Kirsten Sprick (Bettina aus der „Sesamstraße“): „Es ist sicher eine besondere Eigenschaft, die Puppen als Partner zu begreifen“

Interview mit der Schauspielerin zum 50. Geburtstag der Vorschulserie

Dennis Braun
Dennis Braun – 08.01.2023, 12:00 Uhr

Kirsten Sprick 1997 in der „Sesamstraße“ (2. v. l.) und heute – Bild: IMAGO/teutopress | Diederik Nortier
Kirsten Sprick 1997 in der „Sesamstraße“ (2. v. l.) und heute

Am heutigen Sonntag, den 8. Januar 2023 feiert die deutsche „Sesamstraße“ ihren sage und schreibe 50. Geburtstag. Während aktuell die Schauspielerin Julia Stinshoff als menschliche Spielgefährtin des kleinen roten Monsters Elmo in der Vorschulserie zu sehen ist, prägte sie die Kindheit der Zuschauer in den 1990er Jahren: Von 1991 bis 1999 verkörperte die Hamburgerin Kirsten Sprick die Rolle der Bettina.

Sie löste damit Hildegard Krekel ab, die 1986 diese Figur bereits kurzzeitig gespielt hatte. Zusammen mit Kollegen wie Gernot Endemann (Schorsch), Ferdinand Dux (Opa Brass), Senta Bonneval (Helmi) und Vijak Bayani (Jivana) war Sprick in Hunderten Rahmenhandlungen zu sehen und interagierte mit den Puppen Samson, Tiffy, Rumpel und Co. Zuvor hatte sie von 1986 bis 1989 eine Schauspielausbildung absolviert und steht seitdem vor allem auf Theaterbühnen, ist aber auch immer mal wieder in Fernsehserien zu sehen. Im Interview mit fernsehserien.de-Redakteur Dennis Braun spricht sie über ihre Zeit in der „Sesamstraße“, welche Geschichten ihr in guter Erinnerung geblieben sind und welche Arbeit ihr heute die meiste Freude bereitet.

fernsehserien.de: Sie sind seit 1989 ausgebildete Theaterschauspielerin und vor allem im Hamburger Raum aktiv. Wie kam es, dass man Ihnen ein Jahr später die reaktivierte Rolle der Bettina in der „Sesamstraße“ anbot? Mussten Sie lange überlegen, bis Sie zugesagt haben?

Kirsten Sprick: Durch meinen damaligen Freund machte ich die Bekanntschaft von Marita Stolze, der Puppenspielerin von Tiffy. Sie arrangierte wohl die Einladung zu einem Casting. Ich war fest am Theater, gerade fertig mit der Schauspielausbildung und habe mich gar nicht um Film oder TV gekümmert. Das war damals so: Wenn man Theater machte, machte man nichts anderes. Zum Glück war mein Intendant und Regisseur des Stückes, in dem ich gerade steckte, anderer Meinung. Ich fuhr zum Casting, stand plötzlich in dem Bühnenbild der „Sesamstraße“ mit einigen Puppen und deren Spielern und wir legten los – oder soll ich sagen, die Puppen legten los – und ich habe einfach mitgespielt. Es war Liebe auf den ersten Blick, ich habe selten so viel gelacht. Ich musste nicht überlegen und habe sofort zugesagt.

Zusammen mit Ihrem leider bereits verstorbenen Kollegen Gernot Endemann alias Schorsch haben Sie die „Sesamstraße“ fast ein ganzes Jahrzehnt lang geprägt. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm und den anderen Schauspielkollegen?

Kirsten Sprick: Es war tatsächlich eine sehr lustige Zeit. Ich habe auf Band noch verschiedene „Outtakes“ aus der Zeit. Diese wundervollen Szenen, die man nicht im Fernsehen zu sehen bekommt von den Dreharbeiten. Da alles live aufgezeichnet wurde, gab es natürlich die wunderbarsten Versprecher, die man versuchte zu überspielen. Es war besonders mit den Gaststars, z. B. Nina Hagen oder Nena, zu spielen, die nur für einen Tag angereist kamen und in dieser ungewöhnlichen Umgebung agieren mussten.

Sie mussten nicht zuletzt auch viel mit den Puppencharakteren wie Samson, Tiffy und Rumpel interagieren. Können Sie die Atmosphäre dieser Spielszenen beschreiben und fiel es Ihnen schwer, sich daran zu gewöhnen? Gernot Endemann sagte einmal, beim Blick in Samsons Gesicht schaute er „in die toten Augen von London“, da von diesem keine Emotionen ausgehen könnten.

Kirsten Sprick: Ich habe extrem gerne mit den Puppencharakteren zusammengespielt. Es ist sicher eine besondere Eigenschaft, sie als Partner zu begreifen. Eine Puppe ist durch den nicht sichtbaren Spieler aber oft lebendiger gewesen als ein*e Schauspieler*in. Die Puppen hatten im Spiel eine größere Narrenfreiheit als wir und brachten ein sehr herzliches Element mit in die zu drehenden Szenen. Man darf nie vergessen, wie eng die Beziehung von dem Spieler zu der Puppe ist.

Die „Sesamstraße“ anno 1997: (von links oben) Tiffy (Marita Stolze), Samson (Klaus Esch), Buh (Friedrich Wollweber), Rumpel (Joachim Hall), (von links unten) Alex (Alexander Geringas), Bettina (Kirsten Sprick), Jivana (Vijak Bayani), Finchen (Uta Delbridge), Schorsch (Gernot Endemann), Opa Brass (Ferdinand Dux) und Helmi (Senta Bonneval)IMAGO/​teutopress

Haben Sie noch Geschichten aus Ihrer „Sesamstraßen“-Zeit im Kopf, die Sie besonders gern gespielt haben?

Kirsten Sprick: Ich mochte die Folgen, in denen ich mit den Bewohnern der „Sesamstraße“ Musik gemacht habe. Ich erinnere mich daran, mutig Schlagzeug gespielt zu haben. Es gab auch eine Verwechslungsgeschichte, an die ich mich immer wieder erinnere: Ich sollte eine Schnecke (Gebäck) essen und Finchen, die (Puppen-)Schnecke, fand das ganz grausam. Schlussendlich musste ich versuchen, die Schnecke – also das Gebäck – „Heißwecke“ zu nennen, aber verdrehte das immer wieder. Vielleicht muss man dabei gewesen sein, um das zu verstehen. (lacht)

Mit Beginn der 2000er Jahre waren Sie und Gernot Endemann nicht mehr in der „Sesamstraße“ zu sehen. Wie hat man Ihnen die Entscheidung mitgeteilt und hätten Sie gerne noch weiter die Rolle der Bettina gespielt?

Kirsten Sprick: …dem Krümelmonster waren wohl die Kekse ausgegangen.

Bis heute übernehmen Sie immer mal wieder Film- und Fernsehrollen und arbeiten zudem weiterhin als Theaterschauspielerin, Sprecherin, Dozentin und Schauspielcoach. Welche Ihrer vielen Aufgaben bereitet Ihnen am meisten Freude?

Kirsten Sprick: Meine Liebe gilt der Improvisation. Etwas aus dem Nichts entstehen zu lassen, ob nun beim Dreh, auf der Bühne oder im Gesang. Man geht zum Mikrofon und man weiß nicht, was man gleich singen wird. Der Dreh beginnt, man hat eine karge Vorstellung von der Rolle, die man spielen wird und während man agiert, schaut man sich dabei zu, wie man diesem Charakter immer mehr Leben einhaucht und wundert sich, wo all die Ideen dafür herkommen. Das Unmittelbare genieße ich. So entstand auch mein Duo für musikalisch-theatrale Improvisation „kikikustik“. Ein zugerufenes Wort, eine Bewegung, ein Lacher, ein verkratzter Klavierstuhl, eine Delle in der Wand – alles will Geschichte werden, alles ist Inspiration für den Moment.

Eine gerne gestellte Frage an unsere Interviewgäste: Was schauen Sie aktuell gerne im Fernsehen oder bei Streamingdiensten, wenn Sie Zeit haben?

Kirsten Sprick: Immer wieder aus den 90ern: „Friends“. Meine Lieblingsserie: „Ted Lasso“. Wegen der ungewöhnlichen Charaktere: „Die Brücke“, eine dänisch-schwedisch-deutsche Krimiserie. Wegen der Liebe zu Puppen und den Schauspieler*innen : „Paddington“. Ich bin auch ein Fan von Agentenfilmen, zum Beispiel „Die Bourne Identität“. Meine neue Leidenschaft sind französische Serien und Filme: „Call My Agent!“, „Birnenkuchen mit Lavendel“ und und und …

Vielen Dank für das sympathische Gespräch und alles Gute!

Die deutsche „Sesamstraße“ feiert am 8. Januar 2023 ihren 50. Geburtstag mit vielen Sondersendungen im Ersten, im NDR und im KiKA, die zudem auch in einem eigenen neugestalteten Bereich in der ARD Mediathek verfügbar sind. Anlässlich des runden Jubiläums haben wir ausführlich auf die Geschichte der erfolgreichsten Sendung für Kinder im Vorschulalter geblickt: zu unserem Special

Über den Autor

Dennis Braun, geboren einen Tag nach dem Mauerfall, ist ein richtiges Kind der 90er und Retro-Fan. Neben schaurig-schöner Eurodance-Musik kann er sich auch heute noch an diversen Gameshows wie „Geh aufs Ganze!“, „Glücksrad“, „familien duell“ oder „Der Preis ist heiß“ erfreuen, die er damals sehr häufig bei und mit seinen Großeltern geschaut hat. Daneben hat er ein Herz für gut gemachte deutsche Comedy, die allerdings bekanntermaßen recht spärlich gesät ist. Wenngleich er kein wirklicher Serienjunkie ist, laufen ihm dennoch ab und zu ein paar Produktionen wie der „Club der roten Bänder“ oder „The Strain“ über den Weg, die ihn in ihren Bann ziehen. Bereits seit Januar 2013 für fernsehserien.de tätig, verstärkt er seit März 2016 auch die Newsredaktion und kennt sich besonders im nationalen Bereich gut aus.

Lieblingsserien: Pastewka, Club der roten Bänder, Die Dinos

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