The Millers – Review

TV-Kritik zur Prosieben-Sitcom – von Gian-Philip Andreas

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 03.02.2014, 12:21 Uhr

Zwischen Pest und Cholera: Nathan Miller (Will Arnett) hängen Papa (Beau Bridges) und Mama (Margo Martindale) im Nacken.

Es ist nicht die originellste Konstellation, die Greg Garcia, der Mann hinter „My Name is Earl“ und „Raising Hope“, in seiner neuen Multi-Camera-Sitcom auf den Bildschirm loslässt: Ein Fernsehreporter aus der US-Provinz verursacht die Trennung seiner zeternden Eltern, als er ihnen die Nachricht von seiner jüngst erfolgten Ehescheidung verkündet, woraufhin sich die Mutter bei ihm und der Vater bei seiner Schwester einquartiert, die wiederum selbst Mutter ist und mit ihrem Mann einen Wellnesstempel betreibt. Hinzu kommt noch, als verbaler Sparringspartner des Reporters, dessen als freier Macho-Mann lebender Kameramann.

Man darf da skeptisch sein, erst recht, weil es kein Geheimnis ist, dass die Pilotepisode beim Testpublikum durchfiel und neu gedreht werden musste. Herausgekommen ist dennoch eine reichlich unebene Mischung aus Gross-Out-Humor und Familienwitz, bei der nicht ganz klar ist, an wen sie sich richtet: Um als Familiensitcom durchzugehen, ist der Witz zu zotig, um jedoch erwachsene Zuschauer zu begeistern, mangelt es „The Millers“ an Hintergründigkeit, Schnelligkeit und Aberwitz.

Dass die ersten drei der mittlerweile georderten 22 Folgen trotzdem nicht zum Totalausfall wurden, liegt in erster Linie an der prominenten Besetzung mit Will Arnett, Margo Martindale und Beau Bridges. „Arrested Development“-Star Arnett hat hier nach dem abrupten Aus von „Up All Night“ die Vater- gegen die Single-Rolle getauscht: Er spielt (in der Hauptrolle) den Provinz-TV-Reporter Nathan Miller, der sich kürzlich von seiner Kollegin Janice getrennt hat, die ihn beruflich seither noch heftiger piesackt als das vermutlich wohl schon vor der Scheidung der Fall war. Damit beginnen allerdings bereits die Probleme von „The Millers“: Die Szenen aus Nathans Berufsleben wirken wie Fremdkörper im Rest der Show. Das Verhältnis Nathan/​Janice geht höchstens als schlechte Kopie der sehr ähnlich gelagerten Konstellation aus der Will-Ferrell-Komödie „Anchorman“ durch (in der Christina Applegate die Konkurrentin spielt, Arnetts Spielpartnerin aus „Up All Night“). Zudem sind die gewollt „skurrilen“ Aufsager, die Arnett als Reporter von betont unwichtigen Schauplätzen an betont öden Straßen in die Kamera improvisiert, wenig witzig geraten. Stand-Up-Comedian „Curb Your Enthusiasm“, spielt Nathans Kameramann und Kumpel Ray, der den Geschiedenen wieder als freien Mann am Markt positionieren will: Nichts gegen Smoove, doch der Sinn seiner Rolle will sich in den ersten Episoden noch nicht so recht erschließen.

Noch fröhlich: Nathans Schwester Debbie (Jayma Mays)
Denn eigentlich dreht sich ja alles um Nathans Eltern. Mutter Carol wird von Margo Martindale („Justified“, „The Americans“) gespielt, die schon oft genug ihre darstellerische Klasse bewiesen hat. Noch prominenter ist wohl Beau Bridges, der Nathans Vater Tom spielt: Der Mann ist inzwischen über 70, hat Filmklassiker wie „Die fabelhaften Baker Boys“ und „The Descendants“ auf dem Buckel und im fortgeschrittenen Alter eine Serienkarriere („Stargate“, „Masters of Sex“) forciert. Mit Greg Garcia arbeitete er bereits in „My Name is Earl“: Auch dort spielte er den Vater.

Schade ist es allerdings, dass Garcia, um Martindale und Bridges in die verlangte Serienkonstellation einzupassen, auf eine denkbar ungelenke Konstruktion zurückgreift: Nathan, so will er uns erstens glauben machen, traut sich nicht, seinen Eltern von der Scheidung mit Janice zu erzählen. Zweitens muss ein Wasserschaden im Elternhaus als Grund dafür herhalten, dass Carol und Tom plötzlich auf Nathans Matte stehen. Drittens schließlich kommt die angeblich so schändliche Scheidungswahrheit doch sehr schnell auf den Tisch, damit sich alles so fügen kann, wie es von Garcia ersonnen wurde: Tom hat urplötzlich die Schnauze voll von der bereits 40 Jahre andauernden Ehe mit Carol, packt seine Sachen und zieht bei Nathans Schwester Debbie ein. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Martindale, Bridges und Arnett spielen das mit Schmackes (wenn auch in unterschiedlichen Modi, dazu gleich mehr), aber es wäre sicher möglich gewesen, ein wenig eleganter in das tägliche Brot dieser Sitcom einzuleiten. Und dieses tägliche Brot sieht also so aus: zwei Elternteile als zankende Antagonisten, die eine nervt den Sohn, der andere die Tochter, gemeinsam sorgen sie für Chaos. Und am Ende, bestimmt, finden sie wieder zueinander.

Und ja, das könnte witzig werden. Muss es aber auch nicht zwingend. Das fängt schon bei Debbie an, Nathans Schwester. Die wird von „Glee“-Star Jayma Mays gespielt, scheint sich aber (gemeinsam mit den Autoren) noch nicht ganz schlüssig zu sein, was für eine Art von Figur sie da eigentlich verkörpert: Ziemlich unentschlossen pendelt sie zwischen realistischem Charakter und augenrollender Karikatur. Mit ihrem Serien-Ehemann Adam führt sie ein Yoga-Wellnessstudio mit angeschlossenem Biocafé, außerdem hat sie die kleine Tochter Mikayla zu versorgen. Doch in den ersten Folgen spielt weder Mikyala eine nennenswerte Rolle, noch kann sich Mays gegen das dampfwalzende Spiel der Altstars behaupten – Nelson Franklin („Traffic Light“) als neurotischer Nerd Adam hat da schon einen dankbareren Part, den er auch konsequent verschroben ausspielt.

Wenn ich eben von „unterschiedlichen Modi“ sprach, ist genau das damit gemeint: Martindale und Bridges geben lustvoll die Rampensäue, gut gelaunt stürzen sie sich in ihre Furz- und Trottelwitze. Sie tun dies mit der unbekümmerten Attitüde gereifter Schauspieler, die niemandem mehr etwas beweisen müssen und sich um einen guten Ruf sowieso nicht mehr zu scheren brauchen. Dem konträr gegenüber steht das eher verhaltene Spiel von Mays und Arnett: Letzterer bemüht sich stark um Understatement, doch die teilweise wirklich lustigen und trockenen Oneliner, die er als Nathan raushauen darf im Angesicht des elterlichen Chaos überhört man fast innerhalb der lauten Witzoffensive der Serieneltern.

Zugestanden, erfahrungsgemäß lässt sich auf die tatsächliche Tragfähigkeit einer Sitcom-Konstellation und auf die Güte ihrer Gag-Dichte erst im Laufe einer kompletten Staffel schließen. Doch die Skepsis will auch in weiteren Episoden nicht weichen: Schon in Folge zwei wird die gerade eben etablierte Ordnung (Carol quartiert sich bei Nathan ein, Tom bei Debbie) praktisch außer Kraft gesetzt, weil sich dann doch alle am selben Ort einfinden, um einen mäßig lustigen Plot um die Neuordnung des Familiengrabs anzuschieben. Schon klar, natürlich sollen die Ehestreithähne in jeder Episode krachend aufeinanderprallen, doch die bemühte Zwei-Haushalt-Konstruktion macht es zumindest nicht glaubwürdiger. In der dritten Episode werden dann schon die Lager getauscht: Während Carol bei Debbie einzieht, soll sich nun Nathan versuchsweise um Tom kümmern, was gnadenlos schiefgeht. Wenn die Grundidee bereits so früh variiert wird, erscheint sie logischerweise etwas beliebig.

Immerhin: Wie Beau Bridges seinen Tom als Oberschussel spielt, der von der dominanten Gattin jahrzehntelang bevormundet wurde und in alltagsorganisatorischen Dingen praktisch auf dem Stand eines verstockten Teenagers stehengeblieben ist (und nun Navigationshilfe bei einer Smartphone-Frauenstimme sucht), das ist dann schon wieder ziemlich witzig. Genau da müsste „The Millers“ weitermachen: detailreich die Schrullen seiner Figuren auszuspielen und vom groben bis nervtötenden Furzhumor abzukommen, der besonders die Pilotepisode kennzeichnet. Denn immer nur Martindale furzend, Martindale penetrant aus dem Sexleben alternder Menschen berichtend, Martindale im Schlafanzug durch eine Dinnerparty tanzend: Staffelfüllend wäre das sicher nicht. Es gibt durchaus noch Hoffnung, dass Garcias Autorenteam diese Abkehr schafft. Richtig groß ist sie aber leider nicht.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei Episoden von „The Millers“.

Meine Wertung: 2,5/​5
Gian-Philip Andreas
© Alle Bilder: CBS

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

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