ZDF.reportage Folge 226: Alltag im Jobcenter – Zwischen Beratung und Burnout
Folge 226
Alltag im Jobcenter – Zwischen Beratung und Burnout
Folge 226
Hohe Fallzahlen, Anfeindungen, geringes Gehalt: Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den deutschen Jobcentern klagen über die hohe Arbeitsbelastung. Bereits die Coronahilfen und die hohe Zahl von Flüchtlingen haben für ein bürokratisches Chaos gesorgt. Die Einführung des Bürgergeldes wird die Lage noch einmal massiv verschärfen. Der Alltag in den deutschen Jobcentern – zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Christian Niggemaier ist im Jobcenter Paderborn das, was man wohl einen „alten Hasen“ nennt: Seit 2006 arbeitet er bei der Agentur für Arbeit. So schnell bringt den Sauerländer nichts aus der Fassung. Dabei hat Christian mit den besonders schwierigen Fällen zu tun. Er ist Fallmanager, also zuständig für diejenigen, die erst mal nicht vermittelbar sind. Einer seiner Kunden ist eine Art Härtefall. Er weigert sich seit Monaten, bei den vermittelten Unternehmen vorstellig zu werden und will einfach nicht arbeiten. Zum Arbeiten zwingen kann Christian niemanden. Sein einziges Druckmittel ist eine Minderung des Bürgergelds: Bei einer ersten Pflichtverletzung werden die Bezüge für einen Monat um zehn Prozent gesenkt, bei einem zweiten für zwei Monate um 20 Prozent. Aber der Verlust von etwa 50 Euro scheinen ihn nicht zu interessieren. Das Jobcenter in Kassel ist gut erreichbar.
Trotzdem gibt es immer mehr Dauerarbeitslose, die nicht mehr vorbeikommen, sagt Teamleiterin Cornelia Helmer. Sie reagieren nicht auf Einladungen zu Terminen und auch nicht auf die Androhung von Sanktionen. Oft haben sie Schulden oder auch psychische Probleme. Manche schämen sich einfach. Im Jobcenter kam man auf die Idee, wenn die Kunden nicht zu uns kommen, dann gehen wir zu ihnen. Jede Woche ist jetzt ein dreiköpfiges Team unterwegs zu den Vergessenen und Verlorenen des Arbeitsmarktes. Auch Tina F. ist überfordert. Der Weiterbewilligungsantrag für das Bürgergeld sieht ganz anders aus als der für das ALG II. Die 41-Jährige lebt in Wiesbaden. Wegen gesundheitlicher Probleme wurde die gelernte Altenpflegerin mit 26 Jahren arbeitsunfähig. Seitdem muss Tina mit der Grundsicherung über die Runden kommen. „Jetzt wird alles teurer – vor allem meine Wohnkosten. Ich hoffe, dass sie den Antrag so annehmen.“ Die letzten Vermittlungsversuche des Jobcenters gingen ordentlich schief. So wie Tina geht es vielen Menschen in Deutschland, die in den Strudel der Langzeitarbeitslosigkeit gerutscht sind. Je länger sie arbeitslos blieb, desto schlechter war ihre Qualifikation – und desto schwerer fiel ihr der Weg zurück ins normale Leben. Eine „ZDF.reportage“ über den Alltag in deutschen Jobcentern. (Text: ZDF)
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