2020, Folge 1–32

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  • Folge 1
    „As langat!“ rufen sie – es reicht – und wandern eine Woche lang durch die Alpen. Einwohner aus dem Vorarlberg und Tirol haben sich zu dieser Protestwanderung zusammengetan, um Touristen und Politiker wachzurütteln. Sie haben genug von der Zerstörung ihrer Heimat für immer größere Skigebiete und den Massentourismus. Viele Wintersportgebiete in den Alpen sind durch den Klimawandel nicht mehr schneesicher. Um dennoch Skitouristen anzulocken, überbieten sich die verbleibenden Skigebiete mit Superlativen: Durch Skischaukeln werden einzelnen Skigebiete zu gigantischen Ski-Arenen mit hunderte von Kilometern langen Pisten zusammengelegt.
    Ein Großteil dieser Pisten muss dabei ständig künstlich beschneit werden, um sie nutzen zu können. Großevents aus Sport, Musik und Fun markieren Start und Ende der Saison. Um den Skizirkus trotz Klimawandel in Gang zu halten, schrecken Betreiber sogar vor illegalen Baumaßnahmen am Berg nicht zurück. Und die Strafen in Österreich dafür sind im Vergleich zum möglichen Gewinn verschwindend gering. Die Folgen dieser Eingriffe in die Natur spüren Einheimische schon heute.
    So erzählt eine Bewohnerin aus Pettneu in der Nähe von St. Anton von Hängen, die immer instabiler werden. Im Sommer vergeht kaum ein Monat, in dem keine Muren abgehen, die Straßen zuschütten oder gar Häuser zerstören. Am Arlberg gab es im Januar mehrere Lawinentote und in Balderschwang im Allgäu zerstört eine riesige Schneelawine Teile eines Hotels. Das Wetter wird extremer, prophezeien Experten. Wie aber soll es weitergehen mit dem Skitourismus in den Alpen? Denn die Menschen in den einst armen Bergdörfern leben heute fast ausschließlich vom Skitourismus.
    Deshalb traute sich lange Zeit kaum ein Einheimischer, sich gegen die Auswüchse des Massentourismus aufzulehnen. Doch der wird durch den Klimawandel immer extremer. In Kitzbühel versucht man die Skisaison bereits Mitte Oktober bei 20 Grad zu eröffnen. Durch sogenanntes „Snowfarming“, also dem Ausbringen des gelagerten Kunstschnees aus dem Vorjahr, können Pisten schon im Herbst befahren werden. Die Touristenmassen strömen in schneesichere, höhergelegene Regionen.
    Die Gipfel werden bebaut, koste es, was es wolle. Die Folge: Während einige Skigebiete immer größer werden, sterben kleinere Dörfer aus – ein ruinöser Wettbewerb. Hotspots wie St. Anton oder Ischgl setzen auf Masse und Expansion. Doch viele Hoteliers finden kein Personal mehr: Es gibt kaum Wohnraum für Saisonkräfte, da jeder Quadratmeter lukrativ an Touristen vermietet wird. Stößt der Tourismus in den Alpen an seine Grenzen? Oder helfen neue Konzepte für einen nachhaltigeren Tourismus, wie sie Orte wie Balderschwang im Allgäu ausprobieren? (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.01.2020WDR
  • Folge 4
    Mehr als 47 Millionen Autos auf unseren Straßen sorgen für schlechte Luft und heizen den Klimawandel an. Elektro-Autos sollen das ändern, denn sie werden als emissionsfrei gepriesen. Doch sind sie wirklich die Rettung für Umwelt und Klima? Nachdem die ARD-Doku „Kann das Elektroauto die Umwelt retten?“ 2019 ernüchternde Fakten präsentiert hat, stellen die Autoren Florian Schneider und Valentin Thurn das E-Auto nun abermals auf den Prüfstand. Problem Batterieherstellung: Das größte Bauteil eines Elektro-Autos ist mit mehreren hundert Kilo Gewicht die Batterie. Ein wichtiger Bestandteil der Batterie ist Lithium, ein Metall, für dessen Förderung fragile Ökosysteme in Südamerika zerstört und der dort lebenden Bevölkerung Land und Wasser geraubt wird.
    Die Autoren haben vor Ort recherchiert und zeigen die Auswirkungen des Lithium-Booms: Eine ökologische und menschliche Katastrophe, in Kauf genommen für das „Null-Emissionen-Auto“ in Europa. Und für die Herstellung von Elektroautos werden neben Lithium viele weitere Rohstoffe gebraucht, bei deren Gewinnung ebenfalls die Umwelt zerstört wird. Forscher des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie haben errechnet: Die Umweltbelastung durch alle bei der Herstellung verwendeten Materialien ist bei der E-Mobilität im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotoren doppelt so hoch.
    Klimavorteil durch Elektroautos? Helfen E-Autos beim Kampf gegen den Klimawandel? Für die Story haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung das auf Basis neuester Studien durchgerechnet. Das Ergebnis zeigt: E-Autos sind fürs Klima zwar besser als Autos mit Verbrennungsmotor. Allerdings keineswegs von Anfang an. Selbst Elektroautos mit kleiner Batterie erreichen erst nach vielen tausend Kilometern einen Klimavorteil.
    Und Autos mit großer Reichweite sparen CO2 zum Teil erst nach mehr als 160.000 gefahrenen Kilometern. Wie ist das möglich? Das Problem ist nach wie vor die Herstellung der Batterie, die sehr energieintensiv ist und immer noch enorme Mengen an CO2 produziert. Allerdings kann Ökostrom bei der Batterieherstellung die Klimabilanz von E-Autos verbessern. So hat Volkswagen angekündigt, mit Hilfe von grünem Strom den ID.3, das erste deutsche E-Auto für den Massenmarkt, klimaneutral produzieren. Doch Recherchen der Story zeigen: So grün wie angekündigt ist auch VWs Elektroauto nicht. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 29.01.2020WDR
  • Folge 6
    Regelmäßig fehlen Ärzten wichtige Medikamente. Besonders bei Antibiotika, Blutstillern und Zytostatika kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Lieferengpässen – mit teilweise dramatischen Folgen für die betroffenen Patienten. Ist ein entscheidendes Medikament nicht lieferbar, müssen Therapiepläne geändert, Operationen oder Transplantationen verschoben werden. Im schlimmsten Fall verringern sich sogar die Heilungschancen der Patienten. Ärzte, Apotheker und medizinische Fachgesellschaften schlagen Alarm. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) warnte im November 2019 vor den immer häufiger vorkommenden Lieferengpässen bei versorgungsrelevanten Medikamenten.
    Auch 2017 hatte die DGHO darauf hingewiesen – seitdem habe sich die Situation aber dramatisch verschlechtert, so Professor Bernhard Wörmann, Onkologe und medizinischer Leiter der DGHO. Die Lage sei inzwischen so ernst wie nie zuvor. Die Liste der fehlenden Medikamente ist lang und wird immer länger. 2015 zählte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Lieferengpässe bei 40 Medikamenten.
    2019 waren es bereits 216 – mehr als fünfmal so viel. Die Krankenhäuser können ihre Patienten nicht im Stich lassen und müssen dann irgend einen Ausweg suchen – doch der personelle und finanzielle Aufwand ist immens: 2019 mussten bestimmte Krebsmedikamente zum fünffachen Preis importiert werden, um die Versorgung der Patienten weiterhin zu gewährleisten. Preiserhöhungen um mehr als das Zehnfache sind keine Seltenheit. Die Zahl der Hersteller sinkt, manche haben inzwischen eine Monopolstellung im Markt – so ist es eine Frage der Zeit, wann erstmals ein Medikament weltweit nicht mehr verfügbar sein wird.
    Die Story begleitet Patienten, die unter Medikamentenknappheit zu leiden haben und erzählt die Geschichte eines der größten, europäischen Medizinskandale – ein Pharmakonzern versucht aus einem Lieferengpass Kapital zu schlagen. Der Film beleuchtet die Ursachen für die Lieferengpässe und zeigt, welche Folgen diese für Ärzte, Apotheker und Patienten haben. Was muss getan werden, um solche teilweise Leben gefährdenden Knappheiten in Zukunft zu vermeiden? (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 05.02.2020WDR
  • Folge 8
    In einem kleinen nepalesischen Dorf nahe des Mount Everest steigt zwischen Bäumen Rauch auf. Umsäumt von traumhafter Natur, schneebedeckten Gipfeln und Wasserfällen wird Müll verbrannt – Plastikflaschen zusammen mit Bierdosen, Papier und Blech. Der höchste Berg der Welt und seine Umgebung – ein Traumziel und Sehnsuchtsort für Individualtouristen und Wanderbegeisterte – ist gleichzeitig Müllkippe: rund 75 offene Müllhalden zählt der Nationalpark am Mount Everest. „Pro Jahr haben wir hier rund 400 Tonnen Müll“, sagt Tommy Gustafsson, Leiter eines Müllprojekts in der Region.
    Ein geeignetes Müllmanagement gibt es noch nicht. Der Müll wird verbrannt oder er verrottet, verschmutzt so Luft und Wasser im Nationalpark. Und es kommen immer mehr Touristen in die abgelegene Region in Nepal und verursachen noch mehr Müll. Im letzten Jahr versuchten so viele Bergsteiger das „Dach der Welt“ zu erklimmen, dass es regelrecht Stau auf dem Mount Everest gab. Die Story „Kritisch Reisen: Trekking am Mount Everest“ begleitet eine deutsche Trekkinggruppe auf ihrem erlebnisreichen und kraftraubenden Weg zum Mount Everest Basislager.
    Wie für fast alle Trekkingtouristen startet die Reise in das Gebiet am Flughafen von Lukla, einem der gefährlichsten Flughafen der Welt. Ab hier gibt es keine Autos und keine Straßen mehr, dafür umso mehr Menschen, die zu Fuß Lebensmittel, Baumaterialien und Luxusgüter auf über 5.000 Meter die Berge hochtragen, damit es den Touristen an nichts mangelt.
    Die Träger profitieren von den steigenden Besucherzahlen. Aber sie leiden auch unter den Schattenseiten, den hohen Lasten, den schwierigen Arbeitsbedingungen. Die story-Autoren Lisa Seemann und Fritz Fechner entdecken bei ihrer Reise durch das Land nicht nur wundervolle und atemberaubende Landschaften, sondern auch die Probleme, die der steigende Tourismus in der Himalaya-Region mit sich bringt. Und sie treffen auf Menschen, die neuartige Lösungsansätze gefunden haben, um zum Beispiel die Region vom Müll zu befreien. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 19.02.2020WDR
  • Folge 9
    Hilfe zum Suizid – das wünschen sich einige Schwerstkranke, die ihr Leid nicht mehr ertragen können. Doch der §217 stellt die „geschäftsmäßige“ Förderung der Selbsttötung unter Strafe. Bis zu drei Jahre Haft drohen. Am Aschermittwoch, 26.2.2020, will das Bundesverfassungsgericht das lang erwartete Urteil zu dem umstrittenen Paragraphen fällen. Ärzte, Schwerstkranke und Sterbehilfevereine haben in Karlsruhe Beschwerde eingereicht. Sie sehen sich durch den Sterbehilfe-Paragrafen in ihren Grundrechten eingeschränkt, in ihrer Gewissens- und Berufsfreiheit verletzt.
    Der Film von Erika Fehse begleitet über fast zwei Jahre Schwerstkranke, die sich einen „Notausgang“ wünschen, und Palliativmediziner, die verunsichert sind, wie weit sie in der Begleitung ihrer Patienten gehen dürfen. Einer von ihnen ist Dr. Benedikt Matenaer aus Bocholt, der mit seiner Verfassungsbeschwerde die Abschaffung des §217 erreichen möchte. Er befürchtet, dass Patienten bei schwerstem Leid nicht mehr die Betäubungsmittel auf Vorrat erhalten, die sie brauchen.
    Denn die könne man auch zum Suizid verwenden, und das – so die Vermutung – hätte Folgen. Der Palliativmediziner betreut seit vielen Jahren Jürgen Manthey, der seit einem Hirnstamminfarkt komplett gelähmt ist. Aus dem sportlichen Mann wurde ein Schwerstbehinderter, der seither kaum mehr als den Kopf bewegen kann. Harald Mayer leidet unter Multipler Sklerose. Mittlerweile ist er bis zum Hals gelähmt, braucht rund um die Uhr Betreuung.
    Sein Rechtsanwalt, Dr. Robert Roßbruch, streitet für ihn vor Gerichten um das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital, das einen sicheren und schnellen Tod verspricht. Das wurde Harald Mayer – wie über 100 anderen Schwerstkranken auch – verwehrt. Denn das Bundesministerium für Gesundheit hat sich grundsätzlich gegen die Herausgabe gestellt – trotz eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Das hatte 2017 in letzter Instanz entschieden, dass der Staat Patienten in allergrößter Not ein Mittel zur Selbsttötung nicht verweigern dürfe.
    Solch ein Mittel hatte auch Klaus Grosch beantragt, der an einer unheilbaren Nervenkrankheit litt. Als das abgelehnt wurde, sah er nur noch die Möglichkeit, nichts mehr zu essen und zu trinken. Im Mai 2019 erschien in einer Zeitung ein Nachruf, den er zwei Monate vor seinem Tod selbst geschrieben hatte: „Ich bin nicht verbittert, aber ich klage an – unseren Staat, der es mir verweigert hat, in Würde zu sterben.“ Befürworter des Paragrafen 217 – wie Prof. Lukas Radbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, oder Katharina Jaestedt vom Kommissariat der Deutschen Bischöfe – sehen in der Forderung nach Selbstbestimmung am Lebensende eine Gefahr.
    Kranke und alte Menschen könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, „freiwillig“ aus dem Leben zu scheiden, um niemandem zur Last zu fallen. Sie kämpfen dafür, die palliativmedizinische Versorgung weiter auszubauen. Nun warten alle auf das Urteil. Die Politiker, Ärzte, Sterbehilfevereine, Kirchenvertreter und die Betroffenen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.02.2020WDR
  • Folge 11
    Gangelt in NRW ist derzeit der Ort mit den meisten Corona-Virus-Infizierten in Deutschland. Ein kleines Dorf, das vorher niemand kannte und wenn es nach den Bewohnern ginge, hätte das auch ruhig so bleiben können. Nun schaut ganz Deutschland auf Gangelt: Wie Ärzte, Landrat und Unternehmer versuchen die Situation in den Griff zu bekommen, wie die Bürger ihren Alltag bewältigen und versuchen Ruhe zu bewahren. Mittlerweile sind Hunderte von Menschen aus der Quarantäne entlassen, aber es gibt immer noch sehr viele Verdachtsfälle. Damit das Leben im Kreis Heinsberg nicht zusammenbricht, hat der Landrat die Strategie geändert: Menschen, die Kontakt mit Infizierten hatten, aber keine Symptome zeigen, sollen nicht mehr isoliert werden.
    Ist das klug oder gefährlich? Seit dem Wochenende wurde ein Versorgungszentrum für Tests an einem geheimen Ort aufgebaut. Problem: Auch hier – wie überall im Land – fehlt es an ausreichender Schutzkleidung und medizinischem Material. Warum können die Hersteller nicht genug liefern? Ist Deutschland doch nicht gut genug vorbereitet auf das Virus? Und was geschieht jetzt mit Patienten, die andere Krankheiten haben? Ist ihre Versorgung überhaupt noch gewährleistet, wenn alle Kräfte sich auf die Eindämmung des Corona-Virus konzentrieren? Ein Arzt aus Gangelt sagt, er mache sich vor allem Sorgen um seine Herzpatienten.
    Infizierte gibt es mittlerweile auch in Großstädten wie Berlin, Essen, Bonn, Köln und Hamburg. Unsere Reporter berichten, wie sich die Städte auf die weitere Verbreitung des Virus vorbereiten, zeigen wie Apotheken und Supermärkte mit dem Ansturm der Bürger umgehen ebenso wie enttäuschte Aussteller auf der Reise- und Campingmesse in Essen. Wir beleuchten die Auswirkungen auf die Wirtschaft im Kleinen – wie Taxiunternehmen und Restaurants – und berichten, wie große Unternehmen mit der Krise umgehen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 04.03.2020WDR
  • Folge 13
    „Wenn man hier so sitzt, dann zieht es schon ordentlich“, erklärt Kaan Hira. Der ehemalige Schülersprecher sitzt im dritten Stock des Dreikönigsgymnasiums in Köln-Bilderstöckchen. Ein völlig maroder Schulbau aus den 70er Jahren. Das Fenster direkt neben seinem Platz schließt nicht mehr richtig. Ein Spalt von etwa einem Zentimeter bleibt offen. Rund um die Uhr, auch im Winter bei unter 0 Grad. „Sich so zu konzentrieren, fällt schon schwer“, sagt Kaan Hira. Das Dreikönigsgymnasium in Köln ist ein Extremfall: Seit Jahren ist es umzäunt, weil ganze Steine von der Fassade herunterfallen.
    Die Schule kämpft seit Jahren darum, dass das Gebäude grundsaniert werden kann. Doch der Putz bröckelt fast überall in Nordrhein-Westfalen. Vor allem im Ruhrgebiet fehlt es häufig an den nötigen Mitteln für Sanierungsarbeiten. Strukturschwache Kommunen sind mit dem gewaltigen Sanierungsstau überfordert. Und die Unterstützung der Landesregierung fällt in Nordrhein-Westfalen besonders schmal aus. Laut dem Statistischen Bundesamt hat NRW 2018 gerade mal 18 Euro pro Einwohner für den Bau bzw.
    die Sanierung von Schulen an die Kommunen gezahlt. In Bayern waren es im gleichen Zeitraum 108 Euro. Woran liegt es, dass in NRW die Schulen so kaputt sind? Die Story geht der Frage nach, warum trotz guter Konjunktur so wenig an den Schulen ankommt und viele Klassenzimmer so marode sind. „Wir schätzen den Sanierungsstau an Schulen in NRW auf zehn Milliarden Euro“, erklärt Jan Fallack vom Städte- und Gemeindebund. Die gestiegenen Steuereinnahmen kommen längst nicht überall bei den Kommunen an.
    Außerdem sind die meisten Verwaltungen seit der letzten Sparwelle personell völlig unterbesetzt. Architektin Stefanie Ruffen hat dafür folgende Erklärung: „Ein erheblicher Teil der Planstellen im Baugenehmigungsverfahren sind unbesetzt“, sagt sie. „Deshalb kommt es immer wieder zu erheblichen Verzögerungen bei Baugenehmigungsverfahren. Ich habe auch schon mal acht Wochen auf eine simple Eingangsbestätigung gewartet.“ Mit dem Förderprogramm „Gute Schule 2020“ hatte sich die NRW-Landesregierung das Ziel gesetzt, bis 2020 Geld in die Modernisierung, Sanierung und Neubau von Schulen zu investieren.
    500 Millionen Euro sollte im Rahmen des Programms für die Schulen bereitgestellt werden. Die Story hakt nach, ob das Geld an den richtigen Orten angekommen ist und ob es den maroden Schulen etwas gebracht hat. Gleichzeitig boomt die Baubranche, Handwerker und Bauunternehmer können sich aussuchen, für wen sie arbeiten. Um die Sanierung einer 70er Jahre Schule will sich kaum jemand in Ausschreibungen bewerben.
    Für Schüler und Lehrer heißt das, Lernen in abbruchreifen Gebäuden oder gleich im Baucontainer. Die Story spricht mit Handwerkern, die sich schwer damit tun, für die Städte noch Schulen zu sanieren und redet mit Mitarbeitern von Gebäudemanagement der Städte, die Lösungen suchen, um komplizierte Genehmigungsverfahren zu umgehen. Der Film ist mit dabei, wenn Eltern verzweifelt vor dem Rathaus für neue Schultoiletten demonstrieren und sich fragen, warum die Städte für ihre Kinder so wenig tun. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 11.03.2020WDR
  • Folge 15
    Straßenbahnen, Züge und Busse sind fast leer. Fitnessstudios, Schwimmbäder, Läden machen dicht. Schulen und Kitas sind geschlossen. Die Menschen ziehen sich in ihr Zuhause zurück. Wer einen eigenen Garten hat, kann sich glücklich schätzen. Das Corona-Virus verändert das ganze Leben. Was gestern noch normal war, gilt heute nicht mehr. Wie kommen die Bürger*Innen mit der neuen Situation zurecht? Wer betreut die Kinder und wie? Wie organisieren sich die Eltern, die in Krankenhäusern arbeiten müssen? Was machen Ladenbesitzer, die ihr Geschäft schließen müssen? Können Selbstständige überhaupt noch ihre Kredite tilgen? Welche Urlaube müssen storniert werden und wie kommen Touristen jetzt noch nach Hause zurück? Wer hilft wem, wenn Not am Mann und an der Frau ist? Ist Nachbarschaftshilfe das Gebot der Stunde? Die Story zeigt, was die Menschen tun, wenn Deutschland still steht. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-PremiereMi 18.03.2020WDR
  • Folge 17
    Was können wir tun, wenn das Virus unser Leben so im Griff hat? Die einen kämpfen um das Leben der Infizierten, die anderen um die Zukunft ihres vor kurzem eröffneten Ladens. Obdachlose trifft es nochmal härter, weil es kaum mehr einen Platz zum Schlafen für sie gibt. Gregory Kibar und seine Frau Selma hat vor einer Woche ihr Café mit türkischen Süßigkeiten in Köln schließen müssen. Nur durch Online-Bestellungen kommt derzeit noch ein wenig Geld rein. Nachdem die Bank ihm erst den Kredit gesperrt hat, gibt es aber nun einen kleinen Hoffnungsschimmer: Soforthilfen.
    Kann ihr Geschäft damit gerettet werden? Oder schaffen sie es doch, online Kunden zu gewinnen? Der obdachlose Walter hat bislang auf dem Flughafen Köln/​Bonn geschlafen. Doch das Terminal ist nun gesperrt und auch sonst ist es für Menschen wie ihn, die auf Spenden und Hilfe anderer angewiesen sind, zur Zeit hart. Walter muss nun versuchen, eine kleine Wohnung zu bekommen – wie geht das in Zeiten von Corona? In der Essener Uniklinik bereiten sich die Ärzte darauf vor, dass die Zahl schwerkranker Corona-Patienten bald deutlich zunehmen könnte.
    Professor Brenner vergleicht die aktuelle Situation in Deutschland mit einem Tsunami. Wir seien in der Phase, in der sich das Meer zurückziehe. Mit welcher Wucht die Welle uns trifft, sagt er, weiß keiner. Normalerweise verfügt die Intensivstation im Unizentrum Essen über 22 Betten, jetzt sind es 60. Ob das ausreicht? Hängt davon ab, wie hart uns der Tsunami trifft, sagen die Ärzte. „Die Story“ reist durch ein Land, was sich auf unterschiedliche Art und Weise auflehnt gegen das Virus: Mit Ideen, mit Wissen, mit Herz und mit Solidarität. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 25.03.2020WDR
  • Folge 19
    Deutsche TV-PremiereMi 01.04.2020WDR
  • Folge 21
    „Wenn wir irgendwann entscheiden müssen, wer beatmet wird und wer nicht, weil es nicht genug Beatmungsgeräte gibt, das ist schwer,“ gesteht Andreas Brauksiepe. „In die Situation will ich nicht geraten. Das macht mir große Angst.“ Gemeinsam mit einer Task-Force trifft der Chefarzt des evangelischen Krankenhauses in Mettmann jeden Tag neue Entscheidungen und bewertet die Vorbereitungen von gestern. Sie sei bereit, dauerhaft auf die neue Isolierstation zu ziehen, sagt Krankenpflegerin Virginia Bernstein: „Meine Tasche ist gepackt“.
    Zusammen mit fünf Kolleginnen bereitet sie sich auf den Ernstfall vor. Wenn die Zahl der Corona-Patienten deutlich ansteigt und deren Versorgung nur noch unter persönlichen Opfern des Pflegepersonals möglich ist, wollen sie mit den infizierten Patienten auf der Station wohnen. Auf der Isolierstation liegt der Corona-Patient Klaus-Dieter Holst und lobt das Personal: „Sie machen einen super Job!“ Dabei ist das EVK Mettmann mit 250 Betten ein kleines Krankenhaus. Die Krise bringt das Team aus Ärzt*innen und Pflegekräften an ihre Belastungsgrenzen.
    Einige Ressourcen sind jetzt schon knapp. Vor allem Gesichtsmasken, und das trifft alle. Im Extremfall ist keine Patientenversorgung möglich, wenn die Mitarbeiter nicht geschützt sind, sagt Geschäftsführer Bernd Huckels. Umso ärgerlicher, wenn bürokratische Entscheidungen den Materialnachschub verhindern. Doch Hygieniker Boris Ulitzka ist erfinderisch. Er war im Baumarkt – und bastelt jetzt 30 Masken aus Plexiglas. „Das dient als Spritzschutz, kann aber eine Atemschutzmaske nicht ersetzen.“ 10 Tage lang lebte WDR-Autor Fritz Spengart in der Klinik und ist mit der Kamera unmittelbar dabei, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden, Patienten getröstet, kreative Lösungen gefunden werden müssen für eine Situation, die es noch nie gab.
    Hautnah erlebt er mit, wie sehr es von klugen und opferbereiten Menschen abhängt, ob die Krise gemeistert werden kann. Als er die Klinik am 10. Tag der Dreharbeiten verlässt, hat sich die Zahl der isolierten Corona-Patienten von 4 auf 15 Infizierte erhöht. Doch die Menschen hier geben nicht auf. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.04.2020WDR
  • Folge 22l (60 Min.)
    Thomas Derksen war einmal Sparkassenbeamter in Köln. Mittlerweile ist er ein Internetstar in China, macht dort Werbung für Produkte deutscher Firmen und Millionen folgen ihm online. Sein Leben in China ist anders als das in Deutschland. Bezahlen, Rente, Stromrechnung – er braucht dort nur sein Handy, um den Alltag zu organisieren: „Die Digitalisierung ist ja wirklich eine Revolution. Und da kann man sich glaub ich nicht aussuchen, ob man das möchte oder nicht, sondern man muss mitmachen.“ Während China und die USA beim Thema Digitalisierung davoneilen, scheint Deutschland abgehängt. Wirtschaftlich und politisch.
    Die wertvollsten Firmen der Welt sind längst Plattform-Unternehmen aus den USA und China. Der deutsche Online-Modehändler Zalando will aufholen und ebenfalls zur Plattform werden. „Neuland“ wirft einen Blick hinter die sonst so verschlossenen Kulissen des rasant wachsenden Digitalunternehmens und erklärt, wie Zalando Kundendaten nutzt, um sein Angebot zu verbessern. Was bedeutet es für die Wirtschaft, wenn Plattformen immer mächtiger und Daten immer wertvoller werden? Wie lässt sich diese Macht kontrollieren? In China experimentiert der Staat längst mit Gesichtserkennung und Social-Scoring-Systemen.
    Wie real das „Neuland“ in Metropolen wie Shang-hai und Hangzhou längst ist, bekommen deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer bei einer Wirtschaftsreise nach China zu spüren. Die Kamera begleitet die Delegation bis ins Innere des mächtigen Plattformunternehmens Alibaba vor Ort. „Es gibt eine unfassbare Technologiefreundlichkeit“, staunt einer der Unternehmer. Digitalisierung bedeute in China: eine rosige Zukunft und „ein Stück Weltherrschaft“. Eine, die politisch Verantwortung für das „Neuland“ in Deutschland trägt, ist die Staatsministerin für Digitales, Dorothee Bär.
    Wie will sie den Wandel gestalten? Für diesen Film gewährt die CSU-Politikerin einen exklusiven Einblick in ihren Arbeitsalltag. Nach der preisgekrönten Dokumentation „Ungleichland“ und „Heimatland“ des WDR-Projekts docupy geht es in „Neuland“ diesmal um die Frage: Wer hat die Macht im Internet? Neuland – Das Projekt: Bereits im Vorfeld zu dieser Doku hat sich ein Team aus Film und Onlineautoren im Netz unter docupy „Neuland“ mit Macht im Internet beschäftigt: Seit Oktober 2019 veröffentlicht das Autorenteam Hintergründe und Rechercheergebnisse in Videos, die im Netz zahlreich verbreitet und diskutiert wurden. (Text: ARD)
    Deutsche Online-PremiereDo 26.03.2020ARD Mediathek
  • Folge 25
    Frühjahr 1945: Der Krieg ist aus. Doch das ganze Land liegt in Trümmern. Die Menschen, die sich an diese Zeit noch erinnern, waren damals Kinder. Sie wuchsen auf inmitten der Zerstörung – die Trümmerberge waren ihre Spielplätze; Granatsplitter, Munitionsreste, Fundstücke aus den zerbombten Häusern begehrte Sammel- und Tauschobjekte. Zahllose Familien hatte der Krieg auseinandergerissen – viele Väter und Brüder gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft. Die Mütter versuchten so gut es eben ging die Familie durchzubringen.
    Wie war es, in einer solchen Welt Kind zu sein – zwischen Hunger, Angst und der Hoffnung darauf, dass es bald besser werden würde; der Vater aus dem Krieg zurückkehrt, es wieder Waren in den Läden gibt und ein sicheres Zuhause? Anne Priller-Rauschenberg war 15 Jahre alt, als ihr klar wurde, dass der Krieg vorbei ist. Doch wie sollte es jetzt weitergehen? An normalen Schulunterricht war in den letzten Kriegsjahren nicht mehr zu denken gewesen. Von ihrem kleinen Bruder sagt sie, er sei „praktisch im Bunker aufgewachsen“. Das Wohnhaus der Familie war zerstört.
    Die alte Ordnung lag zerschmettert am Boden, eine neue war noch nicht in Sicht. Über Monate hauste Anne mit einigen versprengten Familienmitgliedern in einem zerbombten Häuschen, von dem nur noch der Boden und vier Wände übriggeblieben waren. Essen stahl sie von den umliegenden Bauernhöfen. Dann entdeckte ihre Mutter eine wiedereröffnete Tanzschule und schickte ihre Tochter zum Tanzunterricht. Anne Priller-Rauschenberg sagt heute, das Tanzen habe ihr das Leben gerettet. Heute ist sie 89. Und sie tanzt immer noch.
    Ruth Barra, musst als Siebenjährige mit ihrer Familie aus Ostpreußen fliehen und kam ins zerbombte Ruhrgebiet, nach Gelsenkirchen. Sie erzählt: „Ich hatte immer Hunger. Meine ganze Kindheit durch hatte ich diesen einen Traum: Ich wünschte sehnlichst, ein ganzes Brot zu besitzen. Das würde ich mir um den Hals zu hängen und immer abbeißen, wenn ich Hunger hätte.“ Im Frühjahr 2020 jährt sich das Kriegsende 1945 zum 75. Mal. Es wird der letzte runde Jahrestag sein, zu dem noch Zeitzeugen ihre ganz persönlichen Erlebnissen beitragen können.
    Die Filmemacher haben im ganzen Land Zeitzeugen gefunden, die ihnen bewegende und berührende Geschichten davon erzählt haben, was es hieß Kind zu sein nach dem Krieg. Sie erzählen auch von den Momenten, als ihnen plötzlich klar wurde: „Jetzt ist der Krieg vorbei, das Leben beginnt von neuem“. Den Autoren ist es zudem gelungen, umfangreiches bisher kaum gezeigtes Archivmaterial vom Alltag und dem Leben nach dem Krieg zusammenzutragen. Es zeigt auf beeindruckende Weise, in welchem Umfeld die Zeitzeugen ihre Kindheit und Jugend erlebten. (Text: Tagesschau24)
    Deutsche TV-PremiereMi 06.05.2020WDR
  • Folge 26
    Ein totes Kind am Strand. Ein Syrer, der die Bundeskanzlerin zum Selfie überredet. Ein verängstigter Junge, der aus einem Bus gezerrt wird, vor dem ein wütender Mob tobt. Bilder, die sich ins Gedächtnis eingebrannt haben. Sie stehen für dramatische Momente – als vor fünf Jahren fast eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Für „Die Story“ machen sich die Autoren Bamdad Esmaili und Matthias Fuchs auf die Suche: Was sind die Geschichten hinter den Bildern? Was ist damals wirklich passiert? Was ist aus den Menschen auf den Fotos geworden, wo sind sie heute? Und wie hat sich ihr Leben entwickelt, nach dem Sommer, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel „Wir schaffen das“ in die Fernsehkameras sprach? Anas Modamani lebt und studiert in Berlin, 2015 machte er mit Merkel ein Handyfoto.
    „Durch das Selfie habe ich Freundschaften gefunden und die Sprache gelernt.“ Die Aufnahme von damals hat ihm aber nicht nur Glück gebracht. Sein Bild wurde im Netz verbreitet und er als Terrorist beschimpft. Modamani ging gegen Facebook vor Gericht. Andrea Pfannes sollte in Bayern 2015 die Grenze sichern. Die Begegnung mit Tausenden hilfsbedürftigen Menschen hat sie beeindruckt – und auch ihre Arbeit bei der Polizei verändert.
    Sie versucht, junge Kollegen dazu zu bringen, ohne Vorurteile mit Flüchtlingen umzugehen: „Es gibt immer zwei Seiten, es steht immer ein Mensch dahinter“, sagt sie. Die Story-Autoren begegnen Helfern vom Münchner Hauptbahnhof, die damals Teddys verteilt haben – und sich heute noch darüber wundern, dass Afghanen Angst vor Sprudelwasser haben. Sie treffen auf mittlerweile perfekt integrierte Flüchtlinge, die sich über bayerisches Essen freuen, aber auch auf solche, die in fünf Jahren kaum Deutsch gelernt haben.
    Immer wieder stellen sie dabei eine Frage: „Wir schaffen das – haben wir es geschafft?“ Dabei entsteht ein besonderes Bild – gezeichnet durch die Geschichten der Menschen, deren Bilder die Krise prägten. Fünf Jahre nach der Flüchtlingskrise hat sich die Welt verändert und scheint doch auch gleich geblieben zu sein. Denn die Situation an der Grenze zwischen Türkei und Griechenland hat sich zugespitzt, es gibt keine funktionierenden Lösungen in Europa, wie Flüchtlinge aufgenommen und verteilt werden können. Und auch 2020 warten und hoffen Tausende Menschen darauf, nach Europa zu kommen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 13.05.2020WDR
  • Folge 27
    Wenn die Liebe aus ist und sich Eltern trennen, muss auch geregelt werden, wie die gemeinsamen Kinder in Zukunft leben und betreut werden sollen. Die meisten Mütter und Väter erziehen die Kinder weiterhin gemeinsam. Aber bei einigen Paaren beginnt nach der Trennung ein erbitterter Rosenkrieg. Auch um die Kinder. Je größer die Verletzungen beim verlassenen Elternteil, umso größer ist manchmal auch der Wunsch, dem Ex-Partner das Kind zu entziehen. „Ich war so verletzt“, sagt eine Mutter, „so voller Hass, dass ich mich auf diese Weise gerächt habe.
    Was das für unsere Kinder bedeutet, habe ich überhaupt nicht bedacht.“ Meistens sind es Väter, die den Kontakt zum Kind auf diese Weise verlieren, in etwa 10 Prozent der Fälle verlieren die Mütter das Kind. Der Entfremdungsprozess beginnt häufig damit, dass vereinbarte Treffen abgesagt werden, dass Anrufe nicht entgegengenommen und Geburtstags- oder Weihnachtsgeschenke zurückgeschickt werden. Und das, obwohl doch ein gemeinsames Sorgerecht vereinbart wurde. „Mich um mein Kind zu kümmern, ist nicht nur mein Recht, sondern auch meine Pflicht“, beklagt einer der Väter, „Aber das ist nicht erwünscht.
    Ich soll nur zahlen, mich ansonsten aber raushalten. Dabei braucht mein Sohn auch seinen Vater.“ Die betroffenen Eltern gehen zum Jugendamt und zum Familiengericht. Da wird dann um jede Minute, jede Stunde Umgang mit dem Kind gestritten. Oft unterstützen Gutachter und Verfahrensbeistände den Elternteil, bei dem das Kind überwiegend lebt, und befördern damit sogar noch die Entfremdung zum anderen Elternteil. Die Leidtragenden einer solchen Entwicklung sind vor allem die Kinder.
    Sie werden oftmals unbewusst zu Komplizen des die Entfremdung forcierenden Elternteils und übernehmen die Gefühle desjenigen, mit dem sie den größten Teil der Zeit verbringen. Aus Angst, diesen auch noch zu verlieren – sagen Psychologen. „Ich hatte solche Schuldgefühle,“ erklärt ein junger Mann, der seiner Mutter sagte, dass er sie nicht mehr besuchen will. Er leidet bis heute darunter, obwohl er wieder Kontakt zur Mutter hat. Laut Forschungen von Dr. Stefan Rücker von der Universität Bremen gibt es pro Jahr etwa 120.000 Scheidungskinder und 80.000 Trennungskinder unverheirateter Elternpaare – in Summe erleben also jährlich etwa 200.000 Kinder die Trennung ihrer Eltern.
    10 bis 15 Prozent von ihnen verlieren zu einem Elternteil den Kontakt. In der Dokumentation von Liz Wieskerstrauch erzählen betroffene Väter und Mütter was es bedeutet, das eigene Kind erst immer seltener und schließlich gar nicht mehr zu sehen. Und ein inzwischen erwachsenes Kind schildert die Not, in der es sich befunden hat, und die Auswirkungen auf sein Leben heute.
    Um die Entfremdung eines Elternteils zu verhindern, helfe nur, rechtzeitig, also direkt nach der Trennung, zu intervenieren, sagt Dr. Stefan Rücker. Getrennte Eltern sollten sich Hilfe holen und eine Mediation in Anspruch nehmen, damit sie lernen, trotz Trennung ihre Elternschaft gemeinsam wahrzunehmen, egal ob die Kinder und Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell leben. Derzeit wird vom Bundesjustizministerium eine Reform des Sorge- und Umgangsrechts vorbereitet, bei der die Rechte der Väter gestärkt und die Bedürfnisse der Kinder nach beiden Eltern mehr Geltung bekommen sollen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 27.05.2020WDR
  • Folge 28
    Corona hat in kurzer Zeit unser Leben verändert. Nicht nur in Deutschland, nicht nur an den Orten, die wir jetzt noch überblicken können, sondern überall auf der Welt. In einer Zeit, in der wir selbst nicht reisen können, richtet „Die Story“ den Blick über die Grenzen in Länder und Situationen, die uns eigentlich nah sind, im Moment aber weiter weg erscheinen als in normalen Zeiten. ARD Korrespondentinnen und Korrespondenten erzählen davon, wie Corona ihr jeweiliges Land und ihre Stadt erwischt und was die Pandemie dort ausgelöst hat. Corona lähmt und macht Angst, aber die Krise weckt auch schlummernde Energien.
    Überall fühlen Menschen sich von der Krise herausgefordert: Sie beginnen zu handeln, zu reagieren, sich ein neues Verhalten anzutrainieren, Ideen zu entwickeln. Beziehungen werden neu definiert – überprüft, intensiviert, alternativ gestaltet, und das oft sehr unterschiedlich, je nachdem, um welches Land oder welche Gesellschaft es geht. Wie also verändert Corona unsere Nachbarländer? Wie Großmächte wie die USA und Russland? Was gibt den Menschen Zuversicht, was bringt sie zusammen, trotz Abstandsregelungen? Korrespondenten aus New York, Brüssel, Rom, Paris, Warschau, Moskau und Nairobi erzählen aus ihrem persönlichen Erleben, wie sich der Alltag und das Lebensgefühl um sie herum gewandelt haben.
    Sie schildern, welche Situationen für ihr Land von Beginn der Krise an prägend waren und sind, welche Reaktionen auf die neuen Herausforderungen sie als typisch erleben, wie sie selbst unter den veränderten Bedingungen journalistisch arbeiten. Sie berichten von erschreckenden und berührenden Szenen, von ermutigenden Begegnungen, von Helden der Corona-Zeit, von der Freude auf die neue Normalität und von vielen Gründen, Hoffnung für die Zukunft zu haben. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 03.06.2020WDR
  • Folge 32
    Lisa Bartoleit steht mit einer großen Kiste voller Papier vor einer Kirche in Essen Altendorf. Im Zehn-Minutentakt kommen Schüler vorbei, übergeben ausgefüllte Zettel und nehmen neue Aufgaben mit. Weil die Sechsklässler Anfang Mai noch nicht zur Schule kommen dürfen, findet die Materialübergabe außerhalb des Schulgeländes statt. „Unsere Schüler haben zuhause oft nur ein Handy und vielleicht eine Konsole, sie können keine Aufgaben am PC bearbeiten oder ausdrucken“, erklärt die Lehrerin der Gesamtschule Bockmühle in Essen. Doch die fehlende Technik ist nach dem Treffen am Kirchplatz nicht die größte Sorge der Lehrerin.
    Manche Kinder wirken traurig, viele unmotiviert. Einige sind blass, weil sie lange nicht draußen waren, oder sie haben zugenommen. „Und die fragen ständig, wann die Schule wieder losgeht“, sagt Lisa Bartoleit. Eigentlich ist sie für ihre Schüler eine wichtige Vertrauensperson bei allen Sorgen und Problemen. „Wenn ich die jetzt anrufe oder per Whatsapp nachfrage, sagen viele nur: Es geht mir gut, es geht mir gut!“, so die Lehrerin. „Der persönliche Kontakt fehlt einfach und macht das, was man aufgebaut hat, teilweise auch kaputt.“ „Wir sind eine alleinerziehende Schule“ Dabei ist eine ungewöhnlich enge Beziehung zwischen Lehrern und Schülern das, was die Gesamtschule Bockmühle auszeichnet.
    „Wir sind eine alleinerziehende Schule“, erklärt Schulleiterin Julia Gajewski, denn viele Schüler hier hätten außer den Lehrern niemanden, der sie unterstütze. Die Schule liegt in einem armen Stadtteil im Norden des Ruhrgebiets, fast zwei Drittel der Schüler müssen von Hartz IV leben, die meisten haben einen Migrationshintergrund.
    Schon immer hatten es solche Kinder im deutschen Bildungssystem schwer, doch in der Corona-Krise fallen ihre Probleme besonders ins Gewicht. 3 Millionen Kinder abgehängt? Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass bundesweit drei Millionen Kinder – ein Viertel aller Schüler – von sozialer Benachteiligung wie einem schwierigen häuslichen Umfeld oder fehlender technischer Ausstattung betroffen sind. Hinzu kommen oft mangelnde Deutschkenntnisse. Der Verband befürchtet, dass sozial benachteiligte Schüler „in den vergangenen Wochen von jenen, die andere Voraussetzungen hatten, abgehängt wurden“, so Präsident Heinz-Peter Meidinger.
    Auch erste Studien legen nahe, dass die aktuelle Situation die Bildungsungerechtigkeit weiter verschärft. Während die Sechsklässler an der Essener Gesamtschule Bockmühle zunächst noch zu Hause bleiben müssen, kommen die Zehntklässler und die Abiturienten Ende April zum ersten Mal seit sechs Wochen wieder zur Schule. Ihnen bleiben nur noch wenige Wochen bis zu den Abschlussprüfungen. Sorge vor dem Abitur Einer der Abiturienten ist Terence Amankwah.
    „Ich war noch nie so schlecht auf eine Klausur vorbereitet, wie jetzt aufs Abi“, sagt der 19-Jährige. Normalerweise fährt Terence zum Lernen in die Universität. Da kann er Computer und Drucker nutzen und vor allem hat er Ruhe. Seit die Uni geschlossen ist, versucht er, zuhause zu lernen. Doch weil die technischen Geräte fehlen, geht das Lernen nur noch handschriftlich. Außerdem teilt er ein Zimmer mit seinem jüngeren Bruder, der gerne Computerspiele zockt – da fällt die Konzentration schwer. Hinzukommt, dass er im Sportleistungskurs vor allem auf den praktischen Teil gesetzt hat.
    „In Basketball hätte ich sicher eine gute Note geholt“, sagt er. Doch wegen Corona fällt dieser praktische Teil aus, und stattdessen müssen die Schüler eine mündliche Prüfung machen. „Ich glaube nicht mehr, dass ich das Abi so noch schaffen kann. Ich habe echt Angst, dass die letzten zwei Jahre dann umsonst waren“, so Terence. Die Story begleitet Schüler und Lehrer der Gesamtschule Bockmühle in den letzten Wochen dieses Schuljahrs. Sie zeigt, wie Schüler um ihren Abschluss und ihre Zukunft kämpfen – und wie ihre Lehrer versuchen, die Kinder auch unter schwierigen Bedingungen nicht zu verlieren. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 24.06.2020WDR

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