2018/2019, Folge 145–154

  • 30 Min.
    * Jonas Jonasson: Er ist wieder da
    Vor neun Jahren stieg ein Hundertjähriger aus dem Fenster und entzückte nicht nur in seiner Heimat Schweden mit einer skurril-spannenden Odyssee durch die Geschichtswirren des 20. Jahrhunderts. Nun ist Allan Karlsson wieder da und stürzt sich in neue Eskapaden zwischen Luft- und Seefahrt und trifft dabei nordkoreanische Diktatoren ebenso wie den aktuellen US-amerikanischen Präsidenten oder die deutsche Bundeskanzlerin. Seine alte und neue Mission: der Weltfrieden. Ein rüstiger alter Mann, extravagantes Nebenpersonal, viel Geschichte und das alles als Roadmovie organisiert: Mit dieser Mischung gelang dem schwedischen Autor Jonas Jonasson 2010 ein Überraschungserfolg.
    Sein Debüt wurde ein Bestseller, weltweit über sechs Millionen Mal verkauft, eingesprochen, verfilmt. Nun legt er bereits die zweite Fortsetzung vor – und setzt noch lange keinen Schlusspunkt. Jonasson, Jahrgang 1961, hat als Journalist mit dem Schreiben angefangen, bevor er sich ganz dem belletristischen Geschäft gewidmet hat. Woher der Vielschreiber seine Inspiration zu seinen immer wieder so betitelten „Feel-Good-Romanen“ nimmt, weshalb ihn der Hundertjährige nicht loslässt und was das mit Afrika zu tun hat, erzählt Jonas Jonasson im Gespräch mit Denis Scheck.
    * Natascha Wodin: Verdichterin der Traumata
    Ihre Mutter nahm sich in einer Oktobernacht 1956 das Leben, ihr Vater ist in ihrer Erinnerung als zuschlagende Faust präsent: Die Schriftstellerin Natascha Wodin stellt sich zum wiederholten Mal ihrer gewalttätigen Familiengeschichte und erzählt dort weiter, wo ihre preisgekrönte Romanbiografie „Sie kam aus Mariupol“ endete – nämlich im Leichenschauhaus. Dort sieht die zehnjährige Natascha ihre tote Mutter im Sarg liegen und ist von da an mit ihrem Vater beschäftigt, der seine Ehefrau um dreißig Jahre überlebt. Hass auf dessen unberechenbare Gewalttätigkeit und Mitleid mit seiner Einsamkeit sind der Motor von Natascha Wodins Zeilen.
    Die dennoch keine Abrechnung sind mit dem Mann, der als russischer Zwangsarbeiter nach Deutschland kam, sondern ein unbeschönigendes und genaues Zusehen mit den Mitteln der Literatur. Mit Denis Scheck ist Natascha Wodin im Gespräch über ihr Buch des Schweigens, wie sie sagt, über die verschwiegene Vergangenheit und der daraus resultierenden Orientierungslosigkeit. In der Biografie ihres Vaters spiegelt sich ein zweites Mal ihre eigene Identität, die des Kindes unter der Wasserdecke des Schweigens, die sie durch ihr Schreiben durchstoßen konnte.
    * außerdem, wie immer, Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste und eine ganz persönliche Empfehlung: Roberto Bolaños Roman „Der Geist der Science Fiction“. (Text: ARD-alpha)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.09.2018Das Erste
  • 30 Min.
    * Regen, Pferde, Weltuntergang: Dörte Hansen über das Leben der Bauern
    Landlust ist es nicht gerade, was die Bauern in Nordfriesland oder anderswo den ganzen langen Tag erleben. Die Arbeit ist hart, der Ertrag gering, die Leute sind verschlossen. Seit der Flurbereinigung ist die Gegend auch nicht mehr schön, Windräder lärmen, und die Bienen sterben sowieso. Bleiben also nur der Alkohol und die Fortpflanzung – die manchmal in eine unheilige Verbindung treten. So ist es auch in Brinkebüll, und doch ist plötzlich alles anders: Denn Ingwer Feddersen kommt zurück. Ohne Kitsch, ohne Klischees und auch ohne Pathos, dafür sehr genau beobachtet, kenntnisreich und liebevoll beschreibt Dörte Hansen eine Welt im Vergehen. Sie nähert sich den knorrigen Figuren eines abgelegenen friesischen Dorfs, ihren Absonderlichkeiten, Neigungen und Feindschaften, mit Neugier und Wärme und erzählt von einer Natur, in der Menschen nicht viel zu melden haben: Wind, Salz, Steine. Ein Buch voller Wehmut, schmucklos schön, das überraschend und klug in die Zukunft weist.
    * Mord, Schweigen, Spionage: Michael Ondaatje über die Geheimnisse einer Mutter
    Es ist ein Buch über das Leben der Menschen in schwierigen Zeiten, über Vertrauen, verborgene Liebe, über Rätsel und Gewalt, über nächtliche Bootsfahrten auf der Themse und den Geruch von nassem Hundefell. England, kurz nach dem Krieg: Nathaniel und seine Schwester Rachel werden von ihren Eltern verlassen, sie bleiben in der Obhut einer obskuren Figur, die „Der Falter“ genannt wird, und gleiten in eine merkwürdige, unsichere Zeit der Schatten. 12 Jahre später, nachdem die Mutter ermordet worden ist, die allein und schweigend zurückgekehrt war, beginnt Nathaniel endlich den Versuch, die Geschichte seiner Familie zu verstehen.
    Er recherchiert, fragt, vermutet, stößt auf Hinweise, Fragmente, Fakten. Das erzählt Michael Ondaatje nicht linear wie einen Thriller, sondern als flirrendes Kaleidoskop dunkler Lichter, in rasanten Sprüngen oft, dann in faszinierenden, intimen Detailbetrachtungen, in zwingenden psychologischen Skizzen und regensatten Landschaftspanoramen, und ergründet so, mit atemberaubend farbiger, magischer Sprache, was es heißt, ein Mensch zu sein.
    * außerdem, wie immer, Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste (diesmal Sachbuch) und eine ganz persönliche Empfehlung: Nora Krug, „Heimat“, erschienen im Penguin Verlag! (Text: ARD-alpha)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.10.2018Das Erste
  • 30 Min.
    Andreas Eschbach: NSA (Bastei-Lübbe): Der 2. Weltkrieg im Zeitalter der Digitalisierung – Andreas Eschbach schreibt die deutsche Geschichte um und entwirft damit ein bedrohliches, erschreckend realistisches Zukunftsszenario. Vergangenheit als Sciencefiction: Was wäre geschehen, wenn bereits die Nazis über die Technologie des 21. Jahrhunderts mit Internet, Computer und Smartphones verfügt hätten? In diesem überraschenden Setting dekliniert Andreas Eschbach alle möglichen Verbrechen des Nationalsozialismus durch.
    Wir begegnen Opfern und Tätern: Anne Frank, Robert Oppenheimer, Heinrich Himmler und Josef Mengele – Menschen, die entweder durch das Internet aufgespürt und ausspioniert worden wären oder die sich des Internets bedient hätten, um eben genau dies zu tun. Im Mittelpunkt der temporeichen Geschichte steht die „Programmstrickerin“ Helene, eine Angestellt des sogenannten NSA, des „Nationalen Sicherheitsamtes“. Dessen Aufgabe ist es, alle erdenklichen Daten zu sammeln, um Menschen und Maschinen weltweit zu erfassen, zu kontrollieren und zu manipulieren.
    Helene, die sich anfangs als begabte aber naive Programmiererin in den Dienst des NS-Staates stellt, muss bald erfahren, wie die Erfassung aller persönlichen Daten auch ihr eigenes Leben und das der von ihr geliebten Menschen existentiell bedroht. Der Roman NSA zeigt, dass die Zukunft dieser von Andreas Eschbach facettenreich konstruierten Vergangenheit längst begonnen hat. Und der Leser muss erkennen: Nicht nur Fanatismus und Nationalismus bedrohen das selbstbestimmte Leben in einer freien Welt, sondern vor allem auch die schonungslose Diktatur der Daten.
    Judith Schalansky: „Verzeichnis einiger Verluste“. (Suhrkamp): Sammeln, archivieren, verschwundene Dinge retten und literarisch wieder wiederauferstehen lassen – Judith Schalansky verknüpft die Realität mit ihren Phantasien als Erzählerin Eine verschwundene Insel im Pazifik, das Skelett eines Einhorns, der kaspische Tiger, alte religiöse Texte oder der Palast der Republik in Berlin, alles, was einst unter- oder verloren ging, was in Vergessenheit geriet oder abgerissen wurde – Judith Schalansky will es für unser kollektives Gedächtnis bewahren.
    In ihrem neuen Buch „Verzeichnis einiger Verluste“ geht sie auf Spurensuche: Was wurde aus den verschwundenen Dingen und was haben sie hinterlassen? Im Mittelpunkt stehen Menschen, die gegen die Vergänglichkeit ankämpfen und sich voller Hingabe diesen verlorenen Dingen widmen. Wie zum Beispiel die Schriftstellerin selbst, die ihrer eigenen Kindheit in der untergegangenen DDR nachspürt.
    Denn, solange die Erinnerung an Dinge, Menschen oder Ereignisse lebendig sind, meint Schalansky, so lange kann aus dem Verlust auch etwas Neues entstehen. Allerdings stellen alle fest, die mit sehnsuchtsvoller Neugier im Gewesenen graben: Auch die kleinste Korrektur ist unmöglich, denn „nicht einmal die Götter können die Vergangenheit ändern“. So kann Judith Schalansky durch Schreiben Versäumtes betrauern – aber nichts zurückholen.
    Sie sei „eine Grenzgängerin zwischen Natur und Poesie“ heißt es in der Begründung der Jury, die ihr am 4. November für ihr gesamtes literarisches Werk den diesjährigen Wilhelm Raabe-Literaturpreis verleihen wird. Empfehlung: David Foster Wallace: „Der Spaß an der Sache“ (Kiepenheuer und Witsch: Denis Scheck: Die Essays und Reportagen in „Der Spaß an der Sache“ versammelt auf über 1000 Seiten die mit enormem stilistischem Furor verfassten nichtfiktionalen Texte von David Foster Wallace.
    Ob Landwirtschaftsausstellung, Kreuzfahrt oder Pornomesse: Nichts war vor David Foster Wallace Röntgenblick und seiner unbestechlichen moralischen Sensibilität sicher, mit denen er den American Way of Life gnadenlos sezierte. Dieser Sammelband seiner Essays und Reportagen ist eine Art Gebrauchsanweisung für das Leben in der Gegenwart.“ Und wie immer in „druckfrisch“: Der lustvoll pointierte Kommentar zur Spiegel-Bestsellerliste, diesmal: „Belletristik“, musikalisch intoniert vom Popliteraten und Musiker Thomas Meinecke (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.10.2018Das Erste
  • 30 Min.
    László Krasznahorkai: Baron Wenckheims Rückkehr (S.Fischer):
    Eine groteske Reise in die Vergangenheit und eine schrille Konfrontation mit der Gegenwart – László Krasznahorkai beschreibt eine apokalyptische Vision seiner ungarischen Heimat. Baron Wenckheim hat sein Geld in Argentinien verspielt. Mit vielen Koffern aber wenig Geld begibt er sich auf die Suche nach der ehemaligen Geliebten in seine Heimatstadt Gyula. Dort wird er, in der Hoffnung auf sein vermeintlich großes Vermögen, als Retter der heruntergekommenen Stadt mit großem Pomp erwartet. Doch das komödiantische Setting dieser spektakulären Heimkehr ist eine Täuschung. Die Geschichte von der romantischen Verklärung eines in den politischen Umbrüchen der Zeit moralisch verwahrlosten Landes und der Sehnsucht nach einem omnipotenten Heilsbringer nimmt nach und nach einen grotesk-tragischen Verlauf.
    In diesem, seinem 10. Roman, entwirft Krasznahorkai eine morbide Welt. Die Menschen in ihr kreisen verloren und irrlichternd um ihr eignes Schicksal. Sie alle erzählen die Geschehnisse aus ihrer ganz subjektiven Perspektive: Der ehrgeizige Polizeipräsident, der autoritäre Chefredakteur, der überforderte Bürgermeister, skrupellose Geschäftemacher, gewaltbereite Halbstarke, die enttäuschte Geliebte oder der vor der Welt in eine Waldhütte entflohene berühmte Professor – ein disharmonischer Trauerchor, dessen absurder Sound in dem entstandenen Chaos die nahende Katastrophe verkündet. László Krasznahorkai: „Das Chaos ist nicht der Endzustand, sondern der natürliche Zustand der Welt.“
    Die Sprachkünstlerin Rosemarie Tietze – Wie Leo Tolstois „Anna Karenina“ durch ihre Übersetzerin eine Wiederauferstehung feierte:
    Von der Übersetzung eines Buches vom Original in die jeweilige Landessprache hängt es ab, ob Schriftsteller*innen weltweit gelesen und berühmt werden. Durch Übersetzungen werden Klassiker zu einem globalen Kulturgut. Übersetzungen schaffen Neues, ohne ihre Vorlage zu verraten, sie interpretieren und erfassen gleichzeitig den Kern eines jeden Satzes, jeden Wortes und können ihm in der fremden Sprache Sinn und Bedeutung verleihen. Die Literaturkritik schätzt die Arbeit der Übersetzer*innen deswegen ebenso hoch ein wie die der Schriftsteller*innen. Was also wären die großen Russen ohne ihre Übersetzerin Rosemarie Tietze? Sie hat die Romane von Fjodor Dostojewski, Vladimir Nabokov, Boris Pasternak, Boris Schitkow, Andrej Bitow und auch Leo Tolstoi in Deutsche übertragen.
    Ihre Übersetzung von Anna Karenina zum Beispiel hat Tolstois berühmteste Frauenfigur noch einmal zu neuem Leben erweckt (Hanser Verlag). Als profilierteste Literaturübersetzerin Deutschlands wurde Rosemarie Tietze u.a. mit dem Paul Celan-Preis des deutschen Literaturfonds, dem deutschen Sprachpreis und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Ihre Arbeit als Übersetzerin vergleicht die „Sprachkünstlerin“ Rosemarie Tietze mit der eines Schauspielers:“ Ich interpretiere das Werk eines Anderen, spiele es nach in meiner Sprache.“
    Empfehlung: Tania Blixen „Afrika – dunkel lockende Welt“ (Manesse):
    Denis Scheck: „Afrika, dunkel lockende Welt“ ist ein Buch des Abschieds, ein Buch, aus dem man Sterben lernen kann – und zu lieben, auch wenn man Blixens Werk den Zeitpunkt seiner Niederschrift deutlich anmerkt. Natürlich ist auch Tania Blixen nicht frei vom Kolonialdenken ihrer Zeit. ( …) Und doch erzählt „Afrika – dunkel lockende Welt“ nicht nur von Jagdausflügen einiger europäischer Reaktionäre und Snobs auf einer Kaffeeplantage in der Nähe Nairobis. Die hohe Sinnlichkeit von Blixens Prosa ergibt sich gleichermaßen durch ihr hohes Maß an Empathie wie durch ihre erstaunliche Beobachtungsgabe, dem genauen Blick für die Natur wie für die Sitten der Kikuyu und Massai, der Somalis und Suahelis.“
    Und wie immer in „druckfrisch“: Der lustvoll pointierte Kommentar zur Spiegel-Bestsellerliste, diesmal: „Sachbuch“, musikalisch eingeläutet von der Rapperin Leila Akinyi (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 25.11.2018Das Erste
  • 30 Min.
    Christoph Peters: Das Jahr der Katze:
    Auch die japanische Mafia ist längst nicht mehr das, was sie einmal war: Eine ehemals – zumindest dem Selbstverständnis nach – ehrenwerte Gesellschaft zeigt inzwischen ganz offen ihr wahres, kriminelles Gesicht. Die Yakuza ist ein Drogen-, Immobilien- und Geldwäschekartell, eine verbrecherische Bande, die auch in Deutschland ihr Unwesen treibt. Christoph Peters widmet nun schon seinen zweiten Roman dieser obskuren Organisation, in der sich moderne Effizienz, überkommene Rituale und eine atavistische Brutalität mischen.
    Sein Held ist Fumio Onishi, der in Berlin einen Yakuza-Auftrag erledigen soll, dabei aber seine Kompetenzen überschreitet. Als es brenzlig wird, flieht er mit seiner deutschen Freundin nach Tokio – doch dort erwartet ihn das gnadenlose System der Yakuza-Bosse. Ein literarischer Krimi, der in eine für westliche Leser kaum bekannte Welt führt – auf die dunkle Seite der japanischen Kultur. Unter den deutschen Gegenwartsautoren ist Christoph Peters der beste Japan-Erklärer und das, obwohl er noch nie im Land der aufgehenden Sonne war.
    Makena Onjerika: Fanta Blackcurrant:
    Sie ist eine neue Stimme der afrikanischen Literatur, direkt, humorvoll, traurig und voller Intimität: Mit diesen Worten lobte die Jury des renommierten Caine Prize for African Writing die diesjährige Preisträgerin. Makena Onjerika aus Kenia hat mit einer Kurzgeschichte gewonnen, die von einem einfachen Mädchen auf den Straßen Nairobis erzählt: Meri, die anders ist als ihre Freundinnen, hat an den lieben Gott nur einen Wunsch – sie möchte ihren Durst jeden Tag mit einer großen Schwarze-Johannisbeer-Fanta löschen, und sie möge nie enden. Ein Leben zwischen Armut und Hoffnung, Drogen und Liebe, Kriminalität und einem ungewissen Ausgang. Makena Onjerika schrieb diese Geschichte in einem großartigen Rhythmus, der nach Straßen-Slang klingt und doch ganz kunstvoll gestaltet ist. Derzeit arbeitet die Autorin an einem Erzählungszyklus über die Millionenmetropole Nairobi. Ihre preisgekrönte Story ist im Netz zu lesen: www.caineprize.com/​winner.
    The Poets’ Collection (13 CDs, herausgegeben von Christiane Collorio und Michael Krüger):
    Im Anfang war das Wort – und zwar nicht das gelesene, sondern das vorgelesene Wort. Noch immer kommen Kinder am besten zur Literatur, wenn ihnen schon früh vorgelesen wird. Und viele Leserinnen und Leser erinnern sich gern daran. So gern, dass sie als Erwachsene Hörbuchfans werden. Kaum ein Roman, den es nicht auch als Hörbuch gibt. Und doch kann man auf dem übervollen Markt immer noch ganz besondere Schätze entdecken. Zum Beispiel die „Poets’ Collection“: 13 CDs mit Originalaufnahmen englischsprachiger Autorinnen und Autoren, ein wahres Kompendium der angelsächsischen Lyrik. Die ältesten, verrauschten Aufnahmen stammen von Alfred Lord Tennyson, Walt Whitman, Rudyard Kipling. Es geht weiter über James Joyce, Dorothy Parker und John Updike bis hin zu Michael Ondaatje und John Burnside. Lesen ist wunderbar, aber vielleicht weiß man erst wirklich, was Gertrude Stein wollte, wenn man Gertrude Stein einmal gehört hat. Ein grandioser Atlas der Dichtung (mit deutschen Übersetzungen)!
    Die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste Belletristik (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 16.12.2018Das Erste
  • 30 Min.
    Jugend und Alter, Festhalten und Loslassen – Julian Barnes erforscht das Glück und den Schmerz einer großen Liebe:
    „Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden?“ fragt Julian Barnes zu Beginn seines neuen Romans. Paul und Susan jedenfalls haben sich für das Erste entschieden. Er ist 19, sie mehr als doppelt so alt, Mutter und Ehefrau. Doch diese ungewöhnliche Konstellation kann die Liebe, die sich zwischen ihnen zuerst zart, dann immer heftiger entwickelt, nicht verhindern. Pauls anfangs noch etwas hölzerne Avancen werden charmant, aber offen erwidert, und beide stürzen sich voller Lust in eine Affäre, die weder Rücksicht noch bürgerliche Bedenken zulässt.
    Die Turbulenzen, die sie erzeugt, werden von den Liebenden selbstbewusst in Kauf genommen. Pauls Eltern schwanken zwischen Ignoranz und zaghaften erzieherischen Eingriffen, während Susans Ehemann, ein anerkanntes Mitglied der oberen Mittelklasse, auch mit Gewalt versucht, der Lage wieder Herr zu werden. Der Tennisclub entzieht dem skandalösen Paar die Mitgliedschaft. Die Geschichte, die Julian Barnes erzählt, spielt vor etwa fünfzig Jahren in einer soliden Kleinstadt in der Nähe von London.
    Hier bleibt nichts verborgen. Paul und Susan leben ihre Liebe so, als gäbe es sonst nichts Anderes auf der Welt. Doch nach einigen Jahren der absoluten Gemeinsamkeit endet diese Liebesgeschichte. Für Paul bleibt sie die einzige, die sich zu erzählen lohnt. Keine der folgenden wird sie übertreffen, unabhängig von Dauer und Wirkung. Es ist seine „einzige Geschichte“, denn „nur ein Ereignis ist von Bedeutung, nur Eins ist letzten Endes erzählenswert. Hier ist meins“ schreibt Julian Barnes.
    Kenah Cusanit: Babel (Hanser)
    Über Vergangenheit und Zukunft, die Lust am Bewahren und an der Zerstörung – Momentaufnahmen aus Babylon kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Wer war Robert Koldewey? Welchen Auftrag hatte ihm Kaiser Wilhelm II. erteilt und welche Rolle spielte er für die deutsche Altertumsforschung? Kenah Cusanit hat Koldeweys Leben erforscht und ihm ihren ersten Roman gewidmet. „Babel“ erzählt aufwendig recherchiert und gleichzeitig sehr persönlich von einem Mann, der als Architekt und Archäologe seine Berufung gefunden hatte: die Ausgrabung Babylons. Von 1899 bis 1917 war Koldewey für die Deutsche Orientgesellschaft im heutigen Irak tätig, um die Ausgrabungen auf einer Fläche von ca.
    1000 Hektar zu beiden Seiten des Euphrats in der mesopotamischen Tiefebene zu überwachen. Ein Prestigeobjekt: Die Erforschung Babylons, das Reich des Kaisers Nebukadnezar , die Wiege der Zivilisation, deren Schätze in den Museen des Deutschen Reiches bewahrt und die sie gleichzeitig schmücken sollten. Doch die Deutschen sind nicht die Einzigen, die in jener Zeit ein Interesse an der Erforschung Babylons haben. Die britische Historikerin und Archäologin Gertrude Bell kreuzt den Weg Koldeweys auf der Suche nach Erkenntnissen über das Altertum.
    Wurde der Turm zu Babel erbaut, um Gott möglichst nahe zu sein? Als höchstes Gebäude der babylonischen Religion? Oder wurde er für astronomische Beobachtungen erbaut, als Tempel der babylonischen Wissenschaft? Kenah Cusanits stimmungsvolles Portrait des Wissenschaftlers Robert Koldewey lässt uns eintauchen in die abenteuerliche Welt der Archäologie und in das pulsierende Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Und ganz nebenbei vermittelt es uns einen Einblick in die Weltanschauung einer Gesellschaft, die Kolonialismus und die Aneignung fremder Kulturschätze eine Selbstverständlichkeit war.
    Empfehlung: Chinua Achebe: „Alles zerfällt“ (S.Fischer) (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.01.2019Das Erste
  • 30 Min.
    Denis Scheck spricht mit Leonardo Padura über Korruption und Verbrechen auf Kuba sowie mit Yoko Tawada über Japan nach einer mysteriösen Katastrophe. Schecks Tipp diesmal: Anselm Oelzes Roman über Darwins Konkurrenten Alfred R. Wallace.
    Yoko Tawada: Sendbo-o-te
    Sie hat gerade den renommierten amerikanischen National Book Award erhalten, auch deutsche und asiatische Literaturpreise hat sie schon – dennoch ist die in Berlin lebende Japanerin Yoko Tawada für viele noch eine Entdeckung. In ihrem neuen Roman „Sendbo-o-te“ entwirft sie das Bild von Japan nach einer mysteriösen Katastrophe. Es ist eine Folie für viele Fragen über spezifisch japanische Denk- und Verhaltensweisen, über eine alternde Gesellschaft und die Zukunft der Kinder. Einfach und klar erzählt, aber, wie der Titel andeutet, auch voller Doppeldeutigkeiten und Assoziationen. Peter Pörtner hat gerade diese Qualität des Romans kongenial aus dem Japanischen ins Deutsche übertragen.
    Leonardo Padura: Die Durchlässigkeit der Zeit
    Wer an Kuba und Krimis denkt, denkt auch an Leonardo Padura. Er ist einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller – und weit mehr als das, was man landläufig unter einem Krimiautor versteht. Das bloße Verbrechen interessiert ihn nicht. Er erkundet die Abgründe der kubanischen Gesellschaft – und war der Erste, der Kriminalität und Korruption auch in den oberen Schichten schilderte, früher undenkbar im sozialistischen Musterstaat. Damit ist Padura auch ein Chronist des Wandels in seinem Heimatland. Sein Roman holt weit aus, erzählt vom Kunstraub mit alten Madonnenfiguren, von Glaube und Aberglaube, vom modernen Kuba und den unauslöschlichen Spuren der Vergangenheit.
    Denis Scheck empfiehlt zudem „Wallace“ von Anselm Oelze. Charles Darwin ist weltberühmt. Aber wer kennt schon Alfred R. Wallace? Er war ein Zeitgenosse Darwins und mindestens so bedeutend für die Evolutionstheorie. Hat Darwin Wallaces Ideen als seine eigenen publiziert? Oder war Wallace für Darwin nur eine „Inspiration“? Darüber streiten Historiker bis heute. Der junge Autor Anselm Oelze hat einen spannenden Roman darüber geschrieben, dass und warum es auch in der Geschichte der Wissenschaft Sieger und Verlierer gibt. Und schließlich kommentiert Denis Scheck einmal mehr pointiert die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Sachbuch). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.02.2019Das Erste
  • 30 Min.
    Andrea Wulf: „Die Abenteuer des Alexander von Humboldt“:
    Er war in Zentralasien unterwegs, in ganz Europa, den USA, und in Südamerika: Am 23. Juni 1802 bestieg Alexander von Humboldt in den Anden den damals höchsten Berg der Erde, den schneeglitzernden Chimborazo. Noch nie war jemand so hoch gestiegen, noch nie hatte jemand so dünne Luft geatmet. Aber Humboldt hat auf seinen Reisen in Südamerika nicht nur große Abenteuer bestanden, sondern bahnbrechende Entdeckungen gemacht. Andrea Wulf, die jahrelang auf den Spuren Alexander von Humboldts recherchiert hat, landete 2015 mit ihrer Biografie des großen Wissenschaftlers einen Welterfolg. Jetzt erzählt sie, mit den Illustrationen von Lillian Melcher, seine Reisen als magische, faszinierende, assoziationsreiche Abenteuergeschichte, als graphic novel, in einem mitreißenden Fluss von Farben und Bildern.
    Saša Stanišić: „Herkunft“:
    Ein kleines Dorf in Jugoslawien, eine Straße, die nach Josip Broz Tito benannt ist, selbstgestrickte Jäckchen, Nierenbohnen, die warme Hand der Großmutter: Alles nichts Außergewöhnliches, und doch ganz einzigartig. Denn es ist Heimat, und zwar die Heimat des Schriftstellers Saša Stanišić. Jedoch: All das gibt es schon lange nicht mehr. Jugoslawien ist in einem Krieg auseinandergeflogen, Stanišić vor den Kämpfen nach Deutschland geflüchtet, die Bohnen sind gegessen, Großmutter ist längst tot, die Erinnerungen drohen zu verblassen. Zeit also, das alles aufzuschreiben. Außerdem …
     … wie immer, Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste. Diesmal: Belletristik. Und eine ganz persönliche Empfehlung: „Theodor Fontane“ von Regina Dieterle. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.03.2019Das Erste
  • 30 Min.
    Deutsche TV-PremiereSo 05.05.2019Das Erste
  • 30 Min.
    Denis Scheck spricht mit der britischen Schriftstellerin Zadie Smith über gute Kunst und schlechte Politik sowie mit der im US-Bundesstaat Virginia aufgewachsenen, heute bei Berlin lebenden Autorin Nell Zink über Amerikas Doppelmoral. Der ARD-Literaturkritiker empfiehlt zudem Johan Harstads Roman „Max, Mischa & die Tet-Offensive“.
    Zadie Smith: Freiheiten
    Die 1990er Jahre waren im Rückblick ein Paradies der Freiheiten, schreibt Zadie Smith in ihren Essays und fragt, was davon noch geblieben ist. Ihr neues Buch versammelt Gedanken und Aufzeichnungen über den Aufstieg sozialer Netzwerke, das multikulturelle London, über alte und neue Kunst, Leseerfahrungen und Begegnungen. Leicht im Ton, individuell und ohne den besserwisserischen Ton des Welterklärers widmet sie sich Billie Holiday und Justin Bieber, dem Brexit und dem Rassismus im Kino, den Obama-Jahren und den Erinnerungen an die eigene Kindheit. Und sie schreibt von den Zäunen, die inzwischen überall unsere Welt durchziehen: Spaltung, Trennung und Abgrenzung sind die Zeichen der Zeit. Heute habe sie Verständnis dafür, sagt Zadie Smith, dass die Leichtigkeit früherer Jahrzehnte verschwunden ist. Die Menschen begehren auf gegen den Zustand der Welt.
    Nell Zink: Virginia
    Lesbische Studentin heiratet schwulen Dozenten. Nach dem zweiten Kind verlässt sie ihn und besorgt sich und ihrer kleinen Tochter gegen alle Offensichtlichkeit eine Identität als „farbige“ Amerikanerinnen. Im vermeintlich stockkonservativen Süden der USA werden alle Normen unterlaufen, alle Klischees in Frage gestellt, alles Unmögliche möglich gemacht. Nell Zink hat einen wunderbaren Gesellschaftsroman geschrieben, der rasant und tragikomisch von Doppelmoral und Lebenslügen erzählt. Ein schräger Roman über die 60er und 70er Jahre – und zugleich das entspannteste Buch zu den oft verkniffenen Genderdebatten unserer Tage. Denis Scheck empfiehlt „Max, Mischa & die Tet-Offensive“, einen Heimatroman zwischen Stavanger, Manhattan und Vietnam, verfasst vom norwegischen Autor Johan Harstad. Und schließlich kommentiert Denis Scheck einmal mehr pointiert die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Belletristik). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.06.2019Das Erste

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