bisher 79 Folgen, Folge 41–60

  • Folge 41 (45 Min.)
    Francis Fukuyama zu Gast bei Richard David Precht: der prominente US-Politikwissenschaftler warnt vor der Bedrohung des Populismus. Fukuyama glaubte nach dem Ende des Ostblocks an den endgültigen Sieg unserer Demokratien und verkündete das „Ende der Geschichte“. Aber müsste man heute nicht eher vom Ende der liberalen Demokratien sprechen? Jeder denkt nur noch an sich und kaum jemand sichert das Gemeinwohl und den Zusammenhalt. Hat die Idee des Nationalstaats ausgespielt, weil nur noch aggressive Nationalisten und Populisten sie verteidigen, das fragt Richard David Precht seinen Gast Francis Fukuyama.
    Oder können Nationen auch in Zukunft eine demokratische, alle Bürger vereinende Identität stiften? Mit seinem gerade erschienenen Buch „Identität“ bietet Fukuyama eine neue, eher psychologische Erklärung für den gegenwärtig um sich greifenden Populismus an. Was unsere Gesellschaft im Innersten zusammenhält, ist zu einer der dringendsten Fragen unserer Zeit geworden. Der globalisierte Kapitalismus und die Fixierung der Menschen auf ihre eigenen individuellen Bedürfnisse haben dazu geführt, dass die Gesellschaften sich hinter Gesinnungen, Ethnien, Religionsgemeinschaften oder Gendergroups versammeln, um die eigenen Privilegien gegen Bedrohungen von außen zu verteidigen, so Precht.
    Akteure wie Trump oder Orban, Vorgänge wie der Brexit oder die neu entfachten Auseinandersetzungen um Zölle und geschlossene Grenzen beschwören die hässliche Seite des Nationalismus. Da verwundert es umso mehr, dass Fukuyama die Idee der Nation nicht folgerichtig verteufelt, sondern gerade in der Stärkung eines demokratischen Nationalgefühls das Gegenmittel zum Populismus entdeckt zu haben glaubt.
    Fukuyama plädiert für eine offene Nation, in der alle Platz haben, in der aber auch alle sich vorbehaltlos hinter den Staat und seine Verfassung stellen, sowie gemeinsame Werte teilen sollten. Vor allem anderen, so Fukuyma, sehne sich der Mensch nach Anerkennung und einer greifbaren Identität. In Anlehnung an Platon interpretiert er die Empörung von Trump-Wählern, Pegida-Anhängern oder Brexit-Befürwortern als eine Reaktion auf den Verlust der eigenen Identität.
    Es sei weniger die soziale Ungleichheit oder der kaltherzige Neoliberalismus, der die Menschen gegeneinander aufbringe, als der Verlust der eigenen Würde, schreibt Fukuyama. Ganze Bevölkerungsschichten fühlten sich von der etablierten Politik nicht beachtet und nahezu „unsichtbar“. Bürgerinnen und Bürger, die um ihren Mittelschichtsstatus fürchteten. Doch ist diese Identitätskrise, so hält Richard David Precht dagegen, nicht eben nur das Symptom eines alles fressenden Turbokapitalismus? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 31.03.2019 ZDF
  • Folge 42 (45 Min.)
    Über Jahrhunderte hinweg glaubten Gesellschaften an eine permanente Höherentwicklung durch Fortschritt. Richard David Precht und sein Gast, die Schriftstellerin Juli Zeh, stellen aber fest: Trotz wachsender Wirtschaft und mehr Konsum werden die Menschen nicht glücklicher. Bei allem Wohlstand und aller Freiheit, die in den westlichen Industriegesellschaften erreicht wurden, scheint inzwischen ein Endpunkt erreicht zu sein: Wachstum und Wohlstand garantieren anscheinend nicht mehr Zufriedenheit, sie kommen auch selbst allmählich an ihre Grenzen. Stattdessen nimmt die Gereiztheit zu, der Stress im Alltag ebenso wie die öffentlich gezeigte Wut über die Politik.
    Woran liegt das? Gibt es Grenzen des Glücklichseins, genügen wir uns selbst nicht mehr? Diese Fragen stellt Richard David Precht der Bestsellerautorin und Juristin Juli Zeh. Glück scheint an einem bestimmten Punkt nicht dauerhaft steigerungsfähig zu sein. Woran liegt das? Warum sind viele Menschen nicht dankbarer, trotz des hohen Lebensstandards in unseren liberalen Demokratien, sondern haben permanent schlechte Laune? Warum scheint die Formel „Fortschritt bedeutet Glück“ einfach nicht aufzugehen? Und was berechtigt die Gesellschaft überhaupt zu dieser auch besonders offensiv im Internet postulierten Anspruchshaltung, dass einem immer das Beste und das Günstigste zusteht? Die Gesellschaft erhebt den Anspruch darauf, immer größere Ansprüche haben zu dürfen: Soziologen und Psychologen reden heute von „Entitlement“.
    Liegt dies im Menschen selbst begründet, oder zeigen wir diese Frustrationsintoleranz, weil wir immer stärker vom Konsum- und Wachstumsdenken beherrscht werden? Der Siegeszug des Individualismus sei daran schuld, so Precht, dass man lieber seine eigene Einzigartigkeit zelebriere, sich in Selfies inszeniere und den persönlichen Vorteil im Auge habe, als über die Notwendigkeiten einer besseren Gesellschaft nachzudenken.
    In der Antike war das Glück noch fest an das gesellschaftliche Leben gekoppelt. Nur in der Tugendhaftigkeit gegenüber der Gemeinschaft findet nach Aristoteles der Mensch seine Erfüllung. Das Glück liegt für ihn nicht in der Erfüllung von Bedürfnissen, sondern im „tätigen Sein“. Wir sollten uns wieder mehr für das Gemeinwohl aller mitverantwortlich fühlen, anstatt sich zwischen Selfie-Manie und Wutbürgertum gegenseitig aufzureiben, fordert Precht. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 28.04.2019 ZDF
  • Folge 43 (45 Min.)
    Mehr denn je sieht der Westen in Putins Russland eine Gefahr für seine Sicherheit. Er reagiert mit Misstrauen und Sanktionen auf Putins expansive Politik. Horst Teltschik, der ehemalige Sicherheitsberater Helmut Kohls, warnt jedoch davor, Russland zu isolieren. Richard David Precht fragt ihn: Droht ein neuer Kalter Krieg? Der Westen sieht Putin als destabilisierenden, undemokratischen Despoten und daher als eine Gefahr für seine Sicherheit an. Er verweist auf den Krieg in der Ostukraine, die Krim-Besetzung, die Unterstützung für Assad in Syrien, die vermutete Beseitigung von Kritikern und die mutmaßliche Manipulation der Wahlen in den USA.
    Die Lage ist ernst: Spätestens seit der Aufkündigung des INF-Vertrages über ein Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen droht der Welt ein neues Wettrüsten. Wie aber lässt sich das „Russische Roulette“ zwischen Russland und dem Westen verhindern, fragt Richard David Precht seinen Gast Horst Teltschik, den ehemaligen außenpolitischen Berater Helmut Kohls. Vor allem könne man heute, so Precht, wohl kaum mehr von einer ideologischen Front sprechen. Putin sei kein Kommunist mehr. Seine Politik des starken Mannes finde sogar vermehrt Anerkennung bei rechtspopulistischen Gruppierungen.
    Eine viel größere, wirtschaftliche Bedrohung stelle heute doch China dar. Eine Kriegsgefahr, attestiert Teltschik, gehe von Russland nicht aus. Andererseits fühle sich Putin durch die Nato-Osterweiterung bedroht. Es fehle gerade der gegenwärtigen Regierung Merkel an genügend Einsicht in die Notwendigkeit, Russland in das Europa der Zukunft mit einzubinden. Dies wäre gerade angesichts der destruktiven Europa- und Außenpolitik eines Donald Trumps dringender erforderlich als je zuvor, so Teltschik.
    Nichtsdestotrotz hat sich Putin durch den Ukraine-Konflikt, die vermutete internationale Cyber-Offensive oder seinen Umgang mit Kritikern in den Augen des Westens moralisch ins Abseits gestellt. Für Precht wirft dieser Konflikt daher auch die Frage auf, in wieweit sich Moral und Politik gegenseitig durchdringen. Oder ist Moral letztlich nur eine Spielkarte der Interessenspolitik? Wenn er etwas in seiner Zeit als außenpolitischer Berater gelernt habe, so Horst Teltschik, dann die absolute Notwendigkeit, trotz aller Differenz der Werte und Moralvorstellungen, im konstruktiven Dialog zu bleiben. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 30.06.2019 ZDF
  • Folge 44 (40 Min.)
    Streiken für den Klimaschutz: Was als Einzelaktion der Schwedin Greta Thunberg begann, breitete sich innerhalb von wenigen Monaten über den ganzen Erdball aus. „Fridays for Future“ bringt das Klima auf die politische Tagesordnung, aber verändert die junge Generation auch das Bewusstsein der Bundesbürger? Darüber spricht Richard David Precht mit der Klima-Aktivistin Carla Reemtsma. „Fridays for Future“ sorgt weltweit für Furore. Zwar beeilen sich plötzlich Politiker aller Parteien, das Klima-Thema auf die Agenda zu setzen, doch die meisten Menschen in politischen Ämtern sind nicht nur jenseits der 50, sondern sie vertreten auch andere Werte als die „Generation Thunberg“.
    Die alten Argumente von Wachstum, Beschäftigung und Fortschritt prallen auf eine ganz existenzielle Angst der jungen Leute um die eigene Zukunft, so Richard David Precht. Wie aber wollen die Schülerinnen und Schüler und die Studierenden den Teufelskreis von ökonomischen Notwendigkeiten und den daraus resultierenden Klimabelastungen durchbrechen? Das fragt Precht die 21-jährige Klima-Aktivistin Carla Reemtsma von „Fridays for Future“.
    Führt der Weg der Aktivisten durch die etablierten Instanzen und Parteien? Brauchen sie eine eigene Partei? Sind sie überhaupt noch gewillt, die eingefahrenen politischen Konventionen zu akzeptieren, oder bleibt ihnen am Ende nur der zivile Ungehorsam, um der Dringlichkeit ihrer Forderungen gerecht zu werden? Kritiker der Schülerproteste, wie FDP-Chef Christian Lindner oder Ulf Poschardt von der „Welt“ empörten sich unlängst über den moralischen Zeigefinder, mit dem die Klima-Aktivisten sich in Szene setzen würden.
    Precht diskutiert mit Carla Reemtsma auch über das moralische Bewusstsein der jungen Generation. Braucht es moralischen Druck und das schlechte Gewissen des Vielfliegers, um das Klima zu retten? Oder hat Moral in der Politik nichts zu suchen? Kann die „Fridays for Future“-Bewegung das Bewusstsein der Mehrheit der Bundesbürger tatsächlich verändern, denen beispielweise der Erhalt ihrer Arbeitsplätze in den Kohleregionen immer noch näher geht als die abschmelzenden Gletscher in der Arktis? Und was ist mit dem klimaschädlichen Konsum der jungen Generation selbst, fragt Richard David Precht, die sich eine Welt ohne günstige Fernreisen, Smartphones und Kommunikation in den sozialen Netzwerken nicht mehr vorstellen kann? Wie konsequent wird ihr Verzicht sein, wenn in einigen Jahren der CO2-Ausstoß durch digitale Daten höher sein wird als durch den Flugverkehr? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 15.09.2019 ZDF
  • Folge 45 (45 Min.)
    Das Zeitalter der Künstlichen Intelligenz hat längst begonnen. Selbstlernende Maschinen gehören schon zum Alltag. Und sie werden immer perfekter. Wie wird diese Technologie unsere Zivilisation verändern? Werden Menschen und Maschinen verschmelzen und sich zu Übermenschen entwickeln? Darauf gibt KI-Pionier Professor Jürgen Schmidhuber Antworten. Die Verheißungen der KI-Forschung sind verlockend. Maschinen, die bisher nur schwere körperliche Arbeit oder mühselige Rechenprozesse erledigen, werden bald für die Menschen denken und Entscheidungen treffen.
    Vom autonomen Fahren und der Spracherkennung über medizinische Diagnosen bis hin zu künstlich geschaffenen Gehirnen – bei vielen Aufgaben, bei welchen bisher allein Menschen gefordert waren, deren Intelligenz, Moral oder Gefühle, soll dies in Zukunft von selbst denkender Software übernommen werden. Werden wir dadurch freier, fragt Richard David Precht, oder doch eher überflüssiger? Was wird aus der Demokratie, wenn KI-Systeme in mehr und mehr Bereiche eindringen? KI-Rechner geben „Lösungen“ vor, aber sie haben für diese Lösungen keine Gründe.
    Stattdessen handele es sich um Ergebnisse statistischer Korrelationen, so Precht. Entscheidungen, die keine Gründe kennen, sind aber nicht demokratisch. Worauf läuft das hinaus? Auf strenge Grenzen für den Einsatz von KI, oder auf das Ende der Demokratie? Diese Fragen diskutiert er mit dem Informatiker und führenden KI-Forscher Professor Jürgen Schmidhuber. Was, wenn schließlich eine Künstliche Superintelligenz erschaffen wird, fragte Precht seinen Gast, die nicht nur universell operieren kann, sondern auch intelligenter als wir Menschen ist? Und wollen autonom denkende Maschinen überhaupt noch im menschlichen Sinne vernünftig und gerecht sein? Oder werden sie ihre eigene Logik anwenden und den Menschen irgendwann ausmustern? Die Frage nach den Chancen und Gefahren von Künstlicher Intelligenz zwingen uns letztendlich dazu, über uns selbst nachzudenken, sagt Precht.
    Welche Bedeutung hätte das menschliche Bewusstsein, die menschliche Seele, in einer Welt, die zunehmend von Künstlicher Intelligenz gesteuert wird: Eine schöne neue Welt? Oder das Ende der Menschheit? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 20.10.2019 ZDF
  • Folge 46 (45 Min.)
    30 Jahre nach dem Mauerfall ist Deutschland in vielerlei Hinsicht noch immer ein geteiltes Land. Die Wiedervereinigung wurde für die einen zum Traum, für andere eher zum Trauma. Lebensgefühl und Weltsicht scheinen sich immer noch zu unterscheiden. Woran liegt das? Richard David Precht erkundet zusammen mit dem in Dresden geborenen Schriftsteller Ingo Schulze die deutsche Seelenlage. Noch immer unterscheidet man „Wessis“ von „Ossis“, und aktuelle Umfragen bestätigen: Nur 43 Prozent der Westdeutschen und 35 Prozent der Ostdeutschen finden, dass Deutschland seit der Wiedervereinigung zu einer Nation zusammengewachsen ist.
    Auch drei Jahrzehnte später sind die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern höher, die Einkommen niedriger als im Westen. Die sogenannte Wende habe er als Beitritt empfunden und nicht als Begegnung ebenbürtiger Partner, sagt Ingo Schulze, der wie kaum ein anderer Schriftsteller die Wendezeit zum Thema seiner Romane gemacht hat. Die Selbstbefreiung des Ostens sei als Sieg des Westens gefeiert worden.
    Das habe das Selbstverständnis der Ostdeutschen nachhaltig beeinträchtigt. Schulze beklagt zudem die zunehmende Ökonomisierung in allen Lebensbereichen. Doch gerade die öffentliche Hand könne einen wichtigen Beitrag zum Zusammenhalt einer Gesellschaft leisten. Statt einer marktkonformen Demokratie, wie es Angela Merkel einst formulierte, fordert Schulze demokratiekonforme Märkte. Hätte die Wiedervereinigung denn anders verlaufen können? Vor allem im Osten haben wir es heute, so Precht, mit einer Misstrauenskultur gegenüber der Politik und Gesellschaft zu tun, die immer stärker anwächst.
    Welche Fehler sind damals gemacht worden? Wie erklärt sich Schulze den wachsenden Rechtspopulismus im Osten? Welche Veränderungsprozesse wurden in den alten Bundesländern versäumt? Und warum fällt es vielen Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern 30 Jahre nach dem Rausch der friedlichen Revolution von 1989 so schwer, eine positive gesamtdeutsche Zukunftsvision zu entwickeln? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 24.11.2019 ZDF
  • Folge 47 (45 Min.)
    Industriegesellschaften verbrauchen zu viel, vernichten zu viel Lebensraum, blasen zu viel CO2 in die Luft. Und doch scheint sich die Wirtschaftsweise nicht fundamental zu ändern. Wie sind Ökonomie und Ökologie angesichts des Klimawandels in Einklang zu bekommen? Gibt es Anlass zur Hoffnung? Das fragt Richard David Precht die Politökonomin Prof. Maja Göpel, Mitglied bei Scientists for Future. Nicht nur Umweltaktivisten, sondern auch renommierte Ökonomen fordern, dass unsere Gesellschaften ihr Wirtschaftssystem grundlegend hinterfragen müssen.
    Sind sie dem Dogma ewigen Wachstums für immer ausgeliefert, fragt Richard David Precht seinen Gast Prof. Maja Göpel, die Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen. Ist das Bruttoinlandsprodukt tatsächlich ein sinnvoller Indikator dafür, wie glücklich und zufrieden wir leben, fragt Precht. Oder können wir nachhaltig, Ressourcen-schonend und trotzdem erfolgreich wirtschaften? Vor allem: Wie viele Opfer sind die Menschen bereit zu bringen, wenn es um den gewohnten Konsum, den Lifestyle und die Mobilität geht? Precht und Göpel diskutieren die Frage, ob man sich dabei auf die Einsicht des einzelnen Bürgers verlassen könne oder ob am Ende doch nur Verbote helfen, wie es etwa beim Rauchverbot erfolgreich funktioniert hat.
    Maja Göpel meint, dass man um Verbote im Sinne einer wirtschaftlichen Nachhaltigkeit möglicherweise nicht herumkommen werde. Doch sie hofft auch auf den Synergieeffekt all jener kleinen Projekte, die schon heute beweisen, wie man in Einklang mit der Natur wirtschaften könne. Precht hält dagegen, dass uns die Zeit davonlaufe.
    Genügt es, so fragt er, angesichts der Dringlichkeit die Gewohnheiten der Menschen geduldig verändern zu wollen, oder braucht man einen einschneidenden Ausweg aus dem Systemzwang? Und welche der vielen angedachten Strategien hätten das Potenzial, das Dilemma zwischen immer mehr Verbrauch und Konsum auf der einen und der Ausbeutung und Zerstörung unserer Erde auf der anderen Seite aufzulösen? Was sowohl Göpel als auch Precht Hoffnung macht, ist ein Beispiel aus der Geschichte. Schon einmal gelang es erfolgreich, ein aus den Fugen geratenes Wirtschaftssystem entscheidend umzubauen, als der ausbeuterische Manchesterkapitalismus des 19. Jahrhunderts in die Soziale Marktwirtschaft des 20. Jahrhunderts transformiert wurde.
    Wird es also auch diesmal gelingen? Prof. Göpel plädiert dafür, eine neue Rechnung aufzumachen und mit einer grundlegend veränderten Steuerpolitik Anreize zur Klimaneutralität zu schaffen. Sie fordert, dass unsere Gesellschaft und Wirtschaft bis 2035 klimaneutral sein müsse. Zur Erreichung dieses Ziels tauge das traditionelle Wachstums-Dogma unserer Marktwirtschaft allerdings nicht mehr. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 15.03.2020 ZDF
  • Folge 48 (45 Min.)
    Nach Corona wird alles anders sein als vorher – diese Annahme hört man derzeit oft. Doch stimmt sie? Was genau verändert sich, wenn die Pandemie überwunden sein wird? Wie Corona die Gesellschaft, die Wirtschaft und das Verhalten der Menschen in Zukunft beeinflussen wird, darüber spricht Richard David Precht mit dem Soziologen Prof. Dr. Andreas Reckwitz, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Nichts wird mehr so sein wie vor Corona, meinen viele – und manche fürchten es. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind derzeit noch nicht absehbar.
    Eine besondere Herausforderung müsse das Risikomanagement der Regierungen bestehen, meint Andreas Reckwitz, der von Politikern und Politikerinnen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gelesen wird. Beim Abwägen zwischen allgemeinem Gesundheitsschutz und dem Grundrecht des Einzelnen auf freie Entfaltung stehe man immer vor einem schwer lösbaren Dilemma. Und wie groß werde der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik in Zukunft sein, fragt Reckwitz. Der Fortschrittsglaube, der unser System bisher immer höher und immer weiter tragen sollte, stoße durch die Corona-Krise endgültig an seine Grenzen, sagt Richard David Precht.
    Das Vertrauen und die Zuversicht in stetiges Wachstum, Globalisierung und eine deregulierte Wirtschaft schwinde. Ein Kontrollverlust der Systeme werde spürbar und verunsichere vor allem die hoch entwickelten Gesellschaften. Zudem werfe die Corona-Krise den Menschen auch auf seine biologische Existenz zurück. Wir sind zerbrechlich und merken jetzt wieder, dass wir doch mehr mit den Tieren verwandt sind als mit unseren Smartphones, kommentiert Precht.
    Möglicherweise, so Andreas Reckwitz, wird sich unser Fortschrittsbegriff durch die aktuellen Ereignisse ja auch verändern, hin zu einem Fortschritt des Weniger, der Nachhaltigkeit und der Besinnung auf das Wesentliche. Zugleich müsse man aber auch an die sozialen und wirtschaftlichen Verheerungen der Pandemie denken. Reckwitz prognostiziert, dass dem Staat in Zukunft wieder mehr regulierende Verantwortung zufallen werde. Wird Corona am Ende lehren, fragt Precht, wieder mehr als Gesellschaft zu fühlen und weniger als egoistisches Individuum? Wird es vor allem der Politik gelingen, notwendige Kurskorrekturen rechtzeitig in Angriff zu nehmen? Precht und sein Gast Andreas Reckwitz konstatieren, dass durch diese biologische Katastrophe nun endgültig begreifbar sei, dass nun auch der Klimakrise mit dem dringend erforderlichen Ernst begegnet werden müsse.
    Oder schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung aus, und die Gesellschaft wird eine Zeit der Abschottung, Selbstbezogenheit und eines grassierenden Populismus erleben? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 24.05.2020 ZDF
  • Folge 49 (45 Min.)
    In der Corona-Krise vertrauen die Bürger mehrheitlich auf die politischen Kräfte der Mitte. Erleben wir eine Renaissance des Konservatismus? Die CDU ist im Aufwind, konservative Werte finden sich auch in den anderen Parteien. Wie modern heute Konservativ sein kann, darüber spricht Richard David Precht mit Diana Kinnert, Publizistin und CDU-Mitglied. Nicht nur die CDU ist im Aufwind, auch in vielen anderen Ländern setzen sich konservative, immer häufiger auch erzkonservative Parteien, Politiker und Politikerinnen durch.
    Wie aber vertragen sich Traditionsbewusstsein und konservative Werte mit einer immer rasanteren Globalisierung bei gleichzeitiger Zersplitterung der Gesellschaft?, fragt Richard David Precht. Kann ein moderner Konservatismus die massiven Umwälzungen bewältigen, die uns in Zukunft bevorstehen? Diana Kinnert, die schon mit 17 in die CDU eintrat, strebt einen „modernen Konservatismus“ an, dem es gelingen soll, wieder alle Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, und der unser Land zukunftsfähig machen soll.
    Sie plädiert für eine Realpolitik ohne ideologische Bevormundung. Dafür müssten die bestehenden konservativen Grundprinzipien lediglich an eine sich verändernde Gegenwart angepasst werden. Aber, fragt Precht, kann ein „moderner Konservatismus“ die massiven Umwälzungen bewältigen, die uns in naher Zukunft bevorstehen? Grundlegende Reformen und gesellschaftspolitische Innovationen gehörten nicht gerade zum Markenkern der CDU. Konservatismus zeichne sich gemäß seines Vordenkers, dem Staatsphilosophen Edmund Burke, doch gerade dadurch aus, dass er auf überlieferte Institutionen und Gebräuche setzt und nicht auf radikale Neuerungen.
    Als Digital Native weiß Diana Kinnert um die immer heterogener gewordene Gesellschaft, die sich ihre Meinung aus den sozialen Medien holt. Vor allem die junge Generation engagiere sich ehedem lieber in ganz konkreten politischen Initiativen, als gleich einer bestimmten Partei beizutreten, so Kinnert. Sie glaube aber, dass dennoch ein verbindender Wertekanon gefunden werden kann, der konservative Politik wieder für alle akzeptierbar macht.
    Richard David Precht erkennt in Kinnerts Vision allerdings schwer auflösbare Widersprüche. Bei vielen Themen, wie etwa Klimaschutz, Globalisierung, Migration und pluralistische Gesellschaft, bediene sich Kinnert doch eigentlich aus den Programmen der Grünen und Linksliberalen. Kann sie ihre Partei überhaupt von einer Strategie überzeugen, die sich im Grunde das Beste aus anderen politischen Richtungen herauspicken möchte? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 05.07.2020 ZDF
  • Folge 50 (45 Min.)
    Mit dem YouTube-Star Rezo spricht Precht über die Zukunft des Journalismus. Informierten sich die Menschen früher aus wenigen Massenmedien und den Publikationen großer Verlagshäuser, so bietet das Netz heute eine Fülle an Informationsmöglichkeiten, und Chancen, selbst öffentlich wirksam zu werden. Neue Meinungsmacher treten hervor, BloggerInnen und YouTube-Stars bekommen immer größeren Einfluss. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 20.09.2020 ZDF
  • Folge 51 (45 Min.)
    Kurz vor der Präsidentenwahl in den USA spricht Richard David Precht mit „ZEIT“-Herausgeber Josef Joffe, einem profilierten Kenner Amerikas. Das demokratische System der USA stehe auf dem Spiel. Wie konnte es soweit kommen, dass ein Autokrat wie Donald Trump im Amt ist? Wie stark ist die Demokratie der USA noch? Und wie sieht es in Europa aus? Wer wird gewinnen: Trump oder Biden? Viele fürchten, dass bei vier weiteren Jahren Trump den USA eine noch tiefere Spaltung und offener Rassismus unter der Führung eines Autokraten drohen. Aber wie konnte es im Land mit einer der ältesten Demokratien der Welt so weit kommen? Und was sagt dies über die Stabilität unserer westlichen Demokratien insgesamt aus? Fragen, die Richard David Precht an einen der renommiertesten US-Kenner in Deutschland, Josef Joffe, stellt.
    Gerade durch den populistischen und durch Skandale erschütterten Wahlkampf eines Donald Trump scheinen die Systemfehler der amerikanischen Verfassung deutlicher als je zuvor zutage zu treten. Die Gründerväter von 1776 konnten nicht vorhersehen, dass es 244 Jahre später zu versuchter Wählerunterdrückung, einem politisierten Supreme Court und sogar einer drohenden Nichtanerkennung der Wahl durch den amtierenden Präsidenten kommen könnte.
    Vor allem das indirekte Wahlsystem und der gerade für Afroamerikaner und Afroamerikanerinnen erschwerte Zugang zur Wahlurne werden zum Stolperstein dieser stolzen Demokratie. „Haben es die USA versäumt, ihre Verfassung rechtzeitig an die Herausforderungen der Gegenwart anzupassen?“, fragt Richard David Precht. Sind auch andere Demokratien gefährdet, weil sie sich nicht flexibel genug auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen unserer Zeit einstellen? In einigen Staaten Europas, in Polen und Ungarn beispielsweise – und möglicherweise schon bald in anderen Ländern, sind Populisten und Autokraten an der Macht, die Demokratie und Rechtsstaat auf ihre Weise interpretieren.
    Ist der Fortbestand der westlichen Demokratien gefährdet? Die wirtschaftlichen Rückschläge durch die Globalisierung, Migrationsbewegungen, Elitenbildung und die Herausforderungen der Klimakrise haben die soziale Ungleichheit in der Welt verschärft. Je weniger die Politik mit Lösungen aufwarten kann, umso mehr treibe sie die Menschen in die Arme populistischer Autokraten, so Precht.
    Wo die persönlichen Interessen in den Vordergrund rückten, werde eine Demokratie, die das Gemeinwohl fördert, neuerdings als Bedrohung der eigenen Freiheit empfunden. Eine Verdrehung, die sich gerade in Zeiten einer Pandemie zeigt, wenn auch hierzulande Schutzmaßnahmen gegen das Virus als Angriff auf die persönliche Freiheit angesehen werden. Wie aber kann der Zwiespalt zwischen Freiheitswillen und Gemeinwohl, Machtmissbrauch und Ohnmacht, zwischen Ökonomisierung und Solidarität entschärft werden, damit die Demokratie nicht irreparablen Schaden nimmt? Muss unsere demokratische Grundordnung neu gedacht werden? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 25.10.2020 ZDF
    • Alternativtitel: Utopien - Traum und Albtraum der Menschheit
    Folge 52 (45 Min.)
    Viele sind der Ansicht, dass die Zukunft schlechter sein wird als die Gegenwart. Doch ist für die Herausforderungen unserer Zeit utopisches Denken nicht dringend erforderlich? Mit dem Sozialpsychologen und Bestsellerautor Prof. Harald Welzer geht es um Visionen für eine Gesellschaft im Umbruch, um Wege zu einer sozialen und nachhaltigen Wirtschaft. Da wirken die digitalen Verheißungen aus dem Silicon Valley schon jetzt antiquiert. Das Jahr 2020 hat gelehrt, wie fragil die Menschheit sein kann. Zur Sorge um Arbeitsplätze, um Sicherheit und Klima kam die Angst vor der tödlichen Pandemie hinzu.
    War früher alles besser und übersichtlicher? Viele sehnen sich zurück in die Aufbruchstimmung der 1950er- und 1960er-Jahre oder entwickeln überhaupt keine Zukunftsvisionen mehr. Was, so fragt Richard David Precht, hat das für Konsequenzen für eine Gesellschaft, die ohnehin schon ihren inneren Zusammenhalt einzubüßen beginnt? Harald Welzer meint, unsere westliche Gesellschaft mit dem höchsten Freiheits- und Lebensstandard aller Zeiten habe eigentlich „kein Recht auf Pessimismus“. Aber auch er vermisst Mut machende Visionen.
    Unsere Wirklichkeit sei allerdings höchst komplex geworden, hält Precht dagegen, sodass die Verantwortlichen heute aus Furcht vor Eskalationen zur Stagnation neigten. Alles hängt mit allem zusammen. So halten die einen unbeirrt an Systemen fest, die sich bisher bewährt haben – wie stetiges Wachstum -, während vor allem die Jüngeren erkannt haben, dass gravierende Veränderungen unausweichlich vollzogen werden müssten – wie die Schonung der Resourcen. Das Absurde sei, meint Welzer, dass der Wille zur Veränderung nun möglicherweise durch einen furchterregenden Virus angestoßen werde, und nicht durch ein sich veränderndes Bewusstsein für das zukünftig Notwendige.
    Andererseits fürchtet Precht, dass gerade die Pandemie mit ihren finanziellen Belastungen als Grund dafür herhalten müsse, warum manche ökologische Maßnahme zurzeit gekippt oder verschoben werde. Kommt aus dem Silicon Valley die Rettung? Sicher nicht, sagen Welzer und Precht. Denn eine rein technische Zukunftssicherung nütze am Ende wenig, wenn sich die Gesellschaft selbst nicht weiterentwickelte. Wenn mit den Heilsversprechen der Technik vor allem im Bereich Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz keine entsprechende gesellschaftliche Vision einhergehe, würde das die Gesellschaft weiter spalten.
    Welzer sieht im Technik-Optimismus des Silicon Valley, wo man von der Eroberung des Weltalls träumt, statt sich um die irdischen Probleme zu kümmern, ohnehin eher einen Rückschritt in die 1950er-Jahre. Technik allein helfe nicht weiter. Es müsse daher bei allem utopischen Denken, so Precht, immer vom Menschen, seinen vielfältigen Bedürfnissen und Beziehungen auszugehen sein. Nur so könnten Utopien hilfreich für die Zukunft sein. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-Premiere So. 29.11.2020 ZDF
  • Folge 53 (45 Min.)
    In Zeiten von Corona schränkt der Staat wichtige Grundrechte ein. Die Gesundheit geht vor. Aber darf er das eigentlich? Und wie sieht es mit den Rechten und Pflichten der Bürger*innen aus? Wie ist ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Einzelnen und der Sicherheit des Gemeinwesens überhaupt herstellbar? Darüber diskutiert Richard David Precht mit Wolfgang Kubicki, dem Bundestagsvizepräsidenten und stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP. Lange hieß es vor allem bei den Liberalen: Bitte kein starker Staat, der freie Markt wird’s schon richten. Jetzt aber wird klar, dass mit dem freien Spiel der Kräfte die Corona-Krise nicht zu bewältigen ist.
    Die Verfassung sieht vor, dass Grundrechte in einer Notlage eingeschränkt werden dürfen. Wo endet die Freiheit, und wo beginnen die Pflichten der Bürger*innen? Richard David Precht meint, dass gerade die bürgerliche Bereitschaft, Pflichten und gesamtgesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, zunehmend abgenommen habe. Nicht nur im Hinblick auf die Pandemie, sondern auch angesichts der drohenden Folgen des Klimawandels sei es aber wichtig, die Verantwortung für kommende Generationen zu übernehmen und weniger auf persönliche Freiräume zu bestehen.
    Müssten die Liberalen nicht sogar für mehr Regeln und Verbote sein, um auch künftigen Generationen größtmögliche Freiheiten zu gewährleisten? Wolfgang Kubicki hält dagegen, man müsse versuchen, die Klimaprobleme nicht durch immer neue Einschränkungen, sondern durch neue Technologien zu lösen. Ein Recht auf Freiheit garantiere nicht automatisch, dass alle eine gleiche Chance auf Freiheit hätten, so Precht. Mit besseren ökonomischen und sozialen Voraussetzungen habe man auch bessere Chancen, seine Freiheit auszuschöpfen.
    Ist der Liberalismus nicht zuletzt die Weltanschauung der Privilegierten, die ihre Freiheit behalten und sie gegen allzu viel Staat verteidigen? Kubicki verneint dies, kritisiert aber das Wohlstandsgefälle in der Bundesrepublik. So sei er selbst etwa für eine bessere Bezahlung im Gesundheitswesen und plädiert für eine Obergrenze von Managergehältern. Richard David Precht meint, dass die herrschende Chancengleichheit heute weniger vom Staat, sondern eher durch die wachsende Macht und auch Willkür der internationalen digitalen Großkonzerne bedroht werde.
    Das sei auch für Liberale eine ernste Herausforderung, betont Kubicki. Allerdings sei es unmöglich, hier allein auf nationaler Ebene zu regulieren. Die Probleme der Zukunft, so Kubicki, seien vor allem dann lösbar, wenn nicht der Staat die Bürgerinnen und Bürger bevormunden würde, sondern alle Menschen ihrer Kreativität möglichst frei nachgehen könnten. Allerdings, so Precht, käme es dann wohl sehr darauf an, dass Kreativität gezielt vor allem in Bereichen gefördert würde, die wirklich zukunftsentscheidend seien. Und das sei ohne staatliche Verantwortlichkeit sicherlich nicht zu machen. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 14.03.2021 ZDF
  • Folge 54 (45 Min.)
    Nie war der Rat von Expert*innen gefragter als in diesen Zeiten. Und nie zuvor haben sich politische Entscheidungen stärker auf den Expertenrat gestützt. Wie mächtig sind die Wissenschaftler*innen heute? Und gibt es eigentlich noch die großen moralischen, geistigen Instanzen? Über Moral und Macht in Zeiten des Umbruchs spricht Richard David Precht mit Prof. Alena Buyx, der Vorsitzenden des Deutschen Ethikrates. In der Corona-Pandemie stehen plötzlich Ärzt*innen, Virolog*innen und Ethiker*innen an vorderster Front, und ihre Einschätzungen und Ratschläge bestimmen die Maßnahmen der Politik und den Alltag der Menschen.
    „Ist das gut?“, fragt Richard David Precht, weil nun endlich durch Fachleute wissenschaftlich fundierte Entscheidungen gefunden würden, oder ist die Tendenz zur Expertokratie letztendlich nicht im Sinne unserer Demokratie? „Wer sind gegenwärtig überhaupt die moralischen Instanzen unseres Landes?“, fragt Precht. Sind es tatsächlich noch die Bildungseliten oder längst eher Persönlichkeiten wie Greta Thunberg und die Influencer*innen in den sozialen Medien? Auch Alena Buyx attestiert eine wachsende Komplexität unserer Meinungslandschaft im Gegensatz zu früher.
    Im Ethikrat sieht sie aber eine Instanz, die sich um ein möglichst sachliches und ausgewogenes Bild bemüht. Sie betont die notwendige Wissenschaftlichkeit bei der Suche nach einem moralischen Leitfaden. Precht hält dagegen: Ethik, also das Nachdenken über Moral, sei doch nicht zwingend rein wissenschaftlich zu sehen. Jeder Mensch habe grundsätzlich das Recht und die Befähigung, moralisch zu urteilen. Und wie könnten Ethikräte denn ausschließen, dass auch sie letztendlich nur ihrem subjektiven Empfinden folgten und nicht einer wissenschaftlichen Logik? Gut möglich, meint Precht, dass unsere Gesellschaft sich nicht nur im Zeichen der Klimakrise und der Digitalisierung im radikalen Umbruch befinde, sondern am Beginn einer neuen Aufklärung, die es noch in einer gemeinsamen großen Anstrengung zu definieren gelte.
    Gerade deshalb, so Buyx, sei es wichtig, dass Expert*innen sich damit beschäftigten, wie ein gelingender ethischer Gedankenaustausch stattfindet, um dem Pluralismus, aber auch dem Zusammenhalt der Gesellschaft Rechnung zu tragen. Buyx kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Politik in der Pandemie der engagierten Zivilgesellschaft zu wenig Gehör geschenkt habe. Das müsse in Zukunft besser werden. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 09.05.2021 ZDF
  • Folge 55 (45 Min.)
    Erst kamen die Handelsketten, dann der Onlinehandel und jetzt die Corona-Pandemie: Unsere Innenstädte drohen immer mehr zu veröden. Und sie werden immer unbezahlbarer. Wenn sich das Ladensterben weiter fortsetzt und zugleich die Mieten steigen, was bleibt von der Stadtkultur, in der sich die Menschen gern aufhalten? Das fragt Richard David Precht Burkhard Jung, OB von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetags. Während der Corona-Pandemie wurde überdeutlich, was schon zuvor begonnen hatte: Der Onlinehandel setzt den Kommunen mehr und mehr zu, frisst den stationären Handel und verödet dadurch die Innenstädte.
    Richard David Precht fürchtet, dass mit den immer leereren Städten das Motiv der Bürgerinnen und Bürger verschwindet, sich dort aufzuhalten und andere zu treffen. Die Stadtkultur, die seit den Tagen der antiken Polis die Demokratie und die gemeinsame Öffentlichkeit prägt, droht zu verschwinden. Sind unsere Städte noch zu retten? Welche Maßnahmen hätten hier Aussicht auf Erfolg? Man müsste beispielsweise den Onlinehandel steuerlich deutlich mehr fordern, um den realen Einzelhandel noch erfolgreich zu stützen, meint Precht.
    Oder muss sich die Gesellschaft wohlmöglich mit dieser Entwicklung abfinden und die Stadt und ihre Funktionen für die Zukunft neu erfinden? Was ist denn so schlimm daran, fragt Precht, wenn Innenstädte nicht mehr vom Einzelhandel und von Kaufhäusern dominiert werden? Bietet diese Entwicklung nicht mehr Möglichkeiten für sozialen und kulturellen Raum? Für eine echte Polis, in der sich die Bürger tatsächlich mit ihren Angelegenheiten beschäftigen und nicht nur konsumieren? Burkhard Jung plädiert für das Ideal der Europäischen Stadt, in der Leben, Handel und gesellschaftliches Zusammensein auch in Zukunft ihren Platz haben.
    Welchen Einfluss hat die immer stärkere Verlagerung des Konsums und des sozialen Miteinanders ins digitale Netz letztendlich auf das städtische Leben? Werden Ballungszentren überflüssig? Oder verteilen sich unsere analogen sozialen und kulturellen Aktivitäten zukünftig auf viele kleine Lebensräume, fragt Precht. Marode Innenstädte sind auch die Folge der immer drastischeren Schere zwischen Arm und Reich. Steigende Mieten treiben viele an den Rand der Stadt.
    Außer in den attraktiven Metropolen werden kleine und mittlere Städte so immer mehr zum Sinnbild einer sozialen Verwahrlosung, sagt Precht. Burkhard Jung fordert in diesem Zusammenhang, dass man die Mietpreise nicht allein dem Markt überlassen könne. Man müsse weiter über einen Mietpreisdeckel nachdenken. Welche Ideen hat Burkhard Jung als Oberbürgermeister von Leipzig und Präsident des Deutschen Städtetages anzubieten? Wie stellt er sich eine florierende Stadt der Zukunft vor, in der soziales Miteinander, Mobilität und Klimaverträglichkeit gelingen können? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 06.06.2021 ZDF
  • Folge 56 (45 Min.)
    Die Natur ist im Dauerstress, und unser Wirtschaftssystem tut immer noch so, als ob Wachstum unendlich sei. Doch die Ressourcen sind es nicht. Ist unsere Art zu wirtschaften, ist der Kapitalismus eine Gefahr für die Natur? Müssen wir ihn sogar abschaffen, um die Umwelt zu retten? Darüber spricht Richard David Precht mit der Philosophin Eva von Redecker. Können die nahezu acht Milliarden Menschen auf diesem Planeten überhaupt leben, ohne die Natur zu zerstören?, fragt Richard David Precht die Philosophin und Tochter eines Landwirts, Eva von Redecker.
    Dazu bedürfe es in Zukunft nicht nur großer Anstrengungen, sondern auch großer Veränderungen in unserer Gesellschaft, so von Redecker. Ein erster wichtiger Schritt: das Hinterfragen unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems, das auf der Basis begrenzter Ressourcen endloses Wachstum betreibe. Neue Technologien werden sicher das ein oder andere Problem lösen können, doch vor allem unsere Betrachtung der Natur als Eigentum, so von Redecker, müsse dringend neu überdacht werden.
    Hier sei deutlich mehr Verantwortungsgefühl notwendig. Das Pflegen, Teilen und Regenerieren von Naturressourcen müsse die Zerstörung und den Missbrauch von Natur ablösen. Wo der kapitalistische Markt herrsche, hätten laut von Redecker Fürsorge und Nachhaltigkeit kaum eine Chance. Höchstens wenn Naturressourcen wie etwa sauberes Trinkwasser zur Mangelware würden, entstünde im Kapitalismus ein lukrativer Markt für diese Naturgüter. Allerdings nur für jene, die es sich dann leisten könnten.
    Ein Besitzrecht, das es erlauben würde, sein Eigentum auch zu zerstören oder zu missbrauchen, sei nicht mehr vereinbar mit einem Naturverständnis, das zukunftsfähig sei. Andererseits könne es möglicherweise sogar besser für die Natur sein, wenn sie jemand besitze. Denn, so Richard David Precht, die Meere, die außerhalb der 200-Meilen-Zone niemandem gehören, würden skrupellos zerstört und vergiftet. Besitz in den richtigen Händen, wie zum Beispiel bei den Vereinten Nationen, könnte somit Verantwortung schaffen, die eine Gesellschaft dann auch klar einfordern könnte.
    Die größte Herausforderung aber wäre es, ein so effektives System wie den Kapitalismus auszubremsen und in seine Schranken zu weisen, so Eva von Redecker. Wohlstand, Bequemlichkeit und unser unstillbares Konsumbedürfnis bedeuten den Menschen scheinbar immer noch mehr als die Erhaltung der Natur, so Precht. Die Abhängigkeit vom Naturkreislauf, aber auch von dessen Zerstörungskraft ist für die Menschheit aber immer deutlicher zu erfahren. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 19.09.2021 ZDF
  • Folge 57 (45 Min.)
    Monokulturen, Klimakrise: Unsere Wälder leiden. Sind sie noch zu retten? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Förster und Autor Peter Wohlleben. Wird der Mensch den Sehnsuchtsort Wald womöglich selbst zerstören? „Der Wald kann ohne den Menschen auskommen, der Mensch aber nicht ohne den Wald“, so Wohlleben. Doch nicht nur als Ökosystem und Klimaretter ist der Wald bedroht, sondern auch als Wirtschaftsressource. Gleich drei heiße und trockene Sommer in Folge haben den Bäumen zuletzt arg zugesetzt. Vor allem die plantagenartig gepflanzten Fichten hat die Hitze geschwächt, und sie sind dadurch dem Borkenkäfer zum Opfer gefallen.
    Überall wurden riesige Flächen toter Bäume gerodet und Hunderttausende Tonnen des minderwertigen Holzes billig nach China verkauft. Die Forstwirtschaft ist seitdem im Panik-Modus. Das Problem ist von der Politik mit verursacht. Sie habe den erhöhten Holzbedarf durch die „Charta für Holz“, eine Initiative zur Steigerung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Holz aus dem Jahr 2004, erst geweckt und bis heute gefördert, sagt Peter Wohlleben.
    Kohlekraftwerke sollen nun auf Holz umgestellt werden, obwohl klar erwiesen sei, dass die Verbrennung von Holz schmutziger, also klimaschädlicher sei als die Verbrennung von Kohle. Zudem wird völlig vernachlässigt, dass nicht den Plantagen, sondern dem intakten Ökosystem Wald als CO2-Speicher für die Bekämpfung der Klimakrise zentrale Bedeutung zukomme. Nicht zuletzt hängt das Wohlbefinden des Menschen vom Wald ab. Im Wald kommt die Seele zur Ruhe, wird Wildnis erlebbar – ganz ohne weite Reisen.
    Der Wald senke nicht nur die Umgebungstemperatur um mehrere Grad ab, sondern auch unseren Blutdruck und sorge so für Wohlbefinden, das messbar noch Tage anhalten kann, so Wohlleben. Überall dort, wo wir den Wald in Ruhe lassen, erhole er sich mit der Zeit. Aber sei dieses Plädoyer für mehr Wildnis in Deutschland nicht auch eine Absage an die Vorzugsrolle des Menschen, fragt Richard David Precht. Ganz im Gegenteil, erwidert Wohlleben, um die Natur müsse man sich keine Sorgen machen, wohl aber um den Menschen, der von dieser Natur abhängt. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 24.10.2021 ZDF
  • Folge 58 (45 Min.)
    An einigen gesellschaftlichen Fronten lodern hochempfindliche bis aggressive Debatten im Namen der Moral. „Warum gerade jetzt?“ ist eine Frage an die Philosophin Svenja Flaßpöhler. „#MeToo“, „Black Lives Matter“, Genderfragen oder die Debatte um Coronamaßnahmen: Woher rührt die wachsende Empfindlichkeit bei Einzelnen und in der Gesellschaft? Macht uns das einsam, und was steht für uns alle dabei auf dem Spiel? Noch nie war es so opportun wie heute, die eigene Sensibilität und Verletzlichkeit öffentlich zu zeigen.
    Ob Genderdiskriminierung, Rassismus oder Freiheitseinschränkungen in Pandemiezeiten – besonders in den sozialen Medien ist eine regelrechte Lust an der Empörung spürbar. Rückblickend ist Sensibilität eine positive Errungenschaft unserer Zivilisation, meint die Philosophin Svenja Flaßpöhler, die in ihrem aktuellen Buch „Sensibel“ die zeitgenössische „Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren“ in den Blick nimmt. Empfindsamkeit sorgte im Verlauf der Geschichte dafür, dass wir immer feinfühliger, höflicher und einfühlsamer miteinander umgingen und legte so das Fundament für wachsende Gerechtigkeit und Fortschritt.
    Dem Soziologen Norbert Elias und seinem Werk „Über den Prozess der Zivilisation“ aus dem Jahr 1939 ist es zu verdanken, dass wir heute recht genau nachverfolgen können, wie sich aus einer rohen, gewalttätigen und unhygienischen Gesellschaft die moderne Zivilisation entwickelt hat. Dieser Prozess hatte zudem zur Folge, dass sich unser Bewusstsein als Individuum herausbildete und Gefühle und Befindlichkeiten immer stärker in den Vordergrund traten.
    Die Entwicklung sei heute allerdings so weit vorangeschritten, dass sie die Gesellschaft eher zu spalten drohe, als sie zu verbinden, so Flaßpöhler. Man empöre sich beispielsweise darüber, wenn eine farbige Autorin von einer weißen Person übersetzt werden soll. Habe das nicht auch damit zu tun, dass wir das Psychologische überbetonen, fragt Precht. Alles Private sei politisch geworden, so wie es die 1968er einst gefordert hätten.
    Gefühle, ergänzt Svenja Flaßpöhler, bestimmten zunehmend unser Handeln. Precht fragt sich, ob dadurch ein offener Dialog nicht immer schwieriger werde. Wenn jede Meinungsäußerung gleich aufs Empfindlichste seziert würde, drohe da nicht eine Schweigespirale, sodass vorsorglich jede Form von Auseinandersetzung vermieden werde? Welche Weisheitsstrategien und psychologischen Einsichten dieser Gesellschaft helfen könnten, die sich über die Maßen sensibilisiert hat, darüber spricht Richard David Precht mit Svenja Flaßpöhler. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 28.11.2021 ZDF
  • Folge 59 (45 Min.)
    Richard David Precht im Gespräch mit dem Soziologen Hartmut Rosa. Die digitale Technik hat unser Leben revolutioniert. Alles Wissen und alle Beziehungen tragen wir im Smartphone bei uns.
    Was macht das mit unserem Bewusstsein von der Welt und von uns selbst? Bekommen wir das Leben durch diese digitale Welterweiterung besser in den Griff, oder verlieren wir es aus dem Blick? Macht sie uns freier und mächtiger oder abhängiger und ohnmächtiger?
    Hartmut Rosa beschäftigt sich als Wissenschaftler und Autor mit der digitalen Moderne und hält ein leidenschaftliches Plädoyer für die „Unverfügbarkeit“, wie er es nennt. Unverfügbar sind all die Dinge in unserem Leben, die sich nicht nur unserer, sondern auch der digitalen Kontrolle entziehen können.
    Das zentrale Versprechen moderner Technologie sei doch die Bequemlichkeit, so Richard David Precht im Gespräch mit Hartmut Rosa. Mit ihr können wir mühelos über uns und die Welt verfügen und sie kontrollieren. Wir sehnen uns danach, eine immer komplexere Wirklichkeit beherrschbarer und zugänglicher zu machen. Das sei doch das natürliche Streben des Menschen, spätestens, seit er vom Jäger zum Sammler wurde.
    Entscheidend dafür, dass die Wahrnehmung der Welt wirklich glücken kann, hält Hartmut Rosa dagegen, sei eine lebendige Resonanz zu den Menschen und Dingen. Diese Wechselbeziehung gehe verloren. Viele dieser ursprünglich lebendigen Verbindungen werden in unserem modernen digitalen Lebensgefühl immer indirekter und eindimensionaler. Und wir wiegen uns, so befürchtet Rosa, in einem trügerischen Gefühl von Allmacht und totaler Kontrolle, das uns letztlich von der Welt zu entfremden droht. Wir sind immer weniger auf andere Menschen angewiesen und verlernen dadurch, mit dem Unberechenbaren umzugehen. Wie zum Beispiel Touristen, die eine Kreuzfahrt mit „Polarlichtgarantie“ oder eine Safari mit „Löwengarantie“ buchen und ihr Geld zurück haben wollen, wenn die versprochenen Naturereignisse ausbleiben. Sie haben ein anderes Verhältnis zum Leben und zur Welt als ein Mensch, der sich darüber freuen kann, dass plötzlich und unerwartet der erste Schnee fällt.
    Scheinbar immer weniger angewiesen auf andere, machen wir uns gleichzeitig immer abhängiger von einer Technik, die jederzeit funktionieren und verfügbar sein soll. Trotz des enormen technischen Fortschritts bekommen wir aber weder globale Krisen wie den Klimawandel noch die Coronapandemie in den Griff. Hier droht für Hartmut Rosa die Unverfügbarkeit, ins Monströse umzuschlagen, in einen völligen Kontrollverlust. (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 30.01.2022 ZDF
  • Folge 60 (45 Min.)
    Klimawandel, Pandemien und die Macht der Digitalkonzerne fordern besonders demokratische Gesellschaften heraus. Was müssen wir tun, damit sie diesen Stresstest bestehen? Seit 2020 steigt der Anteil autoritär regierter Staaten. Nur 45 Prozent der Weltbevölkerung leben in einer Demokratie, lediglich 6 Prozent in „vollständigen Demokratien“. Können Demokratien auf Zukunftskrisen schnell und konsequent genug reagieren? Wie soll man gleichzeitig die Freiheit und die Sicherheit der Bürger schützen? Und wie eines der wertvollsten Güter der Demokratie: den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Darüber spricht Richard David Precht mit dem Schweizer Publizisten Roger de Weck, der in seinem letzten Buch voller Optimismus die „Kraft der Demokratie“ beschwört.
    „Was meine Zuversicht begründet: Alle anderen Staatsformen sind autoritär. Und die Menschen wollen nicht Untertan sein“, sagt de Weck. Als Kriegsberichterstatter hat er viele Länder besucht, die die Demokratie verloren hatten, wie zum Beispiel Haiti, die älteste schwarze Demokratie. Die Menschen dort behielten die Sehnsucht nach Demokratie.
    Die Demokratie bürgt für Meinungsfreiheit und sie respektiert und achtet ihre Bürger, zwei menschliche Grundbedürfnisse, die keine andere Staatsform erfüllen kann, so de Weck. Kaum jemand in der westlichen Welt wird bestreiten, dass die Demokratie die Beste aller Staatsformen ist. Doch um ihren ureigenen Idealen von Freiheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit zu entsprechen, erweist sie sich eben nicht nur als äußerst kompliziert und langsam, sondern auch als sehr fragil. Wie soll man in einer Pandemie das gewohnte Maß an Freiheit bewahren, wie im Turbokapitalismus die wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeit gewährleisten? Und wie viel Egoismus verträgt eine demokratische Gesellschaft, bevor sie auseinanderbricht? Während also Autokratien neuen Herausforderungen und Bedrohungen mit grober Hand und abseits von Menschenrechten oder anderen Regeln mit raschen Entscheidungen entgegentreten, oder sie einfach ignorieren können, müssen sich Demokratien durch komplexe Entscheidungsprozesse mühen.
    Die widersprüchlichen Erwartungen seiner Bürger muss der Staat dabei mit den unbequemen Notwendigkeiten einer stabilen und nachhaltigen Zukunft in Einklang bringen.
    Dabei sehen heute viele im Staat eher den Dienstleister, der ihre Wünsche zu erfüllen hat, als den verlängerten Arm einer Solidargemeinschaft. Und sie betrachten die heftigen Dispute unserer Tage als Schwäche der Demokratie, obwohl es doch gerade ihre Qualität ist, dass wir uns in ihr überhaupt offen streiten können. Ist unser demokratisches System noch fit genug? Oder braucht es nicht dringend ein Update, um auch zukünftig als beste aller Staatsformen gefeiert zu werden? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-Premiere So. 27.02.2022 ZDF

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