The Newsroom – Review

Neue HBO-Serie von Aaron Sorkin überzeugt auf ganzer Linie – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 27.06.2012, 08:28 Uhr

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Will McAvoy (Jeff Daniels) berichtet als erster über die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko

Das Ensemble

Die Besetzung von „The Newsroom“ steht anderen Aaron Sorkin-Serien in ihrer hervorragenden Zusammensetzung in nichts nach. Jeff Daniels ist durch und durch glaubhaft als berühmter Anchorman, aber auch als kompletter Egomane, der es gewohnt ist, dass im Büro alle nach seiner Pfeife tanzen. Erst als er plötzlich ohne sein altes Team dasteht, fängt er langsam an aufzuwachen. Sorkin brauchte einen Schauspieler von Daniels’ Format, um auch Will McAvoys Arschlochmomente verkaufen zu können, ohne dass die Zuschauer abspringen.

Emily Mortimer („30 Rock“) würde man als Crewmitglied selbst in die entlegendsten Kriegsgebiete folgen, so sehr überzeugt die Hauptdarstellerin. Die idealistische Energie von Mackenzie ist ansteckend, genau wie die von ihrem Schützling Jim Harper. Der wird brillant verkörpert von John Gallagher jr., der zuletzt als Broadway-Star in Erscheinung trat. Eine seiner ersten Fernsehgastrollen hatte er einst in „The West Wing“ absolviert. Aaron Sorkin hat ihn scheinbar nicht vergessen.

Eine wahre Freude ist es auch Dev Patel („The Best Exotic Marigold Hotel“) als bislang unterforderten Blogger Neal Sampat zu sehen. Durch die neuen Verhältnisse im Newsroom wird Neal nun endlich einmal gebraucht. Das Gleiche gilt auch für Alison Pill als Maggie Jordan, die sich plötzlich von der Assistentin zum Associate Producer befördert sieht. Ihre geheime Beziehung zum bisherigen Executive Producer Don Keefer kratzt an ihrem eigenen Selbstwertgefühl, zumal sich Keefer aktiv als Antagonist zu Will in Stellung bringt, der ja noch immer Maggies Boss ist. Vor allem Thomas Sadoski ist es hier zu verdanken, dass Don stets interessant und nachvollziehbar bleibt und nicht in die Rolle des üblen Miesmachers abgleitet.

Schließlich ist da noch der wunderbare Sam Waterston, zuletzt 15 Jahre lang als Staatsanwalt Jack McCoy bei „Law & Order“ aktiv. Als ACN-Senderpräsident Charlie Skinner sagte er sich: „Ich würde gerne mal wieder die Nachrichten sehen!“ Entsprechend war er derjenige, der Will und Mackenzie wieder aufeinander zugesteuert hat, sich nun zurücklehnt und sich diebisch freut, wie aus ihrem Streit kreativer Funkenflug entsteht. Seine Beziehung zur Konzernchefin Leona Lansing, gespielt von Jane Fonda, die in den nächsten Episoden erstmals auftauchen wird, darf mit Spannung erwartet werden.

Buch und Regie

Aaron Sorkins Sprachstil, der in „The Social Network“ bestenfalls verwässert das Licht der Leinwand erblickte, ist in „The Newsroom“ wieder vollkommen präsent. Die Mischung aus schnellen, gewitzten Dialogen, selbstironischen Charaktermomenten und überraschenden Fakten, die dem Zuschauer entgegen geschleudert wird, ist im besten Sinne des Wortes herausfordernd. Ist man erst einmal in der Sprachmelodie drin, wird es ein schneller und absolut vergnüglicher Ritt durch 75 spannende Minuten. Die Figuren sitzen von der ersten Szene an und blicken stets ausreichend hinter Sorkins Redefluss hervor, so dass man gar nichts dagegen hat, dass der Autor teils mit sich selbst argumentiert. Greg Mottolas Regie tut ihr Übriges dazu, dass der Narrativ hervorragend vorangetragen wird. Dabei kommen auch die berühmten Sorkinschen „Walk and Talks“ zum Einsatz, also Szenen, in denen die Darsteller Fakten austauschen während sie von einem Zimmer in das nächste hetzen. Doch Mottola gibt sich nicht damit zufrieden und baut daraus in sich geschlossene Charakter- und Arbeitsmomente. So entsteht Glaubwürdigkeit.

Fazit

Unter dem Strich muss man dennoch festhalten: Realistisch ist „The Newsroom“ sicher nicht im klassischen Sinn. Die Serie will es aber auch nur bedingt sein – zwar durchaus in der Aufarbeitung der Nachrichtenthemen, in der Art wie journalistisch gearbeitet wird. Aber nicht, was die Figurenkonstellation und deren persönliche Ausrichtung angeht. Genau wie „The West Wing“ uns ein Weißes Haus und einen Präsidenten zeigte, von dem wir uns nur wünschen konnten, es würde ihn geben, so präsentiert uns auch „The Newsroom“ eine Redaktion, nach der wir uns als Zuschauer sehnen. Vor allem in den USA, wo recherchierte Nachrichten immer mehr plakativer Meinungsmache weichen müssen, wo austauschbare Sprechblasen mehrerer Interviewpartner als informatives Gespräch verkauft werden. Die negativen Veränderungen bei CNN in den vergangenen Jahren sind das beste Beispiel für diese Entwicklung.

Alles, was Aaron Sorkin letztendlich von seinen Journalisten, von seinen Zuschauern und von seinem Land fordert ist, dass es sich um Himmels Willen nicht länger unter Wert verkaufen soll. Wenn man mit Mut und Disziplin an seinem Projekt und auch an sich selbst arbeitet, kann man Großartiges erreichen. Und genau diese Qualität sieht Aaron Sorkin in seinem Land, bei seinem Publikum und in der Art des intelligenten und emotionalen Fernsehmachens, für die er steht. Doch vielleicht noch wichtiger als all dies ist bei „The Newsroom“ etwas Grundlegendes: der Pilot ist immens spannend, die 75 Minuten vergehen wie im Flug, die Charaktere sind durch und durch liebenswert und am Ende kann man die nächste Folge kaum erwarten. Es gibt kein höheres Qualitätsmerkmal bei einer neuen Serie.

Meine Wertung: 5/​5
© Alle Bilder: HBO

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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