Anne will live – muss aber aufzeichnen

Ein Vor-Ort-Bericht

Mario Müller – 24.09.2007

Obwohl die neue Talkshow von Anne Will ticketmäßig für den Rest des Jahres komplett ausgebucht ist, hatte man bereits für die zweite Ausgabe am vergangenen Sonntag Probleme, den Zuschauerraum zu füllen. Das lag allerdings daran, dass die Produktion der ursprünglich für Sonntagabend geplanten Live-Sendung kurzfristig auf Samstagnachmittag vorgezogen wurde. Die Redaktion hatte sich für das Thema „Deutschland vor dem Anschlag? Das Kalkül mit der Angst“ entschieden, und da Gast Wolfgang Schäuble am Sonntag nach Washington fliegen musste und man – wie Anne Will in der Sendung auch erklärte – bei diesem Thema auf keinen Fall auf den Bundesinnenminister verzichten wollte, entschloss man sich schweren Herzens zur Vorproduktion. Die Zuschauer wurden am Donnerstag informiert, und die, die am Samstag nicht kommen konnten, mussten schließlich irgendwie ersetzt werden. Bei nur knapp 100 Leuten im Publikum war das aber kein allzu großes Problem, bei „Deutschland sucht den Superstar“ dürfte so eine Aktion aufwändiger sein.

Gegen 15:00 Uhr werden die Zuschauer zunächst ins Foyer des Studio D in Berlin-Adlershof gebeten, eine in gedämpftes Licht aus IKEA-„Regolit“-Hängelampen aus Reispapier getauchte Halle, die das Warten auf den Beginn der Sendung mit alkoholfreien Getränken sowie bayerischem Laugengebäck – passend zum gleichzeitigen Start des Oktoberfestes – angenehm erleichtert.

Durch schwere Stahltüren und einen langen Gang geht es dann gegen 15:30 Uhr ins Studio. Set-Designer Florian Wieder hat eine Kulisse geschaffen, die mit ihren beige-orangen Farbtönen und dem aufgeklebten Parkettimitat klar an Holz erinnert und eine heimelige Atmosphäre schafft. Hier tagt kein Arbeitskreis, hier werden keine Kriegsbeile ausgegraben. Hier wird höchstens mal respektvoll ans Bein gepinkelt und ansonsten eher Frieden geschlossen. Es ist ja schließlich Sonntagabend. In der Regel.

Der Münchner Kulissenbauer Wieder ist der unumstrittene Star der deutschen Fernseh-Innenarchitektur. Er gestaltete u.a. die Studios von „TV Total“, „Deutschland sucht den Superstar“, „Extreme Activity“, „Let’s Dance“, „Dancing On Ice“ und natürlich auch die von „Beckmann“, „Kerner“, „Menschen bei Maischberger“ sowie „Sabine Christiansen“. Im Moment bereitet er das Bühnenbild für die „MTV Europe Music Awards“ vor, die am 1. November in der Münchner Olympiahalle vergeben werden. Mit dem Studio für Anne Will hat er sicherlich eines der prestigeträchtigsten geschaffen.

Der Erste, der sich an diesem Samstagnachmittag per Mikro an das Studiopublikum wendet, stellt sich als „Edgar, der Regieassistent“ vor. Er erklärt kurz den Ablauf der Sendung, macht auf die Notausgänge aufmerksam und stellt die obligatorische Bitte zum Abschalten der Handys, der ich jedoch nicht folge, da ich mein Mobiltelefon eingeschaltet im Auto gelassen hatte. Getränke gibt es laut Edgar während der Sendung nicht. „Wir sind ja nicht bei Kerner, der seine Gäste besoffen macht“.

Während Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP), Israels Ex-Botschafter Avi Primor und Thomas Wassmann vom Verband der Jetpiloten pünktlich im Studio eintreffen, müssen Redaktion und Maske bis zehn Minuten vor dem geplanten Sendungsstart auf GRÜNEN-Fraktionschefin Renate Künast warten. Aber auch das lässt sich als eine gewisse Professionalität und Lässigkeit mit dem Medium interpretieren. Vielleicht hat sie Klaus Kinski als Vorbild, der Thomas Gottschalk bei seinem legendären Auftritt bei „Na sowas!“ Anfang der 80er Jahre auch bis kurz vor knapp warten ließ.

Nachdem die Talkgäste Platz genommen haben, betritt Anne Will um genau 15:43 Uhr zügigen Schrittes und freudig lächelnd das Studio, begrüßt das Publikum und bittet darum, dass man den Spaß an der Sendung nicht vergessen solle: „Wir machen hier eine Talkshow mit der Betonung auf ‚Show‘, auch wenn es heute ein ernstes Thema ist.“ Um den Sonntagabend dann doch noch vom zeitlichen Ablauf her so gut es geht zu imitieren, wird die Aufzeichnung exakt 15 Minuten vor der vollen Stunde gestartet.

Die Sendung an sich geht routiniert vonstatten, das 14-köpfige Team, das sich auf der Bühne um die sechs Kameras kümmert, schickt gelassen seine Bilder an die Regie. Leider kann man auf den für das Publikum aufgestellten Monitoren nicht das Sendebild verfolgen. Hier wird stattdessen die ganze Stunde über nur das Logo der Sendung eingeblendet. Andererseits soll man ja auch lieber direkt auf die Bühne sehen, denn schließlich kann man sich die Sendung im Fernsehgerät jede Woche zu Hause anschauen.

Eine inhaltliche Analyse nehme ich hier nicht vor, darum kümmern sich die Kollegen der anderen Medien.

Die Debatte ist nicht heiß genug, um die für jeden Talkgast bereitgestellten 1,5-Liter-Wasserkaraffen auch nur ansatzweise zu leeren. Wie erwartet werden keine Beschlüsse gefasst, wohl aber Meinungen ausgetauscht und Positionen klar gemacht, die einem breiten Publikum zu Hause die ernste Problematik ins Bewusstsein rücken sollen.

Nach dem Abklingen der Schlussmelodie bedankt sich die Moderatorin nochmals in aller Form beim Publikum für die Bereitschaft, zu dieser kurzfristig vorgezogenen Sendung zu erscheinen und wünscht einen guten Nachhauseweg, der, anders als in den folgenden Wochen, am helllichten Tage und bei schönstem Sonnenschein erfolgen wird.

Wer „Anne Will“ live erleben möchte, kann über „Eventtixx.de“ Karten zu je 12 Euro reservieren. Bis Ende des Jahres ist die Show im Moment ausgebucht, für 2008 kann man aber schon vorbestellen. Die Sendung wird in der Regel sonntags um 21:45 Uhr in Berlin-Adlershof live produziert. Bis eine Stunde vorher sollte man am Studio sein, es sei denn, man heißt Künast oder Kinski.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Anne will live.

    Da hab ich aber was ganz Schlimmes bei gedacht eben.

    Wer Will heißt, muß wohl mit Wil(l)dem rechnen. ;-)

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