„Same procedure as every year“: Butler James (Freddie Frinton) und Miss Sophie (May Warden)
Bild: SWR/NDR/Annemarie Aldag
Welche von beiden Ausgaben war es denn nun?
Leider bleibt trotzdem unklar, ob „Dinner for One“ schon in der ersten oder nur in der fünften Ausgabe der Showreihe aufgeführt wurde. Für die erste Ausgabe spricht das Bild von Frinton als Butler neben dem Tigerkopfteppich in der Bravo. Aber warum sollte der Sketch dort als „Tea für two“ gelaufen sein, wo er doch in Großbritannien längst unter seinem Namen etabliert war? Vielleicht fanden die zuständigen Redakteure diesen Titel witziger oder verständlicher? Oder handelt es sich schlicht um einen Fehler in der Bravo? Oder war es eben doch ein anderer Sketch, in dem der Teppich ebenfalls vorkam? Man müsste Frintons Gesamtwerk durchsuchen nach einem Sketch mit dem Titel „Tea for two“, um weitere Hinweise zu erhalten.
Für die fünfte Ausgabe würde der Eintrag über Sonja Göth in „Dinner for One von A-Z“ sprechen, wobei man über die deutliche Diskrepanz zwischen dem dort behaupteten Datum der „Dinner for One“-Erstaufführung (= 8. März 1963) und der tatsächlichen Übertragung der fünften „Guten Abend!“-Sendung (= 8. April 1961) hinwegsehen müsste. Die Aufzeichnung der heute bekannten Fassung mit Göth erneut im Publikum fand vom 30. April bis zum 4. Mai 1963 statt. Kann man sich in der Rückschau so sehr täuschen, dass einem ein zeitlicher Abstand von zwei Jahren vorkommt wie einer von wenigen Wochen? Oder wurde die Erinnerung von Sonja Göth hier und da nicht ganz wörtlich wiedergegeben, weil man merkte, dass das alles zeitlich nicht so ganz passt? Stefan Mayr beispielsweise scheint bei der Erstellung der Neuausgabe seines Lexikons über den Widerspruch gestolpert zu sein, hat den Eintrag zu Peter Frankenfeld überarbeitet und schreibt die Sketch-Erstaufführung Künnekes „Bitte, lassen Sie sich unterhalten“ zu, lässt aber trotzdem weiterhin Göth die Uraufführung bei Frankenfeld erlebt haben.
Vielleicht kam der Sketch auch so gut an beim Publikum, dass man ihn in Frankenfelds Showreihe direkt zwei Mal aufgeführt hat, also in beiden Ausgaben. Zweifelsfrei werden wir es bis auf Weiteres leider nicht klären können, da beim NDR keine aussagekräftigen Quellen vorliegen. Nachdem alle Zeichen unserer Recherchen im letzten Jahr darauf hindeuteten, dass die deutsche Erstaufführung in Künnekes Show stattfand, müssen wir uns nun in jedem Fall korrigieren und doch von einer Premiere in Peter Frankenfelds Sendung „Guten Abend!“ ausgehen. Demnach trifft augenscheinlich eine eher banale Theorie zu: Die Recherchereise von Peter Frankenfeld und Regisseur Heinz Dunkhase nach Material für neue Sendungen scheint nicht im Sommer 1962 stattgefunden zu haben, sondern früher. Ein Beleg dafür könnte die bereits erwähnte Kritik des Spiegel zur ersten Ausgabe von „Guten Abend!“ sein, die am 1. November 1960 erschienen ist. Schon dort heißt es, dass „der Sender Hamburg seinen Vertrags-Spieler Frankenfeld für ein Weilchen nach England [schickte]. Weil es dort so viel Fernseh-Erfahrung gibt.“
Gezeigt bei „Mischmasch“ und „Der Archivar“
Am Rande sei hier erwähnt, dass die uns bekannte Aufzeichnung von „Dinner for One“ wohl auch im Rahmen anderer Sendungen gezeigt wurde. So tauchte Ende 2024 auf dem YouTube-Kanal Retroversum eine Aufnahme auf, die eine Ausstrahlung in „Mischmasch“ zeigt und vermutlich von 1971 oder 1972 stammt. Hat womöglich genau diese Ausstrahlung, vielleicht durch positive Zuschauerreaktionen, dazu beigetragen, dass der Sketch ab 1972 regelmäßig zu Silvester gezeigt wurde?
Auch in der Reihe „Der Archivar“, die im Rahmen von „Münchner Nachmittag“ lief, wurde der Sketch vermutlich gezeigt, mindestens aber thematisiert. Im Zentrum steht hier Herr Plaschke (Hans Jürgen Diedrich), der seit 20 Jahren im Zentralarchiv des Bayerischen Fernsehens arbeitet und sich gerne „unbeschwerte Beiträge“ aus der Sammlung anschaut. In einer der drei Folgen war die damalige Kinderdarstellerin Monika Petrillo (geb. von Manteuffel) zu sehen. Man kennt sie beispielsweise aus einzelnen Folgen von „Meister Eder und sein Pumuckl“ oder „Forsthaus Falkenau“. Heute lebt sie in den USA und ist u. a. als Script Survisor tätig, etwa für „Die nackte Kanone“ oder „Star Wars: Skeleton Crew“. Sebastian Kuboth führte 2010 für TV-Kult.com ein Interview mit ihr, in dem sie von der Produktion berichtet: „Es ging da um einen Archivar beim Bayrischen Rundfunk, der von seiner Nichte Besuch bekommt [laut Hörzu ist es die Enkelin, Anm. d. Red.] und ihr ‚Dinner for One‘ zeigt.“ Ob der Sketch hier nur ausschnittsweise oder gar vollständig enthalten ist, können wir leider nicht prüfen, da uns kein Material vorliegt und der Mitschnittservice des BR zu unserem Leidwesen vor Jahren eingestellt wurde – wie schon die von so vielen Sendern und zuletzt der vom ZDF Ende dieses Jahres.
Hörzu-Ausschnitt: „Der Archivar“ am 19. April 1980 (Die Angabe „Wh.“ ist ein Fehler.) Hörzu Nr. 16/1980
Auf der nächsten Seite blicken wir auf neue Erkenntnisse zur Schweizer Version des Sketches sowie seine Ausstrahlung im britischen Fernsehen, bevor wir schließlich zu den Sendeterminen für dieses Silvester kommen.