„Die Wespe“ trifft nicht mit jedem Wurf ins Schwarze – Review

Neue Sky-Comedy mit Florian Lukas kann nur oberflächlich überzeugen

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 02.12.2021, 17:30 Uhr

Florian Lukas ist „Die Wespe“ – Bild: Sky Deutschland/Gaumont GmbH/Nadja Klier
Florian Lukas ist „Die Wespe“

Man mag es in diesen Zeiten kaum glauben, aber es gibt sie noch, die unberührten Ecken im Fernsehuniversum, wo ein bislang noch nicht behandeltes Thema darauf wartet, seriell verewigt zu werden. Ein Beispiel hierfür ist die neue Dramedy „Die Wespe“, die am Freitag bei Sky an den Start geht. Die Besetzung kann sich sehen lassen: „Weissensee“-Veteran Florian Lukas, Lisa Wagner („Kommissarin Heller“), Ulrich Noethen und „Das Boot“-Besatzungsmitglied Leonard Scheicher widmen sich ganz einer Sportart, die ihre Durchschlagskraft erst vor kurzem durch Wettkönig Leon Krampe bei „Wetten, dass..?“ unter Beweis gestellt hat. Eine Serie über Darts suchte man in der internationalen Fernsehlandschaft bislang vergebens.

So trifft „Die Wespe“ zumindest durch ihre Einzigartigkeit gleich ins Schwarze. Die sechs Episoden der ersten Staffel, die ab dem 3. Dezember bei Sky Ticket und linear bei Sky One auf Sendung gehen, setzen dabei keinerlei Vorwissen über die Regeln des Sports voraus. Solche Details werden für Fans des Sports zwar zelebriert, stellen aber kein Hindernis für unwissende Zuschauer dar. In dieser Hinsicht steht „Die Wespe“ sogar erfolgreich in der Tradition großer Sportserien wie „Friday Night Lights“ oder „Kingdom“. Während dort aber ein realistisches und oft auch bissiges Bild eines Kosmos gezeichnet wird, der für viele treue Anhänger lebensausfüllend ist, fühlt sich „Die Wespe“ nur in überzeichnetem Terrain wohl. Satirische Glanzleistungen gelingen den Machern dabei zwar auf oberflächlicher Ebene, inhaltlich sieht es aber weniger üppig aus.

„Die Wespe“ Eddie Frotzke (Florian Lukas, r.) mit Ehefrau Manu (Lisa Wagner, m.) und Ziehsohn Kevin (Leonard Scheicher, l.) Sky Deutschland/​Gaumont GmbH/​Nadja Klier

Der Ur-Berliner Dartprofi Eddie Frotzke (Lukas) hat schon bessere Tage gesehen. Gemeinsam mit seiner Frau, der Sonnenstudio-Betreiberin Manu (Wagner) und seinem Ziehsohn Kevin (Scheicher) tingelt er von Turnier zu Turnier. Zwar trägt er noch sein gelbes Trikot mit dem Spitznamen „Die Wespe“, deren Logo als Tattoo sogar seinen Rücken ziert. Doch die Zeiten, in denen dieser Name seinen Gegnern einen Schauer über den Rücken jagte, sind längst vorbei. Selbst Kevin überholt ihn schließlich in der deutschen Rangliste. Das wäre halb so schlimm, würde er Eddie nicht aus Mitleid sogar Partien gewinnen lassen.

Mehr noch: Zeitgleich findet Eddie heraus, dass Manu ihn betrügt. Je mehr er sich gehen lässt, desto mehr hat auch sie die Nase voll von ihm. Nach einer wilden Verfolgungsjagd mit seinem Nebenbuhler kommt es so, wie es kommen musste. Dartpfeile fliegen und Eddie verliert fast alles. Nur mit einem Vertreterjob bei seinem ungeliebten Konkurrenten Mucki (Sahin Eryilmaz) und durch den Einzug bei seinem alkoholkranken Freund Nobbe (Noethen), einem weiteren Ex-Dartprofi, kann sich Eddie noch über Wasser halten. Kann es das tatsächlich schon gewesen sein? Ist seine Welt wirklich eine Scheibe oder hat er in all den Jahren falschen Zielen nachgejagt? Erst nach und nach wird Eddie klar: „Die Wespe“ muss noch einmal für einen letzten, entscheidenden Stich angreifen.

Traurig grelle Neon-Welten: Das Zuhause der „Wespe“ Sky Deutschland/​Gaumont GmbH/​Nadja Klier

„Die Wespe“ weiß durchaus zu betören. Die von Regisseurin Hermine Huntgeburth („Neue Vahr Süd“) und Kameramann Sebastian Edschmid geschaffenen, heruntergewirtschafteten Dart-Landschaften laden mit grellem Neonlicht dazu ein, die sicher mangelhafte Raumpflege zu übersehen und sich pudelwohl zu fühlen. Nicht weniger knallbunt sind die Klamotten, in die sich Eddie, Kevin und Manu zwängen. Eine gelungene Gratwanderung zwischen Geschmacklosigkeit und Kult lädt zum Weitergucken ein.

Auch das Ensemble scheint regelrecht in den Figuren von Serienschöpfer Jan Berger aufzugehen. Florian Lukas genießt es sichtlich, im manchmal geradezu aggressiven Selbstmitleid des Eddie Frotzke zu schwelgen. Mit vollem Körpereinsatz porträtiert er den abgehalftert liebenswerten Ur-Berliner, der sich standhaft dagegen weigert, die eigene Verantwortung am Zustand seines Lebens und seiner Beziehung zu erkennen. Jahrelang ist er von Turnier zu Turnier getingelt, während seine Ehefrau zuletzt praktisch alleine die Rechnungen bezahlt hat.

Dementsprechend abgeklärt kommt Manu daher, die einerseits von Eddie im Stich gelassen wird, andererseits mit nur einem Wimpernschlag noch immer alles von ihm haben könnte. Doch sie will ihn nicht mehr und wendet sich lieber einer jüngeren, unverbrauchten Version ihres Gatten zu. Diese findet sie ausgerechnet in der Form des aufstrebenden Dart-Zöglings Kevin, unnachahmlich gespielt von Leonard Scheicher. Der Schauspieler sorgt dafür, dass bei Kevin die Betonung jeder leicht ahnungslosen Silbe einfach nur sitzt. Das Makeover, das Manu ihm schließlich verpasst, ist genauso erschreckend wie urkomisch. Gerade für jemanden wie Scheicher, der bislang vor allem durch ernsthafte Charakterrollen aufgefallen ist, muss eine Comedy-Rolle wie die des naiven und stets eine halbe Sekunde zu langsamen Kevin ein wahres Geschenk sein.

Schlagabtausch der Giganten: Eddie (Florian Lukas, l.) gegen Kevin (Leonard Scheicher, r.) Sky Deutschland/​Gaumont GmbH/​Nadja Klier

Die Balance zwischen liebenswürdig und grotesk überzeichnet kippt dann aber leider beim alkoholkranken Alt-Profi Nobbe. Ulrich Noethen im Glitzerhemd und mit gefühlt 25 Goldketten überfrachtet an der Bar seiner eigenen Endstation sitzen zu sehen, kann vielleicht zunächst für ein Schmunzeln sorgen. Wirklich echt oder dreidimensional fühlt sich die Figur aber praktisch nie an. Auch Lisa Wagners Manu wirkt nicht durchgehend schlüssig. Letztendlich tritt sie meist zu streng und abweisend auf, als dass man noch nachvollziehen könnte, was Eddie und Kevin nun tatsächlich an der knalligen, aber dennoch kalten Sonnenstudio-Betreiberin finden.

Zeitgleich entpuppt sich „Die Wespe“ trotz einer überschaubaren Laufzeit von sechs Folgen à 26 Minuten als erstaunlich langatmig. Man wartet die erste Hälfte der Staffel vergeblich darauf, dass sich Eddie ein Herz fasst und anfängt zurückzuschlagen, dass er endlich um das kämpft, woran ihm offenbar noch weitaus mehr liegt, als er sich selbst zunächst eingestehen möchte. Zu viel Zeit verbringt bereits die erste Folge mit der Exposition von Figuren, die letztendlich nie über ihre eigene Künstlichkeit hinauswachsen. Um dies zu erreichen, hätten die Macher ihnen mehr Momente der Menschlichkeit zugestehen müssen, in denen ihr eigenes, überzeichnetes Neonlicht nicht ganz so grell leuchtet.

Manu (Lisa Wagner, r.) hat große Pläne mit Kevin (Leonard Scheicher, l.) – beruflich und privat Sky Deutschland/​Gaumont GmbH/​Nadja Klier

Die wichtigste Frage einer jeden Geschichte wird hier viel zu spät beantwortet: Was will die Hauptfigur und welche Hindernisse werden ihr in den Weg gelegt? Gut, Hindernisse gibt es genug. Aber dennoch fragt man sich hier die längste Zeit: Will die Hauptfigur überhaupt noch was? Als sich Eddie dann doch noch einigermaßen berappelt, ist bereits eine deutliche Menge Interesse für den weiteren Fortgang der Handlung verspielt worden. Auch die Wendungen und Cliffhanger der Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt sind nicht überraschend genug, um die Spannung halten zu können. Umso bedauerlicher ist dies, da die Dialoge von Jan Berger immer wieder regelrecht glänzen – egal ob auf Berlinerisch oder Hochdeutsch.

Letztendlich entpuppt sich die Geschichte, welche „Die Wespe“ in knapp drei Stunden erzählt, aber als weniger verspielt und ausgefallen, als es die einladende Verpackung der Serie zunächst verspricht. „Banalität“ ist ein hartes Wort und hier sicher nicht vollkommen zutreffend, doch die Dramedy mäandert schon stark in diese Richtung. Der Gedanke drängt sich auf, dass „Die Wespe“ als zweistündiger Film mit weniger Längen weitaus grandioser ins Bullseye hätte treffen können.

So bleiben von „Die Wespe“ die wunderschöne Optik, einladende Musik und schauspielerische Glanzleistungen von Florian Lukas und Leonard Scheicher. Einen Abend lang kann das durchaus reichen. Aber würde ich auch die Reise zum nächsten Turnier für die beiden noch auf mich nehmen oder mir nicht doch lieber noch einmal die Würfe auf die unsichtbare Weltkarte des Dart-Wettkönigs bei YouTube reinpfeifen? Die Welt der „Wespe“ ist zwar ganz klar eine Scheibe. Deutlich runder hätte die Staffel aber dennoch ausfallen dürfen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten ersten Staffel von „Die Wespe“.

Meine Wertung: 3/​5

Alle Episoden sind ab Freitag, den 3. Dezember bei Sky Ticket und Sky Go abrufbar. Die lineare Ausstrahlung erfolgt immer freitags um 20:15 Uhr im Doppelpack bei Sky One.

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Puh ich muss sagen die 3. Staffel ist sowas von langweilig und langatmig - schade das man langsam das Interesse verliert. Man hat das Gefühl es ist auserzählt. Frag mal in die Runde: Weiss einer was der Sinn dieser Staffel ist ?

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