Hundert Meisterwerke und ihre Geheimnisse Staffel 3, Folge 4: Edgar Degas: „Frauen auf einer Café-Terrasse“ (1877)
Staffel 3, Folge 4
19. Edgar Degas: „Frauen auf einer Café-Terrasse“ (1877)
Staffel 3, Folge 4
Nach der Niederlage Napoleons III. im Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) und der Zerschlagung der Pariser Kommune gleicht Frankreichs Hauptstadt politisch, gesellschaftlich, künstlerisch und architektonisch einem Schlachtfeld. In den darauffolgenden Jahren bemüht sich die junge Dritte Republik, die lange Zeit der Gewalt und Schmach zu vergessen. Das zerstörte Rathaus wird neu erbaut und mit großem Aufwand wird die Opéra Garnier eingeweiht. Unweit des neuen Opernhauses findet im April 1877 in einer Wohnung die dritte Ausstellung der Impressionisten um Cézanne, Monet und Renoir statt. Auch Edgar Degas stellt mehrere Pastelle aus, darunter eine Reihe von Aktbildern sowie die Monotypie „Frauen auf einer Café-Terrasse“. Der ungewöhnliche Bildausschnitt und der unscharfe Hintergrund erinnern an einen fotografischen Schnappschuss. Zu sehen ist das Pariser Nachtleben auf den großen Boulevards rund um die Opéra Garnier. Degas
liebte es, in der Nacht durch die Straßen zu schlendern, die Menschen zu beobachten und anschließend in aller Ruhe in seinem Atelier auf Leinwand zu bannen. „Ich will durchs Schlüsselloch schauen“, pflegte Degas zu sagen. Hier fällt sein Blick auf die ungeschminkte Realität der Prostitution im bourgeoisen Paris, wo einer Redensart zufolge die Männer an der Börse Geschäfte machten und die Frauen auf der Straße: Gelegenheitsprostitution half unverheirateten Frauen über die Runden zu kommen. Ähnlich wie Baudelaire oder Zola in der Literatur machte Degas die Kunst zum Zeugen seiner Zeit. Schonungslos zeigte der Erfinder der sogenannten gesellschaftlichen Hell-Dunkel-Malerei den Alltag einer Gesellschaft im Umbruch und bildete das ab, was gewöhnlich verborgen blieb Elend, Erschöpfung und die Ausbeutung erwerbstätiger Frauen. Mit seinen Werken hat Degas das Bild von Paris im ausgehenden 19. Jahrhundert nachhaltig geprägt. (Text: arte)