Montags-Dokus: Verband protestiert gegen ARD-Programmpläne

Rettung des Zuschauers vor „quotenversessenen Technokraten“

Michael Brandes – 26.11.2010

Montags-Dokus: Verband protestiert gegen ARD-Programmpläne – Rettung des Zuschauers vor "quotenversessenen Technokraten" – Bild: AG DOK/Logo

Nach Monaten der Ungewissheit werden die ARD-Intendanten voraussichtlich am kommenden Montag (29.11.) eine Entscheidung darüber fällen, wie sie künftig das Abendprogramm im Ersten gestalten wollen. Um nach der Verpflichtung von Günther Jauch demnächst fünf statt bislang vier wöchentliche Talkshows am Abend unterbringen zu können, soll es Mediengerüchten zufolge möglicherweise den Montags-Dokus an den Kragen gehen, deren Sendeplatz Frank Plasbergs „Hart aber fair“ erhalten könnte (fernsehserien.de berichtete).

Die mutmaßliche Streichung hat inzwischen eine Reihe von Protesten ausgelöst, in deren Rahmen zahlreiche Kritiker, darunter Uwe Kammann, Chef des Grimme-Instituts, die Entscheidungsträger an ihren Programmauftrag erinnert haben. Angesichts einer dokufreien Primetime hat nun die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), der Interessensverband von Produzenten, Regisseuren und Autoren, protestiert: „Die gesellschaftliche Wirklichkeit unseres Landes findet, von marginalen Resten abgesehen, im Hauptprogramm der ARD fortan in den Privat-Studios von vier oder fünf hochbezahlten Talkmastern statt.“ Der Verband sei „in Sorge um die Folgen einer Programmpolitik, die ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag zunehmend aus dem Blickfeld verliert und damit die Grundidee des gebührenfinanzierten Rundfunksystems von innen heraus zerstört“.

In einem offenen Brief an die ARD-Rundfunkratsvorsitzenden bittet die AG DOK um Unterstützung und zeichnet den kontinuerlichen Niedergang der Dokus im ARD-Programm nach: „Es ist noch gar nicht so lange her, da liefen in der ARD so herausragende dokumentarische Programme, wie ‚Unter deutschen Dächern‘, ‚Die Story‘ oder ‚Das rote Quadrat‘. Sie wurden mit Grimme-Preisen und anderen Auszeichnungen dekoriert und sind zum Inbegriff öffentlich-rechtlicher Programmqualität geworden. Für die ARD-Hierarchie hatten diese Ehrungen leider keine Bedeutung. Wegen zu geringer Marktanteile wurden die genannten Sendungen nach und nach aus dem Hauptprogramm der ARD verbannt oder eingestellt, der verbliebene Sendeplatz wurde thematisch weichgespült – und jetzt schafft man ihn ganz ab. Statt die Akzeptanz qualitativ herausragender Programme durch beharrliches Festhalten an solchen Formaten allmählich zu verbreitern, zieht die ARD ihr Niveau kontinuierlich nach unten und beschädigt damit ohne Rücksicht auf Verluste den eigenen Markenkern.“

So appelliert AG DOK-Vorstand Thomas Frickel an die Rundfunkräte, die Grundidee des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu retten, „bevor sie von einer kleinen Minderheit quotenversessener Technokraten an die Wand gefahren wird“ und verweist darauf, dass „Konzessionen an Massengeschmack und Einschaltquoten bei der Gestaltung öffentlich-rechtlicher Programme“ keine Rolle spielen dürfen. Zudem bittet Frickel auch um die Rettung der „Fernsehzuschauer und Gebührenzahler vor Programm-Verantwortlichen, die unser öffentlich-rechtliches Fernsehen wie ihr Privateigentum behandeln und denen die Programmphilosophie von RTL, wie sie selbst unverblümt zugeben, näher steht als der öffentlich-rechtliche Programm-Auftrag“.

Eine Anspielung auf den ARD-Programmdirektor Volker Herres, der seine persönliche Programmphilosophie kürzlich im Rahmen eines Interview mit dem „Filmkorrespondenz“-Chefredakteur Dieter Anschlag offenbarte. Zur Idee eines „Dokumentarfilm des Monats“ mit 90 Minuten Länge zur Primetime sagte Herres: „Das wäre kein Mut, das wäre töricht“. Auf die Anmerkung, der ARD sei damit aber das Lob aller Feuilletons dieser Republik sicher, antwortete Herres: „Nichts würde mich mehr erschrecken.“ Auf die Entgegnung, damit sei er auf einer Linie mit RTL-Chefin Anke Schäferkordt, reagierte Herres so: „Nicht unbedingt die schlechteste Gesellschaft.“

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