Boxen, muss Karen erfahren, hat nicht einfach nur was mit Draufschlagen zu tun, sondern mit einigem mehr. Und dabei geht es nicht nur um Technik, Beinstellung und Armführung, sondern auch um die Erkenntnis, dass man auch für sein Leben boxen kann. Lothar Kannenberg hat auf dem Gut Kragenhof bei Kassel ein Box- und Trainingscamp der besondern Art eröffnet. Hier können bis zu 20 junge, schwer erziehbare Menschen aufgenommen werden, die mit dem Leben nicht mehr zurecht kamen, die straffällig wurden, gewalttätig oder drogenabhängig, hoffnungslose, längst abgeschriebene Fälle allesamt. Ihnen gibt Lothar Kannenberg eine Chance, vielleicht ihre letzte. Kannenberg sagt: ‚Hier findet jeder seine Stärke, und diese Stärke wird gefördert.‘ Vor allem aber sollen sie Respekt lernen. Respekt sich selbst gegenüber und Respekt vor anderen. Sie sollen begreifen, dass Gewalt nicht die einzige Möglichkeit der Kommunikation ist. Und sie sollen begreifen, dass der Zug für sie noch nicht abgefahren ist, dass sie ihr Leben in die Hand nehmen können. Kannenberg weiß, wovon er spricht. Sein Vater war ein prügelnder Alkoholiker, er selbst war drogenabhängig und stand schon mit 15 das erste Mal vor Gericht. Dann begann er mit dem Boxen, 1990 wurde er Hessenmeister im Schwergewicht. Das Boxen, sagt er rückblickend, habe
ihm das Leben gerettet: ‚Beim Boxen habe ich zum ersten Mal Regeln gelernt.‘ Regeln also. Kannenberg legt auf dem Gut Kragenhof Wert auf einen festen Tagesablauf mit festen Zeiten, die unbedingt eingehalten werden müssen. Dazu gehört, dass die Jungs früh um 6:30 Uhr aufstehen müssen. Dann gibt’s Frühsport. Und zwar um 6:35 Uhr. 7 Uhr Frühstück, 8 Uhr Waldlauf, 9 Uhr Bericht, 11 Uhr Putzen, 12 Uhr Mittagessen, 12:30 Uhr Ruhe, 14 Uhr Boxtraining, 16 Uhr Duschen, 17 Uhr Staf-fel-Lauf, 18 Uhr Abendessen, 19.30 Tagesbericht schreiben, 20 Uhr Gruppe, 22.30 Nachtruhe. Abwechslung: keine. Kein Fernsehen, keine Handys. Keine leichte Welt also. Und Karen mittendrin. Das Boxen dient dabei nicht nur der Kanalisierung von Aggression. Die Jungs verausgaben sich, gehen an ihre Grenzen, oft auch darüber hinaus. Boxen ist der Kampf gegen alte Gewohnheiten, gegen Faulheit, gegen die oft von Drogen zerstörten Körper. Boxen ist der Kampf gegen sich selbst, gegen den inneren Schweinehund. Wenn die Jugendlichen es schaffen, ihn zu besiegen, sind sie unendlich stolz. Das gibt Kraft. Und diese Kraft werden sie brauchen, wenn sie wieder draußen sind, in der sogenannten normalen Welt. Dort müssen sie nein sagen können, zu Drogen, zu Alkohol, zu Gewalt. Erst wenn sie das schaffen, haben sie den Kampf wirk-lich gewonnen. (Text: KI.KA)
Deutsche TV-PremiereDo. 09.12.2004Bayerisches Fernsehen