Interview mit Oliver Kalkofe zum „Gernsehclub“

von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Gian-Philip Andreas – 09.06.2010

Ansage im „Gernsehclub“
Ich hab das bei „Twin Peaks“. Das will ich im Nachhinein auch nicht auf Amerikanisch hören, weil die deutschen Stimmen so super waren.

OK: Ja, weil die Stimmen einfach dazugehören, das kenne ich auch. Ich gucke aber auch wahnsinnig gerne Sachen im Original, vor allem, wenn ich Angst haben muss, dass sie mir die versauen. Und das passiert auch häufig. Es gibt ganz viele, ganz furchtbare Fälle, bei denen großartige Serien durch die Synchronisation leider echt kaputt gingen. Und bei „Little Britain“ wollte ich das nicht, obwohl ich sehr schnell auch an die Grenzen stieß. Weil ich, als ich dann versuchte, die Sachen zu übersetzen, ganz fix merkte: Die sprechen die ganze Zeit alle möglichen englischen Dialekte, was machst du da? Dann kamen die ersten: Sprecht doch Bayerisch und Hessisch und so. Aber das geht nicht. Das macht das kaputt. Dann noch die ganzen Bezüge aus England, die da kommen. Daraus deutsche Sachen zu machen, das ist genauso tödlich. Wenn man hier plötzlich über die „Schwarzwaldklinik“ redet und man ist in England, dann weiß man: Das stimmt nicht. Das wurde früher bei „ALF“ viel gemacht, da gingen mir immer die Nackenhaare hoch.

Wie hast du das gelöst?

OK: Ich musste versuchen, Sachen zu nehmen, die passen, die also „England“ sind oder wenigstens englischsprachiger Raum, die man hier aber trotzdem kennt. Und da war viel, was man umbauen musste oder im Text so zu erklären versuchen musste, dass man’s versteht. Man kann schließlich auch den besten Gag versauen, wenn man die Pointe falschrum erzählt. Das war hier der Hauptanspruch: Dass es so authentisch wie möglich bleibt und wir beide versuchen, es so gut wie möglich rüberzuretten, auch wenn wir auf Dialekte und sowas verzichten. Und ich finde, das ist geglückt, obwohl auch ich sagen muss: Das Original ist unschlagbar, keine Frage. Aber: Wieviele Menschen ich kenne, die das sonst nie gesehen hätten! Da muss ich sagen: Hauptsache, es hat geklappt. Hauptsache, es haben Leute geguckt.

Was auf der DVD steht, finde ich gut: „Enthält auch die deutsche Fassung“. Wie ein Bonus, doch im Vordergrund steht das Original.

OK: Ich bin echt gut im Englischen, hab’s studiert und Dolmetscher gelernt, aber als ich „Little Britain“ geguckt habe und danach rangegangen bin, es zu übersetzen, habe ich gemerkt: Ich hab nur die Hälfte verstanden. Zum Beispiel die Figur Vicky Pollard. Da hast du schon auf Deutsch kaum eine Chance, das zu verstehen. Die kannst du einfach nicht verstehen.

Little Britan USAWarner Home Video
Es gibt ja auch Engländer, die Probleme haben mit Vicky Pollard!

OK: Das ist echt hart. Du lachst nur darüber, weil es so schnell und so viel ist und bist froh, wenn du drei, vier Worte verstanden hast. Ich find’s gut, wenn man es einmal auf Deutsch guckt und weiß, worum es geht, und dann guckt man’s auf Englisch. Dann kannst du dich darauf konzentrieren und weißt, worum es geht. Es gibt viele englische Serien, die ich ganz toll finde, bei denen ich aber im Original echt Schwierigkeiten habe, sobald es nur um Politik oder um irgendeine Fachsprache geht, egal, ob das nun vor Gericht ist, Polizei oder Mafia. Da bist du manchmal schon froh, wenn du gute Untertitel hast.

Zum Beispiel auch bei „Dr. House“ oder „Mad Men“?

OK: „Mad Men“ gehört zum Beispiel zu den Geschichten, die bei mir im Schrank stehen und die ich noch gucken muss. Ich guck immer auf Englisch mit englischen Untertiteln, und das kann ich auch nur jedem empfehlen. Ich ärgere mich immer und frage mich: Warum machen das nicht die Schulen, dass die mit den Kindern englische Filme oder Serien mit englischen Untertiteln gucken? Das ist echt das Allerbeste zum Lernen. Man liest, was man hört, man versteht dadurch, was man hört, man lernt lesen, man lernt Grammatik, man lernt Vokabeln, weil man dann nachguckt, wenn man was nicht kann. Und man lernt verstehen, weil man sieht, was die reden. Das dauert einen Moment – und plötzlich versteht man’s auch ohne Untertitel.

Anderseits: Synchronisation kann auch Bindung herstellen. Ben Stiller zum Beispiel ohne Oliver Rohrbeck, der auch beim Gernsehclub dabei ist, das geht doch kaum.

OK: Klar, wenn du einen tollen Sprecher hast, dann ist das absolut okay. Eine Menge deutsche Stimmen sind ganz toll und super gewählt. Da können wir sehr dankbar sein, das haben die anderen Länder nicht. Also wenn in anderen Ländern synchronisiert wird … Gut, die Franzosen machen’s auch noch ganz gut, aber die Engländer und Amerikaner, die kriegen’s ja gar nicht hin. Das ist schon klasse hier. Ich habe jetzt auch gesehen, wie sich das geändert hat. Wenn du dir die alten Bud-Spencer-Terence-Hill-Filme anguckst, wo sie einfach gesprochen haben, egal ob der Mund zu ist oder auf oder ob die überhaupt im Bild oder in der Szene vorkommen, da wird einfach drübergeredet! Und heute – da ich in letzter Zeit viel synchronisiert habe, kann ich das wirklich sagen – wird das unglaublich genau gemacht! Die achten darauf, dass das wirklich exakt so ist wie im Original. Bei „OSS 117“ habe ich mit Frank Schaff, einem der besten Synchronregisseure, wie ich finde, auch das Buch gemacht. Ich war für die Pointen-Sachen zuständig, er achtete darauf, dass es so synchron ist wie nur möglich. Und er hat mich diesmal auch wirklich gequält bei der Synchronisation: „Dieses Wort hier, ein ganz klein bisschen mehr am Ende nach unten gehen! Und hier, die letzte Silbe, ein bisschen hauchen!“ Nur damit es wirklich so exakt wie möglich dem Original angeglichen wird. Wer da noch sagt, das wäre alles so anders als im Original, dem kann ich nur sagen: Mal lieber die Fresse halten, denn da hat sich inzwischen wirklich viel geändert!

Heute Abend stellt Ihr auch „Little Britain USA“ vor, das du mit Oliver Welke zusammen synchronisiert hast.

OK: Genau. Als alle dachten, es gibt nichts mehr, kam plötzlich die Nachricht: Doch, die sind nach Amerika gegangen und haben noch einmal sechs Folgen „Little Britain USA“ gemacht. Für HBO. Das ist mehr oder weniger die vierte Staffel, die jetzt aber in Amerika spielt. Das heißt, man sieht die Hälfte der alten Bekannten – Vicky Pollard, Lou und Andy usw. – und auch ganz viele neue Figuren. Es gibt ein paar ganz kleine Doppler, wo sie Teile von Sketchen quasi noch einmal bringen, aber es ist zu 98 Prozent neu, davon mit etwa 60% alten und 40% neuen Figuren. Exakt genauso gemacht, mit dem Vorspann und dem Sprecher, nur eben in Amerika.

Und durch den Ruhm in Amerika darf Matt Lucas jetzt in einem Film wie „Alice im Wunderland“ mitspielen.

OK: Ja, und da fand ich es sehr schade, dass man mich nicht gefragt hat, ob ich ihn synchronisieren will. Aber das hat wohl keiner gemerkt. Ich glaube, da wusste gar keiner, wer das ist.

Du hättest ja anrufen können!

OK: Ich hab ja keine Ahnung, wer da was wo synchronisiert. Als ich davon hörte, war’s schon zu spät. Schade. Aber es hat mich sehr gefreut, ihn dort zu sehen. Denn es wird ja wohl keine zweite Staffel „Little Britain USA“ geben.

Wird es denn irgendwann einen Gernsehclub-Abend mit ganz neuen Folgen von „Kalkofes Mattscheibe“ geben? Oder sperrt sich Pro Sieben weiterhin?

OK: Pro Sieben sperrt sich. Pro Sieben hat kein Geld, bzw. braucht man es dort für die vielen anderen tollen Programme! Schauen wir uns nur mal den Nachmittag an, da sind so viele wunderbare Sendungen, auf die wir nicht verzichten wollen, dafür haben wir alle Verständnis … Nein, da ist erst einmal in nächster Zeit nichts geplant, aber die „Mattscheibe“ ist und bleibt mein Lieblingsprojekt, mein Baby, und es wird daran gearbeitet, dass es sie weiter gibt. Wir hoffen sehr, dass sie wieder irgendwann irgendwo auftauchen wird, ich tu mein Allerbestes. Es liegt nicht an mir, dass ich zu faul oder zu reich oder zu abgefuckt bin und keinen Bock mehr habe. Im Gegenteil: Mir brennt es unter den Nägeln, weil es zurzeit so viel gäbe, wozu man unbedingt was sagen müsste. Als es den Sendern noch etwas besser ging, war der wenig vorhandene Mut wenigstens an manchen Wochentagen da, und dann haben die gesagt: Okay, wir leisten uns so einen Spaß nebenbei. Im Moment ist die Finanzlage aller Sender so dramatisch, das kann sich gar keiner vorstellen. Die „Mattscheibe“ war nie ein besonders teures Format, aber selbst das könnte sich momentan keiner leisten. Deswegen machen die halt, wenn’s geht, ne Dokusoap zu Hause beim Nachbarn. Es ist wirklich ganz, ganz tragisch.

Klingt niederschmetternd.

OK: Und leider ist der Markt hier bei uns auch nicht groß genug, dass man mal sagen könnte, du machst es nur für DVD – wie’s in England und Amerika manchmal gemacht wird. Auch wenn die DVD noch so toll aussieht und auch viele Leute die gekauft haben, ist es hier in Deutschland leider, leider zahlenmäßig ein Witz. Lücken, die du in der bisherigen Produktion hattest, kannst du damit nicht mal zum Teil schließen. Wenn ich mir das überlege: Bei den letzten DVDs haben wir uns noch allein für die Menüs wahnsinnig viel Zeit genommen! Auch das könntest du heute nicht mehr machen. Also: Geduld. Es wird weiter gekämpft. Ich hoffe auf bessere Zeiten, die es bestimmt geben wird. Es kommen immer wieder so kleine Momente des Mutes oder der Waghalsigkeit bei irgendwelchen Sendern.


Ein schlaksiger Mann mit Schnauz tritt hinzu und sagt zu Kalkofe:

Wollt ma janz kurz stören. Wenn man seit 19 Jahren Fan ist, darf man da kurz mal die Hand drücken?

OK: Was, so lange schon? Da fühle ich mich jetzt gerade sehr alt.

Als diese tolle Wende kam, hab ick gleich det richtige Programm jehört und jekuckt. Das war mein Begrüßungsgeschenk!

Der Mann mit Schnauz will später noch von Fußballexperte Welke wissen, wer denn nun demnächst wohl Weltmeister wird. Welke sagt: England. Es ist ja schließlich ein „Little Britain“-Abend. Der Mann mit Schnauz scheint zufrieden. Dann bringen die Gernsehclub-Mitglieder und ihre Gäste schon die abgegrasten Plastiktabletts wieder nach draußen, und die Tagesthemen-Fanfare schmettert rausschmeißend aus den Boxen. Wie früher nach der großen öffentlich-rechtlichen Samstagabend-Unterhaltung für die ganze Familie.

Beim Rausgehen: glückliche Gesichter überall. Bei den Pärchen, den allein gekommenen Thirtysomethings, bei den „Little Britain“-Fans und bei jenen, die wirken, als seien sie „Little Britain“ direkt entsprungen. Bei jenem jungen Mann zum Beispiel, der sich zuvor am Buffet das aufgeschnittene Hot-Dog-Brötchen mit Senf, Ketchup, Zwiebeln und auch Gurken vollstopfte, die Bockwurst aber kurioserweise wegließ. „Ich bin Vegetarier“, erklärte er auf Nachfrage. „Aber Essen ist hier ja inklusive.“


Der „Gernsehclub“ findet an diesem Mittwoch, 9. Juni, letztmalig in dieser Saison statt. Oliver Kalkofe und Olli Schulz präsentieren um 20:15 Uhr im Gotischen Saal in Berlin-Kreuzberg den zweiten, erneut von ihm synchronisierten Teil der französischen Komödie „OSS 117“, Untertitel: „Er selbst ist sich genug“. Danach ist erstmal Sommerpause.


Das Interview führte Gian-Philip Andreas für wunschliste.de,
Bilder (sofern nicht anders angegeben): © Fernsehclub

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Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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