„Family Law“: Für wen ist die neue Sky-Serie sehenswert? – Review

Dramatische Familienangelegenheiten mit Jewel Staite und Victor Garber

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 20.09.2023, 17:30 Uhr

„Family Law“: Abby (2. v. l.) mit Mutter und Vater sowie ihren beiden Halbgeschwistern – Bild: FLS1 Productions Inc.
„Family Law“: Abby (2. v. l.) mit Mutter und Vater sowie ihren beiden Halbgeschwistern

Mit einiger Verspätung kommt die kanadische Anwaltsserie „Family Law“ nun nach Deutschland. Vor allem Jewel Staite als in Ungnade gefallene Anwältin zwischen allen Stühlen trägt die Serie, die auch starke Familiengeschichten erzählt und von der bereits drei Staffeln veröffentlicht wurden.

Insgesamt erweist sich „Family Law“ als gute Unterhaltung, die abseits der Melodramatik vieler US-Serien durchaus Geschichten erzählt, bei denen die Beteiligten für sie dramatische Erfahrungen durchleben. Dabei sind eher die persönlichen Erlebnisse und emotionalen Herausforderungen der Mitglieder aus drei Generationen des zersplitterten Stevenson-Clans das Element, das zum Dranbleiben animiert, nicht so sehr die „Fälle der Woche“. Daneben wirken einige komödiantische Elemente dieser Dramedy bisweilen aufgedrückt.

Im Zentrum von „Family Law“ steht der umtriebige Anwalt Harry Svenson (Victor Garber; „Alias – Die Agentin“, „Legends of Tomorrow“), der mit drei unterschiedlichen Frauen drei Kinder hatte, die nun alle mit ihm in seiner renommierten Kanzlei für Familienrecht zusammenarbeiten.

Jüngster Neuzugang ist dabei die Protagonistin der Serie, Harrys älteste Tochter, Rechtsanwältin Abigail „Abby“ Bianchi (Staite). Harry hatte ihre Mutter Joanne (Lauren Holly, „Navy CIS“) in Abbys Jugend für seine Sekretärin verlassen – die Tatsache, dass die damals siebenjährige Abby sich vom Vater für eine „neue Familie“ verlassen fühlte und bei ihrer sehr verbitterten Mutter aufwuchs, hinterließ emotionale Narben.

Abbys (Jewel Staite) neuer Arbeitsplatz: die Firmen-Abstellkammer 2021 FLS1 Productions Inc.

Aufgrund innerer und äußerer Faktoren war Abbys Alkoholkonsum zuletzt aus dem Ruder gelaufen. Nach einem Ehestreit taucht sie zu einem Prozesstermin verspätet bei Gericht auf, ist noch merklich alkoholisiert – und übergibt sich schließlich im Gerichtssaal. Der Vorfall wird zum Internet-Meme, die Anwaltskammer verhängt eine Disziplinarstrafe, ihre Firma entlässt sie und ihr Ehemann Frank Bianchi (Luke Camilleri) fordert sie auf, wegen ihrer Alkoholprobleme bis auf Weiteres das gemeinsame Haus des Paares und der beiden Kinder zu verlassen.

Abigail kommt im luxuriösen Haus ihrer Mutter unter und findet schließlich einen „Job auf Bewährung“ in der Kanzlei ihres Vaters. Dort arbeitet auch Harrys Sohn Daniel (Zach Smadu) als weiterer Anwalt – der Sohn der eingangs erwähnten „Sekretärin“, auch seine Mutter war von Harry schließlich verlassen worden. Daniel ist im Gegensatz zu Harry auf harmonische Lösungen bei Familienstreits aus, versteht sich eher als Mediator. Daneben ist er ein „moderner Mann“, achtet sehr auf seine Gesundheit und fährt mit dem Rad zur Arbeit. Allerdings treibt er diesen Lebensstil auch bis zum Rand der Lächerlichkeit.

Daniel (Zach Smadu) ist noch nicht dazu gekommen, im Büro aus der Fahrradmontur in den Anzug zu wechseln. 2021 FLS1 Productions Inc.

Dritte im Bunde ist Harrys jüngste Tochter Lucy (Genelle Williams). Sie ist ausgebildete Gesprächstherapeutin und als solche eher beratend oder als Sachverständige tätig. Abigails Ankunft ändert die Dynamiken in der Kanzlei.

Abigail und Daniel wird bewusst, dass Lucy die Einzige ist, die Harry als „guten Vater“ kennengelernt hat – ihre Mutter war verstorben, als Lucy erst sieben war und Harry hatte sich in der Zeit einfühlsam und aufopferungsvoll um die Tochter gekümmert.

Familiengeschichten

Harry hofft durch sein „großzügiges“ Angebot für die beruflich gestrauchelte Abby, dass er nach Jahren des Ausgeschlossenseins endlich Kontakt zu Abigails Kindern bekommen kann, seinen einzigen Enkeln. Während er Abby beruflich zunächst aufs Abstellgleis schiebt und ihr niedere Aufgaben zuweist – damit sie kein schlechtes Licht auf „seine“ Kanzlei werfen kann -, erweist sich Abby bald als fähige, durchsetzungsstarke und einfallsreiche Fachkraft, eine Anwältin, die Geschäftssinn mitbringt, ohne sich von Sentimentalitäten ablenken zu lassen. Bisher hat sie nämlich nicht im Familienrecht gearbeitet, sondern Schadensersatzforderungen vor Gericht vertreten. Ihr Biss und ihr Geschäftssinn sind eher nach Harrys Geschmack als das Auftreten von Sohn Daniel, dem Harry schon seit Jahren eine Partnerschaft vorenthält.

Für eine Mischung aus Humor und ernsthafteren Momenten sorgen drei weitere Angestellte der Kanzlei aus der zweiten Reihe. Die gute Seele der Kanzlei ist Office-Managerin Jerri Rifkin (Bobbi Charlton), eine transsexuelle Frau, deren Ehe zwischenzeitlichen Alkoholismus und ihre Geschlechtsangleichung überstanden hat – und die als Angestellte Harrys drei Ehen überdauert hat. Die junge Empfangsdame Nina (Kelli Ogmundson) überrascht alle mit ihrer positiven, aber auch naiven Art, die die Ernsthaftigkeit einer Kanzlei vermissen lässt. Der etwas einfältige Anwaltssekretär Cecil Patterson (Brett Kelly) bekommt von den Autoren leider immer wieder die Rolle eines dicklichen dummen Augusts zugewiesen.

Büromanagerin Jerri (Bobbi Charlton) mit Abby (Jewel Staite) bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker 2022 FLS1 Productions Inc.

Auf einer weiteren Erzählebene geht es um Abby und ihre eigene Familie. Ihr Alkoholkonsum hatte schon vor dem großen Knall für Eheprobleme gesorgt, ihr Mann Frank hatte schließlich einen Seitensprung begangen – das entsprechende Geständnis ihres Mannes hatte den verhängnisvollen Vorfall ausgelöst. Einen Seitensprung, von dem Tochter Sofia (Eden Summer Gilmore) und Sohn Nico (Brenden Sunderland) nichts wissen, darauf hatten sich die Eltern verständigt. Und sowieso ist Abbys Alkoholproblem der Grund, warum Frank ihr nicht mehr die gemeinsamen Kinder anvertraut, mit denen er weiterhin im bisherigen Familienheim wohnt.

Während der sensible, jüngere Nico einfach nur will, dass alles wieder so wird, wie es war, trägt Sofia gehörige Wut im Bauch, die sie ihrer Mutter gerne vor den Kopf knallt. Daneben ist Sofia auch eine ganz normale Teenagerin, die Grenzen austestet und die unübersichtliche familiäre Situation nutzt, um sich Freiheiten zu erschleichen.

„Opa“ Harry (Victor Garber) mit Enkelin Sophia (Eden Summer Gilmore, l.) und Enkel Nico (Brenden Sunderland) 2021 FLS1 Productions Inc.

Wie gesagt, die soapigen Elemente von „Family Law“ haben mitunter die größte Zugkraft – Geschichten über das Verhältnis von Eltern und Kindern sind zeitlos. Weder Abby noch Daniel haben in ihren Eltern „gute Rollenvorbilder“ gehabt und nun im eigenen Leben sehr unterschiedliche, „chronische“ Beziehungsprobleme. Auch die lesbische Lucy ist trotz Ehering in Wahrheit nur bedingt beziehungsfähig und bringt ihre Ehe bald in massive Schwierigkeiten.

Abby wiederum steht in der Mitte: Einerseits hat sie deutliche Meinungen über die Fehler ihrer beiden Eltern, andererseits ist sie nun eben selbst in jener „Eltern-Rolle“ – und muss zusätzlich Energie in ihren Alltag investieren, während sie ihre Kinder unbeschadet durch die Zeit der Eheschwierigkeiten bringen will. Durch die Beschäftigung mit ihrem Alkoholismus muss Abby aber auch hinterfragen, welchen Einfluss ihre Eltern auf ihr Leben hatten und für welche Entwicklungen sie selbst die Verantwortung übernehmen muss.

Wie schon erwähnt, sind die in „Family Law“ verhandelten Fälle nicht ganz so melodramatisch, wie man sie zumeist aus US-Serien kennt. Es handelt sich halt um Angelegenheiten, bei denen Menschen, die auf die eine oder andere Art vom Schicksal zusammengeschmiedet wurden, nun unterschiedliche Interessen haben. Häufig greifen die Anwälte vermittelnd ein, um verhärtete Positionen aufzuweichen.

Schlussendlich ist „Family Law“ eine durchaus unterhaltsame „Feierabendserie“. In Deutschland läuft sie zwar im Pay-TV, in der kanadischen Heimat jedoch im Free-TV, was deutlich eher dem Anspruch entspricht, den die Serie an sich selbst stellt: Die Folgen sind eher leicht verdaulich, regen mit ihren Themen aber schon ein bisschen zum Nachdenken über die eigenen Wert- und Moralvorstellungen an. Wenn Zuschauer sich oder ihr persönliches Umfeld zudem in den Nöten und Erlebnissen der Figuren wiederfinden können, gewinnt die Serie ungemein. Lobende Erwähnung verdient, wie angenehm unaufgeregt das LGBTQ-Leben zweier Hauptfiguren – Jerri und Lucy – behandelt wird.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden Staffeln von „Family Law“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Sky One importiert „Family Law“ ab dem 21. September. Immer donnerstags ab 20:15 Uhr gibt es eine Doppelfolge – dann wird auch die komplette Auftaktstaffel bei Sky Q und WOW zum Abruf bereitgestellt. Dabei hat der Sender angekündigt, nach der ersten Staffel auch die zweite (ab 26. Oktober) und die dritte (ab 30. November) zu zeigen.

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1976) am

    "Im Zentrum von „Family Law“ steht der umtriebige Anwalt Harry Svenson" aber "Jüngster Neuzugang ist dabei die Protagonistin der Serie, Harrys älteste Tochter, Rechtsanwältin Abigail „Abby“ Bianchi".
    Manchmal fällt leider sehr störend ein fehlendes Lektorat auf dieser Seite auf. Mittelpunkt der Serie ist also Harry Svenson, während Abby Bianchi der Mittelpunkt ist. Das hat schon etwas Tautologisches.
    • (geb. 1974) am

      Du kannst dich gerne über die "Leistung" des Lektorats beschweren, fehlen tut es nicht.


      Wenn
      man das Geflecht aller Figuren der Serien aufzeichnet, steht Harry im
      Zentrum - als Vater, Ex-Ehemann, Arbeitgeber haben alle Hauptfiguren eine direkte Beziehung zu ihm. Die Haupterzählperspektive
      geht von Abby aus. Die "Key-Art", die ober über dem Text steht, fasst
      das meiner Meinung nach schön grafisch zusammen.
    • (geb. 1967) am

      Dann lies mal die Artikel auf "Quotenmeter.de"!! Die Kollegen dort haben anscheinend keinen Lektor!

weitere Meldungen