2024, Folge 1–25

derzeit in Arbeit
  • Folge 1 (45 Min.)
    Februar 2020. Die „Kappensitzung“ im nordrhein-westfälischen Kreis Heinsberg wird in die Geschichte eingehen. Denn diese Karnevalssitzung wird zum Superspreader-Event. Es ist der Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland. Das Virus breitet sich schnell aus. Die Politik muss schnell handeln – und befindet sich von Anfang an in einem Dilemma. „Natürlich gibt es diesen unbändigen Wunsch nach Freiheit bei uns allen, gleichzeitig gab es diese riesige Sorge, was das Virus alles anstellen kann“, erinnert sich Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt an die Diskussionsrunden im Kanzleramt.
    NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte „viele schlaflose Nächte, logisch. Das bleibt einem nicht nur in den Knochen hängen, man hat auch ein Gewissen.“ Drei Wochen nach dem Corona-Ausbruch im Kreis Heinsberg wendet sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Fernsehansprache an die Deutschen. Mit den steigenden Infektionszahlen wächst die Sorge vor der Überlastung des Gesundheitssystems. Es folgt der erste Lock-Down. Das öffentliche Leben pausiert. Soziale Kontakte werden auf ein Minimum eingeschränkt. Für die meisten Menschen eine neue, noch nie dagewesene Situation.
    Masken und Schutzkleidung, sind nicht ausreichend vorhanden und können nicht schnell genug importiert werden. „Ich glaube, dass das eine ganz wichtige Lehre aus der Pandemie ist, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir uns in Deutschland und in Europa mit wichtigen Produkten nicht zu sehr abhängig machen von unsicheren Staaten“, sagt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann heute. Doch die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes in Deutschland gelingt. Nach fünf Monaten wird der erste geliefert und eingesetzt. Aber die Erwartung, mit der Impfung die Pandemie schnell zu beenden, wird nur teilweise eingelöst – denn auch Geimpfte übertragen weiterhin das Virus.
    Und die Impfung schützt nicht zuverlässig vor Long Covid. Geschätzt rund 2,5 Millionen Menschen sind in Deutschland davon betroffen – und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die Dokumentation gibt einen intimen Einblick in die Entscheidungen der Bundes- und Landesregierung und zieht gemeinsam mit Politikern und Expertinnen und Experten Bilanz: Wie blicken sie mit dem heutigen Wissensstand auf die Pandemie und auf ihre Entscheidungen und Einschätzungen? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 10.01.2024 WDR
  • Folge 2 (45 Min.)
    Sich gegen die Regierung und gegen die islamischen Regeln zu äußern ist gefährlich im Iran. Es drohen Haft, Folter und im schlimmsten Fall sogar der Tod. Die Doku „Inside Iran“ gibt Iranerinnen und Iranern eine Stimme, die im letzten Jahr gegen das Regime auf die Straße gegangen sind – und viel riskiert haben. Das Land hat im vergangenen Jahr die heftigsten und größten Proteste seit Jahrzehnten erlebt – aber auch deren Niederschlagung. Auslöser war der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie war im September 2022 von der sogenannten Sittenpolizei festgenommen worden, weil sie angeblich gegen die strikte Kleiderordnung verstoßen hatte.
    Der Vorwurf: Sie kam ums Leben, nachdem sie in Haft geschlagen worden war. Der Tod der jungen Frau war wie ein Funke, der Proteste entzündete, der die Unzufriedenheit der Menschen im Land ans Licht brachte. Frauen gingen ohne Kopftuch auf die Straße, schnitten sich die Haare ab – als Zeichen der Trauer und des selbstbestimmten Lebens. Tausende gingen über Monate auf die Straße, um unter dem Spruch „Frau – Leben – Freiheit“ gegen die Regierung und das Kopftuch, als Symbol der Unterdrückung, zu demonstrieren.
    Die Proteste wurden von der islamischen Führung schließlich gewaltsam niedergeschlagen. Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass dabei 500 Menschen getötet wurden, hunderte verletzt und tausende wurden festgenommen. Mindestens sieben Männer sollen im Zusammenhang mit den Protesten hingerichtet worden sein. „Inside Iran“ dreht undercover im Land und berichtet davon, wie die Proteste und die brutale Reaktion der Herrschenden das Leben der Menschen verändert haben. Und, wie die Lage im Land heute ist – gut ein Jahr nach dem Tod von Jina Mahsa Amini. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 17.01.2024 WDR
  • Folge 3 (45 Min.)
    Paul spielt leidenschaftlich FIFA, das berühmte Fußballsimulationsspiel von Electronic Arts (EA). Dort tritt er online gegen andere Gamer an. Der Schlüssel zum Erfolg in diesem Spiel liegt in der Qualität der Spieler: Top-Stars wie Mbappé, Messi und Ronaldo sind besonders begehrt. Um in FIFA an hochkarätige Spieler zu gelangen, setzt Paul auf das Öffnen von sogenannten Lootboxen. Diese virtuellen Beutekisten enthalten zufällige digitale Artikel, in diesem Fall Fußballspieler, die das Spielerlebnis verbessern können.
    Allerdings bleibt der Inhalt bis zum Öffnen der Box unbekannt. Oft enthalten die Lootboxen Spieler, die für Pauls Team nicht wertvoll sind, was sie unbrauchbar macht. Ob ein Spitzenspieler dabei ist, ist reine Glückssache, ähnlich wie bei einer Wundertüte. Ist in einem Paket nichts Brauchbares, versucht man schnell beim nächsten Paket sein Glück. Die Krux daran: Die Lootboxen kann man über eine lange Zeit erspielen oder – mit echtem Geld kaufen. So hat der 17-jährige Paul über 800 Euro verzockt. „Man denkt jedes Mal, wenn ich das jetzt noch investiere, dann ist der gute Spieler drin“, erzählt Paul.
    Sein Vater hat davon lange nichts gewusst. Die Lootboxen gehören seit Jahren zur Gaming-Landschaft. In den meisten Spielen sind sie mittlerweile fest verankert und eine Haupteinnahmequelle für Videospielhersteller. Diese Praxis wird jedoch von Verbraucherschützern kritisch gesehen, da Lootboxen Elemente von Glücksspielen aufweisen und viele der Spiele, in denen sie vorkommen, für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren zugelassen sind.
    Suchtexpert:innen warnen vor den potenziellen Gefahren, die mit Lootboxen verbunden sind. Sie weisen darauf hin, dass das Glücksspielsuchtverhalten vieler Menschen oft ihren Ursprung in diesen Spielelementen hat. Doch trotz Suchtpotenzial und Glücksspielmechanismen ist der Zugang der Spiele für Kinder weiterhin problemlos möglich. Wie kann das sein? Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagt: „Computerspiele müssen für Kinder und Jugendliche sicher sein“ und verweist auf die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK).
    Diese wiederum beruft sich auf die gesetzliche Grundlage. Im Gegensatz zu herkömmlichen Glücksspielautomaten bieten Videospiele keine Möglichkeit, echtes Geld zu gewinnen. Dies führt dazu, dass Lootboxen in Videospielen rechtlich nicht als Glücksspiel klassifiziert werden, obwohl sie ähnlich funktionieren. Doch noch bleiben in Deutschland alle untätig. In Ländern wie Belgien sind Lootboxen hingegen längst verboten. Auch die 12-jährige Alena ist bestens vertraut mit den digitalen Wundertüten: Mit ihren Freundinnen spielt sie Genshin Impact.
    Ein Rollen-Abenteuerspiel in einer Fantasywelt. Für neue Spielcharaktere, Werkzeuge und auch Waffen gibt es in ihrem Lieblingsspiel Lootboxen – mit Spielwährung bezahlt – bei denen der scheinbare Zufall entscheidet, was Spieler oder Spielerinnen für digitale Artikel bekommen. Für Alena ist es mittlerweile völlig normal geworden, ihr Taschengeld in dieses zufällige Glück zu investieren. Die Story zeigt, welche Gefahren im Verkauf von digitalen Lootboxen stecken und warum Kinder in Deutschland davor bislang nicht geschützt werden. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Do. 25.01.2024 Phoenix
  • Folge 4 (45 Min.)
    Illegale Autorennen und Raserei sind ein lebensgefährliches Problem auf deutschen Straßen. Ob Ampel-Duelle in der Innenstadt oder verbotenes Kräftemessen auf der Autobahn – das Rasen findet kein Ende. Obwohl der Gesetzgeber 2017 mit dem sogenannten „Raser-Paragraf“ die Strafen drastisch erhöht hat, kam es zwischen 2019 und 2021 bei angezeigten Delikten zu einem Anstieg von über 100%. Die abschreckende Wirkung bleibt aus. Politik, Ermittlungsbehörden, aber auch die Automobilindustrie, müssen sich fragen lassen, wie sich das Phänomen illegaler Rennen auf Dauer ausbremsen lässt.
    Zwangsläufig spielt dabei auch das Reizthema „Tempolimit“ eine bedeutende Rolle. Im Spätsommer 2019 kommt es nachts auf der A95 bei Starnberg bei mehr als 300 km/​h zu einem Horror-Crash. Zwei Freunde, 22 und 23 Jahre jung, hatten sich einen 600 PS starken Audi R8 geliehen mit dem Ziel die Grenzen des Sportwagens auszutesten. Tagsüber haben sie 149 mal die erlaubte Geschwindigkeit überschritten, bevor es nachts zum tragischen Unfall kommt. Ben Apostoli verstirbt noch an der Unfallstelle.
    Alex K. überlebt und behauptet, der Beifahrer gewesen zu sein. Auch wenn der Polizei an dieser Darstellung schnell Zweifel kommen, braucht die Unfallanalyse viele Monate, bis ein belastbares Ergebnis über die Ereignisse der Unfallnacht vorliegen. Erst im Mai 2021 veröffentlicht die Staatsanwaltschaft das Gutachten, in dem festgestellt wird: Nicht Ben saß zum Zeitpunkt des Unfalls am Steuer, sondern Alex K. Gegen ihn erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage wegen „verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit fahrlässiger Tötung“.
    Anhand dieses Falls, der ab Februar 2023 in München vor Gericht verhandelt wurde, begibt sich der Film auf Spurensuche nach Ursachen und Tätern. Wer sind die Raser, die billigend das Leben unbeteiligter Verkehrsteilnehmer in Gefahr bringen? Niko Klassen, ehemaliger Raser, erzählt eindrucksvoll über seine persönlichen Erfahrungen, die ihn schlussendlich bekehrt haben. Die Schweizer Verkehrspsychologin Jacqueline Bächli-Biétry sagt „Das Problem bei den Rasern ist häufig ihre unglaubliche Selbstüberschätzung, die denken wirklich, die hätten das im Griff, was sie da tun.“ Die Möglichkeiten ihnen Einhalt zu gebieten, beschränken sich nicht nur auf Verbote und härtere Strafen.
    Die Polizei kontrolliert mehr und regelmäßiger, sucht auch den offenen Dialog mit potenziellen Tätern, um präventiv einzuwirken. Dennoch steigen die Fallzahlen. Allein in Berlin behandelt Oberamtsanwalt Andreas Winkelmann, der eine Spezialeinheit gegen illegale Rennen leitet, pro Jahr etwa 800 Fälle. Ein Problem, mit dem er ständig konfrontiert ist, sind Autovermieter, die Fahranfängern hochmotorisierte PKW überlassen.
    „Da kommen dann drei, vier Jungs hin, legen zusammen, und wollen natürlich testen und zeigen, dass sie mit diesen Autos umgehen können. Dass da mitunter die Katastrophe vorprogrammiert ist, ist außer Frage.“ Wer über Raser und illegale Autorennen spricht, kommt am Thema „Tempolimit“ nicht vorbei. Dennoch blockiert die Politik weiterhin und auch die Automobilindustrie will es nicht flächendeckend. Der ADAC, dessen Mitglieder beim Tempolimit uneins sind, spricht daher offiziell keine Empfehlung aus.
    Im Gegensatz zur Verkehrspsychologin Bächli-Biétry: „Die Geschwindigkeit ist hoch sicherheitsrelevant und mit einem Geschwindigkeitslimit in Deutschland, man kann es nicht anders sagen, könnte man ganz viele Leben retten“. In München wird Alex K. vom Amtsgericht zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Wie so häufig wird auch dieses „Raser-Urteil“ von der Öffentlichkeit als zu milde empfunden. Recht und Gerechtigkeit liegen beim Thema illegale Autorennen oft weit auseinander. Kreative Lösungen sind gefragt, die auch abseits von Strafen das Problem an der Wurzel packen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 31.01.2024 WDR
  • Folge 5 (45 Min.)
    Die Pleite schlug in Deutschland ein wie eine Bombe. Der Zusammenbruch der SIGNA-Gruppe des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko könnte auch hierzulande Milliardenschäden nach sich ziehen: Hunderte Millionen Euro an Krediten deutscher Banken sind in Gefahr. Dutzende Großbaustellen in prominenten Lagen deutscher Städte stehen still. Galeria Karstadt Kaufhof muss eine dritte Insolvenz befürchten; die knapp 700 Millionen Euro Steuergelder, die vom sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds an den Warenhauskonzern flossen, wird man wohl auch abschreiben müssen.
    Wie nur konnte ein ehrgeiziger Aufsteiger ohne Schulabschluss Banker, Investoren und nicht zuletzt die Politik derart hinters Licht führen? Warum schaute niemand von ihnen hinter die Fassade der glänzenden Erfolgsstory, die offenbar auf hochriskanten Geschäften mit größtenteils geliehenem Geld basierte? Die Story-Autoren Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann haben bereits vor drei Jahren auf die dubiosen Geschäfte des René Benko aufmerksam gemacht und begonnen, dessen undurchsichtiges Unternehmenskonstrukt zu durchleuchten.
    Benkos SIGNA-Gruppe hat über Jahre hinweg nur unzureichend oder gar keine Firmenbilanzen veröffentlicht. Dies nährt den Verdacht, dass ganz bewusst Einblicke in die tatsächliche Finanzkraft seines Imperiums verhindert werden sollten. Hinzu kamen kaum nachvollziehbare Milliarden-Transaktionen u. a. über Stiftungen in Liechtenstein und Österreich und dubiose Geschäftspartner im In- und Ausland. Und hinter allem ein politisches Netzwerk, ein Beziehungsgeflecht aus Günstlingen und Profiteuren, dessen Verästelungen nun auch in Deutschland sichtbar werden.
    Für Großprojekte wie den Hamburger Elbtower, Mega-Projekte in Berlin und München und nicht zuletzt seinen maroden Galeria-Karstadt-Kaufhof-Konzern hatte Benko auch in Deutschland ein feines Netz von Lobbyisten und Strippenziehern gesponnen, mit Verbindungen bis in höchste Etagen der deutschen Politik: So waren u. a. die PR-Agenturen des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust und die von Ex-Außenminister Joschka Fischer für Benko im Einsatz, in Österreich stellten die ehemaligen Bundeskanzler Gusenbauer und Kurz insgesamt fast zehn Millionen Euro Beratungsleistungen in Rechnung.
    Gusenbauer, ein langjähriger Bekannter von Bundeskanzler Olaf Scholz, will die Gewährung der 700 Millionen Euro Staatshilfen für Galeria Karstadt Kaufhof zugunsten Benkos beeinflusst haben. Politische Einflussnahme gegen Geld? Ein schwerwiegender Verdacht, dem die Autoren in ihrer dritten Dokumentation über René Benko nachgehen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 14.02.2024 WDRDeutsche Streaming-Premiere Mi. 07.02.2024 ARD Mediathek
  • Folge 6 (45 Min.)
    Vor zwei Jahren, im Februar 2022, begann der russische Angriff auf die gesamte Ukraine. Immer noch wird gekämpft, und auch aktuell überzieht Russland das Nachbarland wieder mit heftigen Angriffen – auch die Hauptstadt Kiew. Der Krieg ging aber schon viel früher los: vor zehn Jahren, als die Menschen in der Hauptstadt auf dem Maidan für eine unabhängige Ukraine kämpften. „Seitdem müssen wir die Freiheit, für die wir uns damals entschieden haben, gegen Russland verteidigen“, sagt Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk.
    Die Menschenrechtsanwältin ist das Gesicht der ukrainischen Bürgerrechtsbewegung. Sie macht auf der ganzen Welt auf die russischen Kriegsverbrechen aufmerksam, pendelt zwischen Luftalarmen und Gala-Veranstaltungen. Es ist, als wäre damals, vor zehn Jahren auf dem Maidan, eine neue ukrainische Gesellschaft geboren worden. Auch wenn in den Nachrichten vor allem die letzten zwei Jahre dominiert haben, es sind die letzten zehn, die das Land und die Menschen grundlegend verändert haben.
    Sie liefern auch die Erklärung für den Kampfeswillen und für die Kraft, die viele Menschen im Land antreibt. Die „Revolution der Würde“ brachte damals Millionen von Menschen zusammen. Viele erlebten erstmals, was es bedeutet, für ein gemeinsames Ziel zu arbeiten. Dieser Gesellschaftsvertrag gilt bis heute. Während der Proteste auf dem Maidan hat das Volk gezeigt, wer die Macht hat, sagt Julia Maruschewska, 34. Ihr Aufruf 2014 auf dem Maidan gegen korrupte Politiker wurde millionenfach geklickt.
    Maruschewska wurde zu einem der Gesichter der Revolution. Anders als Matwijtschuk hat sich Maruschewska entschieden, innerhalb der politischen Strukturen gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu kämpfen. Nun will sie unter dem neuen Verteidigungsminister das immer wieder in der Kritik stehende Ministerium aufräumen. Mychajlo Puryschew führte 2014 einen Nachtclub in Mariupol. Der Maidan war für ihn kein Gemeinschaftserlebnis – er sollte das Land spalten, so sah er das damals.
    Heute sieht er im Maidan den Ursprung für den ukrainischen Unabhängigkeitskampf. Seine Front ist das Ehrenamt. Puryschew hat ein Team an Freiwilligen aufgebaut. Mit inzwischen drei Minibussen fahren sie an heftig umkämpfte Orte der Ukraine, graben Brunnen und versorgen die Menschen mit dem Nötigsten. Puryschew, 42, hatte schon zwei Herzinfarkte und riskiert trotzdem weiter sein Leben. Chefarzt Serhij Ryschenko erlebt den Kampf schon seit zehn Jahren unmittelbar. Er leitet eine Klinik in Dnipro, im Osten der Ukraine.
    2014 hat Ryschenko erstmals im OP gesehen, wie Krieg aussieht, wie er riecht. Oft fühle er sich heute wie an der Front, sagt der Chefarzt. Täglich werden in seinem Krankenhaus Soldaten von der gesamten Front behandelt und dann in andere Krankenhäuser im ganzen Land verlegt. Er ist in den letzten Jahren durch Höhen und Tiefen gegangen – aber zweifelt nicht: „Wir werden nicht aufgeben, für die Zukunft unserer Kinder zu kämpfen, und wenn es unser ganzes Leben dauert.“ Für die Story „Seit 10 Jahren Krieg – Wie die Ukraine für ihre Freiheit kämpft“ treffen die ARD-Korrespondenten Vassili Golod und Birgit Virnich Menschen, die seit zehn Jahren für die Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Ukraine kämpfen oder diese Entwicklung zunächst nur beobachtet haben.
    Die Autoren begleiten diese Menschen im Alltag und blicken mit ihnen anhand von Archivmaterial zurück. Was lässt sich aus der Entwicklung der letzten zehn Jahre lernen? Was bedeutet das die Zukunft der Ukraine? Und: Wie hoch ist der Preis für die Freiheit der Ukraine? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 21.02.2024 WDRDeutsche Streaming-Premiere Sa. 17.02.2024 ARD Mediathek
  • Folge 7 (30 Min.)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 06.03.2024 WDR
  • Folge 8 (45 Min.)
    Hört dein Arzt dir zu? Oder läuft es in einer Sprechstunde eher wie am Fließband: „Rein, Diagnose, zack, raus, der Nächste bitte“?! Für jeden Patienten, jede Patientin bleiben im Schnitt 9,5 Minuten, weit weniger als in den meisten anderen Ländern. Die Doku macht sich auf die Suche nach der verloren gegangenen Zeit im Sprechzimmer und berichtet über das „Hamsterrad“ Arztpraxis. Hört dein Arzt dir zu? Oder läuft es in einer Sprechstunde eher wie am Fließband: „Rein, Diagnose, zack, raus, der Nächste bitte“?! Für jeden Patienten, jede Patientin bleiben im Schnitt 9,5 Minuten, weit weniger als in den meisten anderen Ländern.
    Wenn mit Patient:innen in einer Praxis nicht richtig gesprochen wird, kann das schlimme Folgen haben. Was also, wenn Gesprächszeit ein Medikament für den Gesundheitsmarkt wäre? Für diesen Film lassen die Reporterinnen eine Arzneimittelverpackung mit dem Fantasienamen „Redemer forte“ drucken. Sie stellen ihr „Präparat“ der Fachwelt vor: Redezeit in unterschiedlicher Dosierung, frei von Nebenwirkungen, hochwirksam, sehr kostengünstig! Hat „Redemer forte“ das Zeug zum Blockbuster? Und was wird der Gesundheitsminister zu dieser „Neuentwicklung“ sagen? Die „ARD Story“ über Patient:innen und Ärzt:innen im Hamsterrad, Blockierer und Menschen, die Lösungen vorleben. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 20.03.2024 WDR
  • Folge 9 (45 Min.)
    Ostern steht für Frühling, für Erneuerung und für ein positives Lebensgefühl. Das Schönste für viele Kinder an Ostern ist die Suche nach einem Schokoladenhasen. Der ist ein Klassiker, allein vergangenes Jahr wurden in Deutschland 160 Millionen Stück produziert. Die WDR-Story recherchiert, wo und wie die Schokolade für diese Produktionen entsteht. Die Schokoladenindustrie hat sich vor über 20 Jahren vertraglich dazu verpflichtet, bis 2007 keine Kinderarbeit mehr auf den Kakaoplantagen zuzulassen.
    Wir wollen wissen: Halten sich die Konzerne daran? Auf einer Reise durch Westafrika wird klar: 23 Jahre nach Unterzeichnung des Vertrages gibt es mehr Kinder auf den Kakaoplantagen als je zuvor, was auch aktuelle Zahlen der NORC, dem Forschungsinstitut an der University of Chicago, bestätigen. Die Elfenbeinküste ist der größte Kakaoproduzenten der Welt, hier zeigt sich dem Reporterteam ein erschütterndes Bild. Auf nahezu allen Plantagen arbeiten Kinder. Oft sind es jedoch nicht die Kinder der Farmer, sondern sogenannte ,,Sklavenkinder’’.
    Aus purer Verzweiflung sind Eltern in Mali oder Burkina Faso offenbar gezwungen, ihre eigenen Kinder in die Elfenbeinküste als Arbeitskräfte zu schicken, da sie sie nicht mehr ernähren können. In dem afrikanischen Land müssen bereits 12-jährige Kinder von morgens bis abends auf den Plantagen schuften. Sie haben keine Chance, in die Schule zu gehen. Die Arbeit ist körperlich extrem hart, für ihre Nahrung müssen die Kinder selbst sorgen, wenn sie Glück haben dürfen sie sich schon mal ein paar Rüben zum Essen anbauen.
    „Wenn wir mal Fleisch essen wollen, müssen wir Ratten jagen“, erzählt der 13-jährige Marcelin, der mit seinen gleichaltrigen Leidensgenossen auf einer Plantage nahe der Liberianischen Grenze arbeitet. Experten schätzen, dass rund 12.000 Kinder unter solchen Umständen in der Elfenbeinküste arbeiten. Nicht nur für die Kinder, auch für die Natur ist der weltweit steigende Konsum nach Schokolade eine Katastrophe. Um immer mehr Kakao anzupflanzen, muss der Urwald weichen.
    Jedes Jahr werden enorme Flächen des Waldes gerodet, um Platz zu schaffen für das süße, braune Gold. Viele, die in der Elfenbeinküste mit Kakao zu tun haben, werden ausgebeutet: vom Kind bis hin zur Natur. Auch die Hafenarbeiter, die den Kakao nach Europa verladen, verdienen fast nichts. Aus diesem Grund gibt es für sie nur ein Thema: Die Flucht nach Europa. Ein kleiner Lichtblick: In der Karibik beispielsweise setzt die Dominikanische Republik auf fairen Bioanbau.
    In dem Inselstaat gibt es kaum Kinderarbeit und eine einigermaßen vernünftige Bezahlung für die Kakaofarmer. Der Kakao aus der Karibik macht zwar nicht einmal zwei Prozent des weltweiten Kakaovolumens aus, aber hier zeigt sich, wie es gehen könnte. Auch in Deutschland kann man Schokoladenhasen aus der Karibik kaufen. Doch hierzulande gibt es nur einige Firmen, die bestimmte, fairere Standards einhalten. Die Story „Die Wahrheit hinter dem Schokohasen“ ist eine packende Recherchereise über Schokolade – mit erschütternden Ergebnissen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 27.03.2024 WDR
  • Folge 10 (45 Min.)
    „I’m still a Trump girl“ steht in großen Lettern auf dem roten Shirt von Sharon Anderson. Die 67-Jährige fährt kreuz und quer durch die USA, um ihr Idol Donald Trump zu unterstützen. Zur Finanzierung der Reisen verkauft sie selbstgemachten Holunder-Sirup. Mit Trump als Präsidenten habe sie sich „sicherer“ und mehr „respektiert“ in der Welt gefühlt. Sie ist felsenfest davon überzeugt, dass die Wahl 2020 gestohlen wurde, obwohl es weder Hinweise noch Belege dafür gibt. Wenn Donald Trump in diesem Jahr nicht zum Präsidenten gewählt werden sollte, will sie „versuchen, ein Unrecht wiedergutzumachen“, sagt Sharon.
    Mit welchen Mitteln auch immer. Es scheint, als könne dieser Wahlkampf gar nicht friedlich enden. Während der amtierende Präsident Joe Biden seine erneute Kandidatur mit 81 Jahren damit begründet, die Demokratie in den USA retten zu müssen, gibt der nur wenig jüngere Ex-Präsident Donald Trump an, er werde nach seiner Wiederwahl für einen Tag Diktator sein. Wohl um die Entscheidungen der vergangenen Jahre zu ändern, Unterstützung für den Westen inklusive.
    Beide Männer nehmen für sich in Anspruch, die Wahrheit zu sagen – und klingen dabei doch komplett unterschiedlich. Das Land, das sie regieren wollen, ist seit Jahren politisch gespalten, die verschiedenen Lager stehen sich immer sprachloser gegenüber. Wie lange kann das gutgehen? Zudem laufen gegen Donald Trump auch noch zahlreiche Prozesse, so dass am Ende Gerichte den Wahlkampf mitbeeinflussen könnten.
    What the f*, USA? Was zur Hölle ist da los? Gefährdet dieser Wahlkampf die Demokratie in den Vereinigten Staaten? Und wohin bewegt sich das Land? Das fragt sich ARD-Korrespondentin und Studio-Washington-Leiterin Gudrun Engel und bereist verschiedene Regionen, vom ehemaligen Industriegürtel im mittleren Westen über die Prärielandschaften im äußersten Westen bis tief in die Wälder im Süden. In Ohio trifft sie die Studentin Mollie Duffy, die versucht, Studierenden zu mehr politischer Teilhabe zu verhelfen.
    Das amerikanische Wahlsystem ist kompliziert und viele Erstwähler wissen gar nicht, was zu tun ist. Die bürokratischen Hürden sind hoch und die Wahllokale oft weit entfernt vom Wohnort. Es wird immer schwerer, die Stimme abzugeben – auch weil in letzter Zeit viele Vorschriften verschärft wurden. Mollie erlebt immer wieder, wie „voter suppression“ sich ganz konkret bemerkbar macht. Deshalb bringt sie junge Leute mit ihrem „Democracy Bus“ zum Wahl-Lokal. Als eine Generation-Z-Wählerin glaubt sie, dass die Regierenden „Angst vor der Macht der Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung haben“.
    Für den Republikaner James Fales war der Sturm auf das Capitol 2022 eine traumatische Erfahrung, die sein Weltbild erschütterte. In Donald Trump sieht er einen Politiker, der „die Verfassung nicht respektiert“. Eine Gefahr für die Demokratie. In seiner Heimat, im „Cowboyland“ Wyoming, pflegte man früher einmal den „Whisky-Konservatismus“. Bei einem Drink konnte man auch kontroverse politische Themen diskutieren.
    Heute ist die Atmosphäre vergiftet, und sogar die republikanische Partei ist in sich gespalten: in Trump-Befürworter und Trump-Gegner. David Fales gilt inzwischen als Feind in der eigenen Partei, als „RINO“ – „Republican In Name Only“. Der Gewerkschafter Brian Attebery sieht vor allem aufgrund der Desinformation die Demokratie in Gefahr. Seine Frau Callie, Mutter von drei Söhnen, wird deshalb voraussichtlich gar nicht zur Wahl gehen.
    „Man weiß einfach nicht, wie und wo man an gute Informationen kommen kann“. Für ihren Ehemann ist hingegen klar, dass jede Stimme zählt und auch gehört werden muss. Deshalb macht er nach Feierabend Haustür-Wahlkampf für die Demokraten. Ein mühsames Geschäft, denn meistens landet er vor verschlossenen Haustüren. Die Weltspiegel Doku „What the f*, USA?!“ ist eine Reise durch ein Land, das im November die Wahl hat zwischen zwei Richtungen. Und, wie es scheint, wohl auch wieder zwischen den beiden Kandidaten, die schon vor vier Jahren angetreten sind, nur diesmal unter verschärften Vorzeichen. (Text: tagesschau24)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 03.04.2024 WDR
  • Folge 11 (45 Min.)
    Monika Weiser und ihr Mann Thomas haben zwei Jahre lang um ihre Wohnung gekämpft. 2020 hatten die Krankenschwester und der Altenpfleger, Eltern von vier Kindern, eine Eigenbedarfskündigung für ihre Wohnung erhalten, eine Sozialwohnung, deren Bindung bald auslaufen würde. Das Mehrfamilienhaus liegt in einer begehrten Wohngegend mit stetig steigenden Mieten. Es war gerade verkauft worden, da meldeten die neuen Eigentümer mehrfach Eigenbedarf an: Sie wollten einen Teil der attraktiven Wohnungen selber nutzen. Für die Familie Weiser eine Katastrophe, denn einen Wohnungsmarkt für bezahlbaren Wohnraum gibt es in Köln praktisch nicht.
    Ihre Wohnungssuche blieb über zwei Jahre praktisch ergebnislos. In Zusammenarbeit mit dem Competence Center Datenjournalismus des WDR zeigen wir: In anderen deutschen Großstädten und Ballungsgebieten mit hohen Mietpreisen sieht es ähnlich aus. Die Politik bekommt die Wohnungsnot nicht in den Griff, das Problem ist inzwischen chronisch und sorgt für sozialen Zündstoff. Denn während neue Wohnungen fehlen, vor allem Sozialwohnungen, schmilzt der Bestand an vorhandenem, bezahlbarem Wohnraum zusehends. Die Folge: Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen werden aus den Städten verdrängt.
    Dabei spielen Eigenbedarfskündigungen eine beachtliche Rolle. Die Mietervereine melden bundesweit, dass die Zahl der Beratungen im Fall von Eigenbedarfskündigung deutlich steigt. Sie sind die einzige Möglichkeit für private Eigentümer, ihre Mieterinnen und Mieter auf recht einfache Art los zu werden. Ärgerlich für die gekündigten Mieterinnen und Mieter, wenn dann auf einen behaupteten Eigenbedarf in manchen Fällen gar nicht der Einzug des Eigentümers folgt. Eine leere Wohnung ohne Mieter ist dort, wo Wohnraum teuer ist, eine Goldgrube.
    Denn steht das Haus leer, lässt sich besser sanieren, teurer verkaufen oder teurer vermieten. Auch im Fall der Familie Weiser und ihrer Nachbarn, die wir durch ihre Klagen begleitet haben, tauchen im Verlauf der Räumungsklagen überraschende Erkenntnisse auf. Welche Konsequenzen eine Eigenbedarfskündigung für das Leben der Mieterinnen und Mieter hat, was solche Kündigungen bei angespannten Wohnungsmärkten bedeuten und aus welchem Rechts- und Eigentumsverständnis heraus es sie gibt, das erzählt dieser Film.
    Und auch, wie schutzlos und ausgeliefert sich Mieterinnen und Mieter fühlen – von der Politik im Stich gelassen. So wie Monika Weiser, die den Wahlkampfversprechen der Parteien nicht mehr glaubt: „Vor allen Wahlen wollen sie die Wohnungsnot bekämpfen. Und was passiert? Der soziale Wohnraum verliert immer mehr seinen Status, es gibt immer weniger. Und wenn die, die so eine Stadt am Laufen halten – ob es Friseure, Postboten, Verkäuferinnen oder Krankenschwestern sind – wenn die hier nicht mehr leben können, weil es keinen Wohnraum für sie gibt, dann sagt das schon viel über eine Gesellschaft aus.“ (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 10.04.2024 WDR
  • Folge 12 (45 Min.)
    Südafrika hat ein massives Korruptionsproblem. „Je mehr ich nachforschte, desto mehr wurde mir klar, wie tief sich die Korruption hier eingenistet hatte und wie sehr wir davon durchseucht waren“, erzählt André de Ruyter, der ehemalige Vorstandschef des staatlichen Stromversorgers Eskom. Dieser Konzern, der das Monopol für die Stromversorgung besitzt und damit lebenswichtig für die Wirtschaft und die privaten Haushalte ist, produziert seit Jahren vor allem stundenlange Stromausfälle; im vergangenen Jahr dauerten die Blackouts bis zu 12 Stunden am Stück, oft Tage hintereinander. 2019 wurde De Ruyter geholt, um das Land wieder zuverlässig mit Strom zu versorgen.
    Doch als er dafür die kriminellen Machenschaften im Betrieb bekämpfen wollte, die er nach und nach aufdeckte, machte er sich offensichtlich mächtige Feinde. De Ruyter bekam in seinem eigenen Büro eine Tasse Kaffee mit Zyanid serviert, er überlebte die Vergiftung nur knapp. Daraufhin packte er in einem Fernsehinterview aus und machte öffentlich, wie der Konzern von Politikern der Regierungspartei ANC und ihren Geschäftspartnern systematisch ausgeplündert wird. Am Beispiel von Eskom erzählt die WDR Story, wie weit verzweigt das System der Korruption in Südafrika ist, bis hinein in politische Spitzenämter. Die Zeiten, als das Land als Hoffnungsträger für den afrikanischen Kontinent galt, scheinen weit entfernt.
    Zwischenzeitlich hat die Korruption so massive Formen angenommen, dass Experten gar von „State Capture“ reden, von der „Kaperung des Staates“. André de Ruyter, der heute im Exil lebt, ist ein Kronzeuge dieses dramatischen Korruptionssumpfes; zum ersten Mal seit dem Anschlag auf sein Leben berichtet er vor der Kamera von seinen Erfahrungen. Südafrikanische Investigativjournalisten, die der WDR-Story-Autor Dominik von Eisenhart bei ihren Recherchen begleitet, zeigen, dass die Missstände bis heute nicht beendet sind und die Zukunft des Landes sowie der Alltag noch immer von der Korruption überschattet werden. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 17.04.2024 WDR
  • Folge 13 (45 Min.)
    Wenn das Sonntagsbrötchen knusprig auf dem Teller liegt – wer will da an Bürokratie denken? Doch der Weg voller Vorschriften, Verordnungen und Kontrollpflichten ist weit, bis so ein Backwerk ordnungsgemäß auf dem Frühstückstisch landet. Wie das Brötchen ist auch die überbordende Bürokratie in Deutschland in aller Munde. Die WDR Story folgt dem Brötchen auf seinem Weg durch den Wust der Regularien. Vom Landwirt, der den Weizen anbaut, über die Bäckerei, den Fahrer, der die frischen Brötchen ausliefert, bis hin zum Hersteller von Backblech-Spülmaschinen.
    Da braucht es starke Nerven und einen Sinn für Humor. Die Fahndung nach den Ursachen der bürokratischen Überforderung – und möglichen Lösungen – führt die Autorinnen auch nach Berlin und Brüssel. Sie forschen im Bundesjustizministerium, bei der EU-Kommission und sprechen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Bei ihren Recherchen lernen sie Bäcker Eberhard Vielhaber kennen, aus Sundern-Stockum im Sauerland. Er stand jahrelang um 3 Uhr früh in der Backstube – wie schon Vater und Großvater.
    Wer diese Arbeitszeit auf sich nimmt, ist von Leidenschaft getrieben. Aber noch mehr Freude hätte er, wenn nicht über 100 Verordnungen und Auflagen seine Arbeitszeit fressen würden. 4.251 Arbeitsstunden gehen laut Bäcker-Innung pro Jahr nur für Bürokratie drauf. Vielhaber führt den Familienbetrieb mit 28 Filialen gemeinsam mit seinen Töchtern. In ihrer Backstube fahndet die WDR Story nach Sinn und Unsinn des bürokratischen Overkills – wie der jährlichen Gefahrenanalyse für schwangere und stillende Frauen an Arbeitsplätzen, die nur von Männern besetzt sind; oder EU-Richtlinien, die in der Arbeitswirklichkeit des Bäckers besonders absurd erscheinen.
    Auf den Spuren der Brötchenproduktion reist die WDR Story nach Viöl in Schleswig-Holstein, wo Birgit Putz und ihr Mann Backblechputzmaschinen für den deutschen, aber auch für den europäischen Markt produzieren. Die europäische Verpackungsverordnung macht ihnen das Leben schwer. Die Auflagen sind so umfangreich, dass sie überlegen, auf den internationalen Handel – der immerhin ein Viertel ihres Umsatzes ausmacht – ganz zu verzichten.
    Besonders aber ärgert sie die Verordnung EG 881/​2002. Die wurde nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Kraft gesetzt, und seitdem checkt Frau Putz monatlich, ob die Namen ihrer Kunden oder ihrer eigenen Mitarbeiter auf den internationalen Terrorlisten auftauchen. Eine Mittelständlerin macht Terrorfahndung – muss das wirklich sein? Die WDR Story „Die Brötchen-Bürokratie“: Eine journalistische Spurensuche mit Tiefe und einem humorvollen, aber notwendigen Blick auf die aktuelle Frage: Warum gelingt der Bürokratieabbau nicht? Und wie könnte es klappen? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 24.04.2024 WDRDeutsche Streaming-Premiere So. 24.03.2024 ARD Mediathek
  • Folge 14 (65 Min.)
    Sie nennen sich Fancy Bear, Cozy Bear oder Voodoo Bear. Hinter diesen Codenamen verbergen sich Eliteeinheiten der russischen Geheimdienste. Sie gehören zu den gefährlichsten Hackern der Welt. Die Bären waren bereits 2015 im Rechner der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, haben sich in den US-Wahlkampf 2016 eingemischt und beeinflussen aktuell den Ukraine-Krieg. Die Macher des erfolgreichen YouTube-Kanals „Simplicissimus“ sind zurück und erzählen in Koproduktion von Funk mit der ARD in der Doku „Putins Bären“ das zerstörerische Potential von staatlichem Hacking. Dabei entmystifizieren sie mithilfe von führenden deutschen Hackern, Cyberspace-Experten und viel Humor feinsäuberlich die russischen Bären: Wer sind die Menschen dahinter? Wie operieren sie? Und was macht sie so unheimlich gefährlich? (Text: tagesschau24)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 15.05.2024 WDR
  • Folge 15 (45 Min.)
    Seit Wochen sucht Imane einen Therapieplatz. Sie steckt in einer tiefen Lebenskrise und bräuchte dringend Hilfe – findet sie aber nirgendwo. Weil sie keinen Ausweg sieht, versucht Imane sich das Leben zu nehmen. Sie wird gerettet, aber nach ihrem Klinikaufenthalt hat sie erneut das Problem: Sie findet einfach keinen Platz für eine Psychotherapie. Vor allem schwer psychisch erkrankte Menschen wie Imane müssen oft monatelang auf eine Behandlung bei Psychotherapeut:innen mit Kassensitz warten. Wie könnte man die Wartezeit verkürzen? Es gäbe zwar eigentlich genügend Therapeut:innen in Deutschland, aber nicht alle können mit den Krankenkassen abrechnen.
    Daher fordert die Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) seit Jahren, dass mehr Kassenzulassungen erteilt werden müssten. „Vor allem in Ostdeutschland, dem Ruhrgebiet und im ländlichen Raum bräuchte es ein besseres therapeutisches Angebot“, sagt Andrea Beneke, Vorsitzende der BPTK. Das jedoch würde die Krankenkassen mehr Geld kosten und vermutlich zu einer Erhöhung der Mitgliedsbeiträge führen. Aber es ist umstritten, ob eine Erhöhung der Kassensitze die Wartezeiten überhaupt spürbar verkürzen würde.
    Gesundheitsexperte Prof. Tom Bschor sagt: „Wenn das Angebot ausgeweitet wird, wächst auch der Bedarf. Also wenn man mehr Plätze schafft, dann sind die auch alle gleich belegt. Wir müssen andere Maßnahmen ergreifen, um den Zugang zur Psychotherapie zu erleichtern.“ Es würden zu viele Menschen in Einzelpsychotherapien landen, denen auch anders geholfen werden könnte: Etwa durch Gruppentherapien, die genauso effektiv sind wie Einzeltherapien, durch neue digitale Therapieformen oder durch Beratungsstellen. Auch Ute sucht seit langer Zeit vergeblich einen Therapieplatz, weil sie sich von Stimmungstief zu Stimmungstief hangelt.
    Schließlich findet sie Hilfe bei einer Ehe- und Familienberatung. Einem Einzeltherapieplatz braucht sie jetzt erstmal nicht mehr. Ein anderer Patient bekämpft mit einer VR-Brille seine Angststörung. Auch er hätte sonst einen Therapieplatz gesucht, den nun jemand bekommen kann, der ihn vielleicht dringender braucht. Die WDR Story begleitet Menschen bei ihrer schwierigen Suche nach therapeutischer Hilfe und sie zeigt auf, was dazu beitragen könnte, die langen Wartezeiten endlich zu verkürzen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 22.05.2024 WDR
  • Folge 16 (45 Min.)
    Indien ist das Land mit den meisten Menschen auf der Welt – über 1,4 Milliarden. Und die meisten sind jung. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 27 Jahren. Auch wirtschaftlich ist Indien im Kommen – in keinem anderen Land der Welt, wächst die Wirtschaft derart stark. Politisch ist das Land mittlerweile umstritten: Viele werfen Premierminister Narendra Modi vor, sich von einer Demokratie zu entfernen in Richtung eines hinduistisch und nationalistisch geprägten Staates. Im Moment laufen Neuwahlen – bei rund 970 Millionen Wahlberechtigten hat Indien dafür 6 Wochen angesetzt.
    In welche Zukunft steuert das Land? Kann der wirtschaftliche Aufschwung Indien in einigen Jahren an die Weltspitze bringen, so wie sich die Regierung es vorstellt? Wir treffen die junge Generation, die diesen Boom voranbringen könnte, und porträtieren junge Inderinnen und Inder, etwa im Durchschnittsalter des Landes, die aber ansonsten in völlig verschiedenen gesellschaftlichen Schichten leben. Wie sieht ihr Alltag aus? Welche Sorgen, Träume und Wünsche haben sie? Siva Mallikarjuna Reddy lebt in Hyderabad, im einkommensstärksten Bundestaat Telangana.
    Er ist CEO eines Startups, das an antibiotischem Nasenspray forscht. Sein Ziel der weltweite Durchbruch. Seine Philosophie: sich mit Ehrgeiz durchbeißen, den Erfolg verdienen. Nach der Arbeit fährt er nach Hause – zu seiner Mutter. Denn ganz traditionell wohnt er mit ihr und seiner Frau aus einer arrangierten Ehe zusammen. Sonam Kumar lebt in Bihar, dem ärmsten Bundestaat Indiens. Es ist, als würde sie in einem anderen Land leben: Sie kommt aus einer der niedrigsten Kasten, ist Analphabetin und benutzt Kuhdung, den sie mit den Händen knetet, als Brennstoff für ihren Lehmofen.
    Sie baut Getreide auf dem Feld an, lebt ein Leben, das sich kaum von dem ihrer Vorfahren unterscheidet. Shobini Koili wohnt in einer provisorischen Hütte aus zerfetzten Plastikplanen ohne fließendes Wasser, Toilette oder Strom. Sie und ihr Mann sind Wanderarbeiter, und gehören damit zu den 400 Millionen Menschen, die im eigenen Land auf der Suche nach Arbeit umherziehen. Sie sind gerade neu nach Neu Delhi gekommen, um Schulden abzuarbeiten. Shobinis Slumhütte liegt direkt vor den teuren Hochhäusern der Reichen, wo sie stundenweise putzt. Mohammad Amar lebt in Meerut, einer Stadt, in der es immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen von Hindus gegen Muslime kommt.
    Er betreibt ein Restaurant, in dem die örtlichen Polizisten und Regierungsangestellten einen besonderen Rabatt bekommen. Kritisieren will er die Regierung aber lieber nicht. Sie alle haben Hoffnungen und Träume, wenn sie an die Zukunft Indiens denken – aber auch das wird in dieser WDR Story klar: Diese Vorstellungen könnten unterschiedlicher wohl kaum sein. Denn noch ist das Land von enormen Unterschieden geprägt, Moderne und Mittelalter liegen oft nur wenige Meter auseinander. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 05.06.2024 WDRDeutsche Streaming-Premiere Mo. 03.06.2024 ARD Mediathek
  • Folge 17 (45 Min.)
    Es ist ein Sehnsuchtsort mit pittoresken Grachtenkanälen, schiefen, alten Häusern und bunten Fahrrädern. Amsterdams Innenstadt gilt als eine der schönsten der Welt, ist von NRW aus schnell zu erreichen und hat die perfekte Größe für einen Wochenendtrip. Besucher und Besucherinnen finden reichlich Fotomotive, posten bei Insta und TikTok Stroopwaffeln und Bootstouren, Fahrräder, romantische Kanäle und Sonnenuntergänge. Und Jahr für Jahr kommen mehr Touristen: Über 23 Millionen Übernachtungen sind für 2024 prognostiziert – bei einer Innenstadtbevölkerung von unter 100.000 Menschen. Die Amsterdamer nennen die Überfüllung inzwischen „Overlast“: Belästigung – und beklagen den Lärm, den Dreck, die schiere Masse an Menschen.
    In einer Petition haben sie deshalb eine Obergrenze der Touristenzahlen verlangt. Doch: Wie setzt man das um? Die Stadt hatte jahrelang erfolgreich auf touristisches Wachstum gesetzt. Jetzt versucht die Politik besonders im Rotlichtviertel De Wallen gegenzusteuern. Kiff- und Alkoholverbot auf den Straßen, Kampagnen, die Partytouristen abschrecken sollen. Bisher ohne messbaren Erfolg. Ein Hotelbauverbot ist die aktuellste von vielen Maßnahmen, die Amsterdam öffentlich ankündigt.
    Doch schon genehmigte Projekte sollen noch gebaut werden dürfen. Innenstadtbürgermeisterin Amélie Strens möchte Ladenlokale wieder in den Besitz der Stadt bringen, um dort statt Frittenbuden und Souvenirgeschäfte Cafés für die Einheimischen oder Läden des täglichen Bedarfs unterzubringen. Von den vielen kleinen Versuchen, der Masse Herr zu werden, hält Stephen Hodes nichts. Der Amsterdamer war lange der Leiter des Tourismusbüros der Niederlande in den USA und ist überzeugt: „Touristen sind wie Schafe, sie folgen immer der Herde.“ Und fordert deshalb seit Jahren ein klareres Durchgreifen der Politik – weniger Flüge, weniger Hotelbetten.
    Geerte Udo hat eine andere Idee. Sie war bis Mitte dieses Jahres die prägende Figur von Amsterdams eigener Marketingagentur und hat mit der erfolgreichen Kampagne „I Amsterdam“ dafür gesorgt, dass Jahr für Jahr mehr Menschen nach Amsterdam gekommen sind. Ihr Vorschlag: Einen Teil der Touristen aus der Innenstadt herauslocken und an andere Orte in der Umgebung leiten – nach Zandvoort, umgetauft zu „Amsterdam Beach“, nach Keukenhof zu den Tulpenfeldern in der Nähe der Stadt, nach Muiderslot, einem alten Wasserschloss 15 km entfernt. Kann das funktionieren? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 07.08.2024 WDR
  • Folge 18 (45 Min.)
    Portugal gehört zu den fünf beliebtesten Sommer-Reisezielen der Deutschen, sagt eine aktuelle Erhebung. Das Land wünscht sich, dass bald wieder so viele Urlauber kommen wie vor Corona, doch das ist zunehmend mit Herausforderungen verbunden. Allein Portugals Hauptstadt Lissabon besuchen jedes Jahr fast fünf Millionen Touristen, bei nur etwa 500.000 Einwohnern – Overtourismus. Viele Bewohner sind entsprechend genervt: vom Gedränge rücksichtsloser Besucher auf dem Städtetrip, von einem lauten Flughafen ohne Nachtflugverbot, von Kreuzfahrtschiffen, die im Hafen von Lissabon liegend die Luft mehr Abgase ausstoßen als der gesamte Autoverkehr des Landes und von der steigenden Zahl von Ferienwohnungen für die Touristen und dem damit immer knapper werdenden Wohnungsmarkt und steigenden Mieten.
    Zudem sind für Portugal – wie für ganz Südeuropa – Hitze, Trockenheit und Waldbrandgefahr in den letzten Jahren zunehmend zu einem prägenden Faktor geworden. Laut einem aktuellen Ziel sollen 25% Wasser im Tourismussektor eingespart werden. Welchen Einfluss hat das auf den Pauschalurlaub an der Algarve? Oder auf den finanziell starken Golf-Tourismus? An Flüssen wie dem Tajo oder dem Douro werden diese Konflikte international: Beide Flüsse entspringen jenseits der Grenze, in Spanien – und auch die Spanier setzen auf Expansion im Tourismus und der Landwirtschaft.
    Die Einhaltung internationaler Wasserabkommen wird zum Streitfall in der Grenzregion. Abseits der Algarve, im Norden Portugals rund um Porto, zeigt sich der Klimawandel noch in ganz anderer Form: Küstenerosion bedroht dort Strände und Steilküsten, die Basis des Tourismus. Und auch wer abseits des Strandtrubels im landwirtschaftlich geprägten Hinterland Urlaub macht, stößt auf die neuen Klimaprobleme: Der Wasserkonflikt zeigt sich besonders beim wasserintensiven Avocado-Anbau, oder dem Anbau von importierten Industriepflanzen wie Eukalyptus, der die in Portugal über Jahrhunderte so typische Korkeiche bedroht, weil er ihr im wahrsten Wortsinn das Wasser abgräbt.
    Doch es gibt auch Landwirte, die mit den Methoden der lange Jahre vergessenen traditionellen Landwirtschaft dem Klimawandel begegnen und dies auch gern ihren ausländischen Urlaubsgästen zeigen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 14.08.2024 WDR
  • Folge 19 (45 Min.)
    „Höcke, Höcke, Höcke …“ schallt es auf den Wahlkampfveranstaltungen von Björn Höcke. Manche behaupten, er sei selbst sein größter Fan. Der ehemalige Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, beschreibt ihn so: „Ich glaube, dass er in dem Glauben lebt, dass ihm etwas ganz Großes zugedacht ist, das er umsetzen muss und wofür er Geduld braucht, bis seine Stunde gekommen ist.“ Erstmal will Björn Höcke am 1. September die Landtagswahl in Thüringen gewinnen und dort Ministerpräsident werden. Björn Höcke wurde jüngst zweimal zu Geldstrafen verurteilt wegen der SA Parole „Alles für Deutschland“.
    Gegen die Urteile hat er Revision eingelegt. Der Verfassungsschutz stuft den von ihm geführten AfD-Landesverband Thüringen als „erwiesen rechtsextremistisch“ ein. Was ist von Björn Höcke in Zukunft zu erwarten? Was ist seine wirkliche Strategie? Er selbst sagt über Deutschland in seinem Buch: „Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen. Aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden.
    Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen.“ Ist Björn Höcke also ein Systemsprenger? Muss Deutschland Angst vor ihm haben? Reporter von WDR und NDR gehen für diese Story auf Spurensuche: Wer ist Björn Höcke eigentlich? Woher kommt seine Gesinnung, sein Deutschlandbild, sein Weltbild? Und: Steckt Höcke hinter Höcke oder ist er die Gallionsfigur einer viel größeren Bewegung? Wird er gesteuert oder steuert er die AfD? Und: Wo steuert er hin? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mo. 19.08.2024 WDR
  • Folge 20 (45 Min.)
    Protest an der Sushitza: Aus dem noch ursprünglichen Fluss soll jetzt Wasser für die Touristenhochburgen an der Küste abgeleitet werden. Und eine ganze Region bangt jetzt um ihr Wasser.
    Bis vor kurzem noch galt Albanien als Geheimtipp – unberührte Strände, atemberaubende Einsamkeit in wilder Natur, unschlagbar günstige Preise. Aber diese Zeit ist vorbei: Die Zahl der Touristen hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt verdreifacht auf derzeit rund 11 Millionen ausländische Besucher pro Jahr! Ganz schön viel für ein Land, das selbst nur knapp über zwei Millionen Einwohner zählt. Doch der Tourismus bringt wirtschaftlichen Aufschwung und ist die große Hoffnung des immer noch armen Landes.
    Überall entstehen jetzt neue Bettenburgen aus Beton. Der Baustoff hat in Albanien eine lange Tradition: Über viele Jahrzehnte galt das Land als das Nordkorea Europas – ein isolierter Staat, der die Religion abgeschafft und selbst mit den sozialistischen Bruderstaaten gebrochen hatte. Diktator Enver Hoxha sah sich von Feinden umzingelt und ließ überall im Land Bunker errichten: geschätzt über 170.000. Sollte der Beton früher Invasoren abwehren, so soll er heute Gäste anlocken. Überall an der Küste ragen Stahlverstrebungen in die Luft, werden Hotels und Apartment-Häuser aus dem Boden gestampft.
    Damit die gut zu erreichen sind, wird extra ein neuer Flughafens gebaut. Die Rollbahn wird gerade betoniert – ausgerechnet in einem Flussdelta, in dem bislang Flamingos die Lufthoheit hatten und Zugvögel Zwischenstation machten. Vorbei an Hoxhas alten Bunkern werden auch neue Straßen asphaltiert, zu den Badeorten am Mittelmeer, aber auch hinein ins Landesinnere, wo Berge von über 2600 Metern Höhe Wandertouristen locken.
    „Es ist doch alles viel, viel besser geworden,“ sagt ein alter Schafshirte. „Früher waren wir eingesperrt und niemand kam zu uns. Heute gibt es die Touristen. Und die bringen auch Geld.“ Der Alte lacht. Ob er selbst einmal als Tourist im Ausland war? „Warum sollte ich fort? Hier ist doch der schönste Platz der Welt. Und außerdem: Im Ausland sind wir Albaner keine Touristen, sondern immer nur Migranten.“ Er sagt das ohne Bitterkeit und lacht dabei.
    Tatsächlich leidet das Land unter der Auswanderung – die Jugend strebt fort, vor allem nach Deutschland und Italien. Keine Jobs, keine Perspektive, da bietet der Tourismus den einzigen Halt. Aber zu welchem Preis? Wird das Paradies jetzt zubetoniert? Oder gibt es andere Wege, um mit den Gästen Geld zu verdienen? Als wir zahlen wollen, ist die Rechnung bereits beglichen. Der Hirte hat bezahlt und sich davon gemacht. Die Albaner sind stolz auf ihre Gastfreundschaft. Aber lässt sich so Geld verdienen? Eine Reise durch ein Land am Scheideweg. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 21.08.2024 WDR
  • Folge 21 (45 Min.)
    Auf Franz (Mitte) liegen große Hoffnungen – er ist der Jüngste in der Freiwilligen Feuerwehr Mellen.
    Nach über 100 Jahren steht der Sportverein Rot-Weiß Mellen vor dem Aus – es findet sich einfach niemand mehr, der die Arbeit im Vorstand übernehmen möchte. Damit ist der Verein im Sauerland nicht alleine. Überall im Land fehlen freiwillige Helfer, die Posten und Verantwortung übernehmen wollen – ob beim Männerchor, im Schwimmverein oder auch bei der freiwilligen Feuerwehr. Und deshalb arbeiten andere fast rund um die Uhr. So wie Björn Freiburg, der sich gleich um drei Vereine in Mellen kümmert. Aber wenn er keine neuen Mitstreiter im Vorstand findet, ist nicht nur seine Ehe am Ende, sondern auch der Sportverein.
    Vereine verbinden, stiften eine gemeinsame Identität. Der 15-jährige Omar ist zum Beispiel aus Syrien geflohen. Das Schicksal verschlug ihn ins Sauerland, bei Rot-Weiß Mellen hat er Freunde gefunden und die Sprache gelernt. „Ich hätte gar nicht gewusst, was ich hier machen soll, wenn es nicht den Fußballverein gegeben hätte“, erzählt er heute. Wenn ein Sportverein zugrunde geht, dann reißt es eine Lücke im Ort. Wenn aber eine Feuerwehr nicht mehr funktioniert, dann ist das für eine Gemeinde existentiell.
    Als die freiwillige Feuerwehr in List auf Sylt nicht mehr genug Mitglieder hatte, bekam der Inselort die erste Pflichtfeuerwehr seit dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland! 50 Sylter wurden zwangsverpflichtet. Der Film zeigt, was aus ihnen wurde und wie Pflicht und Ehrenamt ihr Leben veränderten. Der Film begleitet den Kampf von Rot-Weiß Mellen und anderen Vereinen ums Überleben, entdeckt aber auch, wo Neues und Anderes in der Vereinslandschaft entsteht. Derzeit im Trend: Cannabis-Vereine. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 04.09.2024 WDR
  • Folge 22 (50 Min.)
    Unter Victor Orbán ist Ungarn der europäische Vorreiter in Sachen Rechtspopulismus geworden, und seine Partei Fidesz ist seit Langem die stärkste Kraft. Wie kann man das erklären? Auf der Suche nach Antworten lässt der Regisseur Áron Szentpéteri Budapest hinter sich und begibt sich aufs Land. Sein Film taucht tief in das Leben einer Kleinstadt ein, die in vieler Hinsicht weit weg von der Hauptstadt Budapest ist: Tiszavasvári, eine ehemalige Industriestadt mit 12.000 Einwohnern, im Osten des Landes.
    Um mitzuerleben, was die Menschen hier bewegt, was ihren Alltag prägt, hat der Regisseur einige Menschen ein Jahr lang aus der Nähe begleitet: Andor, einen ehemaligen Arbeiter der „Alkaloida“-Fabrik, die in den sozialistischen Jahren der Stolz der Stadt war, Zoltán, den Bürgermeister des Ortes und Mitglied von Fidesz, Réka, eine junge Roma, die für einen Schulbus kämpft, damit ihr Sohn nicht kilometerweit zur Schule laufen muss, und den Jäger Bence, der im Ort bleibt, während die meisten jungen Leute die Kleinstadt verlassen.
    Ihre Geschichten spannen den Bogen zwischen dem Niedergang der Stadt, der nach dem Ende des Sozialismus begann, und der aktuellen Situation in Ungarn, wo seit mittlerweile 14 Jahren Viktor Orbán regiert. Eins wird klar: Hier haben sich die Versprechungen der Demokratie nicht erfüllt. Das Bild von Tiszavasvári, das der Film zeichnet, ist exemplarisch für viele Kleinstädte in dieser ehemaligen Industrieregion, die mittlerweile eine der stärksten Bastionen von Orbáns Partei Fidesz ist. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 11.09.2024 WDRDeutsche Streaming-Premiere Mo. 09.09.2024 ARD Mediathek
  • Folge 23 (45 Min.)
    Es waren ganz besondere Videos auf YouTube, die ab Mai 2021 für Aufsehen in der Türkei sorgten: Sedat Peker, ein landesweit bekannter Krimineller, der jahrelang ein erklärter Gefolgsmann von Präsident Erdogan gewesen war, meldete sich aus seinem Exil in Dubai, mit brisanten Anschuldigungen in Richtung der türkischen Politik. Woche für Woche redete er über Verwicklungen hoher Politiker und Staatsangestellter in kriminelle Machenschaften, über enge Beziehungen zwischen Regierungskreisen und dem organisierten Verbrechen. Was er darstellte, klang unglaublich: Es gebe in der Türkei eine Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen und der Mafia! Eine ungeheure Anschuldigung, die eine Staatskrise auslösen könnte, wenn sie belegbar wäre.
    Die Videos wurden millionenfach aufgerufen, jede Woche mehr. Es ging aber nicht nur um einzelne Enthüllungen. Peker machte keinen Hehl daraus, dass seine Auftritte auch als Drohung gegenüber seinen früheren Auftraggebern zu verstehen seien. „Ihr werdet von einer Kamera auf einem Stativ besiegt werden“, so kündigte er eines seiner Videos auf Twitter an. Auch der türkische Präsiden Erdogan sollte Gegenstand von Enthüllungen werden.
    Doch dann verstummte Sedat Pekers Kanal … Einen Mann elektrisierten die Peker-Videos besonders: Can Dündar, vielfach ausgezeichneter türkischer Journalist und Filmemacher, der seit 2016 im Exil in Deutschland lebt. Zuvor war er in der Türkei festgenommen und inhaftiert worden, nachdem er in der Zeitung Cumhuriyet über Waffengeschäfte zwischen der Erdogan-Regierung und islamistischen Milizen in Syrien berichtet hatte. Noch während er im Gefängnis saß, hatte ihn just Sedat Peker öffentlich mit dem Tod bedroht. Als nach seiner Freilassung tatsächlich ein Attentat auf ihn verübt wurde, ging er nach Deutschland ins Exil.
    Präsident Erdogan erklärte ihn zum Terroristen und forderte seine Auslieferung. Die Frage, ob es den „tiefen Staat“, also die Zusammenarbeit zwischen Politik und Organisierter Kriminalität, in der Türkei immer noch gibt, zieht sich wie ein roter Faden durch Can Dündars journalistische Arbeit – auch weil sie mehrfach so konkrete Auswirkungen auf sein Leben hatte. Dass Antworten auf seine Fragen jetzt ausgerechnet von einem Mafiaboss kommen könnte, der ihn einst tot sehen wollte, ist bittere Ironie – und Anreiz zugleich.
    Für die WDR Story begibt sich Can Dündar zusammen mit Stella Könemann auf eine filmische Recherche auf den Spuren der Enthüllungsvideos. Sind Pekers Videos mehr als der private Rachefeldzug eines einst mächtigen Kriminellen, der sich verraten fühlt? Sind seine Vorwürfe glaubhaft? Ist die Regierung der Türkei tatsächlich verwoben mit einem Mafiasystem? Diesen Fragen geht der Film nach. Er sammelt dafür akribisch Beweise und verfolgt Aussagen von Insidern – und er macht sich auch auf die Suche nach dem Mann, der all diese Anschuldigungen öffentlich gemacht hat. Sedat Peker. (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 09.10.2024 WDR
  • Folge 24 (45 Min.)
    In Köln wollen Mikko und Sascha Bayer pünktlich zur Europameisterschaft ein neues Restaurant aufmachen. Weil sie, wie viele andere Gastronomen auch, auf dem deutschen Arbeitsmarkt keine Köche finden, haben sie schon vor Monaten vier indonesische Köchinnen und Köche angeheuert. Aber die können nicht einfach zum Arbeiten einreisen, sondern müssen ein Einwanderungsverfahren durchlaufen, bei dem ihre berufliche Qualifikation kleinteilig geprüft wird. Und das durchkreuzt alle Pläne. Die Eröffnung steht auf der Kippe. Dabei sollte das „Beschleunigte Fachkräfteverfahren“ eigentlich alles einfacher machen.
    In München bewirbt sich der russische Koch und Kriegsflüchtling Denis Shershnev beim Klosterwirt in der Münchner Innenstadt. Wirt Gregor Lemke ist begeistert und sagt Shershnev sofort zu. Aber der muss erstmal nach Armenien ausreisen, weil er das vorgeschriebene Arbeits-Visum für Fachkräfte nur aus dem Ausland beantragen darf. Auch hier beginnt ein zähes Ringen mit den deutschen Behörden. Genügen Denis’ Ausbildung und seine 15-jährige Berufserfahrung in Moskauer Toprestaurants, um in Deutschland als Koch anerkannt zu werden? Auch der 20-jährige Kellner Ashti Abdi muss Deutschland verlassen.
    Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Ashti ist mit 13 Jahren hierhergekommen, spricht gut Deutsch, arbeitet seit drei Jahren als Kellner und ist im „Augustiner am Platzl“ im Herzen Münchens eine der besten Servicekräfte. Gerade war er dabei, dort auch eine Ausbildung anzufangen. Jetzt wartet der jesidische Christ im Irak auf sein Ausbildungsvisum, um zum Arbeiten zurückkehren zu können. Sein Chef, der Wirt Oliver Wendel, opfert viel Zeit und Geld, um Ashti den Weg durch die Anträge und Behörden zu ebnen und wieder zurückzuholen.
    Der Film erzählt anhand dreier Geschichten aus Hochburgen der Gemütlichkeit – Köln und München – von den enormen Hürden, Köche und Bedienungspersonal von außerhalb Europas nach Deutschland zu holen. Dabei sind in Deutschland schon heute etwa ein Viertel aller Arbeitskräfte im Ausland ausgebildet. Forschende schätzen, dass diese Zahl bis 2060 auf 40–55 Prozent steigen wird. Können wir es uns leisten, weiterhin alles nach deutschen Normen zu bewerten? Steuern wir mit deutscher Gründlichkeit ins Wirtshaussterben? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 30.10.2024 WDR
  • Folge 25 (45 Min.)
    Ali hält oft Vorträge in seiner Hinterhofmoschee.
    „Ich versuche mich so zu benehmen, dass die anderen mich hier akzeptieren als Deutscher“, sagt Ali. Vor über 18 Jahren ist Ali Fakih mit seiner Familie als Flüchtling aus dem Libanon nach Deutschland gekommen und hat den Aufstieg geschafft: Heute ist er Lehrer an einem Berufskolleg in Wuppertal, unterrichtet Wirtschaft und islamische Religion. Bei Schülerinnen und Schülern ist er beliebt, das Kollegium schätzt ihn, vor einem Jahr wurde er verbeamtet. Sein Werdegang scheint ein Musterbeispiel für gelungene Integration zu sein. „Deutsch-Sein heißt für mich, dass ich hier für das Land kämpfe“, betont er.
    Doch Ali ist auch gläubiger schiitischer Moslem. In seiner Freizeit engagiert er sich in einer Hinterhofmoschee in Wuppertal, hält dort Vorträge und sucht Rat bei schiitischen Imamen, wenn er in seinem Schulalltag in Konflikte gerät mit den Werten seines Glaubens. Wenn er zum Beispiel ein Problem damit hat, Themen wie sexuelle Vielfalt zu unterrichten, soll er sich auf die Religionsfreiheit berufen, rät ihm ein Geistlicher. Heißt: Mit dieser Begründung kann er das Thema ablehnen. Ali unterhält auch enge Verbindungen zur Blauen Moschee in Hamburg. Die wird schon lange vom Verfassungsschutz beobachtet, steht im Verdacht, die Terrororganisation Hisbollah zu finanzieren und gilt als verlängerter Arm des iranischen Ayatollah-Regimes in Deutschland.
    Im Juli 2024 wurde sie geschlossen und das Islamische Zentrum Hamburg, der Betreiber der Moschee, als „bedeutendes Propagandazentrum Irans in Europa“ verboten. Über 4 Jahre lang durften wir Ali mit der Kamera begleiten, erlebten ihn als beliebten Berufsschullehrer, bei Auseinandersetzungen über den politischen Islam mit seinem Vater und als gläubigen Schiiten, der den Lehren des iranischen Ayatollah Khamenei folgt.
    Doch das Ziel dieser Lehren ist der Export der iranischen Revolution, die Verankerung antidemokratischer, an der Scharia ausgerichteter Werte in unserer Gesellschaft. Und so entfernt sich Ali immer weiter von der freiheitlich demokratischen Grundordnung, der er als deutscher Beamter verpflichtet ist. Eine Entwicklung, die der Direktor seiner Schule nicht wahrnimmt. Wie kann er als Lehrer in einer liberalen Gesellschaft gleichzeitig Unterstützer von fundamentalistischen Ideologien sein? Wie kann er Rechtfertigungen für das Hamas-Massaker vom 7. Oktober an israelischen Zivilisten verbreiten? Wie weit geht die Religionsfreiheit? (Text: WDR)
    Deutsche TV-Premiere Mi. 13.11.2024 WDR

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