„My Adventures with Superman“: Der Mann aus Stahl im Anime-Look – Review

Neue Animationsserie über den Comichelden findet einen guten Mix aus klassisch und frisch

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 28.07.2023, 11:00 Uhr

Ohne Brille ist er der Held: Clark Kent in seiner Zweitidentität als Superman – Bild: Adult Swim
Ohne Brille ist er der Held: Clark Kent in seiner Zweitidentität als Superman

Als Comicfigur gibt es Superman seit 85 Jahren, durchs Kino flattert er seit dem Zweiten Weltkrieg und über den Fernsehbildschirm seit 1952. Vor zehn Jahren begann mit ihm das „DC Extended Universe“, und in genau zwei Jahren soll er auf der Kinoleinwand ein weiteres Mal rebootet werden. Was gibt es überhaupt noch Neues zu erzählen über diesen weltweit sicher bekanntesten aller Comic-Superhelden? Seien wir ehrlich: nichts. Kann man denn das Altbekannte wenigstens frisch wiederaufwärmen? Oh ja! In den USA ist mit „My Adventures with Superman“ derzeit die erste Superman-Animationsserie seit zwanzig Jahren zu bestaunen – zumindest wenn man Zugriff hat auf Adult Swim, den auf Animationsserien für Erwachsene spezialisierten „Rick and Morty“-Kabelkanal, auf dem die Folgen seit Mitte Juli zu sehen sind, ehe sie jeweils beim Streamingdienst Max abrufbar gemacht werden.

Der Adult-Swim-Kontext ist dabei durchaus irreführend, denn „My Adventures with Superman“ richtet sich keineswegs nur an Erwachsene und deren Nostalgiebedürfnisse, sondern vor allem auch an (ältere) Kinder und comicbegeisterte Jugendliche, und zwar im Idealfall an solche, die sich noch nie wirklich mit dem Superman-Mythos befasst haben und ihn mit dieser Serie kennenlernen können. Denn genau dieser Mythos wird hier noch einmal neu ausgebreitet, mit Abweichungen im Detail, aber im Großen und Ganzen kanongetreu. Allerdings geschieht dies nicht von der Pike auf wie in den klassischen „Superman“-Filmen der Siebziger- und Achtzigerjahre oder zuletzt im DCEU. Seiner Origin Story muss der Held, der mit bürgerlichem Namen Clark Kent heißt, hier dagegen erst Schritt für Schritt selbst auf die Schliche kommen.

Der Serientitel, der Superman auffälligerweise nur als Objekt führt, deutet an, dass der gewählte Blickwinkel ein anderer ist: Das „Ich“ in „Meine Abenteuer mit Superman“ gehört zu Lois Lane, die gerne fesselnde Reportagen über den übermenschlichen Menschenretter schreiben würde – und vor allem über ihre Abenteuer mit ihm. Zusammenfassend könnte man die Serie im Zusammenhang der bisherigen Superman-Medien also ungefähr so verorten: als Verbindung der Young-Adult-Befindlichkeiten von „Smallville“ mit den Rom-Com-Elementen von „Lois & Clark“, verpackt im Case-of-the-Week-Abenteuermodus der frühen Superman–Kinoserials und –serien und optisch produziert entlang der Bedürfnisse eines Manga-sozialisierten jüngeren Publikums.

Dreamteam des Reporterwesens, seit über 80 Jahren im Comic-Dienst: (v. l.) Lois Lane, Clark Kent und Jimmy Olsen Adult Swim

Das nämlich ist die erste und vielleicht größte Überraschung: „My Adventures with Superman“ präsentiert sich im klassischen Anime-Stil, die Figuren wurden vom südkoreanischen Animationsstudio Mir mit den typisch großen Kulleraugen versehen, und auch die roten Errötungsflecken auf den Wangen der Protagonisten dürfen nicht fehlen. Das mag als niedrigschwelliger Zugang für Nachwuchszuschauer gedacht sein, dürfte aber, nach anfänglicher Skepsis, auch erwachsene, an die klassische DC-Ästhetik gewöhnte Zuschauer kaum aus der Bahn werfen, zumal die gezeichneten Hintergründe aus den diversen Winkeln von Metropolis oder auch den Kornfeldern rund um Smallville allesamt liebevoll atmosphärisch und detailliert ausgefallen sind.

Die Serie zeigt Clark Kent/​Superman als jungen Mann Anfang zwanzig, der zusammen mit seinem Mitbewohner und Fotografen Jimmy Olsen beim Daily Planet als Praktikant anheuert. Dort treffen die beiden auf eine andere Praktikantin: Lois Lane, die schon länger darum kämpft, von Chefredakteur Perry White endlich als vollwertige Reporterin wahrgenommen zu werden. Damit wäre das Stammpersonal der klassischen Superman-Erzählungen beisammen, wobei es von Neuverfilmung zu Neuverfilmung immer kurioser wird, wie sehr die analoge Zeitungswelt darin nach wie vor das Maß aller Dinge zu sein scheint. Die Serie spielt zwar im Heute (oder sagen wir lieber: in einer dem Heute ähnlichen Comicwelt) und sowohl Smartphones als auch Fernsehnachrichten spielen eine Rolle, doch die wahren Breaking News sind auch diesmal wieder ausschließlich auf Papier zu haben. So altmodische Dinge wie Zeitungsausschnitte und angehaltene Druckpressen sind für den Gang der Handlung entscheidend wie eh und je.

Die bisher gelaufenen vier Episoden (die übrigens sukzessive immer besser werden) deuten an, dass es neben den Bösewichtern der Woche, denen Superman in Kooperation mit Lois und Jimmy die Stirn bieten muss, mehrere Basishandlungsstränge gibt, die sich durch alle Folgen ziehen – und dabei dem Superman-Kanon folgen. Da ist einerseits der Konkurrenzkampf der drei Protagonisten mit den „echten“ Journalisten des Daily Planet: Sportreporter Steve Lombard, Klatschkolumnistin Cat Grant und Investigativjournalist Ronnie Troupe, die seit Jahrzehnten Teil des Superman-Kosmos sind, werden mit einer kuriosen Gesangsnummer eingeführt. Sie beanspruchen die Recherchen von Clark, Lois und Jimmy für sich, und der ewig ruppige Perry, der seine Praktikanten in den „Aktenbunker“ im Keller verbannt, scheint damit d’accord. Zweitens gibt es die bewährte Will-they-won’t-they-Annäherungsgeschichte von Lois und Clark. Der breitschultrige Clark kann zumindest anfangs seine Zweitexistenz als fliegender Weltenretter noch hinter seinem offiziellen Dasein als bebrillter Sänftling im Pullover verbergen, trotz seiner unverkennbaren Muskelberge. Wie er seine Identität mühevoll zu verbergen versucht, während Lois dem unbekannten „Man of Steel“ hinterherschwärmt, zählt nach wie vor zu jenen boulevardtheaterartigen, verwechslungskomödiantischen Versteckspielen, die einfach immer funktionieren.

In den Feldern von Smallville: Ma und Pa Kent ziehen den kleinen Clark in Kansas groß. Adult Swim

Und drittens: Supermans Vorgeschichte. Wie er als Kleinkind knapp der Zerstörung seines Heimatplaneten Krypton entkam, weil ihn sein Vater Jor-El auf die Erde „schoss“. Wie er von Pa und Ma Kent im ländlichen Kansas großgezogen wurde und später seine übermenschlichen Kräfte entdeckte (und zu verbergen lernte). Diesen Plot, der längst zur popkulturellen Allgemeinbildung gehört, muss sich Clark Kent hier erst selbst erarbeiten, indem er sich zurück auf die Farm begibt, auf der er aufwuchs, um sich dort über seine Herkunft ein eigenes Bild zu machen. Das ist eine reizvolle Neupräsentation des Altbekannten, zugleich aber eine geschickte Art, den Zuschauernachwuchs mit dem Mythos bekanntzumachen.

Nebenher muss Superman natürlich von Anfang an gegen diverse Unholde antreten, die (auch das dürfte Fans interessieren) bislang alle eher aus der zweiten Reihe des DC-Aufgebots stammen, die man also nicht alle Nase lang auch anderswo sehen kann. Von Supermans ewiger Nemesis Lex Luthor ist in der Serie beispielsweise nichts zu sehen, bislang zumindest. Stattdessen bekommt er es mit der elektrifizierten Livewire zu tun, mit dem Verbrechersyndikat Intergang, zu dem hier die Superschurken Silver Banshee, Mist und Rough House gehören, oder auch mit dem energiesaugenden Parasite, der hier das Alter Ego eines ebenso eitlen wie windigen IT-Masterminds ist, der seine Geldgeber mit einer Präsentationsshow à la Apple oder Microsoft (oder Stark Industries) zu überzeugen versucht. Die Szenen auf dieser Gala, von der Lois und Co. für den Daily Planet berichten dürfen, gehören zu den bis dato unterhaltsamsten der Serie.

Auch diese Villain-of-the-Week-Struktur wird dramaturgisch entlang eines glaubwürdigen Weges der Selbsterkenntnis absolviert: Clark Kent kennt als Superman zu Beginn noch längst nicht alle Tricks (weder seine eigenen noch die der Schurken) und muss erst allmählich lernen, zu welchen Kunststücken er überhaupt in der Lage ist. Parallel dazu gibt es noch ein übergreifendes Mysterium um den dubiosen Agenten Slade Wilson (im DC-Universum bekannt als Deathstroke) und um mehrere auftauchende Beispiele außerirdischer Waffentechnik. Es ist ein Rätsel, das sich durch alle zehn Episoden zieht und erst im Staffelfinale seine Auflösung finden dürfte.

Eine der klassischsten Lovestorys der Comicgeschichte: Lois & Clark Adult Swim

Im Original kann die von Warner Brothers und DC gemeinsam produzierte Serie auch mit ihrem Voice-Cast auftrumpfen. Jack Quaid („The Boys“) spricht Clark Kent und Superman mit dem nötigen Maß an Unsicherheit und Sympathie, Alice Lee („Zoey’s Extraordinary Playlist“) die Lois so forsch und übers Ziel hinausschießend, wie es ihrer nach Anerkennung buhlenden Jungreporterin mit der feschen Kurzhaarfrisur und erstaunlichen Kampftechnik gebührt; Ishmel Sahid („Cousins fürs Leben“) hat als Jimmy Olsen in den ersten Episoden noch am wenigsten zu tun, schafft es aber, den verschwörungsgläubigen Dreh, den die Autoren der Figur andichten, eher als lustigen Spleen denn als gefährliche Schwurbelei klingen zu lassen. Ex–„Saturday Night Live“-Comedian Chris Parnell macht als Slade einen guten Eindruck, dem Vernehmen nach werden in den kommenden Folgen noch  weitere Promis zu hören sein, darunter Michael Emerson aus „Lost“.

Noch hat die Serie keinen Starttermin in Deutschland – wer also als Komplettist alles anschauen möchte, was mit Superman zu tun hat, muss noch eine Weile warten (oder sich alternative Wege suchen). Auch für weniger spezialisiert Interessierte lohnt sich das Hoffen darauf, dass sich demnächst ein deutschsprachiger Anbieter der Produktion annimmt: Die 22-minütigen Folgen sind rasant erzählt, langweilen nie, bieten ein paar einfallsreiche Actionsetpieces und einige überraschend clevere Dialoge, die das Geschehen klar im Zeitgeist verorten, zum Glück aber nie eitel mit Insider-Kram um sich schmeißen. Das Sympathischste: Superman ist zwar der spektakulärste, aber nie der alleinige Held. Stets arbeitet er im Team mit seinen Co-Praktikanten, die jeweils ihren Anteil am Niederringen der Schurken haben. Die Autoren um Jake Wyatt, das legen die ersten Episoden nah, haben insgesamt ziemlich viel richtig gemacht.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten vier Episoden von „My Adventures with Superman“.

Meine Wertung: 4,5/​5

„My Adventures with Superman“ wird seit dem 6. Juli in den USA auf dem Sender Adult Swim veröffentlicht. Eine deutsche Heimat für die Serie ist noch nicht bekannt.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Adult Swim hatte Folge 1 bis vor kurzem komplett auf Youtube gestellt.
    https://www.youtube.com/watch?v=CuuZSAm-PaI
    Leider wird das Video nun als Privat gekennzeichnet.
    Eventuell kann man das Video noch mit einer amerikanischen IP sehen.
    • am via tvforen.de

      Würd ich reinsehen, wenn es denn mal be uns laufen sollte.

      weitere Meldungen