Folge 420

  • Hochburg des Freihandels – Speicherstadt und Chilehaus in Hamburg (Deutschland)

    Folge 420 (15 Min.)
    Blick auf das Kehrwiederfleet in Hamburg. – Bild: BR/​SWR/​Martin Thomas
    Blick auf das Kehrwiederfleet in Hamburg.
    Seit Juni 2015 trägt die 1888 als größtes Lagerhausensemble der Welt erbaute Speicherstadt mit benachbartem „Chile Haus“ das Etikett UNESCO-Weltkulturerbe. Den Freihafenstatus ringt die Hansestadt 1881 Reichskanzler Bismarck ab. In nur sechs Jahren stampfen die Hamburger das größte Lagerhausensemble der Welt aus dem Boden. Dafür muss ein ganzer Stadtteil weichen, knapp 20 000 Menschen werden vertrieben. Im Schutz des Kaiserreichs blüht der Handel auf. Die Hansestadt steigt bis zu Beginn des Ersten Weltkrieges nach London, New York und Rotterdam in die Liga der bedeutendsten Häfen der Welt auf.
    Lange gilt die Keimzelle des Hamburger Hafens als Monument der ruhmreichen Geschichte von hanseatischem Kaufmannsgeist und feinen Profiten in einer Stadt, die bis heute die meisten Millionäre des Landes zählt. Dass dieses rapide Wachstum nicht nur der Speicherstadt zu verdanken ist, sondern vor allem der von hanseatischen Kaufleuten angestoßenen rigorosen deutschen Kolonialpolitik, wird bis heute gerne unterschlagen.
    „Im Kern“, so der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer, „ging es in Hamburg immer nur ums Geld, das zu großen Teilen aus der Landnahme auf dem Schwarzen Kontinent stammte.“ Reparationszahlungen nach dem Ersten Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise dämpfen den hanseatischen Kaufmannsgeist. Der Zahlungsverkehr läuft fast nur über Devisen, die täglich neu eingetauscht werden müssen. Dennoch beschließen die Hamburger, das bereits abgerissene „Gängeviertel“ gegenüber der Speicherstadt neu zu bebauen.
    Devisen sind gefragt. In diese Bresche springt der reichste Hamburger Kaufmann seiner Zeit: Henry Brarens Sloman, der mit dem Handel von Salpeter aus Chile ein Vermögen machte. Sloman beauftragt Fritz Höger, einen Absolventen der Hamburger Baugewerbeschule, mit Planung und Bauausführung des ersten „Hamburger Wolkenkratzers“. Kaum ist das „Chile Haus“ an Hamburgs Fischertwiete 1924 eingeweiht, nimmt es als „Ikone des Backsteinexpressionismus“ einen prominenten Platz in der Architekturgeschichte ein.
    Für Chile Haus und Speicherstadt ist der zweite Weltkrieg eine Zäsur. Während Slomans Chile Haus die Bombardements der Alliierten nahezu unbeschadet übersteht, überleben bis Kriegsende von 100
    Speichern nur 58 die Hamburger Bombennächte. Bereits kurz nach Kriegsende beauftragt die „Hamburger Hafen- und Lagerhaus-AG“ den jungen Altonaer Architekten Werner Kallmorgen mit dem Wiederaufbau der Speicherstadt. Materialknappheit zwingt den Architekten zu puristischen Lösungen: er baut mit Trümmersteinen auf Resten des zerbombten Areals, roter Backstein für die Fassaden und grüner Kupfer für sämtliche Bedachungen.
    Neben Reparaturarbeiten errichtet Kallmorgen bis 1967 fünf moderne Bürogebäude und schafft mit dem neuen Kaispeicher A, heute der Sockel der Elbphilharmonie, ein Wahrzeichen für den Hafen. Bis Anfang der 1970er-Jahre beherbergen die wieder aufgebauten Speicherblöcke bis zu 25 000 Hafen- und Lagerarbeiter.
    Erst als der Schutenverkehr auf den Fleeten durch LKW abgelöst und der Handel auf Containertransport umgestellt wird, haben Quartiersmänner, Schauerleute, Winschmänner, Wäger, Tallymänner, Ewerführer und Küper ausgedient. Die einst umsatzstarken Tee- und Kaffeekontore ziehen ins Hamburger Umland, ebenso Gewürz-, Speiseöl- und Textilhandel. Was bleibt ist neben einigen Teppichhändlern wenig mehr als Folklore. 2003 werden die Zollgrenzen eingeschränkt und Anfang 2013 verliert die Speicherstadt auf Antrag des Hamburger Senats schließlich vollständig ihren Freihafenstatus und dadurch den entscheidenden Teil ihres ursprünglichen Zwecks.
    Um einem Totalabriss vorzubeugen, soll das einstige „Reich der Backsteingotik“ möglichst attraktiv bleiben: als Milieugeber für die angrenzende HafenCity, einem gigantischen Neubauprojekt mit sündhaft teurem Wohnraum. Die Seele der alten Speicherstadt hingegen habe sich verflüchtigt, glaubt man einigen längst pensionierten Speicherarbeiter.
    Geblieben seien lediglich Fassaden für Agenturen, Theater, Kneipen und Souvenirläden. Dass zumindest die architektonische Substanz dieses weltweit einzigartigen Ensembles erhalten bleibt, dafür sorgen rigide Auflagen des Denkmalamtes und seit Juni 2015 das Etikett „UNESCO-Weltkulturerbe“. Die Fassaden bleiben rot, die Dächer grün, auch beim ersten Speicherstadt-Hotel, das im Februar 2014 eröffnet hat. Man darf die kulissenstarke Heraufbeschwörung einer Arbeitswelt von gestern Erfolg nennen oder, der Geschichte des hanseatischen Kaufmannsgeistes folgend, „feinen Profit“. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.01.20173sat
    Erstausstrahlung laut SWR-Liste: 19.02.2017

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