2017, Folge 192–195
Der Sinn des Lebens
Folge 192Alles beginnt mit einer einfachen Haselnuss. Aus ihr keimt ein Busch – und zwar dort, wo ihn ein Eichhörnchen gepflanzt hat – vom putzigen Nagetier, das von Nüssen und Tannzapfen lebt und seinerseits für Marder oder Greifvögel wie Sperber Nahrung bedeutet. Der Busch selbst ist Versteck, Wetterschutz und Nahrung für einen ganzen Kosmos von Lebewesen. Und um sich fortzupflanzen, schüttet er seine Pollen ganz früh im Jahr in den Wind, bevor die Blätter austreiben und die weiträumige Verbreitung seines Blütenstaubs behindern. Alles im Leben dieser Pflanze ergibt einen Sinn.
Gleich neben dem Haselbusch, an einem senkrechten Zweig hat sich ein Schmetterling mit geschlossenen Flügeln festgekrallt. So verharrt er den ganzen Winter über und lässt sich somit Hilfe eines Frostschutzmittels im Blut bis über zehn Grad Celsius einfrieren. Sobald ihn aber erste warme Tage wieder zum aktiven Leben erwecken, fliegt er los und pflanzt sich fort, bevor die vielen Zugvögel aus ihren Winterquartieren aus Afrika und Südeuropa zurück sind und ihm gefährlich werden. Welchen Sinn dabei Stechpalmen und gelbe Frühlingsblüten für das Leben dieses Schmetterlings haben wird deutlich, wenn man dem Falter folgt.
Wozu eigentlich tragen Hirsche 15 Kilogramm Geweihknochen auf dem Kopf mit sich herum, die sie jedes Jahr vollständig erneuern? Welchen Sinn macht all dieser Aufwand? Und was wird mit der unzählbaren Flut von Blättern, die im Herbst im Wald und in den Gärten von den Bäumen fallen und über den Winter auf mysteriöse Art und Weise verschwinden? Wer besorgt im Wald ohne menschliche Räumequipen das heimliche Recycling, damit wir Menschen über die Jahre nicht allmählich unter einer dicken Schicht von Blättern ersticken? „NETZ NATUR“ hat sich nächtelang mit Infrarotkameras auf die Lauer gelegt, um den heimlichen Waldarbeitern und dem tiefgreifenden Sinn ihrer Arbeit auf die Spur zu kommen.
Wo man hinschaut und die Spur aufnimmt, wird schnell klar, dass man all die Lebewesen, die neben uns existieren, nicht für sich allein betrachten kann. Man kann sie nur verstehen, wenn man sie in einen Zusammenhang mit dem Leben anderer Tiere und Pflanzen sieht. Erst mit dem Blick aufs Ganze wird der Sinn jedes einzelnen Daseins deutlich. Und von diesem Blick in die Natur könnten wir Menschen einiges lernen. (Text: SRF)Deutsche TV-Premiere Mo. 26.06.2017 3sat Original-TV-Premiere Do. 06.04.2017 SRF 1 Was uns Elefanten sagen
Folge 193Männer mit Zähnen: Elefanten-Bullen wie Maxi mit seinen langen Stosszähnen im Zoo, gibt es in freier Wildbahn nur noch selten.Bild: SRFRuwani heisst das jüngste Mitglied der Zoo-Elefantenfamilie in der neuen, grosszügigen Anlage Kaeng Krachan des Zürcher Zoos. Und das lebhafte Elefäntlein hat die Herzen des Zoopublikums und der Presse bereits im Sturm erobert. Ein Grund mehr, dass der Zoo Zürich mit deutlich über einer Million Besuchern im Jahr eine der attraktivsten Freizeitstätten der Schweiz ist. Trotz so grossem Erfolg gibt es heftige Kritik: Fundamentalistische Tierschützer sprechen den Zoos grundsätzlich jede Legitimation ab, mit der Meinung, das Zooleben sei für Wildtiere qualvoll: Die Haltung wilder Tiere sei bloss Business unter dem fadenscheinigen Deckmantel von Bildung, Wissenschaft und Naturschutz. Doch wie sieht das Leben der Tiere im Zoo im direkten Vergleich mit ihren Artgenossen in natürlichen Heimatgebieten tatsächlich aus?
Ein „NETZ NATUR“-Team dokumentierte im Gebiet des Kaeng Krachan Nationalparks in Thailand wild lebende Elefanten. Gemeinsam mit einer Tierfilmerin des Zoos Zürich wurden intime Aufnahmen des Lebens der Elefanten zusammengetragen, die seit 3 Jahren in Zürich in einer neuen, äusserst modernen Anlage leben. Diese trägt denselben Namen wie der Nationalpark in Thailand. Und eine Schweizer Elefantenspezialistin, die seit vielen Jahren in Sri Lanka Wildelefanten beobachtet, berichtet aus erster Hand über ihre bemerkenswerten Beobachtungen.
In einer Parallelmontage erwacht der Dschungel in Thailand mit seinen Pastellfarben und tausend geheimnisvollen Geräuschen. Zur selben Zeit beginnen die Tierpfleger an einem kalten Frühlingsmorgen in Zürich ihre tägliche Arbeit in der Elefantenanlage. Während die Elefanten im Zoo einen vielfältigen, von Menschen gestalteten Tag erleben – Futtersuche nach versteckten Leckerbissen in zahlreichen Nischen der Anlage, Beschäftigungs- und Trainingsprogramme, Badeplausch und Wanderungen vom einen Teil der Anlage in den nächsten – halten sich die wilden Elefanten im Urwald unauffällig vor den Menschen versteckt, und ihre Aktivität wird nur aus ihren Spuren erkennbar: Futtersuche, Ruhephasen mit Körperpflege, Spielverhalten. In der Abenddämmerung gehen sie zum Bad im nahen See, während die Zooelefanten in den Ruhebereichen der Anlage allmählich ruhiger werden und sich ab und zu zum Schlaf hinlegen.
Der grosse Gegensatz zwischen Wild- und Zooelefanten zeigt sich erst in der Nacht: Wildelefanten nähern sich in der Dunkelheit oft den Dörfern und den Pflanzungen der menschlichen Bevölkerung, wo sie die Behörden mit massiven Barrieren und Elektrozäunen fernzuhalten versuchen. Wo das nicht klappt, werden sie von den Dorfbewohnern mit Knallkörpern und Feuerwerk verjagt. Das ist mitunter für beide Seiten gefährlich und der Konflikt zwischen Menschen und Elefanten fordert im Verbreitungsgebiet der rund 40 000 übrig gebliebenen Dickhäuter, jedes Jahr Hunderte von Todesopfern – auf Seite der Menschen und der Elefanten.
Die grösste Bedrohung für die wilden Elefanten ist denn auch die Konkurrenz mit der ständig wachsenden menschlichen Bevölkerung um fruchtbares Land, wo gutes Futter wächst. So leben die meisten wilden Elefanten keineswegs im Paradies, wie man sich das gerne idealistisch vorstellen mag, sondern in einem dauernden Konflikt mit den Menschen im selben Lebensraum. Und genauso wenig entspricht der Alltag der Zooelefanten dem gängigen Klischee: Bei allen Einschränkungen, die der beschränkte Lebensraum im Zoo mit sich bringt, der auch immer wieder Probleme wie Gruppenkonflikte oder Gesundheitsprobleme für die Tiere schaffen kann, ist der moderne, dem Tierwohl verpflichtete Zoo keineswegs das triste Gefängnis, das wir Menschen in unserer Vorstellung mit Mauern und Gräben verbinden.
Und so stellt sich die Frage, ob uns die Elefanten im Zoo so viel sagen, dass ihre wilden Artgenossen in Asien davon profitieren und in ihren letzten Rückzugsgebieten mit natürlichen Wäldern eine Zukunft haben. Wie wird es den Elefanten dieser Erde gehen, wenn die kleine Ruwani in Zürich dereinst erwachsen sein wird? (Text: SRF)Deutsche TV-Premiere Mo. 21.08.2017 3sat Original-TV-Premiere Do. 01.06.2017 SRF 1 Fischotter und andere Selfies
Folge 194„NETZ NATUR“ hat sich an einem besonderen Projekt beteiligt: Naturfreunde machten sich mit automatischen Kameras im Auenwald daran, die Biber unbemerkt zu beobachten und ihre Entwicklung zu überwachen. So filmten sich schliesslich längst nicht nur Biber, sondern gegen fünfzig andere Tierarten selbst. Einige Aufnahmen sind äusserst spektakulär: Sie zeigen Verhaltensweisen von Tieren, die man kaum für möglich gehalten hätte. So ermöglicht die Wildcam-Technik intime, bisher unbekannte Beobachtungen an Tieren, die man bestens zu kennen glaubte. Etwa Ratten als erbarmungslose Mäusejäger oder Füchse, die vor Bibern flüchten. Neben den erwarteten Tieren schossen aber auch Überraschungsgäste wie etwa der Fischotter ihre heimlichen Selfies. (Text: SRF)Deutsche TV-Premiere Mo. 04.12.2017 3sat Original-TV-Premiere Do. 19.10.2017 SRF 1 Unsere Verwandten im Wasser
Folge 195„Damals gab es hier im Doubs so unglaublich viele Insektenlarven im Wasser, dass eine Forelle nur das Maul zu öffnen und den Kopf zu drehen brauchte, um zu fressen. Und so gab es denn auch unglaublich viele Forellen!“ erzählt uns Michel Roggo, der wohl berühmteste Fischfotograf Europas und vielleicht der Welt. Mit seinen abenteuerlichen Konstruktionen grossformatiger Kameras, die er an langen Stangen in reissende Flüsse oder stille Wasser führt oder die er zwischen Steinen festklemmt und so die Linse ganz nahe an die scheuen Fische heranbringt, gelingen ihm atemberaubende, hautnahe Porträts von Fischen. Er ist der Meister der grandiosen Ästhetik fremder Lebewesen in ihrem Element.
Mit solchen Bildern führt „NETZ NATUR“ ins Reich der einheimischen Fische und stellt einen verblüffenden Vergleich an: Eine frisch geschlüpfte Forelle sieht einem vier Wochen alten menschlichen Embryo verblüffend ähnlich. Und das ist kein Zufall, denn dass wir während der ganzen Schwangerschaft in einer milden Salzwasserlösung schwimmen, weist darauf hin, dass unsere Stammesgeschichte vor rund 400 Millionen Jahren mit den ersten Fischen im Wasser begann. Zwar leben wir inzwischen nach der Geburt auf dem Trockenen, doch unsere gesamte Embryonalentwicklung im Mutterleib findet noch immer in einer Art Aquarium, in der Fruchtblase im Wasser statt – im Element der Fische.
Wie wir heute mit Michel für die Dreharbeiten im Flüsslein Doubs an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich stehen, haben wir Mühe, einzelne grosse Insektenlarven, die Leibspeise der Forellen, unter den Steinen im Flussbett zu finden. Die Millionen von Insekten sind im Doubs weitgehend verschwunden. Und mit ihnen die Fische.
„NETZ NATUR“ besucht mit Michel Roggo verschiedene Gewässer im ganzen Land und geht der Frage nach, was dahinter steckt, dass viele Fische grosse Mühe haben. Fast überall sind sie in den letzten dreissig Jahren massiv zurückgegangen. In den meisten Seen haben die Berufsfischer nur genügend Felchen in den Netzen, weil man mit künstlich erbrüteten Besatzfischen nachhilft. Auf dem Seegrund hat es oft zu viel Schlamm und zu wenig Sauerstoff, als dass sich die Felchen natürlich fortpflanzen könnten.
Noch stärker stehen Fische in den Fliessgewässern unter Druck. Sei es, dass ihnen in den Gebirgsflüssen schlicht das Wasser fehlt, weil die Elektrizitätswerke mit dem Restwasser geizen. Oder sei es, dass die Flüsse verbaut, überdüngt oder vergiftet sind: Die Landwirtschaft hinterlässt im Wasser unsichtbare, aber gefährliche Spuren. Auch die Siedlungen leisten ihren Beitrag: Aus den Kläranlagen entweichen hoch potente Giftstoffe und Abbauprodukte von Medikamenten, die fatale Auswirkungen auf die Fische haben.
Und schliesslich haben die Fischer jahrhundertelang versucht, durch künstliche Aufzucht und Einsetzen von Jungfischen ihre Erträge zu steigern. Man weiss heute, dass dies die natürliche Fortpflanzung derart stört, dass die Populationen der Fische zusätzlich geschwächt werden. Fremde Fische, die zurzeit über den Rhein einwandern, sind zudem eine grosse Gefahr für einheimische Arten und die Klimaerwärmung lässt Flüsse austrockenen oder so warm werden, dass etwa Forellen kaum noch Überlebenschancen haben.
„NETZ NATUR“ zeigt die Zusammenhänge zwischen der Welt der Menschen und der Fische und kommt zum Schluss: Was den Fischen schadet, kann auch für uns nicht gut sein, weil uns die Fische näher stehen, als uns lieb sein kann. (Text: SRF)Deutsche TV-Premiere Mo. 12.03.2018 3sat Original-TV-Premiere Do. 07.12.2017 SRF 1
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