WDR Story Folge 25: Jung sein nach dem Krieg – Ein neues Leben beginnt
Folge 25
Jung sein nach dem Krieg – Ein neues Leben beginnt
Folge 25 (45 Min.)
Mädchen aus einem Flüchtlingstreck mit einer Puppe im Arm. (undatierte Aufnahme, Deutschland Kriegsende)
Bild: WDR/dpa
Frühjahr 1945: Der Krieg ist aus. Doch das ganze Land liegt in Trümmern. Die Menschen, die sich an diese Zeit noch erinnern, waren damals Kinder. Sie wuchsen auf inmitten der Zerstörung – die Trümmerberge waren ihre Spielplätze; Granatsplitter, Munitionsreste, Fundstücke aus den zerbombten Häusern begehrte Sammel- und Tauschobjekte. Zahllose Familien hatte der Krieg auseinandergerissen – viele Väter und Brüder gefallen, vermisst oder in Gefangenschaft. Die Mütter versuchten so gut es eben ging die Familie durchzubringen. Wie war es, in einer solchen Welt Kind zu sein – zwischen Hunger, Angst und der Hoffnung darauf, dass es bald besser werden würde; der Vater aus dem Krieg zurückkehrt, es wieder Waren in den Läden gibt und ein sicheres Zuhause? Anne Priller-Rauschenberg war 15 Jahre alt, als ihr klar wurde, dass der Krieg vorbei ist. Doch wie sollte es jetzt weitergehen? An normalen Schulunterricht war in den letzten Kriegsjahren nicht mehr zu denken gewesen. Von ihrem kleinen Bruder sagt sie, er sei „praktisch im Bunker aufgewachsen“. Das Wohnhaus der Familie war zerstört. Die alte Ordnung lag zerschmettert am Boden, eine neue war noch nicht in Sicht. Über Monate hauste Anne mit einigen versprengten Familienmitgliedern in einem zerbombten Häuschen, von dem nur noch der Boden und vier Wände übriggeblieben waren. Essen stahl
sie von den umliegenden Bauernhöfen. Dann entdeckte ihre Mutter eine wiedereröffnete Tanzschule und schickte ihre Tochter zum Tanzunterricht. Anne Priller-Rauschenberg sagt heute, das Tanzen habe ihr das Leben gerettet. Heute ist sie 89. Und sie tanzt immer noch. Ruth Barra, musst als Siebenjährige mit ihrer Familie aus Ostpreußen fliehen und kam ins zerbombte Ruhrgebiet, nach Gelsenkirchen. Sie erzählt: „Ich hatte immer Hunger. Meine ganze Kindheit durch hatte ich diesen einen Traum: Ich wünschte sehnlichst, ein ganzes Brot zu besitzen. Das würde ich mir um den Hals zu hängen und immer abbeißen, wenn ich Hunger hätte.“ Im Frühjahr 2020 jährt sich das Kriegsende 1945 zum 75. Mal. Es wird der letzte runde Jahrestag sein, zu dem noch Zeitzeugen ihre ganz persönlichen Erlebnissen beitragen können. Die Filmemacher haben im ganzen Land Zeitzeugen gefunden, die ihnen bewegende und berührende Geschichten davon erzählt haben, was es hieß Kind zu sein nach dem Krieg. Sie erzählen auch von den Momenten, als ihnen plötzlich klar wurde: „Jetzt ist der Krieg vorbei, das Leben beginnt von neuem“. Den Autoren ist es zudem gelungen, umfangreiches bisher kaum gezeigtes Archivmaterial vom Alltag und dem Leben nach dem Krieg zusammenzutragen. Es zeigt auf beeindruckende Weise, in welchem Umfeld die Zeitzeugen ihre Kindheit und Jugend erlebten. (Text: Tagesschau24)