Menschen hautnah Folge 9: Burn-out im Stall? – Milchbauern in der Krise
Folge 9
Burn-out im Stall? – Milchbauern in der Krise
Folge 9
Lange war die Welt in Ordnung auf dem Hof der Familie Probst in der Eifel. Ihre Lebensgrundlage: 65 Milchkühe. Damit kamen sie gut über die Runden. Doch mit dem Fall der Milchquote 2015 kam die große Krise. Bei Preisen von teils 19 Cent pro Liter Milch fiel es Bauer Probst schwer noch zum Arbeiten aufzustehen. „Wir arbeiten bis an den Rand der Erschöpfung und dabei kommt kein Geld raus, nur Schulden“, sagt Rainer Probst. Seine Frau Gabi denkt mit Schrecken an die vielen zu bezahlenden Rechnungen. Da Rainer und Gabis Sohn den Hof übernehmen will, muss etwas passieren. Aufgeben oder umstellen? Bauer Probst will es nun mit Biomilch und Biohühnern versuchen. Es ist seine letzte Chance, den Hof zu retten, denn die nächste Milchkrise steht schon vor der Tür. Der Milchpreis liegt derzeit bei 23 Cent pro Liter. Sein Freund Kurt Kootz hat vor vier Jahren eine halbe Million Euro in zwei neue Ställe und eine Melkanlage investiert. Der erste Stall ist gerade fertig, da beginnt die Milchpreiskrise. Die Familie kann die Raten nicht bedienen, die Schulden erdrücken sie. Handwerker für den zweiten Stall können nicht bezahlt werden. Deswegen baut Kootz – neben der Arbeit mit dem Milchvieh – selbst weiter. Teilweise habe er 9.000 Euro minus im Monat gemacht, sagt Kootz verzweifelt. Einen Plan B hat er nicht. Seine gesamte Existenz
droht zu scheitern. „Die Kühe sind eigentlich genau mein Ding, aber wenn es sein muss, müssen sie halt gehen“, sagt Lambert Stoecker aus dem Bergischen Land. Bisher haben er und sein Sohn die Milchkrise nur überstanden, weil sie selbst noch Kälber aufziehen und schlachten. Auf Dauer reicht das aber nicht. Gemeinsam mit seinem Sohn Matthias macht er sich auf die Suche nach Alternativen. Die Kraft dazu hat er eigentlich gar nicht, seit Jahren hatten er und sein Sohn schon keinen Urlaub mehr und die eigene Erschöpfung wird immer größer. „Mich macht das so kaputt. Wie viele Kumpels haben die Tore schon zugemacht. Wie viele habe ich weinend schon gesehen. Männer, die weinen. Sohn, Haus und Hof verloren. Grausam ist das“, sagt Stoecker. 2016 haben rund 650 Milchbauernhöfe in NRW zugemacht, das sind etwa 10 Prozent. Vater und Sohn fragen sich, wie sie noch motiviert sein sollen für die Zukunft, wenn 2018 bereits die nächste Milchkrise droht? „Menschen hautnah“ erzählt drei Geschichten von Bauern am Rande des Burn-outs: Bei allen Höfen, haben die Söhne entschieden, dass sie ihrer und der Leidenschaft ihrer Väter treu bleiben wollen. Sie sind wütend, dass sie als Produzierende keinen Einfluss auf die Preise haben. Den Hof aufgeben, den Generationen vor Ihnen durch alle Krisen gebracht haben, ist für sie unvorstellbar. (Text: WDR)