2023, Folge 193–211

  • Folge 193
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit dem Literaturwissenschaftler und Bestseller-Autor Dirk Oschmann über den westlichen Blick auf den Osten, die Gefährdungen der Demokratie und über die Bedeutung des Volksaufstands am 17. Juni 1953, der sich zum 70. Mal jährt:
    „Das ist ein ganz wichtiger Hinweis darauf, dass der Osten eine starke innere Neigung zur Demokratie hatte, einen starken Zug in die Freiheit, der sich ja dann auch 1989 endgültig Bahn hat brechen können“, erklärt Bestseller-Autor Dirk Oschmann die Bedeutung des Volksaufstands in der DDR 1953.
    Oschmann kritisiert in diesem Zusammenhang, dass, wenn von deutscher Geschichte die Rede sei, oftmals nur die bundesdeutsche Geschichte gemeint sei. „Es ist ganz klar, dass die bundesdeutsche Geschichte immer als die deutsche Normgeschichte erscheint.“
    Generell kritisiert Dirk Oschmann, der eine Professur für Neuere deutsche Literatur an der Universität Leipzig innehat, die „Benachteiligungen“ und „Ausschlussmechanismen“ in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Justiz gegenüber Menschen aus den neuen Bundesländern. Oschmann plädiert für eine Quote, um mehr Ostdeutsche in Führungspositionen zu bringen, denn „ohne so ein hartes politisches Instrument“ würde es nicht gehen.
    Der Bestseller-Autor warnt davor, dass aus der fehlenden Teilhabe in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, ein Problem für die Demokratie erwachsen könnte. Und er sieht eine „Mitverantwortung“ des Westens für die Situation im Osten. „Ich sage nicht, dass der Westen komplett verantwortlich ist, aber er trägt auf jeden Fall eine Mitverantwortung, schon allein deshalb, weil er überall die Führungspositionen besetzt.“
    Mit Blick auf das aktuelle Umfrage-Hoch der AfD und diejenigen Wähler, die sie „aus Protest oder aus Frust wählen und nicht aus Überzeugung“, konstatiert Oschmann, dass die anderen Parteien „politisch versagt“ hätten. Sie müssten nun versuchen, diese „Wählerschaften mit einer guten Politik“ zurückzugewinnen.
    Die AfD-Spitzenpolitiker kämen nahezu alle aus dem Westen, Tino Chrupalla ausgenommen, so Oschmann: „Natürlich kommen die aus dem braunen Boden des Westens und haben dann den braunen Resonanzboden des Ostens aktiviert.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 16.06.2023 Phoenix
  • Folge 194
    In „phoenix persönlich“ hat Jörg Thadeusz die Bundestagsvizepräsidentin und Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zu Gast. Sie sprechen über die Frage, warum Ernährung politisch ist, die Landbevölkerung „grün lebt“ und über Maßnahmen gegen den Klimawandel. „Allgemein sind immer alle für Klimaschutz und die Bewältigung der Klimakrise“, sagt Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/​Die Grünen), „aber wenn es um das eigene Leben geht und wenn es nicht mehr nur um die Erderwärmung geht, sondern um die Wohnzimmererwärmung, dann wird es auf einmal kritisch. Das verstehe ich auch, und umso mehr ist unser Job, das gut zu machen.“ Es gehe nicht darum, einen „Lebensstil zu diktieren“, so Göring-Eckardt, sondern es gehe um die Frage, „wie schaffen wir es, dass wir nicht in einer Welt leben, wo wir mit den Auswirkungen der Klimakrise nicht zurechtkommen.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 23.06.2023 Phoenix
  • Folge 195
    Zu Gast bei Alexander Kähler ist die Astrophysikerin Suzanna Randall. Sie erzählt über ihre Faszination fürs Weltall, die Big Bang-Theorie und darüber, warum sie die erste deutsche Astronautin werden möchte „Es ist wirklich traurig, weil Deutschland weltweit das absolute Schlusslicht ist, was die Gender-Balance im Weltraum angeht“, sagt Randall, die sich im Rahmen der privaten Initiative „Die Astronautin“ darauf vorbereitet, zur ISS zu fliegen. „Deutschland hatte zwölf Männer und null Frauen, und ich finde für ein Land, das sich doch Gleichberechtigung und das Empowerment von Frauen auf die Fahne geschrieben hat, ist das eine schlechte Bilanz.“ Gerade auch für die Grundlagenforschung und spätere Medikamentenentwicklung seien mehr Frauen im Weltraum wichtig, weil bisher Experimente vor allem an männlichen Probanden gemacht würden.
    Mit Blick auf das Thema „Weltraumtourismus“, betont Suzanna Randall, dass sie zu „wissenschaftlichen Zwecken“ ins Weltall fliegen würde und nicht „weil wir einen Gaudi machen möchten, wie das einige reiche Menschen tun.“ Gleichwohl würde sie den Weltraumtourismus nicht nur negativ sehen, weil er auch technologischen Fortschritt gebracht habe, wie zum Beispiel bei der Entwicklung von SpaceX. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 30.06.2023 Phoenix
  • Folge 196
    Logo
    Gregor Gysi, der langjährige Chef der Linken Bundestagsfraktion, zeigt sich hinsichtlich der wachsenden Zustimmung für die Alternative für Deutschland selbstkritisch: „Wir versuchen uns immer nur damit zu beschäftigen, was die AfD falsch oder auch richtig macht“, so Gysi. Von der CDU bis zu seiner Partei sollte man sich aber besser auf die eigenen Fehler konzentrieren: „Wir sollten uns mal damit beschäftigen, was wir alles falsch machen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz, erklärte, die AfD sei eine Partei, die schlechte Laune verbreite. Dem widersprach der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion: „Mit schlechter Laune alleine hat das nichts zu tun.“ Man müsse sich tiefergehende Gedanken machen, weshalb der Nationalismus eine immer größere Rolle spiele. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 07.07.2023 Phoenix
  • Folge 197
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit dem Verteidigungs- und Sicherheitsexperten Carlo Masala über die Gegenoffensive der Ukraine, die Abwehrbereitschaft der Deutschen und über die Frage, ob die Bundesrepublik Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern sollte.
    „Taurus ist ein hilfreiches System, um bestimmte militärische Ziele seitens der ukrainischen Streitkräfte zu erreichen“, sagt Carlo Masala, Professor für Internationale Politik der Universität der Bundeswehr München. Auch wenn aus seiner Sicht kein Waffensystem ein „Game Changer“ sei, gehöre Taurus „zu der Kategorie von Waffensystemen als Marschflugkörper, die den Ukrainern helfen könnten, hart befestigte Anlagen der russischen Armee in der Ukraine anzugreifen und zu zerstören. Command and Control-Anlagen zum Beispiel, die dann die Operationsführung wesentlich schwieriger machen.“
    Masala geht davon aus, dass die Bundesregierung Taurus liefern werde. Die Befürchtungen, die Ukraine könne im Falle einer drohenden Niederlage die Taurus-Marschflugkörper gegen Ziele in der Russischen Föderation einsetzen, teilt Masala nicht. „Aus meiner Sicht sind diese Bedenken sehr unbegründet.“ Auch Briten und Franzosen hätten bereits Marschflugkörper geliefert. „Ein Storm Shadow, ein Scalp- Marschflugkörper könnte auch Ziele in der Russischen Föderation erreichen, und bislang hat die Ukraine das nicht gemacht. Alles, was in Russland angegriffen wird seitens der Ukraine, wird mit Drohnen aus ukrainischer Produktion angegriffen.“
    Die Drohnenangriffe auf Moskau seien Teil der ukrainischen Gegenoffensive, sagt Masala, weil sie militärische Einrichtungen treffen würden. So wurden beispielsweise Flughäfen mit militärischen Maschinen angegriffen und „ein Viertel der russischen Lufttransportfähigkeiten“ zerstört oder erheblich beschädigt. „Es trägt aber auch den Krieg nach Russland hinein, um der russischen Bevölkerung zu zeigen, dass ist kein Krieg, den ihr nur im Fernsehen miterlebt, sondern, das ist ein Krieg, der real ist und der euch mittlerweile auch betrifft, weil wir Ziele, militärische Ziele, in der Russischen Föderation angreifen.“
    Um die Abwehrbereitschaft der Bundesrepublik stehe es nicht besonders gut, konstatiert Masala. So werde die sogenannte Zeitenwende zu sehr auf die Bundeswehr und deren Ausstattung fokussiert: „Ich glaube aber, dass man im 21. Jahrhundert und auch angesichts der Bedrohungen, die wir haben, Verteidigung viel breiter verstehen muss, nämlich auch als Verteidigung der Gesellschaft.“ Es gebe Angriffe auf unsere Demokratie, auf die Art und Weise, wie wir leben, die nicht militärischer Art seien, so Masala mit Blick auf Desinformationskampagnen und den Schutz kritischer Infrastruktur. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 01.09.2023 Phoenix
  • Folge 198
    Dr. Yael Adler, Hautärztin und Ernährungsexpertin und Autorin zu Gast bei Jörg Thadeusz „In unserer Gesellschaft ist das Alter leider nicht angesehen“, sagt die Ernährungsmedizinerin und Bestseller-Autorin Yael Adler. Das sei in Japan beispielsweise anders, wo man alten Menschen Weisheit zubilligen würde. „Wir hoffen immer, dass es das Wundermittel gibt, dass wir ewig jung bleiben“, so Yael Adler. Dabei brauche es nicht immer teure Medikamente, sondern auch der Lebensstil sei entscheidend. „Es beginnt damit, sich täglich zu bewegen, sich gesund zu ernähren, auf den Schlaf zu achten“ oder auch die Vorsorge zu nutzen.
    Ihr gehe es darum, das Altwerden mit „Lebensqualität, mit Vitalität, mit Freude“ und möglichst gesund zu schaffen. Risiken zu minimieren, das habe auch mit Eigenverantwortung zu tun, sagt Yael Adler. „Unser Gesundheitssystem bricht ja jetzt schon zusammen, und man könnte so viele Zivilisationskrankheiten reduzieren, einfach, indem man weniger Zucker isst, weniger raucht, sich bewegt, gut schläft, also dieses Basics beachtet.“ Yael Adler bewertet als Hautärztin den Einsatz von Pflegeprodukten und -cremes durchaus kritisch. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 08.09.2023 Phoenix
  • Folge 199
    Mit dem Autor und Filmemacher Stephan Lamby spricht mit Inga Kühn über journalistische Distanz, Regieren in Zeiten des Krieges und seine Kritik an der Ampel-Regierung.
    „Dieses Jahr war in der Performance, in der Außendarstellung für die Ampel-Regierung so desaströs, dass sie sich nicht wundern können, dass sie mit ihren Beliebtheitswerten im Sinkflug sind. Das ist selbstverschuldet“, meint der Autor und Dokumentarfilmer Stephan Lamby, der die Arbeit der Ampel-Regierung in den vergangenen beiden Jahren filmisch begleitet und eine Vielzahl von Interviews u.a. mit Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner und Außenministerin Annalena Baerbock geführt hat.
    Er habe ein „Grundverständnis“ für die abwägende Art des Bundeskanzlers, was die Waffenlieferungen an die Ukraine anbelangt, sagt Lamby. „Ich verstehe sehr gut, dass er sich sehr genau überlegt, was er wann entscheidet. Und sich mit Regierungsmitgliedern und ausländischen Partnern, etwa Joe Biden, abstimmt, wenn es darum geht, schwere Waffen zu liefern.“ Schwierig sei hingegen, so Lamby, dass er seine „Prinzipien und Motive nicht ausreichend“ erkläre. „Er müsste aus meiner Sicht erklären, warum er in der einen Phase des Krieges sich gegen die Lieferung von schweren Waffen entscheidet und in der anderen dafür. Das verwirrt die Menschen irgendwann, dabei geht nicht um die Anzahl der Interviews, sondern um die Offenheit und die Klarheit im Erklären seiner Entscheidung.“
    Mit Blick auf die beiden nächsten Jahre, prognostiziert Stephan Lamby, dass es politisch noch „turbulenter“ und die innenpolitische Debatte an Schärfe zunehmen werde: „Drei ostdeutsche Landtagswahlen mit einer AfD, die im Durchschnitt bei 30 Prozent liegt. Wenn sich das tatsächlich in Wählerstimmen übersetzt, dann ahne ich, wie die politische Debatte in Deutschland, ausgehen wird. Wenn die FDP aus vielen Landesparlamenten gewählt werden wird, dann wird ihre Strategie, sich als Gegengewicht in der Regierung zu präsentieren, noch an Schärfe gewinnen.“
    „Ich bin nicht embedded“, sagt Stephan Lamby. Er würde versuchen, denen nahe zu kommen, über die er berichte, um dem Publikum Einblicke zu geben, die sie nicht haben könnten. „Aber diese Nähe löst sich spätestens auf, wenn ich am Laptop oder im Schneideraum sitze. Dann gelten nur journalistische Kriterien, kein Mitleid, keine Sympathien. Da geht es um Verhaltensmuster, Kritik, Dinge, die mir auffallen. Loben muss ich die nicht, das tun die von morgens bis abends selber und dafür haben die ihre Pressestellen.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 15.09.2023 Phoenix
  • Folge 200
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Alexander Kähler mit dem ehemaligen Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Udo Di Fabio über die Gefährdungen der Demokratie, das Recht auf Widerstand, die Migration, den Umgang mit der AfD und die Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
    „Es gibt manchmal so eine Sehnsucht nach einer Instanz über den Parteien“, konstatiert der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio. „Das war in früheren Zeiten mal der Kaiser und mal der Reichspräsident, haben wir keine guten Erfahrungen mit gemacht. Heute sind es oft die Gerichte, denen man sowas zutraut. Die Gerichte müssen auch unabhängig und stark bleiben, aber sie sind nicht der politische Ersatz-Gesetzgeber und das dürfen sie auch nicht werden.“
    Mit Blick u.a. auf die Proteste der Klimaschutzbewegung, erklärt der Verfassungsrechtler Udo Di Fabio, dass das Widerstandsrecht des Artikel 20 Absatz 4 GG nur einen einzigen Tatbestand habe: „Dieser Tatbestand ist, dass jemand erfolgreich versucht, diese freiheitlich demokratische, rechtsstaatliche Ordnung zu beseitigen. Man denkt an einen Putsch, an einen Staatsstreich, eine Machtergreifung im Stil von 1933. Hier wird dann im Grunde genommen jeder ermächtigt, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist, also wenn das Bundesverfassungsgericht nicht mehr eingreifen kann, wenn es keine Machtmittel mehr des freiheitlichen Staates gibt, wird jeder ermächtigt zum Widerstand, wird jeder zum Stauffenberg oder Georg Elser ermächtigt.“ Bei keinem Sachthema, weder beim Thema Klimaschutz noch beim Thema Bekämpfung einer Pandemie etwa, gäbe es also das Widerstandsrecht, so Di Fabio. „Nur die Abschaffung der Demokratie selbst, löst das Widerstandsrecht aus.“
    „Was wir brauchen, ist eine grundlegende Reform“ sagt Udo Di Fabio mit Blick auf das Thema Migration und Zuwanderung. „Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Nicht nur wir, sondern ganz Europa. Ganz Europa leidet unter der demografischen Entwicklung. Dazu braucht man aber nicht nur ein einwanderungsfreundliches Recht für Menschen, die wir haben wollen, sondern man braucht auch ein Migrationsrecht, ein humanitäres Einwanderungsrecht, das einerseits humanitär bleibt und nicht rein utilitaristisch danach fragt, wen können wir brauchen und wen nicht.
    Das aber andererseits doch auch diese Frage beantwortet: Wen können wir aufnehmen – wir können nicht unbegrenzt aufnehmen – und wen wollen wir aufnehmen? Wen wollen wir auch gerne im Land haben? Und dieses moderne Einwanderungsrecht, das gibt es in Deutschland jedenfalls so noch nicht. Die Regierung hat einen Schritt in diese Richtung unternommen. Aber ich glaube, da fehlt es an einer Politik aus einem Guss, und sie muss europäisch werden.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 22.09.2023 Phoenix
  • Folge 201
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit dem Extremismus-Forscher Peter R. Neumann über das Erstarken der extremen Rechten in ganz Europa, die Defizite der Ampel-Regierung und der Union sowie den Umgang mit der AfD.
    „Ich empfehle, dass man diese Brandmauer konsequent aufrechterhalten sollte“, sagt Peter R. Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College in London und warnt u.a. mit Blick auf den Erfolg der FPÖ in Österreich vor jedweder Zusammenarbeit mit der AfD. „Das ist das Problem, wenn man diese Rechtspopulisten einbindet, dass man erstens im Falle der AfD eine Tolerierung oder Partnerschaft mit einer antidemokratischen Partei anstreben würde. Das ist erstmal schon problematisch. Und zweitens ist es so, dass diese Populisten oder Extremisten meistens von solchen Zusammenarbeiten oder Partnerschaften mehr profitieren als die demokratischen Partner, die verantwortungsvoll sein möchten.“
    Nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa konstatiert Neumann ein Erstarken der Rechtsextremen. „Wir haben in den letzten Jahren eine Krise nach der anderen gehabt, Migrationskrise, Coronakrise, Ukraine-Krieg, Klimakrise, Inflation.“ Hinzu käme die Veränderung der Arbeitswelt zunächst durch die Globalisierung, jetzt durch Künstliche Intelligenz. „Leute sind sehr verunsichert, sind sehr ängstlich. Und ich glaube, es ist genau diese Verlustangst, die nicht nur ökonomisch ist, da geht es nicht nur um Geld, sondern es geht auch um Status, um Würde, um Identität, diese Verlustangst ist momentan größer als in den letzten zehn, zwanzig, dreißig Jahren. Und diese Verlustangst ist der Nährboden, auf dem Rechtsextreme ihre Unterstützer finden.“
    Rechtspopulisten oder Rechtsradikale würden Gesellschaften polarisieren, menschenverachtende Narrative normalisieren und könnten- so Neumann mit Verweis auf Amerika- das ganze System destabilisieren.
    Neumann betont, wie wichtig es sei, auch über strittige Themen wie etwa die Migration zu debattieren, dieses Thema habe man zu lange der AfD überlassen. „Viele Leute wollen eine Politik, die handlungsfähig, konstruktiv, demokratisch zeigt, wie man mit dem Migrationsproblem fertig wird. Was ist das für ein Problem? Nur um das mal klarzumachen: Das Problem, glaube ich, was viele Leute mit Migration haben, ist nicht die Tatsache, dass es Migration gibt, sondern dass sie das Gefühl haben, dass es nicht genug gesteuert wird. Und dass es möglicherweise auch zu viel auf einmal ist. Und das ist eine Diskussion, die kann eine demokratische Gesellschaft auch haben, ohne dass es gleich extremistisch werden muss.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 29.09.2023 Phoenix
  • Folge 202
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit der Journalistin und Autorin Anja Reich über Ost- und West-Identitäten, den Suizid ihrer Freundin und die Prägung durch das Aufwachsen in der DDR.
    „Jetzt wird den Westdeutschen erklärt, was mit den Ostdeutschen nicht stimmt“, dieser Blick beispielsweise bei manchen Reportagen über Ostdeutschland würde sie stören, sagt die Journalistin Anja Reich. Oder wenn einfach darüber hinweg gegangen werde, dass Ostdeutsche eine andere Biographie hatten. Sie habe die ersten zwanzig Jahre ihres Lebens in einer „anderen Welt“ gelebt als Westdeutsche, so Reich. „Andere nicht so lange, aber wir sind davon geprägt.“
    Es sei wichtig, nicht nur den Westen als Norm zu nehmen, sondern zu schauen, was die Ostdeutschen mit in die Einheit gebracht hätten und was davon übriggeblieben sei, so Anja Reich. „Man muss erstmal so ein System stürzen. Und es ist klar, das haben ein paar Revolutionäre gemacht, die standen auf den Barrikaden, aber es war ein gesamtgesellschaftlicher Umbruch.“ Und diese „wahnsinnige Umbruchserfahrung“ hätte die Ostdeutschen nachhaltig geprägt, auch dieser „wirtschaftliche Umbruch, dass alle um mich herum damals plötzlich die Arbeit verloren haben und alle nochmal neu anfangen mussten.“
    Anja Reich, die mit dem Suizid ihrer Freundin Simone eine besonders schmerzvolle Erfahrung in den Umbruchjahren Mitte der 90er machen musste, berichtet auch darüber, welche persönlichen Folgen das für sie hatte. „Man reißt ganz viele Menschen ein bisschen mit in den Abgrund.“ Nicht nur die Familie ihrer Freundin auch sie selbst habe sich damals „wahnsinnige Vorwürfe gemacht.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 06.10.2023 Phoenix
  • Folge 203
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Migrationsforscher Ruud Koopmans vom Wissenschaftszentrum Berlin über irreguläre Migration, eine humanitäre Asylpolitik und die Frage, warum es in Deutschland zu Solidaritätsbekundungen für die Terrorangriffe der Hamas auf Israel kommen konnte.
    „Solche antiisraelischen, antijüdischen Ausschreitungen gibt’s schon seit vielen Jahren am al-Quds-Tag und so weiter“, sagt der Migrationsforscher Ruud Koopmans. „Es wird auch von vielen -inklusive mir selbst- schon seit Jahren vor dem virulenten Antisemitismus unter einem erheblichen Teil der muslimischen Gemeinschaften in Deutschland und in Europa gewarnt. Und diese Warnungen sind über Jahre hinweg in den Wind geschlagen worden. Stattdessen wurden die Menschen, die gewarnt haben, als Rassisten und Islamophoben diffamiert.“ Man dürfe allerdings nicht vergessen, so Koopmans weiter, dass es Pro-Hamas-Demonstranten auch in der „linksautonomen, antiimperialistischen Szene“ oder „auf der Rechten“ gebe.
    Er würde von Muslimen in Deutschland, die diese Gewalttaten nicht mittragen würden und die sich schämten für das, was eine Organisation wie „Samidoun“ in Neukölln veranstaltet habe, erwarten, dass sie diese Scham und diese Ablehnung der Gewalt auch zeigten, sagt Ruud Koopmans. „Warum sehen wir nur die falschen Muslime? Warum sehen wir die Guten nicht? Also, wenn es meine Religion wäre, in deren Namen Menschen, Kinder, Alte, sogar Holocaust-Überlebende abgeschlachtet werden, ich würde mich in den Boden schämen. Und ich würde auf die Straße gehen.“
    Vom Migrationspaket 2 verspricht sich Migrationsforscher Ruud Koopmans nicht allzu viel: „All diese Maßnahmen, die vorgeschlagen werden, haben eine relativ begrenzte Effektivität. Sie werden uns alle keine Kontrolle über die irreguläre Zuwanderung bieten.“ Die irreguläre Migration ließe sich Koopmans zufolge zurückdrängen, indem man Abkommen mit Drittstaaten schließe, in denen die Asylverfahren durchgeführt würden. „Also Menschen, die über das Mittelmeer irregulär nach Europa kommen, haben nach wie vor das Recht auf Asyl, aber das wird gewährleistet in Drittstaaten. Im Gegenzug nimmt Europa Menschen über Kontingente direkt aus den Konfliktregionen auf.
    Aus meiner Sicht kann man das in dem gleichen Umfang machen wie wir bisher Flüchtlinge aufgenommen haben, aber dann gut verteilt über die Zeit“. Und „vorhersagbar“, so Koopmans, damit sich die Länder und Kommunen darauf einstellen könnten. Das würde auch der Polarisierung in der Asylpolitik den Boden entziehen. Denn die Menschen in Deutschland würden durchaus Flüchtlingen helfen wollen. Sie machten sich allerdings „Sorgen darüber, dass wir keine Kontrolle darüber haben, wie viele Menschen reinkommen und welche Menschen reinkommen.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 13.10.2023 Phoenix
  • Folge 204
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) über das Thema Migration, den Kurs der CDU und Solidaritätsbekundungen für die Terrorangriffe der Hamas auf deutschen Straßen.
    „Wir müssen noch klarere Zeichen setzen, dass wir diese antisemitische Hetze in unserem Land nicht dulden“, sagt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) mit Blick auf die Solidaritätsbekundungen für die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel auf deutschen Straßen. „Ich finde es bitter zu sehen, dass es Menschen insgesamt in Deutschland gibt, aber auch bei uns in Schleswig-Holstein, die sich in einer solchen Situation an die Seite der Terroristinnen und Terroristen stellen, die dort schreckliches Unrecht getan haben, Menschen abgeschlachtet haben.“ Deutschland habe aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung, betont Günther und wenn jetzt versucht werde, eine bestimmte Stimmung zu machen, dann müsse klar sein, „so etwas hat in unserem Land nichts zu suchen“.
    Mit Blick auf die AfD fordert Daniel Günther einen klaren Kurs der Abgrenzung: „Klare Abgrenzung gegenüber der AfD hilft, das hat die hessische CDU gezeigt, und immer konstruktiv arbeiten, an der Sache orientiert arbeiten, nicht mit scharfen Worten Probleme beschreiben, sondern sie schlicht und ergreifend lösen.“ Der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz habe richtige Themen angesprochen, so Günther weiter. „Wir müssen immer uns angucken, welche Themen spielen in der Bevölkerung eine Rolle.“ Doch wenn man Themen anspreche, müsse man gleichzeitig eine Lösung haben: „Einfach nur über ein Problem zu reden und zu sagen, das ist alles völlig dramatisch, das sollten wir der AfD überlassen.
    Keine Lösungsvorschläge, sondern einfach polemisieren, das ist deren Job. Unser Job ist, Verantwortung zu übernehmen, das, was an Problemen da ist, offensiv ansprechen – aber dann auch Lösungen parat haben. Das ist der Stil, für den ich stehe, und da werbe ich überall in der Union dafür, dass wir den auch gemeinsam verfolgen.“
    Das Thema Migration werde uns noch viele Jahre, wahrscheinlich Jahrzehnte beschäftigen, sagt Daniel Günther und warnt vor falschen Erwartungen: „Wir sollten nicht vorgaukeln, dass dieses Problem ganz schnell und einfach zu lösen ist. Das ist es nicht.“
    Klar sei auch, dass Deutschland nicht unbegrenzt Menschen aufnehmen könne. „Und deswegen ist es auch total verantwortbar, dass man sagt, wir kümmern uns um Menschen aus Kriegen, das ist sozusagen unsere Priorität.“ Und bei denjenigen, die aus anderen Gründen kommen, müsse man daran arbeiten, dass die Zahlen runtergehen. „In Bezug auf diesen Kurs gibt es zwischen CDU und Grünen hier bei uns in Schleswig-Holstein ein großes Einvernehmen.“ Auf Bundesebene müssten sich die Grünen hingegen bei zentralen Fragen bewegen, so Daniel Günther und stimmt damit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (B’90/​Grüne) zu.
    Auch wenn Grüne und CDU in Schleswig-Holstein politische Konkurrenten seien, sei er fest überzeugt, so Günther, dass die Gegensätze auch zu Stärken gemacht werden könnten: „Ein klimaneutrales Industrieland schaffen wir aus meiner Sicht am besten aus einer Koalition von CDU und Grünen, weil da die umweltpolitische Verantwortung, die die Grünen sehr stark verspüren, gepaart mit einer CDU, die sagt, das muss aber auch so organisiert werden, dass wir unseren Wohlstand erhalten können, dass also Ökonomie und Ökologie in einen Ausgleich gebracht werden, das ist für mich ein absolutes Erfolgsmodell.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 20.10.2023 Phoenix
  • Folge 205
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Alexander Kähler mit Joe Kaeser, dem Aufsichtsratsvorsitzenden von Siemens Energy über Prinzipien in der Wirtschaft- und Handelspolitik, den Umgang mit China, den Fachkräftemangel, die AfD und den Zustand der deutschen Wirtschaft.
    „Viele Unternehmen im MDAX, im SDAX, im großen Dax und auch Mittelständler und eigentümergeführte Unternehmen, gehen von Rekord zu Rekord, weil sie eben wettbewerbsfähig sind“, sagt Joe Kaeser, Aufsichtsratsvorsitzender von Siemens Energy. Er warnt davor, alles schlecht zu reden und Hilfe vom Staat zu fordern. „Ich denke, wir brauchen Eigeninitiative, müssen auch das Gute sehen“. Wenn es bestimmten Branchen schlecht gehe, müsse man die Ursachen genau analysieren. Aber es gebe eben auch die anderen Beispiele, so Kaeser und verweist darauf, dass die Zementpreise um 47 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen seien.
    „Mir muss keiner erzählen, dass die Kosten der Zementhersteller 47% gestiegen sind. Da ist auch was anderes dahinter. Und ich glaube, wir tun gut daran, einfach auch mal einen Schritt zurück zu treten und zu sagen, wer ist denn jetzt gerade dabei, diese Krise, die Energiepreise und alles das, was angeblich in unserem Land schlecht läuft, dafür zu nutzen, eigene Interessen durchzusetzen. Auch das gehört zur Wahrheit dazu.“
    Bei der Außen- und Wirtschaftspolitik gelte es einen Ausgleich zwischen wertebasiert und interessengeleitet zu finden, so Kaeser. „Mit wertegeleitet alleine kommen wir auf dieser Welt nicht weiter. Mit interessengeleitet alleine verfällt der moralische Anspruch, den die Politik haben soll. Insofern ist es immer eine Abwägung zwischen diesen beiden Polen Interessen und Werte.“ Mit Blick auf China, erklärt Joe Kaeser: „Meine Erfahrungen mit China waren so, dass China eigentlich nur aus einer Position der Stärke heraus verhandlungsbereit ist.
    Wenn sie da mit gebückter Haltung kommen, wenn sie keinen Vorteil bieten können, kommen sie da auch nicht zu Potte.“ Aufgabe der Politik sei, Menschenrechtsthemen z.B. mit den Uiguren, anzusprechen und sie zu adressieren. Aufgabe von Unternehmen sei es beispielsweise, in ihren eigenen Werken keine Zwangsarbeit zulassen. „Dass es überall auf der Welt Standards anwendet, wie sie auch in unserem Land gelten, das ist Verantwortung der Wirtschaft und der Unternehmen.“
    Kritik übte Joe Kaeser an der AfD, die den deutschen Wohlstand gefährden würde und verweist u.a. auf einen Auftritt von Alice Weidel im Bundestag. „Stellen Sie sich mal vor, die Menschen in der Welt sehen diese Dame wildfuchtelnd unter dem Bundesadler im Bundestag die Welt beschimpfen. Das ist ein Bild von Deutschland, das möchte man nicht haben.“ Deshalb sei es wichtig, so Kaeser weiter, auf der Basis von Fakten und Beispielen klarzumachen, dass der Wohlstand unseres Landes auf unserem Export basiere. „Und exportfähig ist man nur, wenn man wettbewerbsfähig ist, wenn man innovativ ist, wenn man auf die Kunden in aller Welt und deren Erfordernisse eingeht. Sonst wird es wirklich in unserem Land extrem kompliziert.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 27.10.2023 Phoenix
  • Folge 206
    In „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Anna Staroselski, der Sprecherin der WerteInitiave -jüdisch-deutsche Positionen, über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland, fehlende Solidarität mit dem jüdischen Volk und ihre Erwartungen an die Politik und Gesellschaft. „Dieser antiisraelische Judenhass ist zu einer großen Gefahr für Jüdinnen und Juden in Deutschland geworden“, sagt Anna Staroselski, die Sprecherin der WerteInitiave – jüdisch-deutsche Positionen. Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel habe sich auch die Lage der Jüdinnen und Juden in Deutschland deutlich verändert, so Staroselski: „Zuvor war das so, dass jeder Jude, jede Jüdin, die in Deutschland sagt, ich möchte öffentlich meine jüdische Identität ausleben oder preisgeben, immer eine Sicherheitsabwägung getroffen hat: Bin ich wirklich sicher damit oder begebe ich mich in eine Gefahr? Und das auch völlig unabhängig davon, ob das der öffentliche Raum ist, ob das an der Uni ist, auf der Arbeit, in der Schule, sonst wo.
    Ab dem 7. Oktober, ist es noch deutlich dramatischer geworden.“ Die Video-Ansprache von Vizekanzler Robert Habeck, in der er u.a. den zunehmenden Antisemitismus von Islamisten, von Rechten und in Teilen der Linken kritisiert und sich an die Seite Israels gestellt hat, begrüßte Anna Staroselski ausdrücklich.
    Es sei Habeck mit seiner Rede gelungen, „der jüdischen Community eine Zuversichts-Vision zu geben. Das sei wirklich wichtig, weil viele Jüdinnen und Juden sich in den letzten Tagen allein gelassen gefühlt haben.“ Mit Blick auf die Zivilgesellschaft oder auch den Kunstbetrieb fragt Anna Staroselski: „Warum kann man sich nicht an die Seite jüdischen Volkes stellen?“ Mit dem iranischen Volk habe man sich bei den Protesten gegen das Mullah-Regime solidarisiert.
    Gegen rechts, gegen Rassismus, gegen die AfD würde man sich klar positionieren. „Woran es aber Zweifel gibt, ist ein klares Bekenntnis, Antisemitismus abzulehnen und sich jetzt an die Seite Israels zu stellen, das sich gegen eine Terrororganisation verteidigt.“ Die Vertreter der Hamas hätten das erklärte Ziel, Israel auszulöschen. Doch würden sie ebenso klar sagen, „dass sie sich gegen den Westen richten, dass sie kein Amerika wollen, dass sie nach Europa kommen.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 03.11.2023 Phoenix
  • Folge 207
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit dem Direktor des Deutschen Orient-Instituts Berlin und ehemaligen Botschafter Andreas Reinicke über die Bekämpfung der Terrororganisation Hamas, die Interessen der einzelnen Staaten im Nahost-Konflikt und die Möglichkeiten der Diplomatie.
    „Meine Überzeugung ist, dieser Konflikt ist weder von der einen noch von der anderen Seite mit militärischen, kriegerischen Mitteln zu lösen“, sagt Botschafter a.D. Andreas Reinicke. Man müsse also zu der Überzeugung kommen: „Wir müssen eine friedliche Lösung herbeiführen.“
    Das würde sich in mehreren Etappen und einem diplomatischen Prozess vollziehen, so Reinicke. Dabei würde es in einem ersten Schritt um die Befreiung der Geiseln oder die Befreiung von ausländischen Staatsangehörigen gehen. Dann ginge es um die Frage Feuerpause ja oder nein? Die nächsten größeren Fragen seien dann: „Wie sieht eigentlich die Zukunft des Gazastreifens aus?“ Und: „Wie wird der Gesamtkonflikt gelöst? Das ist noch ein weiter Weg bis dahin, wir wissen auch gar nicht, ob wir soweit kommen.“
    Die Europäische Union spiele eine wichtige Rolle bei der Lösung des Konflikts, so Reinicke, ehemaliger EU-Sonderbeauftragter für den Friedensprozess im Nahen Osten. „Wenn dieser Konflikt nicht gelöst wird, sind die Auswirkungen für die Amerikaner letztendlich überschaubar. In Europa sind sie aber sehr unmittelbar. Sei es durch kriegerische Auseinandersetzungen, sei es durch Flüchtlingsbewegungen. Von daher gesehen können wir nicht nur etwas tun, sondern wir müssen uns dort beteiligen.“
    Dass die Terrororganisation vollständig zerschlagen werden kann, hält Andreas Reinicke für nicht realistisch. Einmal, weil Hamas nicht nur eine Terrororganisation sei, „sondern eine ganze Bewegung“, die zu den Muslimbrüdern zähle und deren politische Führung im Ausland sei und nicht im Gazastreifen. Zudem sei das Tunnelsystem „so ausgefeilt, dass man nicht davon ausgehen kann, dass man alles findet und dass auch alle dort sind“. Für Reinicke ist es realistisch, dass Hamas stark geschwächt werde, das sei „wichtig und richtig für Israel und natürlich für die Region. Aber sie zu zerstören halte ich für unrealistisch.“
    Über sein Selbstverständnis als ehemaliger Diplomat erklärt Andreas Reinicke, dass es die große Herausforderung sei, in solch emotionalen Situationen und Konflikten, sachlich zu bleiben und einen kühlen Kopf zu bewahren. „Das klingt furchtbar, wenn man denkt, der Mensch muss doch Emotionen haben und natürlich habe ich auch Emotionen. Und natürlich telefoniere ich mit Freunden, die ich in Israel habe, ich telefoniere mit Freunden, die ich in der arabischen Welt habe, um einfach ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie denken, wie sie ticken und wie sie fühlen. Aber ich weiß, eine Lösung ist nur durch kühlen Kopf zu bekommen und den müssen wir behalten.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 10.11.2023 PhoenixDeutsche Streaming-Premiere Do. 09.11.2023 ARD Mediathek
  • Folge 208
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Alexander Kähler mit Ulrike Malmendier, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, über die schwächelnde Wirtschaft, den Fachkräftemangel und die Chancen neuer, junger Unternehmen.
    „Wenn wir jetzt wirklich nochmal die höheren Wachstumsraten rauskitzeln wollen, dann brauchen wir irgendetwas Neues“, sagt die Ökonomin Ulrike Malmendier. „Das könnte AI (Englisch für KI) sein, das könnte Biotechnologie sein, vielleicht auch die Umwelttechnologie, das grüne Wirtschaftswunder, das Herr Scholz so gerne hätte.“ Zwar würden die Wirtschaftsbereiche, die „uns hochgebracht haben“ wie die Automobil- und Chemieindustrie oder der Maschinenbau weiter wichtig bleiben, doch um höheres Wachstum zu erreichen, müsse man „auf neue, junge Unternehmen setzen“. Die Frage dabei sei, wie man aus dem Kapital das „Interessanteste, Wachstumsorientierte, Zukunftsorientierteste“ herausholen könne.
    Ulrike Malmendier, die an der University of California in Berkeley einen Lehrstuhl für Finanzen und Ökonomie hält, erklärt mit Blick auf die USA: „Die Amerikaner haben es geschafft, mit Venture Capital, mit größerer Kapitalmarktorientierung ein System ins Leben zu rufen, das für solche neuen, möglicherweise revolutionären Ideen sehr viel zugänglicher ist.“ Einer der „Hauptansatzpunkte“ sei, das auch in Deutschland zu machen.
    Neben dem demographischen Wandel sieht Ulrike Malmendier, die auch Mitglied im Sachverständigenrat Wirtschaft ist, im Fachkräftemangel ein großes Problem für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Dieses Problem würde sich noch verstärken, wenn die sogenannte Babyboomer-Generation in Rente gehe. Doch beim Anwerben von Fachkräften aus dem Ausland würde uns die „Wagenburg“-Mentalität in Deutschland im Wege stehen, so Malmendier: „Ich habe oft den Eindruck, dass in Deutschland ein bisschen das Denken vorherrscht, dass wir Deutschland gegen die eindringenden Horden von irgendwelchen feindlichen Kräften oder halt anderen Völkern schützen müssen.
    Die Wagenburg Deutschland. Und es ist leider genau umgekehrt: Deutschland ist nicht unbedingt das erste Land, an das man denkt: Schwierige Sprache, extrem schwieriges System, um hier eine Arbeitsgenehmigung aus dem Ausland zu bekommen, den Abschluss als gleichwertig anerkennen zu lassen. Da probiert man es vielleicht erstmal woanders. Und das können wir uns einfach nicht mehr leisten.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 17.11.2023 Phoenix
  • Folge 209
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Jens Spahn, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/​CSU-Bundestagsfraktion, über seine politische Karriere, schwarz-grüne Koalitionen und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
    „Wir haben von Anfang an gesagt: Das geht nicht, es wird nicht halten und es hat nicht gehalten. Und jetzt ist das Gejammer groß“, sagt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/​CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn über die Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds. „Ich war im Bundesfinanzministerium Staatssekretär“, so Spahn weiter, der von 2015 bis 2018 Parlamentarischer Staatssekretär beim damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble war. „Ich kenne die Beamtinnen und Beamten da, das sind die besten, die der Bund hat. Ich bin mir sehr sicher, es gibt in diesem Ministerium reihenweise Vermerke, die auf die Risiken dieses Konstrukts hinweisen.“
    Spahn verwahrt sich dagegen, dass nun die Union schuld sei. „Wenn einer die Stabilität dieses Landes und die Wirtschaft dieses Landes gefährdet, dann ist es diese Regierung, und dann sind es die drei handelnden Personen Scholz, Habeck, Lindner.“
    Mit der Ampel-Regierung geht Spahn generell hart ins Gericht: „Das ist die schlechteste Bundesregierung, die dieses Land je hatte. Haben wir alles richtig gemacht? Nein. Aber seit zwei Jahren am laufenden Band Chaos, keine Mehrheiten, Streit.“
    Über seine Zeit als Bundesgesundheitsminister sagt Jens Spahn rückblickend: „Es gab einfach Tage, da habe ich morgens das Haus verlassen und zu meinem Mann gesagt: Ich weiß nicht, ob ich heute Abend noch im Amt bin. Weil das vor allem Anfang 2021 sehr intensiv war: Impfkampagne, Testen, persönliche Fehlentscheidungen, die ich getroffen hatte. Und dann weißt du ja manchmal nicht, wie sich das weiterentwickelt über den Tag und über die Woche.“ Gleichwohl sei diese Ministerzeit „die spannendste, die wichtigste Zeit“ in seinem Leben gewesen, so Spahn. (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 24.11.2023 Phoenix
  • Folge 210
    In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Alexander Kähler mit Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer über den Zustand der Bahn, Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn AG und die Macht der Gewerkschaften.
    „Wir haben Forderungen gestellt, die sind hoch und die sind -über die Wochenarbeitszeitabsenkung, was sehr speziell ist und neu im Gesamtgefüge-, auch sehr anspruchsvoll“, sagt Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer über den aktuellen Konflikt zwischen der GDL und der Deutschen Bahn AG.
    Weselsky ist überzeugt, dass die Absenkung der Wochenarbeitszeit um 3 Stunden die Arbeit im Schichtsystem für Eisenbahnerinnen und Eisenbahner attraktiver machen könnte. Mit einem Unternehmen gebe es inzwischen eine Einigung, so Weselsky und zwar mit der NETINERA Deutschland GmbH, die zur italienischen Staatsbahn gehört. „Das waren die einzigen, die mit uns tatsächlich tief in diese Verhandlungen eingestiegen sind“. Das Ergebnis sei nun die stufenweise Absenkung der Wochenarbeitszeit, beginnend mit der ersten Stufe zum 1.1.2025. Die Tarifkommission habe „alles einstimmig als hervorragenden Abschluss abgesegnet“.
    Empört zeigt sich Claus Weselsky von den Bonuszahlungen an die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bahn AG. Damit werde das Feuer „richtig angefacht“. „Weil die Mitarbeiter sagen: Wir sollen den Gürtel enger schnallen und die Herrschaften fahren die Boni mit der Schubkarre davon.“ Die Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern würden im täglichen Arbeitsalltag erleben, was alles nicht funktioniere, so Weselsky. „Sie sind ohnmächtig, die fahren draußen die Züge, versuchen, pünktlich zu werden, schaffen es nicht. Weil: Heute kommt Schnee, morgen ist Sturm, übermorgen regnets stark, wir haben, Sie kennen das, die vier Feinde der Eisenbahn. Die These war, unter Herrn Mehdorn noch: Wetter? Wir fahren immer! Jetzt kommt Wetter, und wir sind die ersten, die den Betrieb einstellen.“ (Text: Phoenix)
    Deutsche TV-Premiere Fr. 15.12.2023 Phoenix
  • Folge 211
    Sahra Wagenknecht, ehemalige Linken-Politikerin und prominentes Mitglied des nach ihr benannten Bündnisses, hat den Haushaltskompromiss der Ampelkoalition scharf kritisiert. „Was da rausgekommen ist, ist absolut inakzeptabel. In vielen Bereichen wird Geld verschwendet, und die Bürger werden belastet“, erklärte die Bundestagsabgeordnete im Fernsehsender phoenix. Stattdessen würden erneut Lobbygruppen bedient. „Konjunkturpolitisch ist das der blanke Wahnsinn. Das ist sozial ungerecht und ökonomisch genau das Falsche“, bewertete Wagenknecht die angekündigten Verteuerungen für Kraftstoffe, Heizkosten und Strom. Auch bezahlten die Bürger mit ihrem Geld quasi die 10-Milliarden-Subvention für die Ansiedlung des Chip-Herstellers Intel. „Das geht nicht.“
    Energisch wandte sich die Politikerin gegen die Schuldenbremse. „So, wie sie jetzt ist, stranguliert sie das Land.“ Während die USA und China mit hohen Summen Zukunftsinvestitionen sicherstellten, binde man sich in Deutschland die Hände, warb Wagenknecht für eine Reform der Schuldenbremse, um notwendige Investitionen in Bildung und Infrastruktur sicherzustellen. Dafür müsse man auch die Union ins Boot holen, um mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit das Grundgesetz zu ändern.
    Erneut sprach sich die Bundestagsabgeordnete dafür aus, den Krieg in der Ukraine mit Verhandlungen zu beenden, statt immer mehr Waffen zu liefern. „Was ich dem Westen, auch der deutschen Regierung vorwerfe, dass man das gar nicht versucht, sondern dass gerade auch die Bundesregierung mit einer Blindheit sondergleichen immer nur sagt, wir liefern mehr und wenn die USA, denen wird das ja langsam zu teuer, wenn die sich zurückziehen, dann liefert Deutschland noch mehr“, kritisierte Wagenknecht, und fügte hinzu: „Man hat ja jetzt gesagt, man kann dafür die Schuldenbremse aussetzen – also für unser Bildungssystem und unsere Investitionen will man die Schuldenbremse nicht aussetzen, aber für Ukraine-Waffen, die wir dann vielleicht liefern müssen, weil die USA es nicht mehr macht, dafür würde man das machen.“ Jetzt gelte es, Russland vorzuschlagen, die Waffenlieferungen an Kiew in dem Moment zu stoppen, wenn Moskau einem Waffenstillstand zustimme.
    Die Geschehnisse auf dem Schlachtfeld könnten nicht länger hingenommen werden. „Es wird nicht mehr gesiegt, sondern nur noch gestorben.“
    Wagenknecht stellte klar, dass die neue Partei nur vorläufig ihren Namen tragen werde. „Ich brauche das nicht für mein Ego, dass eine Partei nach mir heißt.“ Allerdings sei es gerade in der Anfangsphase wichtig, den Wiedererkennungswert zu steigern. „Die Partei wird bis zur Bundestagswahl diesen Namen tragen. Danach wird mein Name nicht mehr notwendig sein“, so Wagenknecht. Neben einer anderen Außen- und Sozialpolitik setze sie sich mit ihren Mitstreitern auch für größere Meinungsfreiheit ein. „Wenn schon Thomas Gottschalk sagt, er will nicht weitermachen, weil er im Fernsehen nicht mehr das sagen kann, was er zuhause sagt, dann läuft doch etwas schief.“
    Wagenknecht bestätigte, zahlreiche Spenden für ihre Partei erhalten zu haben, in der Hauptsache von Kleinspendern. Allerdings seien auch weniger als 1.000 Euro aus den USA und 75 Euro von einem Spender aus Russland dabei. „Deswegen sind wir keine Biden-Fans, und 75 Euro machen uns garantiert nicht zu Putin-Fans“, erklärte die Politikerin.
    Deutsche TV-Premiere So. 17.12.2023 Phoenix

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