VIVA Forever – ein Sender, der mehr als nur Musikfernsehen war

Ausführlicher Rückblick auf die Geschichte von VIVA

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 30.12.2018, 09:00 Uhr (erstmals veröffentlicht am 22.12.2018)

VIVA Forever - ein Sender, der mehr als nur Musikfernsehen war – Ausführlicher Rückblick auf die Geschichte von VIVA

VIVA Interaktiv – Sprachrohr der Jugend und Zugang zu den Stars

Als VIVA an den Start ging, war ich acht Jahre alt – dementsprechend verbinde ich mit dem Sender Erinnerungen an meine Kindheit und Jugend. Als ich von der Schule nach Hause kam, wurde der Schulranzen in die Ecke gepfeffert und rituell VIVA eingeschaltet – nicht selten lief der Sender den ganzen Nachmittag. Kein Wunder, schließlich kam montags bis freitags von 15 bis 17 Uhr „VIVA Interaktiv“ – das Herzstück des Senders. Zwei Stunden lang wurde live über all das geredet, was mich als Jugendlicher bewegt und interessiert hatte. Im wöchentlichen Wechsel moderierten Mitte der 1990er Jahre in charakteristischer Wackelkamera-Optik Mola Adebisi, Heike Makatsch, Aleksandra Bechtel, Tobi Schlegl, Minh-Khai Phan-Thi, Nadine Krüger, Daniel Hartwig und viele mehr die Nachmittagsshow aus dem quietschbunten Studio, das mit ein paar Sitzwürfeln für die Teenie-Zuschauer (meist eine Schulklasse) ausgestattet war. Kurz nach 17 Uhr hatte ich manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich anstatt Hausaufgaben zu machen wieder mal zwei Stunden lang vor dem Fernseher hing.

Aber junge Musikfans wie ich saßen wie gebannt vor dem Röhrenfernseher und warteten sehnsüchtig darauf, dass Stars wie die Backstreet Boys, Blümchen , die Kelly Family und Tic Tac Toe auf dem Sofa Platz nahmen – manchmal musste man allerdings auch mit den Funky Diamonds oder Marcel Romanoff Vorlieb nehmen. „Interaktiv“ war die einzige Möglichkeit, direkt mit den Künstlern in Kontakt zu treten – es gab schließlich kein Facebook und keine Insta-Storys. Stattdessen erhielten zwei bis drei glückliche Anrufer die Gelegenheit, per Telefon ihre Fragen an Nana oder Young Deenay zu stellen und konnten handsignierte CDs gewinnen.

Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, sich per Fax (ja, Fax!) an der Sendung zu beteiligen. Und so surrte das legendäre Kussmund-Faxgerät jahrelang im Studio und spuckte Grüße, Kommentare zum Tagesthema oder auch Liebesbekundungen in großen Lettern an die Stars aus. Pro Sendung konnte außerdem aus drei Vorschlägen per Telefon-Voting über das Musikvideo des Tages abgestimmt werden, das am Ende der Sendung gezeigt wurde. Es gab schließlich noch nicht den Luxus, jederzeit das gewünschte Video im Internet abzurufen. Stattdessen verbrachte ich zeitweise Stunden mit dem Finger am Record-Knopf meines VHS-Recorders und wartete, bis ein bestimmtes Musikvideo endlich gezeigt wurde. Immer samstags und zu aktuellen Anlässen gab es „Interaktiv Spezial“, eine Call-In-Show, in der die VJs ohne Publikum im Studio Telefonate entgegennahmen, um mit den jungen Anrufern im „Domian“-Stil über deren Probleme zu sprechen und ihnen Rat zu geben.

Ein Evergreen in der Historie von „Interaktiv“ ist der Auftritt von R.I.P. Uli im Jahr 1999. Im Rahmen seiner Sat.1-Show „Darüber lacht die Welt“ legte Hape Kerkeling Moderatorin Milka Loff Fernandes gehörig rein. Zusammen mit zwei Kollegen (Achim Hagemann und Jumbo Schreiner) trat Kerkeling kostümiert als angeblich finnische Rap-Superstars „R.I.P. Uli“ auf. Für den Streich wurde sogar eigens der Song „Helsinki is Hell“ samt zugehörigem Musikvideo produziert, um völlig glaubhaft zu wirken. Im Studio führten sich die drei Rabauken jedoch wie die Axt im Wald auf, wirkten schlecht gelaunt und pöbelten herum. Milka verlor zunehmend die Fassung, machte jedoch gute Miene zum bösen Spiel – und war umso erleichterter, als der Spuk aufgelöst wurde.

Auch Late-Night-Talker Harald Schmidt stattete „Interaktiv“ einen Besuch ab – in ungewohntem Outfit, aber mit gewohnt spitzer Zunge.

Mit der Jahrtausendwende gingen zahlreiche Gesichter der ersten Moderatorenriege, doch mit Collien Ulmen-Fernandes, Gülcan Kamps, Sarah Kuttner, Milka Loff Fernandes und Janin Ullmann kamen neue VJs nach, mit denen ich mich schnell anfreunden konnte – und die das besondere „VIVA liebt dich“-Gefühl verinnerlicht hatten. „VIVA Interaktiv“ blieb bis Ende 2004 auf Sendung.

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