import stößt bei Literaturfreunden zwischen Herne und Essen aber durchaus auch auf Kritik. Westart hat sich vor Ort umgehört. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 25.09.2017WDR
  • Folge 6
    „Woanders is auch scheiße!“ Westart über einen neuen Bildband mit Fotos aus dem Ruhrgebiet der 80er Jahre: ein aberwitzig-nostalgischer Rückblick aufs Revier und seine Bewohner. Außerdem: Peter Wohlleben präsentiert neue Einsichten ins Netzwerk der Natur. Anja Backhaus besucht eine Wetter-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn. Wir stellen „Happy End“ vor, Michael Hanekes Filmgroteske über die Lebenslügen einer Industriellenfamilie. Und der Kabarettist Martin Zingsheim erklärt im Studio, worauf wir gern verzichten können.
    Alltag in den Achtzigern. Nostalgischer Rückblick aufs Ruhrgebiet:
    Picknick an der Ruhr, Plantschen im Rhein-Herne-Kanal, Pudelshow in Oberhausen, kickende Jungs vor Hochofenkulisse: Fotograf Reinhard Krause, 1959 in Essen geboren, hat in den 80er Jahren alles abgelichtet, was ihm vor die Linse kam. Tausende Fotos zeigen den Ruhrpott, wie er damals war – Maloche und Menschen, Lebenslust und Arbeitsfrust, eine Region zwischen Hoffnung und Niedergang. Jahrzehntelang schlummerten die Negative in Umzugskartons, bis Reinhard Krause den Schatz hob. Jetzt sind sie als Bildband im Emons-Verlag erschienen. Frank Goosen hat nicht nur den Titel „Woanders is auch scheiße!“ beigesteuert, sondern auch das Vorwort geschrieben.
    Wie alles mit allem zusammenhängt. Peter Wohllebens Einsichten in die Natur:
    Dass der Wald voller Überraschungen steckt und die Tiere ein Seelenleben haben, hat uns der passionierte Förster und Umweltschützer Peter Wohlleben in seinen Bestsellern anschaulich erklärt. Nun bringt er uns erneut zum Staunen. In seinem Buch „Das geheime Netzwerk der Natur“ beschreibt er, wie alles mit allem zusammenhängt: wie Lachse in die Bäume wandern, Kraniche die spanische Schinkenproduktion sabotieren und Regenwürmer die Zahl der Wildschweine steuern. Er nennt es das WWW der Wälder, das Wood Wide Web, und appelliert an uns, das fein austarierte System nicht aus dem Lot zu bringen.
    Heiter bis wolkig. Die Ausstellung „Wetterbericht“ in der Bundeskunsthalle Bonn:
    Wie wird das Wetter? Diese Frage treibt uns jeden Tag aufs Neue um. Wer sie beantwortet – Sven Plöger, Claudia Kleinert oder Karsten Schwanke – , wird zum Medienstar. Was aber ist das Wetter? Wie kommt es zustande? Und wie beeinflusst es unser Leben? Die Bundeskunsthalle zeigt bis zum 4. März 2018 eine große Ausstellung über Wetterkultur und Klimawissenschaft. Am Beispiel eines Tagesverlaufs erleben die Besucher unterschiedliche Phänomene: von der Morgendämmerung bis zum Wirbelsturm. Es gibt wissenschaftliche Erklärungen und Beispiele aus der Kunst, Erläuterungen zum Klimawandel und ein interaktives Wetterstudio. Westart-Reporterin Anja Backhaus hat es ausprobiert und bringt ihren persönlichen Wetterbericht mit.
    Der junge Wilde: der Kabarettist Martin Zingsheim bei Westart zu Gast:
    Knallharte Pointen an Lausbubencharme: Das ist das Erfolgsrezept von Martin Zingsheim. Der Kölner ist Autor, Musiker und Kabarettist, ein Senkrechtstarter in der Kleinkunstszene. Mit rasanten Gags und messerscharfem Witz seziert er unseren Alltag. Regelmäßig ist er im WDR zu Gast, beim Deutschlandfunk hat er eine eigene „Politische Radioshow“. Und mit seinen Soloprogrammen mischt er die ganze Republik auf. Am 12. Oktober ist er im Kölner Gloria Theater bei der Eröffnung des Köln Comedy Festivals dabei. Ebenfalls in seiner Heimatstadt startet er am 15. Oktober seine neue Tournee „aber bitte mit ohne“. Worauf wir gerne verzichten können, das erzählt er im Westart-Studio.
    Satirischer Albtraum. Michael Hanekes Kinofilm „Happy End“:
    Eine Familie wie aus dem Bilderbuch? Aus dem Horrorkabinett träfe es besser. Mit kalter Präzision blickt Regisseur Michael Haneke („Das weiße Band“, „Liebe“) hinter die Fassade der Familie Laurent, die dem Überdruss am Leben durch Sex, Mord und Selbstmord zu entkommen versucht. Die Familie betreibt in Calais eine scheinbar boomende Baufirma. Die Geschäfte hat der alternde Patriarch Georges (Jean-Louis Trintignant) an Tochter Anne (Isabelle Huppert) abgegeben. Jetzt will er aus dem Leben scheiden. Doch das ist nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hat. In der hochherrschaftlichen Villa, die er gemeinsam mit den Familien von Tochter Anne und Sohn Thomas sowie einem marokkanischen Haushälterehepaar bewohnt, wächst die Spannung. Bis sie sich im furiosen und keineswegs glücklichen „Happy End“ entlädt. Am 12. Oktober kommt der Film in die Kinos.
    Unplugged. Marius Müller-Westernhagen:
    Er ist einer der erfolgreichsten deutschen Rockmusiker, war der „Pfefferminz-Prinz“ und 1989 mit seinem Song „Freiheit“ gesamtdeutscher Held: Marius Müller-Westernhagen. Im vergangenen Jahr feierte er sein 50-jähriges Bühnenjubiläum und erfüllte sich mit dem Album „Unplugged“ einen Traum. Jetzt ist er damit auf Deutschlandtournee. Gefühlvoll und stark ganz ohne Verstärker präsentiert er die Highlights aus seiner Karriere. In NRW ist er zweimal zu Gast: am 19. Oktober in der Lanxess Arena in Köln und am 27. Oktober in der Westfalenhalle Dortmund. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 09.10.2017WDR
  • Folge 7
    Moral und Mafia. Salman Rushdies großartiges Gesellschaftsporträt:
    Salman Rushdie ist einer der größten Geschichtenerzähler unserer Zeit. Vor mehr als einem Vierteljahrhundert wurde er wegen seines Romans „Die satanischen Verse“ mit einer Fatwa belegt. Noch immer wird er bei öffentlichen Auftritten von Leibwächtern beschützt. Seit 17 Jahren lebt der indisch-britische Schriftsteller in New York. Dort spielt auch sein neuer Roman „Golden House“, eine apokalyptische Saga über die Verwerfungen unserer Zeit. Es geht um einen milliardenschweren Baulöwen, der vor Jahren mit seinen drei Söhnen von Bombay an den Hudson gezogen ist, eine junge Russin geheiratet hat und in einem spektakulären Wolkenkratzer, dem „Golden House“, wohnt.
    Am liebsten würde er seine alte Heimat vergessen. Doch die Vergangenheit holt ihn brutal und unausweichlich ein. Die Grenzen zwischen gestern und heute verwischen ebenso wie die Unterschiede zwischen gut und böse, wahr und falsch. Bis die ganze Familie im Chaos versinkt. Westart hat Salman Rushdie in Köln bei der lit.Cologne Spezial getroffen.
    Tanz auf dem Vulkan. „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ am Düsseldorfer Schauspielhaus:
    „Fabian“ – so hieß der Debütroman des jungen Erich Kästner, in dem er seinen Helden das enthemmte Berlin zu Beginn der 30er-Jahre entdecken lässt. Die Geschichte vom arbeitslosen Werbetexter, der durch die Bordelle und illegalen Kneipen zieht, sich als Beobachter wähnt und dabei von einer Katastrophe zur nächsten stolpert, war damals eine Sensation. Schon bald nach Hitlers Machtergreifung wurde der Bestseller als „entartet“ diffamiert und öffentlich verbrannt. Regisseurin Bernadette Sonnenbichler hat das Buch für das Düsseldorfer Schauspielhaus als selbstironisches Zeugnis einer ihrem Ende entgegentaumelnden Epoche inszeniert und dabei deutliche Parallelen zur Gegenwart gezogen. Unser Theaterkritiker Stefan Keim war bei der Premiere am 14. Oktober dabei.
    Brodelnde Kunstszene: Tintoretto-Ausstellung in Köln:
    Tintoretto – das Färberlein – wurde er genannt: der italienische Großmeister der Spätrenaissance. Zu seinem 500. Geburtstag widmet ihm das Kölner Wallraf-Richartz-Museum eine spektakuläre Ausstellung. Unter dem Titel „A Star was Born“ präsentiert sie bis zum 28. Januar 2018 rund 70 Bilder aus dem Frühwerk des Malers, der zu den einflussreichsten und produktivsten Künstlern weltweit gehört. Jacopo Tintoretto, 1518 in Venedig als Sohn eines Färbers geboren, war schon als junger Mann besessen von der Malerei. In Köln zu sehen sind Porträts, aber auch religiöse, allegorische und erotische Bilder. Sie spiegeln soziale und religiöse Spannungen, zeugen von Glanz und Elend einer untergehenden Großmacht und geben einen faszinierenden Einblick in die brodelnde Kunstszene Venedigs im 16. Jahrhundert.
    Poesie und Widerstand. Konstantin Wecker auf Tour:
    Er singt, komponiert, schreibt, schauspielert und kämpft seit vielen Jahren für eine gerechtere Welt. Konstantin Wecker ist im Sommer 70 geworden und zurzeit auf großer Jubiläumstournee. Im Oktober macht er in NRW Station: am 17.10. in Essen, am 18.10. in Dortmund, am 19.10. in Bielefeld, am 21. 10. in Düsseldorf und am 23.10. in Köln. Westart porträtiert einen Mann, der sein Publikum immer wieder überrascht und sich doch trotz aller Höhen und Tiefen seit Jahrzehnten treu bleibt: „Empört euch, gehört euch und liebt euch und widersteht“, heißt es kämpferisch in einem seiner populärsten Songs. Zu Gast im Studio erklärt er, warum es dafür nie zu spät ist.
    Der Klang des Lebens. Filmdoku über Daniel Hope im Kino:
    Er hat Vorfahren aus Berlin, wurde in Südafrika geboren, verbrachte seine Kindheit und Jugend in England, besitzt einen irischen Pass und ist auf allen Konzertbühnen rund um den Globus zu Hause: der Stargeiger und Weltbürger Daniel Hope. Am 19. Oktober kommt eine Filmdoku über sein Leben ins Kino. Regisseur Nahuel Lopez hat den Violinisten im Jahr 2016 begleitet, das für ihn ein besonderes war: Er wurde Musikdirektor des Zürcher Kammerorchesters und erfüllte sich damit den Traum, mit einem renommierten Ensemble seine musikalische Vision zu entwickeln. Im Frühjahr 2016 erschien sein Album „My Tribute to Yehudi Menuhin“, eine Hommage zum 100. Geburtstag seines musikalischen Ziehvaters und Mentors. Außerdem zog er mit seiner Familie von Wien nach Berlin in die Stadt seiner Vorfahren. Über die Suche nach der Identität, die Bedeutung von Heimat und Exil und die Wurzeln seiner Liebe zur Musik erzählt Daniel Hope in der „Der Klang des Lebens“.
    Von der Kunst, moralisch zu leben. Die Filmsatire „The Square“:
    Christian Nielsen ist Kurator im Stockholmer Museum für zeitgenössische Kunst. Gerade bereitet er ein neues Projekt vor. „The Square“ ist eine Installation in Form einer quadratischen Freifläche, auf der sich jeder tolerant, mitfühlend und ehrlich verhalten soll. Doch das ist viel schwerer als erwartet. Das muss auch der aufgeklärt-liberale Christian Nielsen erfahren. Eine fatale Reihe von Fehlentscheidungen wirbelt nicht nur seine Vorbereitungen durcheinander, sondern bringt auch sein Selbstverständnis und sein Weltbild ins Wanken. Mit „The Square“ ist dem schwedischen Regisseur Ruben Östlund eine tragikomische Gesellschaftssatire gelungen, mit der er in diesem Jahr die Goldene Palme in Cannes gewann. Am 19. Oktober startet der Film in den Kinos. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 16.10.2017WDR
  • Folge 8
    Deutsche TV-PremiereMo 23.10.2017WDR
  • Folge 9
    Familienkosmos: Wolfgang Niedeckens neues Soloalbum:
    Sie ist ein Kosmos im Kleinen und bietet Stoff für ganz große Geschichten: die Familie. Wir lieben sie, wir brauchen sie. Und manchmal treibt sie uns zum Wahnsinn. Das alles kennt auch Wolfgang Niedecken, Gründer und Frontman der Kölner Rockband „BAP“. Weil viele seiner Texte autobiografisch geprägt sind, hat er im Laufe seiner Karriere eine Reihe von Songs seiner Familie gewidmet. 13 von ihnen hat er für sein aktuelles Soloalbum neu aufgenommen und einen Titel extra geschrieben. Es sind Geschichten mitten aus dem Leben, mit viel Liebe zum Detail erzählt: traurig und komisch, weise und schräg. Bei Westart blättert Wolfgang Niedecken „Das Familienalbum“ auf, kramt in Erinnerungen und verrät, was ihm heute wichtig ist.
    David gegen Goliath: das Aktivisten-Duo Yes Men beim Klimagipfel:
    Sie sind ausgezogen, die (Groß-)Kapitalisten das Fürchten zu lehren: die Yes Men, zwei Aktivisten aus den USA, die uns mit ihren utopischen Visionen und satirischen Kampagnen wachrütteln wollen. Sie haben sich mit der Welthandelsorganisation WTO angelegt, die Chemie- und Ölindustrie bloßgestellt und Donald Trump vorgeführt – indem sie fremde Webseiten kapern, in die Rolle ihrer Gegner schlüpfen und deren Lügen entlarven. Das Theater Bonn hat die Yes Men anlässlich des Weltklimagipfels zu ihrer ersten Aktion in Deutschland eingeladen. Während die Delegierten im Kongresszentrum tagen, werden die Yes Men die Klimapolitik auf ihre Art revolutionieren. Westart über eine Kunstform, die sich mit Guerilla-Taktik einmischt.
    Schlechte Zeiten für Klimaleugner: Attribution Science:
    Harvey, Irma, Maria, Xavier – so harmlos heißen die verheerenden Stürme, die allein in den letzten Monaten ganze Regionen verwüstet und viele Menschenleben gekostet haben. Nach jeder Naturkatastrophe stellt sich erneut die Frage: Ist der Klimawandel schuld? Um jenseits des ideologischen Streits eine Antwort zu finden, geht die Physikerin Friederike Otto von der Universität Oxford neue Wege. Ihr Forschungsgebiet heißt Attribution Science. Mit hochkomplexen Computerprogrammen beschreibt sie, wie das Wetter ohne Klimawandel aussähe, und vergleicht aktuelle Ereignisse wie Stürme oder Hitzewellen mit langfristigen Klimamodellen. So kann sie unterscheiden, welche Erscheinungen ohne die globale Erderwärmung höchstwahrscheinlich gar nicht stattgefunden hätten und bei welchen Ereignissen der Klimawandel keinen Einfluss hatte. Ihre Forschungsergebnisse geben der Debatte neue Impulse. Dogmatiker werden es in Zukunft schwerer haben.
    Leben zwischen den Bildern: der Experimentalfilmer Werner Nekes:
    Eine Filmwirklichkeit neu erschaffen, nicht die Wirklichkeit im Film abbilden: diesem Ziel hatte sich Werner Nekes verschrieben. 1944 in Erfurt geboren und im Ruhrgebiet aufgewachsen, begann er in den 1960er Jahren, avantgardistische Filme zu drehen. Bald schon erhielt er die ersten Auszeichnungen, wurde Professur für Experimentalfilm in Hamburg und war 1972 bei der Documenta in Kassel dabei. Sein heute bekanntestes Werk ist die 1986 in Mülheim an der Ruhr entstandene Schlagerfilmparodie „Johnny Flash“ mit Helge Schneider und Christoph Schlingensief. Neben seiner Filmarbeit sammelte Werner Nekes leidenschaftlich Objekte aus der Vorgeschichte des Kinos: von der Laterna magica bis zur skurrilen Sehmaschine. Seine Kollektion wurde in London, Tokio und Paris gezeigt. Am 22. Januar 2017 starb er in seiner Heimatstadt Mülheim. Die Dokumentation „Werner Nekes – Das Leben zwischen den Bildern“ von Ulrike Pfeiffer zeigt einen Querschnitt aus seinem Schaffen. Am 9. November kommt sie ins Kino.
    Die Sammlung Gurlitt, der Kunstraub und die Folgen: eine Bestandsaufnahme in Bonn:
    Der Name Gurlitt steht für einen der größten deutschen Kunstskandale und wirft Fragen auf nach Schuld, Wiedergutmachung und Sühne. Im Frühjahr 2012 entdeckten Ermittler in Schwabing die Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt. Er hatte sie von seinem Vater Hildebrand Gurlitt, einem NS-Kunsthändler, geerbt. Eine Taskforce sollte klären, ob und in welchem Umfang es sich bei den mehr als 1.500 Objekten, darunter Meisterwerke von Beckmann, Chagall, Dix, Matisse und Picasso, um Raubkunst handelt. Bisher ist ein Herkunftsnachweis allerdings nur in sechs Fällen gelungen.
    Jetzt präsentiert die Bundeskunsthalle Bonn eine Auswahl aus der Sammlung. Zu sehen sind Werke, die in jüdischem Besitz waren, darunter Claude Monets „Waterloo Bridge“ und die „Kauernde“ von Auguste Rodin. Dokumente und Biografien verdeutlichen das Ausmaß und die Folgen des NS-Kunstraubs. Zeitgleich zeigt das Kunstmuseum Bern Werke aus der Sammlung, die von den Nazis als „entartet“ beschlagnahmt worden waren. Die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ ist bis zum 11. März 2018 zu sehen.
    Böll multimedial: Auf den Spuren des Kölner Schriftstellers:
    Am 21. Dezember 2017 wäre Heinrich Böll 100 Jahre alt geworden – Anlass für ein ambitioniertes WDR-Multimediaprojekt mit dem Titel „Böll folgen“. Vier prominent begleitete Videowalks führen an Orte, wo der Kölner Schriftsteller gelebt und gearbeitet hat: ins Agnesviertel mit Enkelin Samay Böll, in die Südstadt mit Wolfgang Niedecken, ins WDR-Funkhaus am Wallrafplatz mit WDR-Intendant Tom Buhrow und an den Rhein mit Moderatorin Siham El-Maimouni. Wer sich die vier Walks auf sein Smartphone oder Tablet lädt, kann vor Ort Bölls Spuren folgen – und wird mit virtuellen Zusatzinformationen überrascht. Die Videowalks stehen ab Anfang November auf der Homepage des WDR zum Download bereit. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 06.11.2017WDR
  • Folge 10
    Das Prinzip Hoffnung: die Musikerin Bernadette La Hengst:
    Protestsongs im Popsound – wie das klingt, ist bei Bernadette La Hengst zu hören. Schon zu Beginn ihrer Karriere Anfang der 90er-Jahre brachte sie den Feminismus locker-leicht auf die Bühne. Ihr Erfolgsrezept: sozialkritische Texte hübsch verpackt in Popmelodien. Mal geht es um Integration, mal um Armutsbekämpfung, immer darum, die Welt zu verbessern. Jetzt hat sie zur Eröffnung des Weltklimagipfels ihren Song „I am an island“ gesungen, gemeinsam mit 120 Kindern und Jugendlichen aus Bonn. „So könnte das was werden mit ‚Save the World‘“, sagt sie. Was sie in Zukunft noch vor hat, um die Welt zu retten, erzählt sie bei Westart.
    Save the World: Protestkultur in Bonn:
    Protestkultur – international, bunt und kreativ – lässt sich zurzeit in Bonn rund um den Weltklimagipfel erleben. Unter dem Motto „Save the World“ hat das Theater Bonn ein ambitioniertes Programm zusammengestellt. Die Rheinaue ist ein Hotspot für Aktionen und Attraktionen. Mit dabei: das britische Künstlerkollektiv Stan’s Cafe. „What When“ nennen sie ihre Installation, einen Schilderwald mit Plakaten aus Protestkampagnen der letzten 100 Jahre. Das Kunstmuseum Bonn lädt die Besucher zum Mitmachen ein.
    Die interaktive Installation „The Ministry of Plastic“ von Sam Hopkins inszeniert auf dem Museumsvorplatz eine Welt der Zukunft, in der die Ressourcen erschöpft sind. Welche Spuren die Menschheit in Umwelt und Natur hinterlassen hat, das macht die Video-Ausstellung „Verschwindende Landschaften/​Landscapes of Loss“ sichtbar. Sie versammelt zehn internationale Künstlerinnen und Künstler, darunter Erwin Wurm, Nezaket Ekici und Stefano Cagol. Ihre gemeinsame Botschaft: inmitten der Hektik innehalten, das Tempo drosseln, zur Ruhe kommen.
    Gerechtigkeit ist möglich: Milo Raus „Kongo Tribunal“ im Kino:
    Seit 20 Jahren herrscht im Kongo Bürgerkrieg. Im Kampf um die wertvollen Rohstoffe werden täglich unfassbare Verbrechen begangen. Millionen von Menschen sind ihnen zum Opfer gefallen. Weil die Gräueltaten ungeahndet und ungesühnt bleiben, hat der Schweizer Theaterregisseur Milo Rau ein Tribunal inszeniert. In Bukavu, Hauptstadt der vom Krieg am stärksten betroffenen Provinz Sud-Kivu im Ost-Kongo, und in Berlin lässt er Konzernvertreter, Politiker, Rebellen und Militärs auf eine internationale Jury treffen. Es geht um echte Akteure und echte Fälle.
    Zwar hat das Urteil keine Rechtskraft, doch die Wirkung ist ungeheuer. In seinem Dokumentarfilm „Das Kongo Tribunal“ bringt Milo Rau den Prozess auf die Leinwand. Er zeigt die Hintergründe von Ausbeutung, Unterdrückung und Korruption, führt uns an die Schauplätze des Konflikts und gibt denen eine Stimme, die nie gehört werden. Ein Film, der unter die Haut geht. Das Schauspiel Köln zeigt ihn am 15. November im Rahmen eines Symposiums. Am 16. November kommt er deutschlandweit in die Kinos.
    Spaß im Museum: Games-Festival Next Level:
    Einst waren sie der Schrecken ratloser Eltern. Jetzt sind sie im Museum angekommen: die Video- und Computerspiele der neuesten Generation. Schon zum zweiten Mal findet das Games-Festival „Next Level“ im NRW-Forum in Düsseldorf statt. Vom 9. bis zum 12. November verwandeln sich die Ausstellungsräume in einen digitalen Erlebnisparcours. Wer will, kann beim E-Sportturnier alles geben, als Jedi-Ritter Schlachten schlagen oder gemeinsam mit Profis eigene Spiele entwickeln. Interaktive Kunstinstallationen, Partys und Workshops bringen Fans und Fachleute zusammen. Welches Potenzial die Spielkultur in Kunst, Bildung und Wirtschaft hat, das ist Thema des Rahmenprogramms mit zahlreichen Vorträgen und Diskussionsrunden. Westart hat sich auf dem „Next Level“ umgeschaut.
    #MeToo: Die Debatte über sexuelle Übergriffe und ihre Folgen:
    Am 16. November, einen Monat nachdem der Skandal um Hollywoodmogul Harvey Weinstein die #MeToo-Kampagne ausgelöst hat, kommt die Satire „Fikkefuchs“ ins Kino. Völlig ungeplant ist es der Film der Stunde. Zwei Männer – Vater und Sohn – versuchen verzweifelt, in vermeintlich bewährter Manier Frauen aufzureißen. Im Film sind die Charaktere grotesk zugespitzt. Im echten Leben ist Sexismus oft subtiler, aber nicht weniger aggressiv. Das weiß auch die Feministin Anne Wizorek, die 2013 den Hashtag „Aufschrei“ initiierte. „Solidarität ist eine Waffe“, sagt sie und hofft, dass Kampagnen wie #MeToo und #Aufschrei die Frauen im Kampf gegen den Sexismus zusammenbringen. Westart hat nachgefragt.
    Der Klang der Maschine. Karl Bartos’ Autobiografie:
    „Kraftwerk sind die Beatles der elektronischen Tanzmusik“, schrieb einst die New York Times. Karl Bartos war von 1975 bis 1991 Mitglied der legendären Band aus Düsseldorf. Der Co-Komponist von Welthits wie „Das Model“, „Der Roboter“ und „Tour de France“ prägte ihren unverwechselbaren Sound, ohne den die Entwicklung von Hip-Hop, Techno und Elektropop nicht denkbar wäre. Jetzt gibt der Kraftwerk-Veteran in seiner Autobiografie Einblicke in das Innenleben der Band, die bisher nur wenig über sich preisgegeben hat. „In dem Buch steht viel, was manche Ehepartner nicht voneinander erfahren“, sagt er im WDR-Interview. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 13.11.2017WDR
  • Folge 11
    In Feierlaune: der Filmemacher Rosa von Praunheim wird 75:
    Einst war er das Enfant terrible des Neuen Deutschen Films, jetzt wird er 75: Rosa von Praunheim, Filmemacher, Maler, Provokateur und Aktivist. Bereits seine ersten experimentellen Kurzfilme machten ihn Ende der Sechziger berühmt. 1970 entstand „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“. Die Schwulenbewegung feierte die Doku als Befreiungsschlag. Die Ausstrahlung im WDR geriet zu einem Riesenskandal. In den vergangenen Jahrzehnten hat Rosa von Praunheim weit über 100 Filme gedreht. Er brach Tabus, kämpfte gegen Diskriminierung und prägte mit seiner Arbeit viele junge Regisseure. Einen Tag vor seinem Geburtstag kommt am 24.11. sein Film „Überleben in Neukölln“ in die Kinos. Gerade ist sein Buch „Wie wird man reich und berühmt?“ erschienen, ein etwas anderer Leitfaden für ein etwas anderes Leben. Gründe genug, um bei Westart zu feiern.
    Explosiv: Fatih Akins „Aus dem Nichts“:
    Eine junge Frau verliert Mann und Sohn bei einer Bombenexplosion in Hamburg. Der Mann war Kurde. Ein Racheakt im Migrantenmilieu, vermutet die Polizei. Doch dann stellt sich heraus, dass die Täter Neonazis waren. Fatih Akins neuer Film erzählt eine fiktive Geschichte. Die Bezüge zur NSU-Mordserie aber sind offensichtlich. „Aus dem Nichts“ beschreibt die Folgen aus der Perspektive der trauernden Witwe und Mutter: den Schmerz, die Hoffnung auf Gerechtigkeit, das Gefühlschaos während des Prozesses, die Verzweiflung nach dem überraschenden Freispruch. Schließlich die Wut. Der packende und hochemotionale Thriller mit Diane Kruger ist Deutschlands Kandidat im Rennen um den Auslands-Oscar 2018. Am 23. November eröffnet er das Kinofest Lünen und kommt bundesweit in die Kinos.
    Erzählen gegen das Vergessen: der Verein Heimatsucher:
    Wie erzählt man Kindern und Jugendlichen vom Holocaust? Wie hält man die Erinnerung an das Grauen wach? „Jeder, der heute einem Zeitzeugen zuhört, wird selbst ein Zeuge werden“, hat der KZ-Überlebende Elie Wiesel gesagt. Der Düsseldorfer Verein Heimatsucher sieht darin einen Auftrag. Engagierte Menschen interviewen Opfer des Holocaust. Sie dokumentieren ihre Geschichten und geben sie in Ausstellungen an Schulklassen weiter. Ihr Ziel: aus jungen Menschen „Zweitzeugen“ zu machen und sie gegen jegliche Art von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stärken. Westart über ein Projekt, das mit privaten Erinnerungen gegen das kollektive Vergessen kämpft.
    Farbenrausch in XXL: Pop Art-Pionier James Rosenquist in Köln:
    Frauengesicht an fliegenden Speckscheiben, Bomber mit Spaghetti in Soße, quietschbunt, schräg und riesengroß: James Rosenquist, 1933 in den USA geboren, war einer der Pioniere der Pop Art. Er kombinierte Konsumgüter und Alltagsobjekte, blies seine Bilder zur Plakatgröße auf und schuf aus realen Versatzstücken surreale Welten. Eines seiner bekanntesten Werke ist die Rauminstallation „F-111“, eine monumentale Collage aus dem US-Kampfbomber F-111 und Requisiten wie einem Haartrockner, Dosenspaghetti und Glühbirnen. Wie politisch er war, das zeigt jetzt eine große Ausstellung in Köln. Das Museum Ludwig widmet dem im März 2017 verstorbenen Künstler die Schau „James Rosenquist. Eintauchen ins Bild“. Zu sehen ist sie vom 18. November 2017 bis zum 4. März 2018.
    Liebeswahn in Westfalen: Joachim Meyerhoffs neuer Roman:
    Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Und kompliziert ist sie auch. Vor allem, wenn ein Mann drei Frauen liebt. Gleichzeitig. Zwischen Bielefeld und Dortmund. Kann das gut gehen? Davon erzählt Joachim Meyerhoff in seinem vierten Roman „Die Zweisamkeit der Einzelgänger“. Autobiografische Bezüge inbegriffen, so wie der hochgelobte Schauspieler auch schon in seinen ersten drei Büchern über sein Leben schrieb. Nun also der Rausch der Verliebtheit und der Kater danach. Joachim Meyerhoff liebt die Verwandlung. Er ist ein Meister darin, auf der Bühne, als Autor und im „richtigen“ Leben. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 20.11.2017WDR
  • Folge 12
    Die Hölle in der Idylle: „Unterleuten“ im Theater Bonn:
    Unterleuten heißt ein kleines Dorf in Brandenburg. Weitab vom Moloch Berlin, unberührte Natur, freundliche Menschen – die reinste Idylle. Doch der Schein trügt. Der fiktive Ort wird zum Setting einer Tragödie von wahrhaft antikem Ausmaß. Als eine Investmentfirma am Ortsrand einen Windpark errichten will, brechen alte Zerwürfnisse wieder auf. Da ist der Landwirt Rudolf Gombrowski, der die einstige LPG erfolgreich in eine GmbH umgewandelt hat. Sein Erzfeind Kron, einst Brigadeführer und Partei-Vertreter, hat sich Verschwörungstheorien verschrieben. Für Unmut sorgen auch zwei Berliner Aussteigerpaare, die mit ihrer großstädtischen Arroganz in jedes Fettnäpfchen treten, und ein schwerreicher Münchner Unternehmensberater.
    Die Konflikte um altes und neues Unrecht, um Untreue und verpasstes Glück, um Solidarität und Egoismus eskalieren. Schon bald ist im Dorf die Hölle los. Regisseur Jan Neumann hat das Stück nach dem Roman von Juli Zeh für das Theater Bonn inszeniert. Max Moor, Schauspieler, Landwirt, Journalist und Moderator („ttt“) spielt Rudolf Gombrowski. Bei Westart erzählt er vom Charme und Schrecken des Landlebens.
    „Deuscthland“: Böhmermann zieht im NRW-Forum Bilanz:
    Satire, Kunst oder Revolution? Jan Böhmermann blickt auf ein Land, das gerade so gar nicht weiß, wo es langgeht. Am Ende des Superwahljahres 2017 stellt er die Frage: „wenn das alles echt und kein quatsch ist in was für eine zeit & land & welt leben wir überhaupt?“ Mit dem Team von der Bildundtonfabrik hat er bereits das Erdogan-Schmähgedicht, #Varoufake oder „Menschen, Leben, Tanzen, Welt“ ausgeheckt. Jetzt erkunden sie gemeinsam den Status Quo Deutschlands mithilfe der Kunst. „Die BRD häutet sich. Die rasenden Veränderungen der Welt, die nebelige Verunsicherung der Menschen in Deutschland, die Gegenwart muss mit Kunst bezwungen und gefasst werden“, kündigen sie ihre Ausstellung an. Westart ist gespannt und bei der Eröffnung im NRW-Forum Düsseldorf dabei. „Deuscthland“ ist bis zum 4. Februar 2018 zu sehen.
    Gehauchte Gefühle: Charlotte Gainsbourgs neues Album „Rest“:
    „Rest“ heißt die neue CD von Charlotte Gainsbourg. Es ist ein melancholisches Album, auf dem sie von ihrer Kindheit, von Trauer und Abschied singt – zart und kraftvoll zugleich, so wie man es von Serge Gainsbourgs und Jane Birkins Tochter erwartet. Die Texte für ihre Songs hat sie selbst geschrieben. Sechs Jahre sind seit dem Erscheinen ihrer letzten CD erschienen. In der Zwischenzeit hat sie eine Reihe außergewöhnlicher Filme gedreht, darunter die düsteren Dramen „Nymphomaniac“ mit Lars von Trier und „Everything will be fine“ mit Wim Wenders. Dass sie auch als Musikerin extreme Gefühle ausloten kann, ohne sich dabei im Schmerz zu verlieren, das beweist sie auf dem Album „Rest“, einer Fusion aus Elektropop und Chanson.
    Bewegte Skulpturen: Rebecca Horn erhält Wilhelm-Lehmbruck-Preis:
    Bildhauerin, Zeichnerin, Literatin, Video-, Installations- und Performance-Künstlerin: Rebecca Horn ist eine der vielseitigsten Künstlerinnen Deutschlands. Die Stadt Duisburg zeichnet sie jetzt als erste Frau mit dem Wilhelm-Lehmbruck-Preis für ihr Lebenswerk aus. Zur Preisverleihung am 24. November eröffnet das Lehmbruck-Museum die Ausstellung „Hauchkörper als Lebenszyklus“. Zu sehen sind Rebecca Horns neueste Installationen, die in diesem Frühjahr entstanden sind: hauchdünne Messingstäbe, die sich langsam wiegend bewegen. Für die 73-Jährige ist es ein Neuanfang: „Es ist für mich beglückend, Skulpturen geschaffen zu haben, die nicht Abkömmlinge oder Verlängerungen früherer Arbeiten sind. Sie stehen ganz für sich, und es gibt mir das Gefühl, dass ich an der Schwelle einer neuen Werkphase stehe.“
    Dem Himmel so nah: Die Filmdoku „Mountain“ feiert die Faszination der Berge:
    Noch vor drei Jahrhunderten hätte man das Klettern in schwindelerregende Höhen als puren Wahnsinn abgetan. Heute zieht es Millionen von Menschen in die Berge. Die australische Regisseurin Jennifer Peedom unternimmt in ihrem Dokumentarfilm „Mountain“ eine atemberaubende Reise zu den höchsten Gipfeln der Welt. Sie schildert ihren Reiz und ihre Unerbittlichkeit, wirft einen Blick zurück auf die wechselvolle Geschichte des Bergsteigens und beleuchtet die Folgen des Massentourismus. Der Film, der in Zusammenarbeit mit dem Australian Chamber Orchestra entstanden ist und spektakuläre Naturaufnahmen mit Musik verbindet, kommt am 30. November in die Kinos.
    Mehr Lust auf Lust: Plädoyer gegen die sexuelle Bevormundung der Frauen:
    Seit der „sexuellen Revolution“ sind 50 Jahre vergangen. Doch die aktuelle #MeToo-Debatte zeigt, wie viel auch heute im Argen ist: Frauen werden Opfer von sexuellen Übergriffen und Gewalt. Sie fühlen sich benutzt und beschämt. Hat sich im Verhältnis zwischen Frau und Mann so wenig verändert? Wie weit sind wir im 21. Jahrhundert – trotz Emanzipation und Gleichberechtigung – mit der sexuellen Selbstbestimmung gekommen? Die Psychologin Sandra Konrad beschreibt in ihrem neuen Buch „Das beherrschte Geschlecht“, dass im Bett alte Rollenklischees noch heute wirken, und erklärt, „warum sie will, was er will“. Es ist auch ein Appell an die Frauen, sich beim Sex nicht länger bevormunden zu lassen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 27.11.2017WDR
  • Folge 13
    Der Mutmacher: Richard Brox über sein Leben als Obdachloser:
    Richard Brox hat keine Wohnung. Vor 53 Jahren kam er in Mannheim zur Welt und lebt seit drei Jahrzehnten auf der Straße. Bundesweit bekannt wurde er mit einer Website, auf der er seine Erfahrungen teilt, Ratschläge gibt und Kontakte vermittelt. Am 15. Dezember erscheint seine Autobiografie „Kein Dach über dem Leben“. Es ist die Geschichte eines begabten Jungen, der es trotz aller Widrigkeiten schafft, selbstbestimmt zu leben. Mit fünf kam er ins Heim, floh vor sexuellem Missbrauch, schmiss die Schule und wurde drogensüchtig. Nach Zwangsräumung und Entzug landete er auf der Straße. „Sie hat mir ein Stück Freiheit gegeben“, sagt er, „aber man verändert sich und wird ein anderer Mensch.“ Mit seinem Buch will er andere zur Selbsthilfe ermutigen, aber auch aufmerksam machen auf die Schattenseiten unserer Gesellschaft. „Obdachlose werden ausgegrenzt. Daran muss sich etwas ändern.“
    Spielen für die Freiheit: die afghanische Theatergruppe Azdar:
    Sie ist die Freiheitsikone der Afghanen: Malalai von Maiwand. Fahnen schwingend führte sie die Soldaten im Unabhängigkeitskrieg gegen die britische Kolonialmacht im Juli 1880 in der Schlacht von Maiwand zum Sieg. Im Westen gilt sie als „afghanische Jungfrau von Orléans“. So heißt auch der Untertitel des Theaterprojektes „Malalai“, das mit den Parallelen zur französischen Legende der Jeanne d’Arc und zu Schillers Drama „Die Jungfrau von Orléans“ spielt. Neben französischen, deutschen und israelischen Schauspielern ist die afghanische Theatergruppe Azdar mit dabei, die erst nach mehreren Anläufen eine Einreiseerlaubnis für Deutschland erhielt.
    Zu Hause in Kabul kann sie nicht mehr auftreten, nachdem die Taliban im Dezember 2014 während einer Vorstellung eine Bombe zündeten. „Malalai“, eine Produktion des Deutschen Nationaltheaters Weimar in Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus Bochum, hat am 7. Dezember in Bochum Premiere. Die Geschichte des Theaterkollektivs Azdar erzählt die Filmdoku „True Warriors“, die gerade in den Kinos läuft und am 11.12. in Münster präsentiert wird.
    Starke Kontraste, leuchtende Farben: die Künstlerin Carmen Herrera in Düsseldorf:
    Auf Ruhm und Anerkennung musste Carmen Herrera lange warten. In diesem Jahr feierte die kubanisch-amerikanische Künstlerin ihren 102. Geburtstag. Obwohl sie seit vielen Jahrzehnten malt, wurde sie erst im Alter von 89 Jahren entdeckt. Mittlerweile gilt sie in den USA als Pionierin der Farbfeldmalerei. Ihre ausdrucksstarken Bilder mit den klaren Linien hängen in weltberühmten Museen wie dem MoMa in New York und der Tate Gallery in London. Eine Retrospektive ihres Werkes zeigt jetzt die Kunstsammlung NRW K20 in Düsseldorf bis zum 8. April 2018. In der Schau „Lines of Sight“ sind 70 Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Grafik und Skulptur zu sehen, die zwischen 1948 und 2017 entstanden sind. Westart hat sich auf der Ausstellung umgeschaut und porträtiert die außergewöhnliche Künstlerin.
    Stadt im Rausch: Volker Kutschers Krimigeschichten aus dem Berlin der 20er-Jahre:
    Mit „Der nasse Fisch“, seinem ersten Roman um Kommissar Gereon Rath im Berlin der Weimarer Republik, landete der Kölner Historiker und Journalist Volker Kutscher vor zehn Jahren auf Anhieb einen Bestseller. Es war der Auftakt einer sensationellen Krimireihe. Tom Tykwer und sein hochkarätiges Team haben daraus die TV-Serie „Babylon Berlin“ gemacht, die gerade sehr erfolgreich auf Sky läuft und Ende 2018 im Ersten ausgestrahlt wird. Sie schildert eine Stadt im Rausch, die unaufhaltsam dem Abgrund entgegenschlingert. Gerade ist Kutschers neues Buch erschienen, entstanden aus der Zusammenarbeit mit der Illustratorin Kat Menschik. „Moabit“ erzählt die Vorgeschichte der Gereon-Rath-Reihe. Zu Gast bei Westart verrät der Autor, was ihn am Berlin der 20- und 30-Jahre fasziniert und wie er sich die Zukunft seines Helden vorstellt.
    Die Erfahrung des Raums: der Bildhauer Max Leiß in Recklinghausen:
    „Ich mag das Skulpturale in meiner Umgebung“, sagt Max Leiß. Kein Wunder, dass seine Skulpturen häufig an Alltagsgegenstände erinnern, ohne sie abzubilden. Sie eröffnen Räume, die vertraut erscheinen und uns doch zur Neuerkundung einladen. 1982 in Bonn geboren, ist der Bildhauer einer der Stars der jungen Kunstszene Nordrhein-Westfalens. Kürzlich wurde er mit dem Kunstpreis „junger westen“ der Stadt Recklinghausen ausgezeichnet. Zur Preisverleihung am 3. Dezember eröffnet die Kunsthalle Recklinghausen eine Ausstellung mit seinen Werken und Arbeiten von 19 weiteren jungen Künstlern. Sie ist bis zum 4. Februar 2018 zu sehen.
    Gipfel mit Scheck: Hymne oder Verriss?
    Unser Literaturkritiker Denis Scheck über Ken Folletts neuen Historienroman „Das Fundament der Ewigkeit“ und Petra Reskis „Bei aller Liebe. Serena Vitales dritter Fall“. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 04.12.2017WDR
  • Folge 14
    Die Schönheit des Vergänglichen: Doku über den Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy:
    Er schichtet Steine auf, verwirbelt Blütenblätter und lässt Wasser über Äste fließen: Andy Goldsworthy ist berühmt für seine vergänglichen Kunstwerke, die er in und mit der Natur schafft. Für seine Objekte benutzt er natürliche Materialien – Blätter, Muscheln, Holz und in letzter Zeit immer häufiger auch den eigenen Körper. Vor rund 20 Jahren lernte er den Dokumentarfilmer Thomas Riedelsheimer kennen. Die beiden produzierten gemeinsam den Film „Rivers and Tides“, der das Kinopublikum weltweit begeisterte. Jetzt haben sie ihre Zusammenarbeit fortgesetzt. Noch einmal hat der Filmemacher den schottischen Künstler über mehrere Jahre begleitet. Entstanden ist ein außergewöhnliches und sehr persönliches Porträt, das mit hinreißenden Bildern veranschaulicht, wie sich Werk und Künstler verändern. Am 14. Dezember kommt „Leaning into the wind“ in die Kinos.
    Vergebung statt Vergeltung: Die Orestie am Schauspielhaus Bochum:
    Das Stück ist rund zweieinhalb Tausend Jahre alt und hoch aktuell: die Orestie von Aischylos. Es geht um Gewalt, Sühne und Tod, vor allem aber um die Grundlage unserer westlichen Kultur. Denn die antike Familientragödie erzählt, wie an die Stelle individueller Rache die gemeinschaftliche Rechtsprechung tritt. Der blutige Kreislauf von Schuld und Vergeltung wird durchbrochen. Die Menschen lernen das Prinzip der Vergebung. Zurzeit boomt die Orestie an den Theatern in NRW: Im September hatte sie am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere, im November am Schauspielhaus Bochum, das Theater Bielefeld folgt im kommenden März. Stefan Keim hat Lisa Nielebocks Inszenierung in Bochum besucht.
    Zum 100. Geburtstag von Heinrich Böll: Am 21. Dezember 2017 wäre Heinrich Böll hundert Jahre alt geworden. Er war ein großer Literat, Menschenkenner und Chronist. Nur wenige deutschsprachige Schriftsteller erhielten zu Lebzeiten so viel Anerkennung wie er. 1972 wurde er mit dem Literaturnobelpreis geehrt. Seine Bücher erzielten Millionenauflagen. Als Gewissen der Nation hat er die Entwicklung der Bundesrepublik nach dem Krieg begleitet und den Finger in die Wunden der Bonner Republik gelegt. Wer ihn heute neu kennenlernen will, entdeckt eine Persönlichkeit mit verblüffend modernen Seiten, mit Themen und Anliegen, die 32 Jahre nach seinem Tod aktuelle Bedeutung haben: Antifaschismus, Pazifismus, Kampf gegen Medienhetze, persönliche Freiheit, Solidarität und umfassende Menschlichkeit.
    Bölls Sohn René, sein Verleger Reinhold Neven DuMont sowie Freunde und Weggefährten erinnern an aufregende, bewegende und amüsante Momente im Leben des Schriftstellers. Die 45-minütige Dokumentation von Tina Srowig läuft am 18. Dezember um 22:55 Uhr im WDR Fernsehen.
    Endlich Schulschluss: Kabarettist Bastian Bielendorfer bei Westart:
    Er ist Deutschlands bekanntestes Lehrerkind: der Kabarettist und Autor Bastian Bielendorfer. Geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen, dem „Florenz des Ruhrgebiets“, hat er sich seine skurrilen Erlebnisse unter dem Pädagogenpantoffel in mehreren Büchern von der Seele geschrieben. In diesem Herbst ist Band vier „Papa ruft an“ erschienen. Neuerdings geht er mit Geschichten über seine liebenswerte Helikopter-Mutter, den eher wortkargen Vater und Mops Otto auf die Bühne. Zurzeit ist er mit dem Programm „Das Leben ist kein Pausenhof“ auf Tour. Bei Westart erzählt er, warum ein Lehrerkind nie schulfrei hat und wie er mit Mitte 30 doch noch den Absprung ins wahre Leben geschafft hat.
    Starke Kontraste, leuchtende Farben: die Künstlerin Carmen Herrera in Düsseldorf:
    Auf Ruhm und Anerkennung musste Carmen Herrera lange warten. In diesem Jahr feierte die kubanisch-amerikanische Künstlerin ihren 102. Geburtstag. Obwohl sie seit vielen Jahrzehnten malt, wurde sie erst im Alter von 89 Jahren entdeckt. Mittlerweile gilt sie in den USA als Pionierin der Farbfeldmalerei. Ihre ausdrucksstarken Bilder mit den klaren Linien hängen in weltberühmten Museen wie dem MoMa in New York und der Tate Gallery in London. Eine Retrospektive ihres Werkes zeigt jetzt die Kunstsammlung NRW K20 in Düsseldorf bis zum 8. April 2018. In der Schau „Lines of Sight“ sind 70 Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Grafik und Skulptur zu sehen, die zwischen 1948 und 2017 entstanden sind. Westart hat sich auf der Ausstellung umgeschaut und porträtiert die außergewöhnliche Künstlerin.
    Brennpunkt Ebertplatz: „Unort“ oder Kunstort?
    Schön war der Ebertplatz nie. Doch jetzt ist der Verkehrsknotenpunkt mitten in Köln in Verruf geraten. Seit dort im Oktober ein junger Afrikaner bei einer Messerstecherei getötet wurde, gilt der Platz als „Unort“, an dem sich Dealer und Junkies tummeln. Die Klagen sind nicht neu. Viele Anwohner und Passanten machen schon lange einen Bogen um das Areal. Andererseits ist der Ebertplatz auch ein „Kunstort“, an dem vier Galerien angesiedelt sind. Sie beleben ihn auch nachts mit Vernissagen und Ausstellungen. Als die Stadt einer von ihnen kündigte, weil sie die Zugänge zur unteren Ebene zumauern wollte, regte sich lautstarker und prominenter Protest, u.a. vom Kölner Fotografen Boris Becker und der Sängerin Judith Holofernes. Mittlerweile ist die Kündigung vom Tisch. Köln aber debattiert weiter darüber, wie man den Platz gestalten soll und welche Rolle die Kunst dabei spielt. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 11.12.2017WDR
  • Folge 15
    Shoot! Shoot! Shoot!: Faszinierende Fotos der 60er- und 70er-Jahre:
    Brigitte Bardot mit blonder Mähne, Yves Saint Laurent nackt, die Beatles bei einer Kissenschlacht: Die Ludwig Galerie Oberhausen lädt ein zu einer faszinierenden Zeitreise in die 60er- und 70er-Jahre. Die Ausstellung „Shoot! Shoot! Shoot!“ zeigt die Ikonen der Film-, Mode- und Musikszene, fotografiert von Stars wie Richard Avedon, Bert Stern, Michael Cooper und Helmut Newton. Zu sehen sind intime Porträts, glamourös inszenierte Modeaufnahmen und Einblicke in das Privatleben der Reichen und Schönen – inklusive Alkohol- und Drogenexzessen. Die rund 200 Werke aus der Nicola Erni Collection vermitteln ein Lebensgefühl, in dem Party und Politik, Mode und Musik, Kunst und Körperkult verschmelzen. Die Ausstellung läuft bis zum 21. August 2018 in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen.
    Wortgewaltige Rebellin: Filmdoku über die Musikerin und Poetin Anne Clark:
    Sie war die Ikone der Post-Punk-Ära Anfang der 80er-Jahre – die britische Musikerin Anne Clark. Bis heute wird die wortgewaltige Rebellin auf der Bühne gefeiert. Berühmt wurde sie als Pionierin der elektronischen Musik und des rhythmischen Sprechgesangs, mit dem sie in wütend-melancholischen Songs den Weltschmerz beschwor. Legendär sind die New-Wave-Hits „Sleeper in Metropolis“ und „Our Darkness“, die ihre Fans begeisterten und viele Musiker inspirierten. Der Filmemacher Claus Withopf hat Anne Clark fast zehn Jahre lang begleitet. In seiner Dokumentation „I’ll Walk Out Into Tomorrow“ porträtiert er die Arbeit, die Karriere und das Leben der Künstlerin, die im Laufe der Jahre ihren Stil veränderte, sich selbst aber treu blieb. Der Film kommt am 28. Januar in die Kinos.
    Zeichen, Worte, Universen: Ausstellung von Mary Bauermeister in Bergisch Gladbach:
    „Wir waren ästhetische Terroristen und wollten die Gesellschaft verändern“, erinnert sich Mary Bauermeister an die Anfänge der Kunstbewegung „Fluxus“, die sie Anfang der 60er mitbegründete. Heute ist sie eine der weltweit renommiertesten Künstlerinnen aus dem Bergischen Land. Ihr Werk umspannt fast sechs Jahrzehnte und ist ebenso schillernd wie ihre Persönlichkeit. Schon früh experimentierte sie mit ungewöhnlichen Materialien wie Prismen und Linsen, Spiegeln und Steinen. 1962 sorgte sie gleich mit ihrer ersten Einzelausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum für Furore. Das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach zeigt bis zum 8. April einen Querschnitt ihrer Arbeiten, in denen Chiffren und Schriftzeichen, Worte und Zitate eine Rolle spielen. „Meine Werke sind Tagebücher meines Weltverstehens, meines Welterlebens“, sagt Mary Bauermeister. Westart-Reporterin Anja Backhaus hat sie sich angeschaut.
    Zu Gast bei Westart: die Schauspielerin Catrin Striebeck:
    Wer Catrin Striebeck im Theater oder Kino gesehen hat, vergisst sie nicht so schnell – so intensiv lotet sie die Facetten ihrer Figuren aus. Schon mit neun Jahren stand sie in Hamburg unter der Regie ihres Vaters Peter Striebeck auf der Bühne. Nach dem Studium am Max-Reinhardt-Seminar und Stationen in Mannheim, Stuttgart, Bochum, Berlin und Hamburg gehört sie seit 2009 zum Ensemble des Wiener Burgtheaters. Bekannt wurde sie mit zahlreichen Rollen in TV-Serien („Tatort“) und Kinofilmen (u.a. „Gegen die Wand“ von Fatih Akin). Jetzt spielt sie im IS-Drama „Das Milan Protokoll“ eine deutsche Ärztin, die in der kurdischen Region im Norden Iraks für eine Hilfsorganisation arbeitet. Bei einer Grenzfahrt wird sie von einer sunnitischen Islamistengruppe gekidnappt. Will sie überleben, muss sie sich in dem tödlichen Geflecht von Intrigen und Interessen behaupten. Der Film, eine WDR-Koproduktion, läuft seit dem 18. Januar in den Kinos.
    Ein Magier auf der Möbelmesse: Designer Marcel Wanders:
    Er gilt als Zauberer unter den Designern: der Niederländer Marcel Wanders. Bekannt ist er für seine spielerischen, detailverliebten Entwürfe – vom barocken Kronleuchter bis zum extravaganten Ledersessel mit aufgestickter Monsterfratze. Sein geflochtener Stuhl „Knotted Chair“ ist mittlerweile ein Klassiker. So unterschiedlich seine Werke sind – eines ist ihnen gemeinsam: Sie fallen auf und setzen Trends. So wie auch Marcel Wanders den großen Auftritt liebt. Vor wenigen Tagen wurde der 54-Jährige im Rahmen der Internationalen Möbelmesse Köln zum Designer des Jahres 2018 gekürt. Westart gratuliert! (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.01.2018WDR
  • Folge 16
    Wie wollen wir wohnen? Wohnkonzepte der Zukunft:
    Wohnen wollen alle. Wohnen müssen alle. Aber nicht alle finden so leicht ein Dach über dem Kopf. Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware – vor allem in den Großstädten, in denen viele Menschen leben möchten. Die Mieten explodieren. Oft drängen sich Hundert Interessenten bei einem Besichtigungstermin. Gründe gibt es viele: zu wenig Sozialwohnungen, steigende Baukosten, der Trend zur Gentrifizierung. Neue Lebensstile und Familienmodelle verlangen außerdem flexiblere Lösungen als das Häuschen im Grünen oder „3 Zimmer, Küche, Bad“. Wie ist der Stand in NRW? Westart schaut auf zukunftsweisende Beispiele, die den urbanen Anforderungen gerecht werden. Die Schau „Alle wollen wohnen. Gerecht. Sozial. Bezahlbar“ des Museums für Architektur und Ingenierkunst NRW (M:AI) setzt hierfür wichtige Impulse zum Umdenken. Zu sehen ab 1.Februar in Essen.
    Der Außerirdische: Endspurt zur Premiere des Musicals „Lazarus“:
    „Absolute Beginners“, „Heroes“ oder „This Is Not America“ – das sind Welthits von David Bowie, die auch in „Lazarus“ zu hören sind, dem einzigen Musical, das der 2016 verstorbene Musiker geschrieben hat. Es erzählt die Geschichte des Außerirdischen Thomas Jerome Newton, den er selbst 1976 in dem Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ gespielt hat. Das Musical setzt ein, wo der Film aufhört. Newtons Mission, auf der Erde Wasser für seinen Wüstenplaneten zu finden, ist gescheitert, seine große Liebe zerbrochen.
    Verfolgt von den Dämonen der Vergangenheit, ertränkt er seinen Kummer im Gin und sucht nach Erlösung: der Rückkehr zu den Sternen. Am 3. Februar hat „Lazarus“ am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere. Matthias Hartmann inszeniert die deutschsprachige Erstaufführung, der norwegische Performer und Sänger Hans Petter Melø Dahl spielt die Hauptrolle. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Westart ist bei den Proben dabei und zeigt am 5. Februar um 23:20 Uhr eine ausführliche Reportage über „David Bowies Gruß aus dem Jenseits“.
    Schicht im Schacht: Abschied von der Kohle:
    Wenn in diesem Jahr die Zeche „Prosper-Haniel“ in Bottrop und das Bergwerk Ibbenbüren schließen, geht eine Ära zu Ende. 200 Jahre lang hat der Steinkohlebergbau den Ruhrpott geprägt. Ibbenbüren blickt sogar auf 500 Jahre Bergbaugeschichte zurück. Nun also ist Schluss: Schluss mit Kohle und Stahl, Schluss mit der fürs Revier typischen Arbeiterkultur. Mehr als 20 Ausstellungen erinnern in diesem Jahr an die Epoche des schwarzen Goldes. Den Auftakt macht das Ruhr Museum Essen mit Josef Stoffels’ Fotografien, die in den 50er- und 60er-Jahren entstanden. Sie zeigen Steinkohlezechen aus der Region, aber auch den Alltag der Kumpel und ihrer Familien. Zu sehen sind sie bis zum 2. September 2018.
    Bei Westart zu Gast: der Musiker Bernd Begemann:
    Er ist einer der besten Live-Entertainer Deutschlands: der Musiker und Songwriter Bernd Begemann. Vor Ewigkeiten kam er aus der westfälischen Provinz in den Norden. Schon in den 80ern erhielt er seinen ersten Plattenvertrag und prägte mit der Band „Die Antwort“ die „Hamburger Schule“. Seine Lieder treffen den Nerv der Zeit. Er singt von großen und kleinen Gefühlen, von Liebe und Leid, vom Scheitern und Weitermachen. Zurzeit ist er auf Tour und tritt u.a. am 22. Februar in Paderborn und am 23. Februar in Dortmund auf. Gerade ist sein neues Album „Die Stadt und das Mädchen“ erschienen: Bernd Begemann ganz minimalistisch, nur von einem Piano begleitet. Was ihn, den Meister der Bühnenshow, an der intimen Form reizt, erzählt er bei Westart.
    Zeichen, Worte, Universen: Ausstellung von Mary Bauermeister in Bergisch Gladbach:
    „Wir waren ästhetische Terroristen und wollten die Gesellschaft verändern“, erinnert sich Mary Bauermeister, die Grande Dame des Fluxus, an die Anfänge der Kunstbewegung in den 60er-Jahren. Heute ist sie eine der weltweit renommiertesten Künstlerinnen aus dem Bergischen Land. Ihr Werk umspannt fast sechs Jahrzehnte und ist ebenso schillernd wie ihre Persönlichkeit. Schon früh experimentierte sie mit ungewöhnlichen Materialien wie Prismen und Linsen, Spiegeln und Steinen. 1962 sorgte sie gleich mit ihrer ersten Einzelausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum für Furore. Das Kunstmuseum Villa Zanders in Bergisch Gladbach zeigt bis zum 8. April einen Querschnitt ihrer Arbeiten, in denen Chiffren und Schriftzeichen, Worte und Zitate eine Rolle spielen. „Meine Werke sind Tagebücher meines Weltverstehens, meines Welterlebens“, sagt Mary Bauermeister. Westart-Reporterin Anja Backhaus hat darin geblättert. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 29.01.2018WDR

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