„Culpa – Niemand ist ohne Schuld“: Emotionsarmes Kammerspiel bietet wenig Neues – Review

13th Street bringt erste Eigenproduktion an den Start

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 12.07.2017, 18:00 Uhr

Stipe Erceg als namenloser Priester in „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ – Bild: Nadja Klier / 13th Street
Stipe Erceg als namenloser Priester in „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“

Peak TV nennt man in den USA den noch immer anhaltenden Trend, dass inzwischen jeder Sender und jeder Onlinedienst seine eigenen fiktionalen Serien produzieren lassen will – und sei er auch noch so klein. Das führt dazu, dass die schiere Anzahl der aktuellen Serien zu hoch geworden ist, um noch den Überblick behalten zu können. Selbst Menschen, die sich beruflich mit dem Thema beschäftigen, müssen da mittlerweile kapitulieren. Auch in Deutschland kommen immer neue Player ins Spiel – so gaben jetzt nach Turner und Sky auch die NBC Universal Global Networks Deutschland zum ersten Mal eine (Mini-)Serie für einen ihrer Bezahlsender (13th Street) in Auftrag: „Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ erzählt in zunächst vier kurzen Episoden von einem ungewöhnlichen Priester in seinem einsamen Kampf gegen Verbrechen und für das Seelenheil seiner Klienten.

Als schrullige Ermittler haben Geistliche im Krimigenre ja eine gewisse Tradition, man denke nur an Pater Brown. Der von Stipe Erceg gespielte namenlose Priester in „Culpa“ ist jedoch kein klassischer (Hobby-)Schnüffler und zudem ein Einzelgänger und schwieriger Charakter: nicht warmherzig und geradeheraus, wie man es sich bei einem Seelsorger wünschen würde, sondern eher ein Grübler und Zweifler. Darüber, was ihn im Inneren wirklich umtreibt, was seine eigene Motivation, seine Geschichte ist, erfährt man als Zuschauer allerdings nur bruchstückhaft etwas. Aber „Culpa“ ist eh keine dieser modern erzählten Dramaserien, in denen sich Figuren von Folge zu Folge weiterentwickeln und dadurch die Indentifikationsmöglichkeiten für die Zuseher erhöhen. Statt horizontal zu erzählen, ist die Serie irgendwo in den Erzählmustern der mittleren 1990er Jahre steckengeblieben: eine Episode, ein Fall, jeweils ein oder zwei Episodenhauptrollen. Und nächste Woche geht alles mit anderen Figuren wieder von vorne los.

Offensichtlich hatte 13th Street nicht viel Geld für diese Eigenproduktion zur Verfügung. Im Gegensatz zu den stilistisch gelungenen deutschen Serien beim Turner-Pay-TV-Sender TNT Serie merkt man das hier leider ständig. Ebenso beschränkt wie die einzelnen Geschichten, die eben nie länger als rund 25 Minuten sein dürfen, und die Besetzung pro Folge sind nämlich auch die Schauplätze: Gefühlt 95 Prozent der Laufzeit spielen in der Kirche und dort hauptsächlich im Beichtstuhl, in dem Stipe Erceg auf die merkwürdigsten Beichtwilligen trifft. Den Keller, in dem ein seltsames Geschwisterpaar eine junge Frau gefangenhält, bekommen wir nie zu sehen, den Wald, in dem ein Polizist einen Verdächtigen richtet, immerhin kurz. Insgesamt wirken die „Culpa“-Episoden wie Kammerspiele – oder, um es negativer zu formulieren: wie abgefilmtes Theater. Das kann man machen, und eine Serie wie „In Treatment“ bei HBO hat bewiesen, dass das auch durchaus spannend und emotional packend sein kann. Dann braucht man aber eben auch hervorragende Schauspieler und dichte Drehbücher, die ersteren die Gelegenheit bieten zu glänzen.

Was die Darsteller betrifft, hat diese Serie durchaus vielversprechende Namen im Aufgebot: Nicht nur Erceg selbst hat in Filmen wie „Die fetten Jahre sind vorbei“, „Der Baader Meinhof Komplex“ oder „Kahlschlag“ (dem Sieger der 2006er Ausgabe des Mainzer „Filmz“-Festivals für den deutschen Nachwuchsfilm) bewiesen, dass er sein Handwerk versteht. Auch Ludwig Trepte („Deutschland 83“, „Unsere Mütter, unsere Väter“), Mehmet Kurtulus („Kurz und schmerzlos“ und die umstrittene „Tatort“-Reihe um den Undercoverermittler Cenk Batu) und Alina Levshin („Kriegerin“, „Im Angesicht des Verbrechens“) gehören zweifellos zur A-Liga der jüngeren deutschen SchauspielerInnen. Leider erschöpfen sich die ihnen zur Verfügung stehenden Drehbücher dann aber in endlosen Zwiegesprächen, die weder authentisch wirken noch irgendeine Emotion auslösen.

Da fragt etwa in der ersten Episode ein nervöser mittelalter Mann (Dirk Martens), der vorgeblich von seiner herrischen Ehefrau begleitet wird, den Pfarrer, ob es eine Sünde sei, ein leidendes Haustier zu töten. Im Laufe der Folge findet der Geistliche durch beharrliches Nachbohren heraus, dass es sich in Wahrheit weder um die Ehefrau noch um ein Tier handelt. In einer anderen Folge beichtet ein junger Streifenpolizist (Maxim Mehmet), er habe einen vermeintlichen Kindesentführer in seiner Gewalt, den er am liebsten persönlich richten würde. Selbstgesetzte Aufgabe des Priesters ist es nun jeweils, diese getriebenen Menschen davon zu überzeugen, von ihren düsteren Plänen abzulassen; einfach selbst die Polizei zu informieren, verbietet ja das Beichtgeheimnis. Am Ende jeder Episode gibt es dann noch einen mehr oder weniger unerwarteten Twist, eine überraschende Wendung. Und das war’s. Weder sind dabei die einzelnen „Fälle“ besonders interessant oder originell, noch kommt es zu einer tieferen Charakterzeichnung – was in der begrenzten Laufzeit auch nur schwerlich möglich wäre. Danach geht der Priester in seinen privaten Raum in der Kirche und ritzt entweder einen senkrechten Strich in die Wand oder „radiert“ einen aus, je nachdem, ob er eine Sünde verhindern konnte oder nicht. Das wirkt schon alles sehr an den Haaren herbeigezogen.

Inszenatorisch bemüht sich Regisseur Jano Ben Chaabane, der bei allen vier Folgen Regie geführt hat, gemeinsam mit seinem Kameramann Tobias Koppe, Bilder zu erzeugen, die reichlich gritty aussehen sollen. Das gelingt auch im Ansatz, zumal ihnen mit dem Innenraum der (übrigens evangelischen) Zionskirche in Berlin-Mitte ein atmosphärischer, angemessen heruntergekommener Drehort zur Verfügung stand. So ist das Szenenbild fast das Gelungenste an der Serie. Inhaltlich fragt man sich hingegen leider schnell, was das alles eigentlich soll. Klar, „Culpa“ ist eine Nischenserie auf einem Spartensender im Pay-TV, ein großes Budget stand nicht zur Verfügung. Aber kann man es dann nicht einfach gleich lassen, wenn einem unter diesen Rahmenbedingungen nichts anderes einfällt als eine weitere Variante des „Tatortreinigers“? Den finden viele ja zumindest lustig. Ebenso wie die WDR-Produktion „Der letzte Cowboy“ um einen erfolglosen Staubsaugervertreter, die – Weihnachten 2016 ausgestrahlt – auch schon nur eine Variation dieses kammerspielartigen Serienformats war, aber als solche zumindest funktionierte. „Culpa“ hingegen erinnert nur einmal mehr daran, wie weit die deutsche Serienbranche weiterhin der internationalen Konkurrenz hinterherhinkt.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie „Culpa“.

Meine Wertung: 2,5/​5


Marcus Kirzynowski

„Culpa – Niemand ist ohne Schuld“ hat seine Deutschlandpremiere am 12. Juli um 20:13 Uhr beim Pay-TV-Sender 13th Street. Vier Episoden werden im wöchentlichen Rhythmus gezeigt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1990) am

    Also ich fand die erste Folge sehr gelungen, zwar minimalistisch - aber sehr gut gemacht
    • am via tvforen.de

      Mich persönlich nervt der religiöse oder esoterische Einschlag in vielen US-Serien. Deshalb würde ich Culpa noch nicht mal antesten.

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