Dokumentation in 3 Teilen, Folge 1–4

  • Hexen hexen, klar doch. In Zeiten, in denen kleine Jungs (Harry Potter) für ihren Ritt auf dem Besen millionenfach beklatscht werden, sieht man die Hexerei ganz locker. Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts aber war die Anschuldigung, mit geheimnisvollen Mächten im Bunde zu stehen, für den ein oder anderen Hexenmeister äußerst peinlich.
    Der Themenabend geht dem Mythos Hexe in seiner ganzen Vielfalt nach. Zum einen blickt er zurück ins Zeitalter der großen Hexenverfolgung. Zum anderen spürt er den vielfältigen Phänomenen von Hexerei in der Gegenwart nach und sucht nach den Ursachen für die Faszination und Hysterie, die von diesen mystischen Geschöpfen ausgehen. (Text: arte)
  • Folge 1
    s war schon eine finstere Zeit, das Mittelalter. Denn just in jener Epoche nahm die grausame Hexenverfolgung ihren Anfang, die für viele auf dem Scheiterhaufenendete. Wie etwa in Mailand des jahres 1390: Auf dem Scheiterhaufen brennt die junge Pierina, angeklagt der Hexerei, verurteilt von der Inquisition. Die Kirche tritt in ein dunkles Zeitalter ein. Die Hexenjagd beginnt. Bis dato betrachtete die katholische Kirche den Glauben an magische Kräfte als naive Fantasie des einfachen Mannes. Doch mit dem ausgehenden Mittelalter verschiebt sich die Wahrnehmung. Nachdem die Inquisition die großen Ketzerbewegungen beseitigt hat, sucht sie das ‚Böse‘ nun anderswo. Fündig wird sie bei den vermeintlichen Magiern und Magierinnen. Auch gelehrte Theologen beginnen zu glauben, was das Volk längst weiß: Hexen fliegen durch die Nacht, vereinen sich mit dem Teufel, schicken Hagel und Tod. (Text: Das Erste)
  • Folge 2
    Deutschland im 30-jährigen Krieg. Im Land regieren Chaos, Hunger und Elend. Die Schlachten, aber auch die Plünderungen und Brandschatzungen fordern Millionen Tote. Schon bevor der Prager Fenstersturz 1618 Europa in den Krieg reißt, hatten Missernten und Wetterkatastrophen das Land nahezu in eine apokalyptische Stimmung versetzt. Es ist der Nährboden, auf dem es zwischen 1560 und 1640 zu einer Hexenverfolgung ohnegleichen kommt. Dem Verlust der Ernte auf den Feldern folgt der Tod der Menschen auf dem Scheiterhaufen.
    Allein 130 Opfer fordert der Hexenwahn in dem ehemals blühenden und reichen Rheinbach bei Bonn. Dass die Fälle der Nachwelt erhalten geblieben sind, ist dem ehemaligen Hexenschöffen Hermann Löher zu verdanken – Täter, Opfer und Zeuge in einem. Als Löher das grausame Wüten des Hexenkommissars Buirmann (Dieter Mann) nicht mehr ertragen kann, flieht er nach Amsterdam und bringt seine Erlebnisse zu Papier. Durch ihn wissen wir, dass auch Mitglieder der Oberschicht verurteilt wurden – oft aus Missgunst, Neid und Habgier.
    Gleichfalls geraten in Rheinbach Männer ins Visier der Inquisition. Man verdächtigt sie, Werwölfe, also Hexer, zu sein. Neueste Ergebnisse deutscher Hexenforschung belegen diese Darstellung. Ein Viertel aller im Laufe der Jahrhunderte Angeklagten waren Männer! Unter den Verfolgern finden sich Katholiken wie Protestanten. Berufen sich die einen auf den „Hexenhammer“, rechtfertigen die anderen sich mit dem Alten Testament. Vom Gebot der Liebe haben sich beide abgekehrt. Kritische Stimmen werden nur vereinzelt erhoben.
    Erstaunlicherweise kommen sie aus dem Schoß der Kirche selbst: in Deutschland vom Jesuiten und Dichter Friedrich Spee, in Rom vom mächtigen Inquisitor Francesco Albizzi (dargestellt von Daniel Minetti). Retten können sie nur wenige. Bis zum Ende der großen Hexenjagd im 17. Jahrhundert sind 60.000 auf dem Scheiterhaufen gestorben. Die letzte Hinrichtung einer Hexe findet erst 1782 in der Schweiz statt, dann scheint der Spuk vorüber. Doch im 20. Jahrhundert wird der Hexenglaube eine unerwartete Wiedergeburt erleben. (Text: Das Erste)
  • Folge 3
    Alles beginnt mit einer Märchenfigur. Die Knusperhexe aus „Hänsel und Gretel“ ist die wohl populärste zeitgenössische Verkörperung des Bösen und gleichzeitig Wurzel unseres heutigen Hexenbildes. Die Gebrüder Grimm sammelten Märchen in einer Zeit, in der Deutschland zersplittert war. Ihre romantische Sehnsucht ging ins Mittelalter, in die Vergangenheit. Und so überlebte durch ihre Forschungen die Erinnerung an die Zeit des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung bis in unsere Tage. 100 Jahre nach Jakob und Wilhelm Grimm mystifizieren die Nationalsozialisten die germanische Vergangenheit – und die Hexen.
    Das Bild wandelt sich. Aus der historischen Hexe als Verkörperung böser Mächte wird die rothaarige, zauberkundige germanischen Hexe, angebliches Opfer der Verfolgung von der Kirche und Judentum. So entsteht 1935 jener sagenumwobene Sonderauftrag zur Erforschung der Hexen, kurz H-Sonderauftrag genannt. Initiiert wird er von einer der verbrecherischsten Personen des Dritten Reiches: Heinrich Himmler (im Film Silvester Groth). Akribisch werden auf zehntausenden Karteikarten die Namen und Schicksale von mittelalterlichen Hexen, deren Denunzianten, Richtern und Henkern festgehalten.
    Dazu notieren die Leute vom Sicherheitsdienst des Reichsführers SS-Foltermethoden, erpresste Geständnisse, Art der Hinrichtungen. Die SS-Forscher wollen beweisen, dass die Hexen einer alten „arischen“ Religion gehuldigt haben. Sie will Himmler wiedererwecken. Und die „Forscher“ suchen Belege für ihre These, die Hintermänner der mittelalterlichen Hexenjagd seien Juden gewesen. Erst der Zusammenbruch des Dritten Reiches 1945 macht dem okkulten Treiben ein Ende.
    Doch das Thema Hexen ist damit längst nicht aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Wie schon nach den Kriegen in grauer Vorzeit lassen Existenzangst, Not und Hunger neue Hexenängste entstehen. Hexen-Banner ziehen durch die Lande; und bis weit in die 70er-Jahre verkaufen Dorfapotheken Enthexungsmittel, Flugsalben und andere mittelalterliche Relikte. Heute ist das uralte Bild der Hexe so facettenreich wie nie zuvor. Noch immer rührt es an die tiefsten menschlichen Ängste. Und es konfrontiert uns mit den Fragen nach Ursprung und Sinn von Leiden und Tod. (Text: Das Erste)

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