„Promi Big Brother“ vs. „Celebrity Big Brother UK“ – Ein Unterschied wie Tag und Nacht

Fernseh-WGs im internationalen Vergleich – von Glenn Riedmeier

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 23.08.2015, 13:00 Uhr

Collage/​Sat.1/​Channel 5

Sat.1 feiert derzeit mit der inzwischen dritten Staffel von „Promi Big Brother“ Erfolge und darf sich über Zielgruppen-Marktanteile von mehr als 19 Prozent freuen. Deutlich länger ist bereits das britische Vorbild „Celebrity Big Brother“ auf Sendung – nämlich schon seit dem Jahr 2001. Kommenden Donnerstag (27. August 2015) beginnt der britische Privatsender Channel 5 mit der Ausstrahlung der 16. Staffel. Beide Formate tragen den Namen „Big Brother“, und doch unterscheiden sich die deutsche und britische Variante erheblich in sämtlichen Punkten. Obwohl die Einschaltquoten für Sat.1 sehr gut sind, steckt in dem Format noch sehr viel mehr Potential. Die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten werden hierzulande kaum genutzt. Im folgenden Special werden beide Versionen miteinander verglichen und die entsprechenden Unterschiede aufgezeigt.


Dauer und Sendeform

Derzeit laufen im Vereinigten Königreich von „Big Brother“ pro Jahr eine reguläre Staffel und zwei Celebrity-Staffeln. Im Gegensatz zum deutschen „Promi Big Brother“, das lediglich zwei Wochen dauert, ist das britische „Celebrity Big Brother“ durchschnittlich drei bis vier Wochen auf Sendung – die Winter-Staffel 2015 hat mit einer Dauer von insgesamt 31 Tagen neue Maßstäbe gesetzt. Den Einschaltquoten tat dies keinen Abbruch. Im Gegenteil: Mit regelmäßig mehr als drei Millionen Zuschauern handelte es sich um die erfolgreichste Staffel seit dem Wechsel der Realityshow zu Channel 5 im Jahr 2011.

Während sich in Deutschland Jochen Schropp täglich mit einer unnötig zur Liveshow aufgeblähten Tageszusammenfassung aus einem Studio meldet, sind die regulären Sendungen im Vereinigten Königreich wie bei den Normalo-Staffeln unmoderiert und bilden in 45 Minuten chronologisch den Tagesablauf ab. Live sind zwei Mal pro Woche die Eviction-Shows, in welchen die Bewohner rausgewählt werden und anschließend auf einer Open-Air-Bühne vom Publikum erwartet werden. Danach führt Moderatorin Emma Willis, die in der BBUK-Community auf Grund ihres Charmes und ihrer spürbaren Fachkenntnis große Beliebtheit genießt, ein Interview mit dem rausgevoteten Bewohner, hier mit der amtierenden Gewinnerin Katie Price:


Daneben gibt es die Spin-Off-Sendung „Bit on the Side“, eine tägliche Talk-Show mit Rylan Clark, in der Zuschauer, Exbewohner, Psychologen und prominente Gäste im Anschluss an die Tageszusammenfassung über das Geschehen im Haus diskutieren können.


Ein ähnliches Format (nur leider ohne Publikum) brachte sixx im vergangenen Jahr mit der von Jochen Bendel und Melissa Khalaj moderierten Late-Night-Show an den Start.


Konzept

„Promi Big Brother“ greift auch in diesem Jahr zum wiederholten Mal auf das Arm/​Reich-Konzept zurück, das schon in den regulären BB-Staffeln mehrfach bemüht wurde. Elementarer Bestandteil der deutschen Version ist ganz offensichtlich, die Prominenten „leiden“ sehen zu wollen – und so nimmt das tägliche Rauf- und Runterwählen von Bewohnern in den Luxus- oder Keller-Bereich einen erheblichen Teil der Sendung ein. Der Zuschauer wird Zeuge davon, wie die Kandidaten im unteren Bereich immer lethargischer werden und an ihre körperlichen Grenzen gebracht werden. Besonders ärgerlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Bewohner bei PBB tatsächlich räumlich voneinander getrennt sind und nicht miteinander kommunizieren können. Während der RTL II-Staffeln waren die Bereiche lediglich durch einen Zaun oder ein Gitter voneinander abgetrennt, so dass die Bewohner dennoch Kontakt miteinander aufnehmen konnten. Trotz einer täglichen Netto-Sendedauer von 90 Minuten bekommt man bei PBB erstaunlich wenig vom Tagesgeschehen im Haus mit. Zu viel Zeit geht für die Rauf- und Runterwahl, das tägliche Duell und die verzichtbaren Kurzauftritte von Cindy aus Marzahn drauf.

All das spielt bei „Celebrity Big Brother UK“ keine Rolle. Eine dauerhafte Aufteilung des Hauses in voneinander abgetrennte Bereiche gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Stattdessen leben alle Bewohner gemeinsam in einem großflächigen, luxuriösen Haus mit angeschlossenem Garten und Swimming Pool. Konflikte werden nicht durch eine Arm/​Reich-Schere provoziert, sondern durch eine Reihe an Tasks und geheimen Missionen, denen sich die Bewohner im Verlauf ihres Aufenthalts stellen müssen. Regelmäßig werden aus gutem Grund außerdem Partys veranstaltet – „Big Brother“-Kenner wissen schließlich, dass gerade bei ausgelassener Feierlaune und Alkoholkonsum Dramen, Stress und Tränen entstehen.


Aktionen im Haus

Bei „Promi Big Brother“ treten in diesem Jahr täglich zwei Bewohner (einer von „oben“, einer von „unten“) in einem Duell in der Liveshow gegeneinander an, das über Luxusessen oder den weiteren Verbleib im jeweiligen Bereich entscheidet. Überwiegend handelt es sich dabei um Geschicklichkeitsspiele. Aufwendigere Matches wie in vergangenen Staffeln gibt es hingegen nicht mehr. Davon abgesehen gibt die Produktion keinen weiteren Input und die Bewohner werden sich selbst und der Langeweile überlassen.

Ganz anders in Großbritannien: Meist mehrmals pro Tag müssen die Bewohner mit diversen sogenannten Tasks, Twists und geheimen Missionen rechnen. Dabei handelt es sich weniger um sportliche Herausforderungen als vielmehr um wohldurchdachte Psychospielchen. Der Grundgedanke hinter dem Format, nämlich dass es sich um ein soziales Experiment handelt, ist bei unseren Nachbarn immer noch stark ausgesprägt. Zu Beginn einer Staffel wird beispielsweise gerne folgendes Kennenlernspiel angewandt: Die Celebrities sollen bestimmte Behauptungen und private Details über ihre Mitbewohner richtig zuordnen. Oft geht es hierbei um pikante Dinge, die die Bewohner lieber unerwähnt lassen würden. In einer ähnlichen Task sollen die Kandidaten tippen, wer vom Publikum oder den Mitbewohnern z.B. als verlogenster, nervigster oder langweiligster Bewohner betrachtet wird.


Der Erfolg bei den Tasks bestimmt darüber, ob die Bewohner sich über ein reichhaltiges Essen freuen dürfen oder mit Basisrationen Vorlieb nehmen müssen. Manchmal erhalten auch nur einzelne Bewohner eine Belohnung oder eine Bestrafung. Für Zündstoff sorgen regelmäßig auch Spielchen, die darüber entscheiden, ob und welche Bewohner einen Brief von ihren Liebsten erhalten:


Jede „Celebrity Big Brother“-Staffel steht außerdem seit einigen Jahren unter einem bestimmten Motto, im Winter 2015 lautete es „Twisted Fairytale“. Das Haus enthielt wie in einem Märchen „magische Elemente“ und die Promis mussten mit unvorhergesehenen Wendungen und Überraschungen rechnen. Katie Hopkins erhielt als erste Bewohnerin eine besondere Mission und versteckte sich in einem „Zauberspiegel“. Dort durfte sie die restliche Einzugsshow verfolgen und am Ende entscheiden, welche beiden Mitbewohner den langweiligsten Eindruck machen, und konnte sie auf die erste Nominierungsliste setzen. Die Briten machen in puncto Aktionen im Haus sehr viel richtig – einziger Kritikpunkt wäre, dass es manchmal schon zu viele sind und zu offensichtlich versucht wird, Streit zu provozieren.

Streng ist „Big Brother“ in Großbritannien auch, was unerlaubtes Sprechen über Nominierungen angeht. Die restlichen Bewohner werden darüber informiert und müssen auch die Konsequenzen der Bestrafung tragen:



Produktion und Authentizität

In den vergangenen Jahren wurde der redaktionelle Einfluss in sämtlichen deutschen Reality- und Casting-Formaten immer deutlicher – und auch bei „Promi Big Brother“ wird davor nicht Halt gemacht. Durch den ausgeprägten Einsatz von Hintergrundmusiken, Slow-Motions, einfrierenden Bildern, Echos und sonstigen Effekten kann nach Belieben die gewünschte Wirkung bei den Zuschauern erzielt werden. Auch die eindeutigen Empfehlungen von Cindy aus Marzahn während der Votingphase können als massive Einflussnahme betrachtet werden.

In Großbritannien herrscht dagegen noch ein behutsamer Umgang mit dem Originalmaterial vor. Die Szenen werden so unbearbeitet und authentisch wie möglich in die Tageszusammenfassung übernommen. Effekte und Hintergrundmusik werden vergleichsweise selten und dezent eingesetzt. Der Off-Sprecher sagt oft nur die Tageszeit an und hält sich mit meinungsbildenden Kommentaren zurück.

Völlig unterschiedlich ist auch Big Brother selbst. Seit Staffel 7 verkörpert in Deutschland Ex-VIVA-VJ Phil Daub den Großen Bruder und spricht in einem tiefen, durch einen Stimmverzerrer bearbeiteten Ton zu den Bewohnern. In Großbritannien handelt es sich hingegen um ein Team von männlichen und weiblichen „Big Brother“-Stimmen, die im Wechsel zu den Kandidaten sprechen.

Einen Teil der deutschen Tageszusammenfassung machen darüber hinaus immer noch die unvermeidlichen Duschszenen der Bewohner(innen) aus – natürlich inklusive Großaufnahmen bestimmter Körperteile und begleitet von romantischer Musik. Im United Kingdom verzichtet man auf diese Softerotik. So lange diese Szenen hierzulande im Fokus stehen und von BILD und Co. dankbar aufgegriffen werden, wird „Big Brother“ sein Schmuddelimage wohl nie los. Ebenso allgegenwärtig ist in Deutschland auch immer noch die Schadenfreude, etwa wenn Wildecker Herzbub Wilfried Gliem aus gesundheitlichen Gründen die Treppe nicht schnell rauf- und runtergehen kann. Auch derartige Inhalte meidet „Celebrity Big Brother“. Die entsprechende Sendezeit wird dort lieber mit Gesprächen aus dem Haus gefüllt.


Nominierung und Rauswahl

„Celebrity Big Brother“ hält sich stärker an das Konzept der normalen „Big Brother“-Staffeln mit einem regelmäßigen Nominierungs- und Auszugs-Rhythmus. Im Regelfall finden pro Woche zwei Rauswahlen im Rahmen von Live-Shows statt. Ein paar Tage zuvor findet die Nominierung statt: Jeder Promi kann jeweils zwei Stimmen abgeben. Neben der üblichen Nominierung im Sprechzimmer müssen die Bewohner auch hin und wieder „offen“, also von Angesicht zu Angesicht nominieren.

Es kann jedoch auch alles ganz anders kommen: Bei sogenannten Nomination Twists werden die Bewohner auch gerne mal mit einer überraschenden Wendung konfrontiert:


Das Prinzip der Rauswahl bei „Promi Big Brother“ ist hingegen zu stark an „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ angesiedelt. Das heißt: In der zweiten Woche wählen die Zuschauer täglich einen Bewohner aus dem Haus. Einziger Unterschied: Zur Wahl stehen im Normalfall nur die Kandidaten, die zuvor von ihren Mitbewohnern nominiert wurden. Wegen der kürzeren Staffeldauer von 14 Tagen lässt sich ein anderes Prinzip vermutlich nur schwer umsetzen


Bewohner

Die Zusammenstellung der Bewohner unterscheidet sich in Deutschland und Großbritannien nur geringfügig. Unter den 12 bis 14 Bewohnern befindet sich höchstens eine Hand voll wirklich bekannter Namen, der Rest setzt sich überwiegend aus Casting/​Reality-Kandidaten sowie Schauspielern und Sängern der zweiten und dritten Reihe zusammen. Die Vergangenheit hat allerdings gezeigt, dass der Bekanntheitsgrad der Bewohner ohnehin irrelevant für das Format ist. Im Gegenteil: Oft haben sich gerade die großen Namen als Langweiler entpuppt, während eher unbekannte Z-Promis die Sympathien der Zuschauer gewinnen konnten.

Für internationalen Flair sorgt bei „Celebrity Big Brother“ allerdings, dass stets auch der eine oder andere Bewohner aus den USA verpflichtet wird (wo es übrigens keine Promi-Variante von „Big Brother“ gibt). In den vergangenen Jahren waren beispielsweise der Klatsch-Blogger Perez Hilton, „Baywatch“-Kinderstar Jeremy Jackson sowie die Schauspieler Michael Madsen und Tara Reid dabei. Bei der ersten „Promi Big Brother“-Staffel wurde versucht, dieses Prinzip mit der Verpflichtung von David Hasselhoff und Pamela Anderson zu übernehmen, doch das Potential wurde nicht genutzt. Die kommende Staffel von „Celebrity Big Brother“ steht hingegen sogar unter dem Motto „UK vs. USA“ – es ist also mit noch mehr Bewohnern aus den Vereinigten Staaten zu rechnen als je zuvor.


Es bleibt festzuhalten, dass Sat.1 und Endemol nach dem desaströsen ersten Versuch im Jahr 2013 mit „Promi Big Brother“ inzwischen ein vorzeigbares Produkt abliefern. Dennoch besteht noch sehr viel ungenutztes Potential, das für mehr Unterhaltung und noch bessere Quoten sorgen könnte. Ein Blick zu den Kollegen aus Großbritannien wäre den deutschen BB-Machern unbedingt zu empfehlen.

Zusammenschnitt der Highlights der vergangenen „Celebrity Big Brother“-Staffel:

Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

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