75 Jahre ARD: Von „Pumuckl“ über „Monaco Franze“ bis „Ringlstetter“- Das reichhaltige TV-Kulturerbe des BR

Wie mich Sir Quickly, Fritz Egner und Rudi Carrell begleitet haben

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 24.05.2025, 09:00 Uhr

75 Jahre ARD: „Pumuckl“, „Monaco Franze“ und „Ringlstetter“ (v. l.) – Bild: BR/Infafilm GmbH/Original-Entwurf "Pumuckl"-Figur: Barbara von Johnson/Euro Video/BR/Superfilm Filmproduktions GmbH/Philipp Thurmaie
75 Jahre ARD: „Pumuckl“, „Monaco Franze“ und „Ringlstetter“ (v. l.)

Große Bühne für Kleinkunst, Kabarett und Comedy

Eine große Rolle spielte im Bayerischen Rundfunk stets auch der Humor. Für das ARD-Hauptprogramm produzierte der BR von 1979 bis 1988 die Sketchreihe „Fast wia im richtigen Leben“ mit Gerhard Polt, Gisela Schneeberger und Hanns Christian Müller, die die Alltagsspießigkeit und skurillen Situationen des ganz normalen Lebens pointiert karikierten.

Von 1984 bis 1986 entstand für die ARD außerdem die bis heute legendäre Reihe „Sketch Up“ mit Diether Krebs, Beatrice Richter und Iris Berben. Von 1995 bis 2012 war „Ottis Schlachthof“ eine feste Institution am späten Freitagabend im Bayerischen Fernsehen. Einmal im Monat begrüßte Ottfried Fischer seine „Stammtischbrüder und -schwestern“ und präsentierte etablierte Größen und Newcomer aus Kabarett, Kleinstkunst und Comedy. Aufgezeichnet wurde die Show im Wirtshaus des Münchner Schlachthof, wo in den 1980ern bereits die Serie „Zur Freiheit“ gedreht wurde. Das Nachfolgeformat „Schlachthof“ wird seit 2013 von Christian Springer und Michael Altinger präsentiert.

Ganze 25 Jahre lang, von 1986 bis 2011, präsentierte Veronika von Quast als Fräulein Vroni die Sketchshow „Kanal fatal“, in der zahlreiche Künstler ihre ersten Auftritte hatten, darunter Monika Gruber als Kellnerin Monique. Eine weitere langjährige Sendung war „Die Komiker“ (1999 bis 2016), in der unter anderem Eva Mähl, Christian Springer, Michael Altinger und Constanze Lindner Sketche spielten. Am populärsten ist daraus bis heute die Reihe „Altbayerisch für Einsteiger“, in der eine Situation schauspielerisch dargestellt wird. Anschließend versucht Eva Mähl, wie in einem Sprachkurs, mit sehr freien Interpretationen das Dargebotene ins Hochdeutsche zu übersetzen.

Bis heute begeistern Claudia Schlenger-Meilhamer und Hanns Meilhamer in ihren Alter Egos als liebenswert zankendes Ehepaar „Herbert und Schnipsi“. Im „Komödienstadel“ werden bayerische Volkstheaterschwänke rund um Verwechslungen, Romanzen und Hochzeiten aufgeführt. In den „Brettl-Spitzen“ erleben seit 2013 die Volkssänger ein Revival. Jürgen Kirner begrüßt zahlreiche Gäste, die deftige Wirtshauslieder, poetische Couplets und lustige Humoresken zum Besten geben. Zu den alljährlichen Quotenhits des BR zählen die „Fastnacht in Franken“ sowie das traditionelle Politiker-Derblecken „Auf dem Nockherberg“.

Helmut Schleich zog zwischen 2011 und 2023 in „SchleichFernsehen“ das politische Geschehen durch den Kakao. Günter Grünwald präsentierte fast 22 Jahre lang seine Show „Grünwald Freitagscomedy“. Zwischen 2012 und 2024 bot das „Vereinsheim Schwabing“ in der gleichnamigen Location im nördlichen Stadtteil Münchens eine Plattform für etablierte Künstler, aber auch für junge Talente, die teilweise zum ersten Mal auf einer TV-Bühne standen.

Und bis vergangenen Donnerstag präsentierte Hannes Ringlstetter mit Caro Matzko seine wöchentliche Show „Ringlstetter“. Nach einem etwas holprigen Start hat sich die Sendung zu einem absoluten Highlight und Pflichttermin für mich entwickelt. Hannes Ringlstetter hat es geschafft, eine Zynismus-freie, warmherzige Late-Night-Show zu zaubern, die die typisch bayerische Mentalität zelebriert, ohne dabei unangenehm volkstümelnd zu sein. Im ersten Teil widmete sich der Kabarettist und Musiker dem Wahnsinn des Alltags sowie spannenden Geschichten rund um Bayern. Anschließend begrüßte er jeweils zwei Gäste zum unterhaltsamen Talk – und bat sie bei Gelegenheit auch zum musikalischen Duett, unterstützt von seiner Band. Die Show bot zeitgemäße Unterhaltung, doch auch sie gehört nun leider der TV-Vergangenheit an.

Ende prägender Sendungen und skurrile Dauerbrenner

Der BR hat sich bedauerlicherweise innerhalb kurzer Zeit auch noch von zahlreichen weiteren Formaten verabschiedet, die außerordentlich prägend für den Sender waren: Nach 22 Jahren beendete jüngst Werner Schmidbauer seine Reihe „Gipfeltreffen“, in er jeweils zusammen mit einem Prominenten eine Bergwanderung machte. Die Gespräche, die er mit ihnen währenddessen in luftiger Höhe führte, gingen aufgrund der TV-untypischen Umgebung oft sehr tief. Ebenfalls zu Ende ging die Reihe „Gernstl unterwegs“ (1997 bis 2024), in der der Münchner Dokumentarfilmer Franz Xaver Gernstl in Bayern unterwegs war, Menschen traf und auf seine einzigartige, zurückhaltende und stets freundliche Art interessante Dinge von ihnen erfuhr.

Einige Sendungen halten sich jedoch schon seit Jahrzehnten im BR-Programm. Lange vor dem Start von „Bares für Rares“, nämlich schon seit 1985, präsentieren Menschen in „Kunst + Krempel“ alte Gegenstände aus ihrem Besitz und lassen deren Wert von Experen schätzen. Schon seit 1971 gibt es die Sendung „Jetzt red i“, in der Bürger ihre Anliegen vortragen und Politiker damit konfrontieren. Um besondere Bürgernähe auszustrahlen, wurde viele Jahrzehnte lang aus wechselnden Orten jeweils aus einem Wirtshaus gesendet. Seit 2016 wird hingegen in einem mobilen TV-Studio diskutiert.

Zwei ganz besondere und durchaus skurrile Dauerbrenner gibt es ebenfalls bis heute: Jeden Morgen werden im BR Fernsehen nach wie vor die Muskeln trainiert: Im Zuge des Aerobic-Booms wurde Anfang der 1990er das Format „Tele-Gym“ ins Leben gerufen. Auch über 30 Jahre später werden darin die Zuschauer dazu ermuntert, die gezeigten Gymnastik-Übungen vor dem Bildschirm mitzumachen. Es ist schon verblüffend, dass diese Sendung sämtliche TV-Trends überlebt hat und bis heute existiert.

Die „Space Night“ wiederum bietet seit 1994 die wohl galaktischste Einschlafhilfe. Als Ersatz für den Sendeschluss zeigte der BR bis 2013 nachts stundenlang faszinierende Weltraumaufnahmen aus dem Erdorbit – unterlegt mit minimalistisch-elektronischer Musik. Inzwischen gibt es im BR selbst nur noch einen kurzen „Space Night“-Ausflug im Frühprogramm, während der Bildungskanal ARD alpha aber nach wie vor sein komplettes Nachtprogramm damit bestreitet.

Nach diesem Text, der länger und wohlwollender geraten ist, als ich zunächst dachte, bin ich selbst erstaunt darüber, mit wie vielen Sendungen mich der Bayerische Rundfunk im Verlauf meines Lebens dann doch begleitet hat. Mit etwas Sorge beobachte ich, wie der BR momentan auf dem Trip ist, viele alte Zöpfe abzuschneiden und eine Kultsendung nach der anderen beendet. Ich wünsche dem Sender, dass es ihm trotzdem gelingen wird, seine Identität in den kommenden Jahren zu bewahren. Hoffnung geben Namen wie Martin Frank, Eva Karl Faltermeier und Christine Eixenberger. A bissel was geht halt immer.

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1968) am

    Wie immer sehr schön zusammengestellt, lieber Glenn, vielen Dank.

    Mir ist das Streichkonzert beim BR (wie auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern) nicht recht. "Gernstl unterwegs" hätte man zB nie beenden dürfen. Warum etwas stoppen, was gut läuft? Das Argument "Platz für Neues machen" verfängt nicht, denn dafür muss man keine Kultserien streichen. So lasse ich öfter den Fernseher aus und schaue alte DVDs.
    • (geb. 1968) am

      Wie immer sehr schön zusmmengestellt, lieber Glenn, vielen Dank.

      Mir ist das Streichkonzert beim BR (wie auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern) nicht recht. Gernstl unterwegs hätte man zB nie beenden dürfen. Warum etwas stoppen, was gut läuft? Das Argument "Platz für Neues machen" verfängt nicht, denn dafür muss man keine Kultserien streichen.
      • am via tvforen.de

        Wow, wenn man das alles so liest, findet ja beim BR gerade ein richtiger Kahlschlag an alteingesessenen Sendungen statt!
        • (geb. 1980) am

          Was ist mit Polizeirevier 1?
          Ganz ehrlich, dass das fehlt …
          Sorry, ein no Go!
          • am

            Sehr schöne Rückschau..... viele bereits verstobene Talente. Herzblatt fand ich damals schon ungut...und "Schauspielerin" Bea F., grausig :D
            • am via tvforen.de

              75 Jahre Bayerischer Rundfunk, als erstes fallen mit die Sportmoderatoren und - reporter ein wie Eberhard Stanjek, Fritz von Thurn und Taxis, Manfred Vorderwülbecke, die hoben sich aufgrund des Dialektes, auch wenn er nicht besonders ausgeprägt war, vom übrigen Feld dieser Leute ab.

              Dann die Tatort-Filme mit Gustl Bayrhammer und Willy Harlander, zwei echten Ur-Bayern.

              Weiterhin die Vorabendserie "Die Magermilchbande", die von einer Schulklasse handelt, die nach Böhmen vor den Luftangriffen in Sicherheit gebracht worden war, am Kriegsende aber nach Bayern fliehen musste. Außerdem Die 20.15-Uhr-Serie "Der Gerichtsvollzieher" mit Jörg Hube.

              "Funkstreife Isar 12" aus den 60er Jahren war vor meiner Zeit und habe ich erst Jahrzehnte später auf DVD gesehen.

              Spontan fällt mir noch der Fernsehfilm "Anton Sittinger" mit Walter Sedlmayr als Postschalterbeamten ein. Der Film spielt in der unruhigen Zeit in München nach Ende des 1. Weltkrieges.

              "Was bin ich?" habe ich natürlich auch gesehen.
              • am via tvforen.de

                "Isar 12" war eine Produktion des WDR bzw. seiner Werbetochter WWF, ebenso wie die Geschichten um Franz Josef Wanninger. WDR-Produktionen wurden damals gern in und um München gedreht, weil der WDR (bzw. eine seiner Töchter) seit 1959 der größte Teilhaber an der Bavaria Atelier GmbH bzw. der Bavaria Film ist. Bis heute ist es erstaunlicherweise in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt, dass die Bavaria schon seit mehr als sechseinhalb Jahrzehnten mehrheitlich öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehört.

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