2020, Folge 327–341

  • Folge 327 (30 Min.)
    Seitdem das Coronavirus Leben und Wirtschaft in der deutschen Gesellschaft lahmlegt, fallen auch die Freitagsdemos der „Fridays for Future“-Bewegung aus. Klimaschutz ist kaum noch Thema in den Medien. Auch wenn das Jahr 2020 mit neuen Wetterextremen begonnen hat: ein nasser Februar mit viel Regen, aber ein sehr trockener Monat April. Schon drohen erneute Dürreperioden und Waldbrände. Und das in einer früheren Jahreszeit als üblich. Dennoch ist die Klimadebatte in Deutschland fast zum Erliegen gekommen. „Fridays for Future“ steht mit einem Mal vor der Frage: Wie kann weiter für Klimaschutz eingetreten werden, wenn durch die abgesagten Demonstrationen die Öffentlichkeit fehlt? Was bleibt von dem Protest, mit dem über ein Jahr lang Politik und Gesellschaft in Atem gehalten wurden? Dabei war es schon vor Beginn der Kontaktsperre ruhiger um die Klimabewegung geworden.
    Sie hatte deutlich an Schwung und Aufmerksamkeit verloren. „45 Min“ hat zwei Mitglieder der Bewegung schon lange vor der Coronapandemie getroffen und begleitet sie auch während der Coronakrise weiter. Ihren Streik haben sie ins Netz verlegt, wo sie sich in Klimathemen weiterbilden und ihren Protest in sozialen Netzwerken kundtun.
    Derweil wird in Deutschland über massive Investitionen für die Wirtschaft nachgedacht. Klimaschutz spielt in diesen Überlegungen, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Das will Annika Kruse, 18-jährige Studierende aus Winsen an der Luhe, ändern. Mit ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern mahnt sie, gerade jetzt den Klimaschutz als Bedingung in staatlichen Hilfsprogrammen zu verankern. Eine Forderung, die Claudia Kemfert, Energieökonomin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, ganz ähnlich formuliert.
    Inzwischen versucht „Fridays for Future“, die Bundespolitik in Berlin von diesem Gedanken zu überzeugen. Der 22-jährige Lucas Pohl aus Lasbek in Schleswig-Holstein organisiert in Zeiten der Kontaktsperre einen Protest vor dem Deutschen Bundestag, mit Plakaten statt Menschenmassen. Denn nur 20 Demonstrierende sind maximal gleichzeitig bei der Aktion erlaubt. Aber kommt ihr Protest für mehr Klimaschutz in diesen Zeiten überhaupt bei den Verantwortlichen in der Politik an? „45 Min“ berichtet über die Auswirkungen der derzeitigen Krise auf das Klima und auf den Protest für mehr Klimaschutz. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 15.06.2020NDR
  • Folge 328 (30 Min.)
    Kleine Plagegeister sorgen für großen Ärger im Norden: Die Invasion von Borkenkäfer, Eichenprozessionsspinner und Buchsbaumzünsler gefährdet Bäume und die Gesundheit der Menschen und kostet den Steuerzahler*innen Millionen. Inzwischen sind nicht nur im Harz ganze Berghänge zerstört und gerodet, überall müssen Schulhöfe und Spielplätze, auf denen Eichenbäume stehen, weiträumig gesperrt werden. Gartenbesitzer verzweifeln angesichts Hunderter gefräßiger Raupen in ihren Buchsbaumhecken. Hilmar von Petersdorff-Campen ist Landwirt am Rande des Harzes.
    Er kämpft seit zwei Jahren um seinen Fichtenwald. Ein hoffnungsloser Kampf. „Viele dieser Bäume habe ich als Kind selbst mitgesetzt. Nun, nicht mal 40 Jahre alt, müssen sie sinnlos gerodet werden.“ Der Grund: ein massiver Borkenkäferbefall. Die kleinen Käfer bohren sich in die durch die Trockenheit geschwächten Rinden und töten die Fichte binnen weniger Wochen. In diesem Jahr hat es eine weitere Fläche in Seesen erwischt. Nun gilt es, die Stämme so schnell wie möglich zu fällen und aus dem Forst zu entfernen, damit die Plage sich nicht weiter ausdehnt.
    „Aber das Holz ist so nichts mehr wert, da oft schon ein Pilz durch die kleinen Löcher in die Stämme eingedrungen ist.“ Von Petersdorff-Campen ist frustriert, denn das Holz kann nur noch mit Glück von der regionalen Genossenschaft auf dem Markt verramscht werden. „Geld zum Aufforsten bleibt da nicht mehr übrig.“ Der Landkreis Gifhorn in Niedersachsen ist seit drei Jahren schwer betroffen vom Eichenprozessionsspinner. Der Landrat schlug Alarm.
    In diesem Jahr wurden weitreichende Bekämpfungsmaßnahmen umgesetzt. 130.000 Euro sind für die Bekämpfung eingeplant. Denis Ekarius hat sich mit seinem Baumdienst auf die professionelle Bekämpfung spezialisiert. Im Sommer steht sein Telefon nicht still. Jeden Tag schwärmen seine Teams aus, um die gefährlichen Nester mit Spezialsaugern zu entfernen. Im Hintergrund forscht Ekarius zusammen mit Wissenschaftlern der Hochschule Göttingen an neuen Methoden: kleine Fadenwürmer werden zu Saisonbeginn nachts in die Eichen gesprüht und töten die Eichenprozessionsspinner binnen weniger Stunden ab.
    Heinrich Beltz von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen ist in Sachen Buchsbaumzünsler unterwegs. Salzbergen ist Hochburg für den Befall, die Falterart verbreitet sich seit vier Jahren langsam weiter Richtung Norden aus, ist inzwischen an einer unsichtbaren Grenze zwischen Oldenburg und Hannover angekommen. Beltz kennt alle Tricks der Gärtner gegen die gefräßige Raupe: Einige reiben die Buchsbäume mit Seife ein, andere packen sie nachts in Plastik, damit die Falter nicht landen und Eier legen können.
    Doch bei starkem Befall hilft neben dem Absammeln per Hand allein das Spritzen mit Bioziden. Diesen Schritt gehen auch die Mitarbeitenden der Herrenhäuser Gärten in Hannover: Hier kämpfen die Profis für den Erhalt von gut 20 Kilometer Buchsbaumhecken im historischen Park. „Der Buchs hier ist Kulturgut in der Anlage des Gartens und muss erhalten werden“, meint der Parkleiter. Da wegen der Coronakrise wochenlang keine Besucher*innen da sind, konnte in diesem Jahr umfangreich ohne Rücksicht nehmen zu müssen gespritzt werden. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 22.06.2020NDR
  • Folge 329 (45 Min.)
    Dubiose Händler versprechen Mittel, die bei Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, erhöhten Cholesterinwerten oder sogar Krebs helfen sollen. Für fast jedes Problem gibt es scheinbar passende und häufig teure Nahrungsergänzungsmittel. Dabei ist die Wirkung oftmals nicht erforscht, es drohen Überdosierungen sowie Neben- und Wechselwirkungen. In dem Film wird beleuchtet, wie es durch Gesetzeslücken möglich ist, dass sogar gefährliche Nahrungsergänzungsmittel völlig unkontrolliert auf den Markt gelangen. Die Autoren Claudia Butter und Philipp Reichert gehen der Frage nach, warum es die Politik seit Jahren versäumt, Verbraucherinnen und Verbraucher vor überteuerten und fragwürdigen Produkten zu schützen. Denn für die Überwachung von Nahrungsergänzungsmitteln sind die Landkreise zuständig. So stehen überforderte Beamtinnen und Beamte einem globalen Markt gegenüber, der stetig wächst. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 10.08.2020NDR
  • Folge 330 (45 Min.)
    Die Coronakrise hält Deutschlands Wirtschaft nach wie vor fest im Griff. Einzelhändler*innen und kleine Betriebe bangen um ihre Existenz, die Industrieproduktion sinkt auf den tiefsten Stand seit über 20 Jahren. Auch im Norden kämpfen Selbstständige gegen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie an. „45 Min“ begleitet seit Beginn der Corona-Beschränkungen drei Unternehmerinnen und Unternehmer aus Norddeutschland in dieser für sie dramatischen Zeit. Und mit Gabriel Felbermayr, dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, begleiten die Autorinnen ein Forschungszentrum im Ausnahmezustand.
    Die entscheidenden Fragen: Wie hart wird die norddeutsche Wirtschaft von der Krise getroffen? Und helfen die milliardenschweren staatlichen Hilfspakete den Unternehmen überhaupt? Daniela Beckmann ist Blumenhändlerin in Hamburg. Sie hat erst Ende Februar ihren neuen Laden im Stadtteil Iserbrook eröffnet. Zwei Tage später wurden die ersten Aufträge storniert: Veranstaltungen, Feiern, alles abgesagt.
    Die Existenznot erwischte sie eiskalt. Jetzt müssen ihre Mutter und ihre Schwester mit Geld aushelfen, denn die zugesagte Soforthilfe für Kleinunternehmer*innen hat sie auch nach zwei Monaten noch nicht erhalten. Sie kämpft verzweifelt um ihren kleinen Betrieb wie gerade etliche andere in Norddeutschland. Auch die großen Unternehmen trifft die Krise im März mit voller Wucht. So steht die Autoindustrie wochenlang still. Das wirkt sich auf die Autozulieferer aus. „Im März und April kam eine Katastrophennachricht nach der anderen rein“, erzählt Sven Vogt.
    Mit seiner Firma KKT in Osterode im Harz stellt er unter anderem Kupplungselemente aus Kautschuk für die Autoindustrie her. Die Coronakrise ist anfangs auch für seinen Betrieb eine Vollbremsung. „Es war sehr mühsam, an den KfW-Kredit ranzukommen, den brauchten wir aber unbedingt für unsere Liquidität.“ Die „Bazooka“ von Bundesfinanzminister Scholz hat seiner Meinung nach Ladehemmungen. Jetzt kann Vogt nur noch aufs nächste Jahr hoffen.
    „Ich fürchte, diese Rezession wird die Mutter aller Rezessionen“, sagt Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel, schon im März. Viel spricht dafür, dass er Recht behält. Die Insel Amrum in Schleswig-Holstein ist Ende März wie ausgestorben. Während der Zeit der Zugangsbeschränkungen ist sie für Urlauber*innen gesperrt. Ein Super-GAU für alle, die vom Tourismus leben. Nicole und Gunnar Hesse betreiben seit Jahren ein Traditionshotel auf Amrum. Der Buchungskalender 2020 war bereits voll.
    „Nun ist alles storniert, ein Desaster“, sagt Nicole Hesse. Alle Mitarbeitenden sind in Kurzarbeit. Trotz Rücklagen droht die Coronakrise ihre Existenz zu vernichten. Nur mit finanzieller Unterstützung vom Staat können sie die Krise stemmen. Wie wird der Sommer werden? Wird es wieder mehr Besucher*innen geben? Fünf Monate lang begleiten die Autorinnen Christiane Henningsen und Babette Hnup für diesen Film norddeutsche Betriebe durch die Krise. Sie erleben Unternehmer*innen voller Unsicherheit, Existenzsorgen und zarter Hoffnung. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 31.08.2020NDR
  • Folge 331 (45 Min.)
    Die Opfer von Autocrashern erzählen, was sie erlebt haben. Daneben begleiten die Autoren Kommissar König bei seinen Ermittlungen zu manipulierten Unfällen und treffen einen Insider aus der Szene, der aus eigener Erfahrung erklärt, wie die Täter vorgehen. Und sie fragen, was die deutschen Versicherer gegen diese skrupellose Form des Betruges unternehmen, gegen das Geschäft mit dem Crash. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 07.09.2020NDR
  • Folge 332 (45 Min.)
    Die Aufgabe ist gewaltig: Bis 2030 soll die Deutsche Bahn doppelt so viele Fahrgäste befördern wie heutzutage. Und das verlässlich, bezahlbar und schnell, im sogenannten Deutschlandtakt. Jede halbe Stunde eine Verbindung auf den großen Achsen wie Hamburg-Hannover-Göttingen oder Hamburg-Berlin, dafür braucht es mehr Züge und neue Strecken in der Region. Politik und Bahn wähnen sich mit dem Zukunftskonzept „Starke Schiene“ auf dem Überholgleis. Doch der Ausbau sorgt schon jetzt für Ärger bei den AnwohnerInnen, das Unternehmen ist milliardenhoch verschuldet und sucht händeringend qualifizierte Mitarbeitende, die es nicht gibt.
    Wie ist die Bahn noch zu retten? „Wäre die Bahn ein normales Unternehmen, wäre sie vermutlich längst pleite“, sagt Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofes, der die Bilanzen regelmäßig prüft. Doch die Bahn ist kein normales Unternehmen. Alle Aktien der Deutsche Bahn AG gehören dem Bund, also uns allen. Jahr für Jahr fließen Milliarden an Steuergelder in das Unternehmen.
    Auch die Schäden durch die Corona-Pandemie, von der Bahn mit bis zu 13,5 Milliarden Euro beziffert, sollen die SteuerzahlerInnen nun zum Teil ausgleichen. An der Basis spüren sie schon länger, dass es im Getriebe hakt. Harald Ketelhöhn ist seit 30 Jahren Lokführer und in der Gewerkschaft GDL aktiv. Fast täglich fährt er die Strecke Lüneburg-Lübeck-Kiel. Trotz der Einstellungsoffensive im Konzern „hat man das Gefühl, dass es immer weniger Indianer wie mich gibt, die die Züge und den Betrieb auf der Schiene am Laufen halten.
    Dafür aber immer mehr Häuptlinge in den oberen Etagen.“ In der Berliner Zentrale sieht man das natürlich anders, und beim Schienengipfel Ende Juni freut sich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sogar über eine „kleine Revolution“. Sein Parlamentarischer Staatssekretär Enak Ferlemann, CDU-Mann aus Cuxhaven, pflichtet ihm bei: „Wir wissen jetzt: Wo wollen wir hin? Was brauchen wir dafür? Und wo brauchen wir was? Und das bauen wir jetzt.“ Thomas Rippke und seine Mitstreitenden von der Bürgerinitiative Bigtab e.V. wehren sich gegen die geplante Neubaustrecke Hannover-Bielefeld.
    Damit der Deutschlandtakt Wirklichkeit werden kann, müssten auf dieser Strecke nämlich Züge mit 300 Stundenkilometern fahren. „Warum ist die Vertaktung und Verzahnung der Verkehrswege wichtiger, als unseren Lebensraum zu erhalten? Warum müssen wir neben einer Autobahn, einer Bundesstraße, einem Kanal und einer normalen Bahnstrecke nun auch noch eine Schnellbahnstrecke ertragen?“ In Berlin schütteln sie über die „Bremser von Bückeburg“ den Kopf: Verkehrswende super, aber bitte nicht bei uns.
    Das sei ein typisch deutscher Reflex, der Fortschritt schwierig mache. Die „45 Min“-Dokumentation ist eine emotionale Auseinandersetzung mit einem großen Sorgenkind der Deutschen. Der Film wirft einen Blick hinter die glänzenden Kulissen der Konzernzentrale, in den vertrauten Alltag aus überfüllten Bordbistros, auf verspätete Züge und verärgerte BahnkundInnen und analysiert, wohin die Reise künftig gehen wird. Die Bahn kommt. Jetzt aber wirklich? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 14.09.2020NDR
  • Folge 333 (45 Min.)
    Diese „45 Min“-Dokumentation ist eine aktualisierte Version der gleichnamigen Sendung, die das NDR Fernsehen am 30. Oktober 2019 als Sonderbeitrag zum Mauerfall ausgestrahlt hat. Dabei wurden die datenjournalistischen Recherchen ebenso neu erhoben wie Fragen, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap Menschen in Ost- und Westdeutschland zur deutschen Einheit gestellt hat. Warum gibt es noch ein Ost und West mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall? Ein Wir und Ihr? Woran liegt das? Das fragt sich NDR Filmemacherin Birgit Wärnke. Sie geht auf eine persönliche Spurensuche.
    Denn sie selbst war ein typisches DDR-Kind: Kinderkrippe, Kindergarten, Jungpionier in der Schule, dazu Sporterziehung im Armee Sportklub. Dann kam die Wende. Nach dem Abitur hatte sie das diffuse Gefühl „im Westen habe ich bessere Chancen“. Also ging sie wie so viele andere junge ostdeutsche Frauen in den Westen. Es war eine gigantische Abwanderungswelle. Ostdeutschland verlor fast vier Millionen Einwohner*innen. Birgit Wärnke trifft unter anderem Menschen, die sich die DDR zurückwünschen, „weil es früher besser war“. Damals hatten sie einen sicheren Arbeitsplatz, waren Teil einer Gemeinschaft und sozial abgesichert.
    „Heute musst du dich um alles selber kümmern“, erzählen die beiden Freundinnen Liane Linke und Monika Barnekow. Die Schwerinerinnen haben 1978 ihre Ausbildung im VEB Kombinat Lederwaren gemacht. Sie arbeiteten im Schichtdienst, wurden als „Aktivisten zur sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet. Mit der Wende verloren sie ihren Arbeitsplatz, Sicherheit und Anerkennung. Birgit Wärnke begegnet aber auch Werner Molik. Er wollte nicht wie die beiden Näherinnen in der DDR leben und stellte mehrere Ausreiseanträge.
    Der Systemkritiker wurde 1977 verhaftet und erst anderthalb Jahre später von der Bundesrepublik freigekauft. Heute besitzt Molik auf Usedom ein Viersternehotel in bester Lage. Der Hotelier sieht sich selbst als Wende-Gewinner. Und er will „die deutsche Kultur bewahren“. Die Filmautorin arbeitet heraus, dass sich nicht nur die sogenannten Abgehängten im Osten zur AfD hingezogen fühlen, sondern auch Molik, der erfolgreiche Unternehmer, der einst in der DDR Oppositioneller war. Die „45 Min“-Autorin trifft auch ihre ehemalige Lehrerin wieder.
    Sabine Stoof war damals SED- Parteisekretärin. Sie war überzeugt, dass der Sozialismus das bessere System sei. Mit der Wende änderte sich für sie alles. Sabine Stoof musste sich intensiv mit ihrer Rolle in der DDR auseinandersetzen: „Ja, ich habe Schuld, weil ich meine Schüler nicht aufgeklärt habe, dass sie in einer Diktatur leben.“ Die ehemalige Lehrerin geht im Film noch einen Schritt weiter: Sie wird Einsicht in ihre Stasiakte beantragen. „45 Min“ zeigt eindrücklich, wie viel Macht die untergegangene Diktatur noch immer über ihre Ex-Bürger hat.
    Birgit Wärnke, die mittlerweile seit über 20 Jahren in Hamburg lebt, lässt auch Westdeutsche zu Wort kommen. Sie erfährt, dass es auch in den alten Bundesländern Unzufriedenheit gibt: „In Ostdeutschland ist mittlerweile alles vom Feinsten, Westdeutschland wurde zu lange vernachlässigt, jetzt müssen wir mal an Gesamtdeutschland denken“. Die „45 Min“-Dokumentation über den Zustand der Bundesrepublik Deutschland arbeitet auch diesmal mit Rückblicken in die Geschichte. Dabei werden die großen Themen der Zeit mit seltenen, zum Teil auch privaten Archivbildern erzählt. (Text: Tagesschau24)
    Deutsche TV-PremiereMo 28.09.2020NDR
    "Diese '45 Min'-Dokumentation ist eine aktualisierte Version der gleichnamigen Sendung, die das NDR Fernsehen am 30. Oktober 2019 als Sonderbeitrag zum Mauerfall ausgestrahlt hat. Dabei wurden die datenjournalistischen Recherchen ebenso neu erhoben wie Fragen, die das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap Menschen in Ost- und Westdeutschland zur deutschen Einheit gestellt hat." (NDR)
  • Folge 334 (45 Min.)
    Anke R. ist Finanzbeamtin im gehobenen Dienst. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass sie einmal vor einem Berg Schulden enden würde. Doch ihr Mann, mittlerweile verstorben, scheiterte als Freiberufler, verließ die Familie und weigerte sich, Unterhalt zu zahlen. Anke R. blieb mit den Schulden zurück. „Wenn es klingelte, hab ich den Kindern gesagt, sie sollen bloß nicht aufmachen. Weil ich Angst hatte, dass draußen die Leute vom Inkassounternehmen stehen.“ So wie Anke R. geht es immer mehr Menschen in Deutschland. Mit den Schulden kommen die Inkassobriefe. Und wer die Raten nicht bezahlen kann, dem flattern immer neue Forderungen ins Haus.
    Da ist man schnell mit dem Doppelten oder Dreifachen des eigentlichen Betrages in den Miesen. Anke R. zum Beispiel schätzt, dass ein Drittel ihrer Schulden allein Inkassogebühren sind. Für die Inkassoindustrie ist das ein extrem lukratives Geschäft. Rund fünf Milliarden Euro setzt sie in Deutschland jährlich um, Tendenz steigend. Denn der Onlinehandel und ein wachsender Konsum bringen immer mehr unbezahlte Rechnungen mit sich. Schon heute sind knapp sieben Millionen Deutsche überschuldet: jeder zehnte Erwachsene. Dabei sind bei Weitem nicht alle Inkassoforderungen rechtens.
    Häufig finden sich auf Rechnungen Fantasiegebühren, überhöhte Zinssätze und mehrfach gestellte Forderungen. Oder Minderjährige werden illegal in Ratenzahlungen gedrängt, so wie es Christian G. ergangen ist. Mit 19 steckte der Auszubildende so tief im Schuldensumpf, dass er allein nicht mehr herauskommt. Besonders dubios: die sogenannte „doppelte Ernte“. Auf eine offene Forderung hin mahnen sowohl ein Inkassobüro als auch eine Anwaltskanzlei. Da landen Schuldnerin oder Schuldner bei einer Forderung von 20 Euro schnell bei einem Gesamtbetrag von 150 Euro.
    Besonders erschreckend: Selbst große und bekannte Unternehmen sind an dieser Praxis beteiligt und versuchen mit allen Mitteln, eine Berichterstattung zu vermeiden. Für seine aufrüttelnde Dokumentation ist Grimme-Preisträger Michael Richter durch die halbe Republik gefahren, um Schuldnerinnen und Schuldner zu treffen, die sich trotz Scham an die Öffentlichkeit trauen. Sein Film erzählt, wie eine Industrie für ihren Profit bewusst in Kauf nimmt, dass Menschen immer tiefer abrutschen. Auch weil die Gesetzeslage den Inkassounternehmen zu viel Spielraum lässt, das räumt sogar das verantwortliche Bundesministerium im Film ein. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 05.10.2020NDR
  • Folge 335 (45 Min.)
    2020 ist das Jahr, in dem Deutschlands umstrittenste Sozialreform 15 Jahre alt wird: Hartz IV. Damit werden auch viele Kinder erwachsen, die zum Teil ihr ganzes Leben in Hartz IV gelebt haben und somit faktisch in Armut aufgewachsen sind. Diese jungen Menschen stehen heute kurz vor dem Eintritt ins Berufsleben. „45 Min“ begleitet Kinder, deren Lebensrealität von Hartz IV bestimmt war und ist. Was bedeutet es, als Kind „arm“ zu sein? Was denken die Kinder selbst über das System? Und: Wie können sie einen Weg raus aus Hartz IV finden? 15 Jahre nach der Hartz-IV-Reform nimmt die Kinderarmut hierzulande trotz Wirtschaftswachstum und sinkender Arbeitslosigkeit zu, so steht es in einer jüngst veröffentlichten Bertelsmann-Studie.
    In Teilen Norddeutschlands wächst fast ein Drittel der Kinder und Jugendlichen mit Hartz IV auf. Die Hartz-IV-Sätze wurden zwar kürzlich angehoben. Doch die Sechs- bis 13-Jährigen gehen leer aus, hier ist keine Steigerung in Sicht. Kritiker*innen beklagen, dass der Regelsatz vor allem für die Bedürfnisse von Kindern nicht ausreiche. Drei Monate lang begleiten die „45 Min“-Autorinnen Leonie Ahmadi und Simona Dürnberg Kinder und Jugendliche, deren Leben vom Aufwachsen mit Hartz IV geprägt ist.
    Sie erleben Kinder voller Sorgen, aber auch voller Hoffnung auf eine unbeschwerte Zukunft. Auf der Insel Föhr können Kinder aus Hamburg-Billstedt dank Spenden einmal im Jahr Urlaub machen und sich von ihrem Alltag zu Hause erholen. Eine von ihnen: Tyra. Sie ist zehn Jahre alt und weiß schon jetzt, dass sie nach den Ferien auf der neuen Schule „besonders schlau sein muss“, denn nur so könne der Weg aus Hartz IV gelingen. Damit ein Kind in Deutschland später das durchschnittliche Einkommen erreicht und damit der Armut entflieht, bedarf es hierzulande statistisch gesehen sechs Generationen, so eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
    Deutschland steht damit schlechter da als der Durchschnitt der OECD-Länder, der bei viereinhalb Generationen liegt. Ist das Aufwachsen mit Hartz IV also ein Manifestieren von Armut? Und würden die politischen Verantwortlichen von damals heute wieder so handeln? Wie war 2005 der politische Weg in die Sozialreformen, welche positiven Effekte für Menschen und die Wirtschaft gab es? Die Autorinnen sprechen mit Franz Müntefering, der ehemalige Vizekanzler gilt als einer der „Architekten“ von Hartz IV.
    Welchen Blick auf Kinder hatten die Politiker*innen damals und heute? Emily aus Rostock hat die Schule schon hinter sich und steht kurz vor dem Beginn ihrer Ausbildung. Mit ihren 16 Jahren kennt sie „kein Leben ohne Hartz IV“. Eigentlich ist sie dankbar, denn ohne Hartz IV hätten ihre Mutter und sie nichts gehabt. Doch Emily stört es, dass Hartz IV-Empfänger*innen in der öffentlichen Wahrnehmung oft als faul angesehen werden. Sie weiß: Hartz IV kann jeden treffen.
    Und trotzdem möchte sie nach ihrer Ausbildung unbedingt ohne das Geld vom Staat leben, fernab von schmerzhaften Vorurteilen. So geht es auch Sarah-Lee. Die 19-Jährige hält Hartz IV sogar für menschenunwürdig, vor allem für Kinder und Jugendliche. Mit viel Kraft und etwas Glück hat sie sich den Weg aus Hartz IV erkämpft und engagiert sich heute bei der Grünen Jugend gegen die umstrittene Sozialreform. Denn Kinder, die mit Hartz IV aufwachsen, haben niemals die gleichen Chancen wie andere Kinder, so ihre These. 15 Jahre danach: eine „45 Min“-Doku über die Ziele und Auswirklungen der Hartz-IV-Reformen. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 26.10.2020NDR
  • Folge 336 (45 Min.)
    Selbst die „New York Times“ hat Frank Kracht, den Bürgermeister des Hafenstädtchens Sassnitz auf der Ostseeinsel Rügen, mehrfach zitiert als standhaften Widersacher aus der nordostdeutschen Provinz gegen das polternde Amerika des Donald Trump. „Nach dem ersten Dutzend Interviewanfragen aus aller Welt habe ich aufgehört zu zählen“, sagt Frank Kracht. Grund ist die unverhohlene Drohung aus Washington, den deutschen Hafen wirtschaftlich zu ruinieren, sollte von dort aus weiter an der deutsch-russischen Erdgaspipeline Nord Stream 2 gebaut werden. NDR Reporter Klaus Scherer hat für seinen Film Bürgermeister Kracht und seine Sassnitzer Mitstreiter begleitet, von den örtlichen Autoren eines geharnischten Antwortbriefes an den US-Senat bis zu Fischern und Hafenarbeitern, die dem „Wildwest-Gehabe“ Washingtons, wie sie sagen, ebenso trotzen wollen wie Mecklenburg-Vorpommerns Landesregierung um Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Energieminister Christian Pegel.
    Der Film dokumentiert aber auch, wie der anfängliche Rückhalt für Nord Stream 2 in Kanzleramt und Außenministerium bröckelt, seit die Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny auch in Deutschland neue Forderungen nach einem Stopp des Milliardenprojekts ausgelöst hat.
    Zu Wort kommen der zuständige Staatsminister im Außenamt, Niels Annen, SPD, der Oppostionspolitiker Jürgen Trittin, Bündnis 90/​Die Grünen, dessen Partei der Pipeline von Beginn an skeptisch gegenüberstand, zudem ein Trump-naher Vertreter der US-Seite sowie ein Völkerrechtsexperte aus Göttingen. Mitunter entsteht dabei der Eindruck, als sei das Land wie gefangen in dem Wunsch, weder einem wahlkämpfenden US-Präsidenten nachzugeben noch einem schillernden Kreml-Führer, der jede Kooperation im Fall Nawalny verweigert.
    Wer also hilft Sassnitz? Unerwarteter Zuspruch kommt immerhin aus der Partnerstadt Port Washington im US-Bundesstaat Wisconsin. Deren Bürgermeister teilte mit, dass er sich mehr Verständnis seiner Regierung für die Beschäftigten in Sassnitz gewünscht hätte. Die dortigen US-Bürger*innen wurden dem NDR Team gegenüber noch deutlicher. Warum um alles in der Welt, sollten wir einer deutschen Kommune vorschreiben, was sie zu tun oder zu lassen hat?, so die häufigste Antwort. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 02.11.2020NDR
  • Folge 337 (45 Min.)
    Als das Coronavirus erkannt wurde, war es schon zu spät: Innerhalb weniger Tage infizierten sich 112 der 160 Bewohner*innen des Wolfsburger Hanns-Lilje-Heims mit Corona, 48 von ihnen starben. Auch viele Pflegekräfte erkrankten an COVID-19. Die diakonische Einrichtung für demenziell erkrankte Menschen war zur Todesfalle geworden. In der Öffentlichkeit entstand bald das Bild vom „Horrorheim“. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf, anonyme Vorwürfe fanden weite Verbreitung. In einer aufwendigen Recherche rekonstruieren Arnd Henze und Sonja Kättner-Neumann die tragischen Wochen vor Ostern 2020 im Hanns-Lilje-Heim.
    Immer wieder konnten sie Pflegekräfte im Schichtdienst in den für Besucher*innen immer noch gesperrten Wohnbereichen begleiten. Die Autoren sprachen mit Angehörigen von Verstorbenen und Überlebenden, mit Ärzten, Verantwortlichen der Diakonie, dem Wolfsburger Oberbürgermeister als Leiter des Krisenstabes und mit Medizinethikern. Viele der Beteiligten sind noch immer traumatisiert: von dramatischen Entscheidungen im Blindflug, der permanenten Überforderung und dem oft vergeblichen Kampf um das Leben der Erkrankten, von den Kontaktverboten und nicht zuletzt von den rigiden Isolationsmaßnahmen zum Schutz der Bewohner*innen.
    Denn niemand konnte den Menschen im Heim begreiflich machen, warum sie plötzlich von Pflegekräften in Raumanzügen in ihre Zimmer eingesperrt wurden. „Ich habe mich wie eine Gefängniswärterin gefühlt“, erzählt eine Pflegerin. Noch immer sucht das Heim einen Weg zurück in einen Alltag unter Coronabedingungen.
    Besuche sind nur unter strengen Hygieneauflagen erlaubt, Einschränkungen, die den Kontakt mit den demenziell Erkrankten für die Angehörigen kaum erträglich machen. Umso größer ist die Sorge vor dem Winter und einer zweiten Welle. „Ein Krieg ist irgendwann vorbei. Corona hört nicht auf“, sagt eine Pflegerin aus Kroatien, die als Kind einst vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Niedersachsen geflüchtet war. Die Dokumentation vermittelt einen exklusiven Einblick in die oft widersprüchlichen Erfahrungen der Betroffenen dieser Katastrophe.
    So entsteht ein Bild, in dem Dankbarkeit für das Engagement der Pflegekräfte und hilflose Wut über das einsame Sterben von Verwandten nebeneinander stehen. Fehler und Versäumnisse werden benannt, ohne zu verurteilen. Denn wichtiger als die Suche nach Schuldigen ist die Frage: Welche Lehren lassen sich aus den Erfahrungen von Wolfsburg ziehen, damit Pflegeheime nicht immer wieder zur Todesfalle werden? Und vielleicht noch dringlicher: Was muss getan werden, damit der Schutz vor dem Virus nicht zum sozialen Tod in Einsamkeit führt? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 09.11.2020NDR
  • Folge 338 (45 Min.)
    Es ist ein großer Tag, gut zwei Jahre ist er her: Peter Habbena transportiert 50 Milchkühe zurück in seinen eigenen Stall direkt neben seinem Wohnhaus. Er will wieder ein richtiger Bauer sein mit weniger Kühen. Er will aus der Massenproduktion heraus, ein Herzenswunsch und zugleich ein großes Wagnis. Acht Jahre zuvor war er den entgegengesetzten Weg gegangen. Zusammen mit einem anderen Bauern hatte er Hunderttausende Euro in einen neuen modernen Laufstall investiert, der sechs Kilometer von seinem eigenen Hof entfernt liegt. 400 Tiere fanden dort Platz.
    Doch die großen Milchkrisen 2015 bis 2016 haben den Landwirten das Genick gebrochen. Pro Milchkuh machten sie 800 bis 1.000 Euro Verlust. Wie Tausende Bauern in Deutschland wussten sie nicht mehr, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollten. Außerdem war Habbena von morgens bis abends weg von seinem eigenen Hof, sah seine Töchter nicht, konnte am Familienleben nicht teilnehmen. Wie so viele seiner Kolleginnen und Kollegen war Peter Habbena unzufrieden mit dem Markt und der Politik, aber eben auch mit seinen eigenen Entscheidungen.
    Und während viele andere Milchbauern auf noch mehr Größe und Masse setzen, fällte er eine andere Entscheidung: „Wenn ich jetzt nichts mache, dann bereue ich es in wenigen Jahren. Meine Arbeit, die jetzt nur auf Milchproduktion von vielen Kühen ausgerichtet ist, wird nicht angemessen entlohnt, ich mache Minus. Und ich erfahre dadurch auch keine Wertschätzung für das, was ich tue. Also was bleibt mir: mich ärgern und schimpfen und nichts tun. Oder mich ärgern und schimpfen, aber mein Leben in die Hand nehmen und was ändern.
    Und vom Großmilchproduzenten wieder zum Bauern werden. Und zum Familienvater.“ Vor zwei Jahren also der große Schritt: Er trennt sich von seinem Kollegen, sucht sich seine Wunschkühe aus und startet das Abenteuer „raus aus der Massenproduktion“. Mit Hofladen, mit Fleischrindern, die er auf der Weide aufzieht und seinen Kund*innen anbietet, mit eigenem Käse. Mit Zeit, sich hingebungsvoll um seine Tiere zu kümmern. „Die sind ja zum Teil schon in zehnter Generation bei uns. Wir arbeiten vertrauensvoll zusammen, die Kühe und ich.“. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 16.11.2020NDRDeutsche Online-PremiereDi 10.11.2020ARD Mediathek
  • Folge 339 (45 Min.)
    Wie funktioniert die Doppelspitze bei Bündnis 90/​Die Grünen? Ist Politik wie Trampolinspringen? Annalena Baerbock spricht über ihre Leidenschaft für diesen Sport und die Politik. Warum joggt Robert Habeck abends durch Berlin-Kreuzberg? In ihrer Dokumentation sind die beiden Autoren Reinhold Beckmann und Falko Korth der Doppelspitze bei den Grünen sehr nahegekommen. Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen seit Januar 2018 an der Spitze der Partei Bündnis 90/​Die Grünen. Der Aufschwung der Grünen seitdem ist außergewöhnlich. Im Sommer 2019 standen sie in Umfragen sogar kurzweilig vor der Union, das Kanzleramt schien in greifbarer Nähe.
    Mittlerweile ist die Euphorie etwas gebremst, auch durch Corona. Trotzdem haben die Grünen immer noch große Chancen, nach der Bundestagswahl 2021 in die Regierungsverantwortung zu kommen. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben Aussicht auf wichtige Ministerposten und vielleicht sogar auf noch mehr. Die Jahre als Doppelspitze haben bei beiden Politikern Spuren hinterlassen. Das zeigt die Dokumentation, für die Annalena Baerbock und Robert Habeck seit fast zwei Jahren mit der Kamera begleitet wurden. Entstanden ist ein dichtes, vielschichtiges und sehr persönliches Porträt, das außergewöhnliche Einblicke in den politischen Alltag liefert.
    Das Amt und die neuen Herausforderungen haben Annalena Baerbock und Robert Habeck verändert. Ihr Umgang heute ist ein anderer als noch vor zwei Jahren, der Blick der Öffentlichkeit auf sie ebenfalls. Und auch ihre Rollen innerhalb der Partei haben sich gewandelt. War die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock anfangs eher noch ein unbeschriebenes Blatt, agiert sie mittlerweile auf Augenhöhe mit Robert Habeck. Nun muss die Partei die wichtige Frage beantworten, wer als Spitzenkandidat*in bei der nächsten Bundestagswahl antreten soll.
    Die Dokumentation klärt, wer es wohl sein wird. Wichtiger Teil des Films sind auch Interviews mit politischen Weggefährten, Konkurrenten und journalistischen Beobachtern. Zu Wort kommen unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der ehemalige Politiker und heutige Berater Joschka Fischer, Boris Palmer, Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, und die Philosophin Svenja Flaßpöhler. Die Dokumentation ist zugleich Porträt als auch Auseinandersetzung mit der Partei Bündnis 90/​Die Grünen von heute und ihrer möglichen Rolle in der zukünftigen Regierung. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 23.11.2020NDRDeutsche Online-PremiereSo 22.11.2020ARD Mediathek
  • Folge 340 (45 Min.)
    In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch an Spenderblut höher als in jedem anderen Land der Welt, so fast doppelt so hoch wie etwa in den Niederlanden. Warum ist das so? Und wo bleibt das Blut? Diesen Fragen gehen Christine Seidemann und Ute Jurkovics in ihrer Dokumentation nach. Der Film verfolgt die Spur einer Blutspende: von der Abgabe beim Deutschen Roten Kreuz bis in die Operationssäle der Krankenhäuser und die Labore der Pharmaindustrie. Für die junge Spenderin Leia hält der Weg ihres Blutes einige Überraschungen bereit. Aus ihrer Vollblutspende werden drei Produkte: Rote Blutkörperchen, Blutplättchen und Plasma.
    Während die ersten beiden Bestandteile meistens an Krankenhäuser gehen, verkauft das DRK Plasma auch an die pharmazeutische Industrie. Einer der Empfänger ist die Frankfurter Firma Biotest, die daraus Medikamente herstellt. Für den Vorstandvorsitzenden Dr. Michael Ramroth ist Plasma ein Rohstoff in einem boomenden Markt. Nicht zuletzt die fieberhafte weltweite Suche nach einem wirkungsvollen Mittel gegen COVID-19 sorgt dafür, dass gar nicht so viel Plasma zur Verfügung steht, wie die Firma gern verarbeiten würde.
    Auch für die Blutspendedienste ist die Blutknappheit seit Jahren ein Problem. In diesem Jahr verschärft das Coronavirus die Situation noch. Im Herbst stand Transfusionsmediziner Dr. Jürgen Ringwald im DRK-Institut im schleswig-holsteinischen Lütjensee vor leeren Regalen. Wegen der Engpässe mussten in einigen Kliniken Operationen verschoben werden. Und durch die Ausbreitung von COVID-19 bleibt die Situation angespannt: „Wir können uns nicht sicher sein, ob eine zweite Welle kommt oder eine dritte, und ob wir dann in die Spendezentren dürfen.“ In keinem anderen Bundesland wird pro Kopf so viel Spenderblut verbraucht wie in Mecklenburg-Vorpommern.
    Prof. Jochen Renner ist Chef der Anästhesie an den Helios Kliniken Schwerin und gehört zu einer wachsenden Gruppe von Ärzten, die überzeugt ist, dass Blood Patient Management, gezieltes Blutsparen an den Kliniken, nicht nur die kostbare Ressource Blut schont, sondern sich dadurch auch Komplikationen bei den Patient*innen vermeiden lassen. Jede Bluttransfusion, sagt Renner, wirkt wie eine Mini-Organspende und kann das Immunsystem sehr stark belasten.
    Das System der Blutspende muss sich verändern, davon ist auch Phil Porter aus Bremen überzeugt. Der junge Fotograf und Künstler würde liebend gern spenden, doch er darf nicht. Weil er homosexuell ist, müsste er vor jeder Blutspende zwölf Monate lang auf Sex mit seinem Lebenspartner verzichten, so schreibt es das Gesetz vor. Phil Porter protestiert mit aufwendigen Aktionen gegen die Diskriminierung. Und er ist nicht allein. Ein erster Erfolg: im November 2020 wird über eine Neuregelung des Gesetzes beraten. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 30.11.2020NDR
  • Folge 341 (45 Min.)
    In der Corona-Pandemie halten sie die Gesellschaft am Laufen. Sie kümmern sich um die kranken Menschen und versorgen die Bevölkerung mit Lebensmitteln. Dabei setzen sie sich selbst der unsichtbaren Gefahr des Virus aus, sichere mobile Arbeit von zu Hause aus, für sie undenkbar: Pflegepersonal und Kassierer*innen. Sie und die vielen anderen Unverzichtbaren und Systemrelevanten wurden im Frühjahr 2020 von Balkonen aus beklatscht, Politiker*innen bedankten sich für die Arbeit „an vorderster Linie“.
    Und sie versprachen mehr Wertschätzung, bessere Arbeitsbedingungen und Löhne. Es klang so, als würde die Corona-Pandemie Dinge zurechtrücken, die schon lange im Argen lagen: 90 Prozent der Beschäftigten, die in systemrelevanten Berufen arbeiten, verdienen noch immer weniger als der Durchschnitt. Und: Die Verantwortung für das Wohl von Menschen wird noch immer wesentlich schlechter entlohnt als andere Tätigkeiten. Das wollen einige von den systemrelevanten Corona-Helfer*innen nicht mehr hinnehmen.
    Seit Jahrzehnten kämpfen Pflegekräfte vergeblich für eine bessere Entlohnung und bessere Arbeitsbedingungen. Viele hoffen, dass sich ihre Arbeit in der Pandemie positiv auf die Tarifverhandlungen auswirkt. Die „45 Min“-Autoren Benjamin Arcioli und Caroline Rollinger begleiten sie auf dem mühsamen Weg zum Gesehenwerden. Dazu gehört zum Beispiel Kim Peters, Krankenpflegerin in Hamburg. Sie infizierte sich mit dem SARS-CoV-2-Virus auf der Station. Wochenlang kämpfte die kerngesunde Mittdreißigerin um ihr Leben.
    Jetzt pflegt sie Corona-Patient*innen. Oder Farina Kerekes, Verkäuferin bei der Drogeriemarktkette dm, Initiatorin und Frontfrau von #handelsaufstand. Und auch Benjamin Jäger, Pfleger und Mitbegründer der neuen Pflegegewerkschaft BochumerBund. Und Angela Webster, Verkäuferin und Betriebsrätin von Netto Marken-Discount, die einen wütenden Brief an Bundestagsabgeordnete schrieb. Nach mehr als einem halben Jahr zieht „45 Min“ Bilanz: Was ist aus den Forderungen der Systemrelevanten geworden? (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereMo 07.12.2020NDR

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