„Same procedure as every year“: Butler James (Freddie Frinton) und Miss Sophie (May Warden)
Bild: SWR/NDR/Annemarie Aldag
Die „Frankenfeld-Legende“: alles nur erfunden?
Hörzu-Ausschnitt mit dem Abendprogramm vom 8. März 1963Hörzu 9/1963, S. 100
Die Redaktion von fernsehserien.de hat sich nun eingehender mit den vorliegenden Daten beschäftigt. Als wäre die Entdeckung des italienischen Varieté-Films nicht genug, sind wir noch auf einen ganz offensichtlichen Fehler gestoßen, der augenscheinlich bisher niemandem aufgefallen ist und die „Causa Frankenfeld„ noch fraglicher erscheinen lässt. Am 8. März 1963 soll „Dinner for One“ in „Guten Abend!“ live aufgeführt worden sein. Das wurde vielfach – bis 2023 auch von uns – kolportiert, auch in Dokumentationen über den Kultsketch, zudem ist die Angabe auf der NDR-Website noch heute zu lesen und auch in den beiden erwähnten Büchern; sogar die Sendezeit 21:25 Uhr wird einmal angegeben. Allein: Die Frankenfeld-Reihe war zu diesem Zeitpunkt längst beendet. Die achte und letzte Ausgabe lief bereits am 30. September 1961. Wie kann es also sein, dass Frankenfeld und Dunkhase im Jahr darauf noch in England nach Sketchen für die Show suchen? In Programmplänen taucht an diesem (für eine Samstagabendshow ohnehin untypischen) Freitag auch keine andere Sendung mit Frankenfeld auf – um 21:25 Uhr war die Dokumentation „Gesichter Asiens: Die großen Rivalen“ in vollem Gange.
Eine wohlwollende Erklärung könnte sein, dass man sich mit den Jahreszahlen vertan hat. Vielleicht waren Dunkhase und Frankenfeld bereits 1960 oder 1961 in England? Vielleicht sollte es noch eine weitere „Guten Abend!“-Ausgabe im Dezember 1961 geben, zu der es dann nicht mehr kam? Stattdessen lief am 9. Dezember die Künneke-Show, in der man Frinton mit seinem Sketch dann stattdessen auftreten ließ? Andererseits hätte man diese Theorie der „Jahresverwechslung“ doch inzwischen bestimmt nachweisen können – liegt nicht der datierte Vertrag mit Frinton, für den Frankenfeld und Dunkhase angeblich in seine Garderobe gesprintet sind, noch in irgendwelchen NDR-Archiven oder bei Frintons Nachkommen, die auch an Dokumentationen über den Sketch mitwirkten? Immerhin ist sogar bekannt, dass Frinton und Warden für ihre Darbietung einmalig 4150 DM erhielten. Und wieso würden gleich beide Männer sich im Datum täuschen?
Die andere Möglichkeit ist, dass wissentlich falsche Zusammenhänge und willkürliche Daten verbreitet wurden. Die unwahren oder fraglichen Behauptungen – sei es bzgl. der Uraufführung des Sketches in England oder der ersten Übertragung im deutschen Fernsehen inklusive erfundener Sendezeit – lassen sich scheinbar alle auf eine „NDR-Information“ vom 17. Dezember 1981 zurückführen, die in beiden hier genannten Büchern bzw. auch einer dort abgedruckten „Neujahrsansprache“ aus Die Zeit (vom 1. Januar 1982) zitiert wird und womöglich von einem etwas zu kreativen Redakteur stammt. Wollte dieser die jährliche Tradition schlicht mit einer schönen Hintergrundgeschichte ausstatten und hat es dabei mit der Wahrheit nicht ganz so genau genommen? Wollten er oder Regisseur Dunkhase vielleicht dem am 4. Januar 1979 verstorbenen Peter Frankenfeld mit „Dinner for One“ noch ein (weiteres) Denkmal setzen? Oder machte sich womöglich in den 1980ern der Name der Showlegende besser im Zusammenhang mit dem kultigen „Dinner for One“ als der von Evelyn Künneke – deren Sendung 1961 von der Kritik wohl ziemlich zerrissen wurde, die in den 1980ern weit weniger bekannt war als Frankenfeld und die, nun ja, eine Frau war? Man kann nur spekulieren und wird nach all der Zeit wohl keine Antworten mehr bekommen.
Evelyn Künneke neben Peter Frankenfeld (oben) und Heinz Dunkhase (unten) imago images/United Archives // NDR (Screenshots) // Montage: fernsehserien.de
Der NDR konnte uns nun aber zumindest bestätigen, dass es am 8. März 1963 keine Ausstrahlung der Frankenfeld-Sendung gab und dass man es heute auch nicht mehr nachvollziehen kann, ob es wirklich einen Bezug von Frankenfeld zu „Dinner for One“ gibt. Vielleicht werden in Zukunft ja auch entsprechende Angaben dazu auf den Websites des Senders korrigiert und diese Erkenntnis bei neuen Sendungen zu künftigen Jubiläen berücksichtigt. Zumindest Evelyn Künneke und ihrer Sendung wurde durch die Familie Welty und Stefan Mayrs Buch bereits zu ihrem Recht verholfen. Auch in der Dokumentation „Glückwunsch, Miss Sophie – 50 Jahre ‚Dinner for one‘“ vom 30. Dezember 2013 wurde sie erwähnt. Leider hat man das bis zur Jubiläumsshow „60 Jahre Dinner for One“ von 2023 schon wieder vergessen. Das muss besser werden! Wir fordern Gerechtigkeit für Künneke, denn sie genießt durch ihre 90s-Techno-Single „Hoppe, hoppe Reiter“ mit den Songs „Egon“ und „Wo ist Sepp?“ einen zweifelhaften Kultstatus in unserer Redaktion.
Auf der nächsten Seite lest ihr, wie „Dinner for One“ zum Silvesterkult wurde, dass es inzwischen noch viele weitere Versionen gibt und wann der Sketch dieses Jahr im Fernsehen läuft.