Folge 146

  • Deutschland, das kannst Du besser – Infrastruktur

    Folge 146
    Brücken und Straßen bröckeln, Großprojekte verzögern sich, die Digitalisierung bleibt auf der Strecke – in Deutschland klafft die Sanierungslücke. Der Investitionsstau in Städten und Kommunen erreicht mittlerweile den Rekordwert von 159 Milliarden Euro. Der Städte- und Gemeindebund beklagt: Deutschland lebt von der Substanz. Besonders groß ist der Sanierungsbedarf bei der Verkehrsinfrastruktur. Beispiel die A1 bei Leverkusen. Seit vielen Jahren ist die marode Autobahnbrücke über dem Rhein ein Nadelöhr. Pendler stehen auf der Brücke im Dauerstau.
    Lkw werden umgeleitet. Helmut Schmitz, Speditionsunternehmer aus Pulheim bei Köln, steht mit seinem Fahrer Thomas an der Deutschlandkarte in seinem Büro und plant die nächsten Routen. Genervt berechnet er die Kilometer der nächsten Speditionsfahrt. „Seit Jahren ist die Rheinbrücke wegen Einsturzgefahr für Lkw gesperrt. Das heißt, wir müssen dieses Verkehrsnadelöhr weitläufig umfahren. Wie viel Zeit und Geld mich das kostet, interessiert keinen!“ Rund 10 000 Euro kosten Schmitz die Umfahrungen und der Mehraufwand pro Monat.
    „Diese Dauerbaustelle ist für mich schlichtweg geschäftsschädigend!“ Auch Matthias Spengler ist hinsichtlich der nicht endenden Baustelle fassungslos. Er sowie 18 000 weitere Menschen aus der Region arbeiten bei den Ford-Werken direkt an der A1. Und er steht jeden Morgen und Abend auf der Brücke im Stau, denn wie die meisten seiner Kollegen pendelt er mit dem Auto: „Hier herrscht eigentlich rund um die Uhr Chaos. Ein täglicher Wahnsinn.“ Wie viele Leverkusener kritisiert Matthias nicht nur die Bauumstände, sondern das komplette Projekt: „Anstelle Millionen in dieses Pfuschprojekt zu stecken, hätte man lieber in eine zukunftsorientierte Tunnellösung investieren sollen!“ Wie bei so vielen Autobahnbaustellen in Deutschland ist ein Ende erst mal nicht in Sicht.
    Das Land Nordrhein-Westfalen hatte der bisherigen Baufirma gekündigt, weil sie mangelhaften Stahl aus China bestellt hatte. Jetzt soll eine neue Baufirma ihr Glück versuchen. Die geplanten Kosten haben sich mittlerweile verdoppelt.
    Auch in den Innenstädten gibt es Ärger mit dem Verkehr. Zum Beispiel in Esslingen in Baden-Württemberg. Wie viele Esslinger radelt Christian Henkel mit seiner kleinen Tochter im Anhänger täglich durch die Stadt zur Kita – und dabei auch über die Pliensaubrücke. Nach 13 Monaten Sanierung wurde die historische Fahrradbrücke im April 2020 wiedereröffnet und im August wieder geschlossen, da die Brüstung zu niedrig ist. „Da werden drei Millionen investiert, und dann passiert so ein Skandal!“, empört sich Henkel.
    Doch nicht nur die Esslinger Radfahrer leiden im Verkehr. Sabine Riedl ist ambulante Altenpflegerin und täglich mit dem Auto in der Stadt unterwegs. „Ich wohne außerhalb und arbeite in der Stadt. Bei meinen Touren plane ich für Staus und Umwege inzwischen jeden Tag
    mindestens eine Stunde zusätzlichen Puffer ein. Zeit, die mir niemand bezahlt.“ Im Schritttempo passiert sie mit zig anderen Pendlern die Adenauerbrücke. Hier wurde aus Sicherheitsbedenken das Tempo auf 30 km/​h gedrosselt. Zwischenzeitlich war die Brücke ganz gesperrt.
    „Da ist diese wichtige Zubringerbrücke nicht mehr sicher, und die planen jetzt eine Sanierung ab 2024. Dieses Chaos geht jetzt also noch über Jahre. Das ist doch einfach nicht zu glauben!“ Wer von Auto auf die Bahn umsteigen will, dem geht es kaum besser. In Deutschland sind 123 wichtige Städte und Gemeinden nicht an den Personenverkehr der Bahn angebunden. Mit der Neubelebung stillgelegter Eisenbahnstrecken könnten mehr als drei Millionen Menschen wieder ans Schienennetz angebunden werden.
    Laut einer „Reaktivierungsliste“ vom „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV)“ und der „Allianz pro Schiene e.V.“ lassen sich 238 Strecken mit insgesamt 4016 Kilometern Länge wieder nutzen. Beispiel, der Regionalverkehr rund um Bad Sulza in Thüringen. Ende 2017 wurde die Bahnstrecke zwischen Buttstädt und Großheringen geschlossen. Seitdem braucht Elke Jung doppelt solange zur Arbeit. „Vor vier Jahren war das noch so einfach. Ich bin hier im Ort in Bad Sulza eingestiegen, einmal umsteigen in Großheringen, und dann war ich in 30 Minuten in Jena.
    Jetzt muss ich erst in den Westen nach Weimar.“ Auch wirtschaftlich haben Gewerbe in der Region durch die Stilllegung der Strecke Nachteile. Marion Schneider von der Therme in Bad Sulza sagt: „Wir haben eine Umfrage gemacht. Seit der Stilllegung haben wir hier im Bad wesentlich weniger Besucher aus Jena. Vielen ist es einfach zu umständlich, hierher zu kommen.“ Viele Städte und Gemeinden in Deutschland kämpfen um den Anschluss. Ganze Stadtviertel verfallen, die Kassen der Kämmerer sind leer.
    Wichtige soziale Einrichtungen wie Schulen oder Schwimmbäder werden nur mühsam oder gar nicht mehr instand gesetzt. Und in vielen Fußgängerzonen sieht es auch trostlos aus. Geschäfte stehen leer, Plätze sind verwaist oder laden nicht zum Verweilen ein. Auch Oldenburg litt wie viele andere Städte unter dem Leerstand in der Innenstadt. Besonders das ehemalige Hertie-Gebäude stand lange Zeit leer. Dann haben sich die Unternehmer der Stadt zusammengetan und in dem Gebäude im Zentrum das Core-Projekt gestartet.
    „Der klassische Einzelhandel hat keine Zukunft mehr, das lockt die Menschen nicht mehr an. Das zeigt sich jetzt mehr denn je. Wir wollten für alle Oldenburger einen Ort für Innovation, Arbeit, Gastronomie und Erlebnis schaffen“, erklärt Projektleiterin Lisa Bürger. „Wir haben hier im Zentrum jetzt einen Ort des Zusammenkommens, der die Leute, auch Unternehmer, wieder in die Innenstadt lockt.“ Das Projekt wird von vielen lokalen Unternehmern finanziell unterstützt. Auch über 100 Oldenburger haben sich bisher per Crowdinvesting an dem Projekt beteiligt. Eine „ZDF.reportage“, die zeigt, wo Deutschland es einfach besser machen kann. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereSo 16.05.2021ZDFDeutsche Online-PremiereFr 14.05.2021ZDFmediathek

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Do 08.07.2021
18:45–19:15
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Mo 14.06.2021
21:45–22:15
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Mo 14.06.2021
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Mo 17.05.2021
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So 16.05.2021
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17:55–
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