Ein Accessoire, das früher Chirurgen vorbehalten war, doch heute zu Corona-Zeiten so allgegenwärtig ist wie Armbanduhr oder Brille: der Mund- und Nasenschutz, auch einfach „Maske“ genannt.Die Moralphilosophin Elsa Novelli erörtert die paradoxen Eigenschaften der Maske: Sie verbirgt das Gesicht des Anderen und weist gleichzeitig darauf hin, dass dieser Andere eine mögliche Ansteckungsquelle ist. Die Maske macht das unsichtbare Virus sichtbar. Das zweite Paradoxon: Indem die Maske vor Covid-19 schützt, wird sie zum Symbol der Sicherheit, gleichzeitig aber auch zum Sinnbild einer Gefahr, die es abzuwehren gilt. Mit der Maskenpflicht wird der Mund- und Nasenschutz, ein medizinisches Objekt, zum Alltagsgegenstand, der allerdings nur schützt, nicht heilt.Elsa Novelli ist Expertin für die Philosophie von Emmanuel Levinas, der sich unteranderem mit der Bedeutung des Gesichts in der
Ethik zwischenmenschlicher Beziehungen beschäftigt hat.Sophie Cluzel, die französische Staatssekretärin für Menschen mit Behinderung, geht der Frage nach, inwiefern die Maske das zwischenmenschliche Handeln auf ethischer Ebene einschränkt. Ist man anderen Menschen gegenüber aufmerksamer, wenn sie eine Maske tragen? Nein, denn man geht seltener auf andere Menschen zu, deren Gesicht verborgen ist und in denen man sich nicht wiedererkennt. Wenn es darum geht, inwiefern die Maske die Wahrnehmung eines anderen Gesichts verändert, muss man diejenigen mit einbeziehen, die davon am ehesten und konkret betroffen sind. Dazu gehören taube und autistische Menschen, für die es enorm wichtig ist, alle Gesichtsausdrücke ihres Gegenübers zu sehen. Wie kann man die Masken anpassen, damit in der sozialen Interaktion für niemanden die menschliche Dimension verloren geht? (Text: arte)