Ist Netflix’ Kampf gegen Account-Sharing ein Erfolg?

Erste Zahlen aus den USA ziehen erstes Resümee

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 13.06.2023, 13:44 Uhr

Netflix testet ein neues Modell zur Monetarisierung durch bezahltes Account-Sharing. – Bild: Netflix
Netflix testet ein neues Modell zur Monetarisierung durch bezahltes Account-Sharing.

Mit dem Vorgehen gegen Account-Sharing versucht Netflix seit kurzem, die eigenen Geschäftszahlen aufzubessern – nach der Devise, dass man aus den verschiedenen Nutzern eines geteilten Accounts mehrere Abonnenten mit eigenen Accounts machen kann. Erste Zahlen aus den USA zu der Aktion scheinen zu belegen, dass das funktioniert: Die Zahl der Account-Kündigungen wurde demnach von der Zahl der Neuabschlüsse deutlich übertroffen.

Das berichtet THR unter Berufung auf eine Studie des US-Medienanalysten Antenna. Demnach wurden in den USA in den sechs Tagen vom 23. bis 28. Mai täglich durchschnittlich 73.000 neue Abos abgeschlossen, dabei wurden an zwei Tagen nahezu 100.000 Neuabschlüsse beobachtet. Laut Antenna sind das die besten Werte seit 2019 (als Antenna die Anzahl der Neuabschlüsse auszuwerten begann). Insbesondere sind das auch mehr, als zu Beginn der Corona-Pandemie verzeichnet wurden, als die US-Bürger wegen des Mandats des social distancing stark überdurchschnittlich den Streaming-Angeboten zuliefen.

Kampf dem Account-Sharing

Hintergrund dieser neuen Höchstwerte ist Netflix’ verstärktes Vorgehen gegen Account-Sharing, mit dem der Streamingdienst seine Nutzungsbedingungen durchzusetzen beginnt. Denn die erlauben das dauerhafte, gemeinsame Nutzen eines Accounts nur für Personen, die unter einem Dach leben. Lange Jahre hatte Netflix geduldet, dass auch Personengruppen, für die das nicht oder nicht mehr gilt, einen Account teilten.

Zuvor hatte Netflix begonnen, Optionen zu schaffen, wie man aus den nicht zahlenden Nutzern („borrower“ oder „Leihende“) zahlende Kunden machen kann – Stichworte Paid Sharing Feature und Profil-Transfer (Nutzerdaten auf einen anderen Account übertragen) sowie auch die Schaffung eines vergünstigten Abo-Angebots mit Werbung.

Netflix macht Druck

Dazu ist nun Ende Mai gekommen, dass Netflix in den USA die Halter von Accounts angeschrieben hat, bei denen der Streamingdienst nach Analyse der Nutzungsdaten (vor allem IP-Adresse) vermutet, dass der Account dauerhaft auch außerhalb des Haushalts des zahlenden Accounthalters genutzt wird.

Letztendlich liegt es aus Netflix’ Sicht in der Verantwortung des Accounthalters, für den ordnungsgemäßen (gemäß der Nutzungsbedingungen) Umgang mit dem Account zu sorgen – entsprechend ist es auch der Accounthalter, der im Zweifelsfall die Konsequenzen von Sanktionen zu tragen hat (auch, wenn diese einstweilen eben nur Hinweis-E-Mails umfassen und Strafmaßnahmen wohl maximal nur bis zur Account-Kündigung durch Netflix gehen dürften). Accounthalter können über Netflix einsehen, welche Geräte in den Account „eingeloggt“ sind, diese gegebenenfalls ausloggen sowie das Passwort ändern – also kontrollieren, wer einen Account nutzt.

Das Durchgreifen von Netflix gegen Account-Sharing war als zweischneidiges Schwert gesehen worden – mit der Gefahr, dass manche Accounts dann aufgegeben würden. Das bestätigt auch Antenna, gibt aber an (ohne Zahlen zu veröffentlichen), dass das im Zeitraum festgestellte Mehr an Kündigungen von der Zahl der Neuabschlüsse in den Schatten gestellt werde.

Generell gilt der Streaming-Markt in den USA als gesättigt. Nur noch wenige Neukunden können geworben werden. Meist bedeutet ein neu verkauftes Abo eines Dienstes, dass ein anderer Streaminganbieter diesen Kunden verloren hat. So ist für viele Anbieter ein neues, wichtiges Ziel, die Bestandskunden zu halten und von der Kündigung ihrer Abos abzuhalten (sogenannter Verschleiß bzw. auf Englisch churn).

Bei Netflix etwa hat man begonnen, die neuen Staffeln von Erfolgsserien wie „You – Du wirst mich lieben“, „The Witcher“ oder „Stranger Things“ in zwei Parts zu veröffentlichen. Andere Streaminganbieter wie Prime Video, Max und Disney+ setzten direkt auf eine Veröffentlichungsstrategie mit wöchentlichen neuen Episoden.

Bei Netflix war lange Jahre das Kundenwachstum höchstes Ziel gewesen, Quartal für Quartal konnte man so in einer einzelnen, griffigen Zahl das eigene Wachstum verkünden. Das hatte sich im vergangenen Jahr nach einem erstmaligen Rückgang der Abonnentenzahlen und der harschen Reaktion der Finanzwelt deutlich geändert: Nun wurde der Umsatz zum höchsten Ziel erhoben – inklusive der Einführung eines lange Zeit undenkbaren Aboangebots mit Werbung und nun eben dem Vorgehen gegen Account-Sharing.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1984) am

    Was unklar ist, ob die Neuabonnenten nicht nur die Preiswerte AD Variante gebucht haben
    • am

      War das im Prinzip nicht auch die Erkenntnis, die man aus den anderen Regionen im Vorlauf gewonnen hat? Ich bin kein Fan von der Entscheidung, aber überrascht bin ich von dem Ergebnis nicht. Bis auf wenige Ausnahmen ändert sich für die meisten, die vorher schon für Netflix bezahlt haben, nichts. Und für diejenigen, die ohnehin nicht dafür bezahlt haben, spielt es ja keine Rolle, wenn sie das zukünftig auch nicht tun. Im besten Fall schließen sie jedoch entweder das günstigere Zusatzabo oder sogar direkt ein eigenständigeres Abo ab. Netflix kann hier im Prinzip nur gewinnen.


      AckAck

      weitere Meldungen