[UPDATE] „Das Ganze eine Rederei“: WDR wiederholt Talkshow-Rückblick von 2003 doch nicht

Anne Will und Gäste zeigen Ausschnitte der Talkhistorie

Dennis Braun
Dennis Braun – 04.06.2023, 11:44 Uhr (erstmals veröffentlicht am 27.04.2023)

„Das Ganze eine Rederei“: Anne Will (unten links) mit ihren Gästen – Bild: WDR/Thomas Brill
„Das Ganze eine Rederei“: Anne Will (unten links) mit ihren Gästen

UPDATE: Zu früh gefreut: Der WDR hat die Wiederholung der dreiteiligen Reihe „Das Ganze eine Rederei“ inzwischen wieder aus dem Programm genommen. Eine Anfrage von fernsehserien.de nach dem Grund blieb bislang unbeantwortet. Stattdessen zeigt der WDR am 7. Juni um 22:15 Uhr nun die Doku „Legendäre Mitmach-Shows – Von Hobbythek bis Geld oder Liebe“, gefolgt von zwei Wiederholungen von „Nicht dein Ernst!“.

ZUVOR: Vor 50 Jahren, genauer gesagt am 18. März 1973, ging mit „Je später der Abend“ die erste Talkshow in Deutschland auf Sendung. 2003 wiederum setzten sich im Ersten zwölf bekannte Talkerinnen und Talker zusammen, um auf die damals 30-jährige Historie dieses nicht tot zu kriegenden Genres zu blicken und – natürlich – darüber zu sprechen. Die dreiteilige Reihe mit dem Titel „Das Ganze eine Rederei – Dreißig Jahre Talkshow im deutschen Fernsehen“ wird nun vom WDR am Mittwoch, den 7. Juni ab 22:15 Uhr an einem Stück wiederholt.

Als Moderatorin fungierte damals Anne Will, ihre Gäste waren Reinhold Beckmann, Margarethe Schreinemakers, Amelie Fried, Johannes B. Kerner, Andreas Türck sowie die mittlerweile verstorbenen Erich Böhme, Geert Müller-Gerbes, Christoph Schlingensief, Dietmar Schönherr und Roger Willemsen. Gemeinsam sahen und hörten sie sich noch einmal die vermeintlich aufwühlendsten, heftigsten, lustigsten oder spannendsten Gesprächsausschnitte aus 30 Jahren Talkshow im deutschen Fernsehen an und diskutierten darüber.

„Vom Sex und von der Liebe“ handelt die erste Folge. Intimschmuck, künstliche Befruchtung, Orgasmusstörungen, Pornografie, Schönheitschirurgie, Transsexualität und manchmal einfach auch nur wahre Liebe – all das waren Themen, die besonders in den 70er- und 80er-Jahren noch durchaus brisant waren und über die in den Talkshows erstmals offen geredet wurde.

Die zweite Folge erzählt „Vom schwierigen Leben und vom Ende auf Erden“ und zeigt, dass auch ernste Belange wie geistige oder körperliche Einschränkungen, Krankheit und Tod immer wieder Platz in diversen Gesprächsrunden fanden. Anne Will und ihre Gäste debattierten unter anderem darüber, ob AIDS und Holocaust showfähig sind und übten auch Selbstkritik: So hielt Johannes B. Kerner sein „Erfurt-Spezial“ nach dem Amoklauf in einer Schule im Jahr 2002 in der Nachbetrachtung für „ziemlich misslungen“.

„Teils spektakuläre Archivausschnitte“ erwarten die Zuschauer schließlich in der dritten Folge „Von Frauen und anderen Politikern“: Dickleibige Catcher wettern gegen strenge Emanzen („III nach 9“, RB/​NDR), engagierte Frauen klagen den Handel mit heiratswilligen Asiatinnen an („III nach 9“, RB/​NDR), Karin Struck schimpft auf den Schwangerschaftsabbruch („Die Woche – Menschen im Gespräch“, RTL), redet Angela Merkel in Grund und Boden, verlässt schließlich wie eine Furie das Studio („NDR Talk Show“), Margarethe Schreinemakers begrüßt und verabschiedet binnen einer Minute einen frauenfeindlichen Buchautoren („Schreinemakers Live“, Sat.1), Verona Feldbusch tritt gegen Alice Schwarzer an („Die Johannes B. Kerner Show“, ZDF).

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Als ich dies damals las, habe ich mich sehr auf die Ausstrahlung
    gefreut und sofort den Festplattenrecorder programmiert,
    damit auch ja nichts schief geht. (Das Ganze in Vergessenheit gerät
    oder ich es übersehe / verpasse.)

    Nun ist doch etwas schief gegangen:
    Wie ich dem EPG entnehme, findet die Wiederholung leider nicht statt!
    Sehr, sehr ärgerlich!
    • am via tvforen.de

      Wenn man sich heute die Talkshows am Freitag ansieht wirkt alles sehr straff organisiert und durchgetaktet. Alle Gäste werden gecoacht und instruiert, alle Fragen werden im Vorfeld abgesprochen und die Antworten wirken dementsprechend meist einstudiert, um nicht zu sagen auswendig gelernt.

      Da bleibt kein Platz für Spontaneität oder Überraschungen, alles muss sitzen und so nimmt es kaum Wunder, dass die meisten Sendungen vorproduziert und geschnitten werden.

      Bei Polittalks ist es - wie etwa bei Nachrichtenmagazinen - schon üblich so viel wie möglich vorzuproduzieren, damit die Einspieler sitzen und Pannen verhütet werden. Die Originalität bleibt dabei leider auf der Strecke, eine natürliche Gesprächsdynamik kann sich kaum noch entfalten, weil jeder nur noch sein Sprüchlein aufsagt und die Moderatoren peinlichst darauf achten, dass möglichst wenig von der Choreographie abgewichen wird. Das wirkt meist routiniert aber langweilig.
      • am via tvforen.de

        Don (1977) schrieb:
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        > Ob "Je später der Abend" tatsächlich die erste
        > Talkshow in Deutschland war, darüber ließe sich
        > trefflich streiten.
        >
        > Diese dreiteilige Reihe von 2003 habe ich damals
        > gesehen und fand sie sehr interessant. Parallel
        > dazu gab es noch so eine Rederunde über
        > Samstagabendshows, in der Rudi Carrell die Anne
        > Will ziemlich angeblafft hatte. Das würde ich
        > auch gerne nochmal sehen.

        Dietmar Schönherr hat selbst mal irgendwann gesagt, dass sie lediglich die erste Sendung war, die auch konkret als "Talkshow" ausgewiesen wurde und den Begriff verwendete, mit dem damals noch niemand wirklich was anfangen konnte.

        Das Ganze war damals sogar als Trilogie angesetzt. Neben der Talkshow- und Samstagabendshow-Collage gab es noch einen Zweiteiler namens "Unsere Volksvertreter", bei dem es konkret um das Politikergespräch im deutschen Fernsehen ging.

        Bei "Spiele ohne Grenzen - Die große Show im deutschen Fernsehen" waren ab irgendeinem Zeitpunkt alle Teilnehmer angepisst von Anne Will. Diese Herren hatten nämlich tatsächlich eine gemütliche Rückschau auf ihr Werk erwartet. Die Trilogie war von Klaus Michael-Heinz aber von Anfang an als kritische "Dokumentation" gedacht.
        • am via tvforen.de

          Ob "Je später der Abend" tatsächlich die erste Talkshow in Deutschland war, darüber ließe sich trefflich streiten.

          Diese dreiteilige Reihe von 2003 habe ich damals gesehen und fand sie sehr interessant. Parallel dazu gab es noch so eine Rederunde über Samstagabendshows, in der Rudi Carrell die Anne Will ziemlich angeblafft hatte. Das würde ich auch gerne nochmal sehen.
          • am via tvforen.de

            Na ja, "die erste Talkshow in Deutschland" ... gesellige Plauderrunden mit mehreren Prominenten gab es auch schon vorher im deutschen Fernsehen. Bloß dass das noch nicht "Talkshow" genannt wurde und man dabei erklärtermaßen auf das amerikanische Vorbild starrte. Statt lockeres Geplauder zu bieten, wurde es dann krampfhaft locker, gekrönt von jener "Je später der Abend"-Folge, in der der Moderator, nein: Talkmaster (oder Host?) Rosenbauer ratlos in eine Runde fragte, die sich offenbar nichts mehr zu sagen hatte, ob jemand vielleicht noch eine Anekdote erzählen könne oder so (man musste nämlich noch ein paar Minuten Sendezeit füllen).

            Interessant daran ist aus heutiger Sicht nur, wie wenig geübt die Promis damals noch darin waren, sich und vor allem ihre neue Platte/ihr neues Buch/ihren neuen Film usw. zu verkaufen: Heute quasselt man, bis die zugemessenen zehn bis zwölf Minuten abgearbeitet sind, dann zieht man in die nächste Sendung und erzählt wieder ungefähr dasselbe, bis die Promotour nach zwei, drei Wochen bewältigt ist. Für das Publikum entsteht daraus die beruhigende Gewissheit, dass es bei diesen Sendungen gemächlich, ohne jede Überraschung, dem Wochenende entgegendämmern kann. Und für alle, die das nicht sehen, dass sie absolut nichts verpassen: Es wird schon niemand einen Skandal verursachen und bspw. irgendetwas sagen, das man (womöglich neuerdings) nicht (mehr) sagen darf - andernfalls würde man ja nicht mehr eingeladen und man könnte keine Reklame mehr machen für die neue Platte, das neue Buch, den neuen Film.
            • am via tvforen.de

              Da hätte ich mir die Mitschnitte letztes Jahr sparen können, da ich angenommen habe, das dies, die nächste Zeit nicht mehr rausgeholt wird.
              • am via tvforen.de

                Kann ich empfehlen, habe selbst vor kurzem mir mal wieder alle 3 Teile angeguckt.

                Für alle die es nicht kennen, ein schönes Zeitdokument und für Nostalgiker sehenswert. Weniger wegen der sehr wild durcheinander geschnittenen Ausschnitte, sondern viel mehr wegen der Dynamik, die sich bei den Teilnehmern der Runde entwickelt. Wers guckt, den erwartet keine Verklärung der alten Zeiten und Selbstbeweihräucherung, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem Talkgenre und seinen Vertretern. Dabei gehen die Talkmaster auch nicht immer zimperlich miteinander um, sondern sagen sich recht deutlich gegenseitig die Meinung. Das wird mit unter auch ziemlich hitzig und emotional, wenn es z.B. um Kerners Live-Interview mit dem 11-Jährigen geht, der den Amoklauf von Erfurt überlebte. Das Interview fand noch am selben Tag statt. Besprochen wird auch Schlingensiefs Gespräch mit Beate Uhse, in dessen Talkreihe "Talk 2000", bei dem er sie dazu drängen wollte, zuzugeben, dass man sie bei Ihren Filmdrehs leicht mit Aids anstecken könne.
                • (geb. 1992) am

                  Und wieso sollte man sich diese Sendung heute noch anschauen ?
                  • (geb. 1962) am

                    Genau das habe ich mich auch gefragt.
                  • (geb. 1950) am

                    Und warum überhaupt Fernsehen?...Muss ja keiner!

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