2024, Folge 212–230
Carsten Linnemann (CDU-Generalsekretär)
Folge 212In „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Carsten Linnemann, dem CDU-Generalsekretär und stellvertretenden Parteivorsitzenden, u.a. über die Konzepte der Union zur Migration und ob er ein Verbot der AfD befürwortet. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 12.01.2024 Phoenix Joachim Gauch (Alt-Bundespräsident)
Folge 213Gegenüber dem ehemaligen ZDF-Hauptstadtstudioleiter Theo Koll, der mit diesem Gespräch mit Joachim Gauck in das Team der phoenix persönlich Moderatoren einsteigt, äußert Gauck sich zur Debatte um das Geheimtreffen von Rechtsradikalen und unterstreicht die Bedeutung von Menschen mit Migrationshintergrund für Deutschland. Im Hinblick auf ein Verbot der AfD zeigt er sich skeptisch und fordert vielmehr ein stärkerer Einsatz für die Demokratie (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 19.01.2024 Phoenix Nicole Schilling (Generalstabsärztin)
Folge 214In „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit der Vizepräsidentin des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr darüber, wer sich für die Bundeswehr eignet, wie sich die aktuelle Diskussion um die „Kriegstüchtigkeit“ auswirkt und über eine mögliche Öffnung der Truppe für Menschen ohne deutschen Pass. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 26.01.2024 Phoenix Marie Agnes Strack-Zimmermann (FDP-Verteidigungsexpertin)
Folge 215Die FDP-Spitzenkandidatin für die Europa-Wahl Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist überzeugt, dass die Ukraine nicht von Russland angegriffen worden wäre, wenn sie ihre Atomwaffen behalten hätte. Daraus ergebe sich, dass „atomare Abschreckung hoch relevant“ geblieben sei, so die Verteidigungspolitikerin. Unabhängig vom Ausgang der diesjährigen Präsidentschaftswahl in den USA müsste sich Europa somit die Frage stellen ob es sich „in Zukunft [ …] auch atomar schützen können“ wird. Sie schlägt vor, die Frage gemeinsam mit den Atommächten Frankreich und Großbritannien europäisch anzugehen. Mit Blick auf den Nahen und Mittleren Osten, die Ukraine und Nordafrika könnten wir „nicht erwarten, dass die Amerikaner uns die nächsten Jahrzehnte zur Seite springen, wenn die Probleme vor unserer Tür“ liegen, sagte Strack-Zimmermann bei phoenix.
Bezüglich des Krieges in der Ukraine und der diesjährigen NATO-Übung sieht Strack-Zimmermann, eine „Verlagerung von Westen nach Osten“ Dies sei ein gutes Zeichen, schließlich sei die NATO „unsere Lebensversicherung.“ Besonders die Übungen seien ein wichtiges Signal, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zeigen: „Wir leben in Frieden und Freiheit. Und wir werden das – hoffentlich – nie verteidigen müssen. Aber wir sind bereit es zu tun, wenn uns einer angreift.“ Vor diesem Hintergrund bewertet sie auch die heute in Brüssel einstimmig beschlossene 50-Milliarden-Euro-Hilfe für die Ukraine positiv. Dies zeige, dass „wir sie aus dem Wasser ziehen wollen und nicht, dass sie absäuft.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 02.02.2024 Phoenix Wolf Biermann (Liedermacher und Lyriker)
Folge 216In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit dem Dichter und Liedermacher Wolf Biermann über die Demonstrationen in Deutschland, sein Leben, Wladimir Putin und den Krieg in der Ukraine.
„Wenn wir der Meinung sind, dass man sich gegen den Krieg von Putin, der ja ein Kriegsverbrecher ist, wehren will, dann muss man sich nicht nur mit Klagen und mit Tränen und mit schiefem Gesicht wehren, sondern mit Waffen“, sagt der Dichter und Liedermacher Wolf Biermann. „Ich bin natürlich parteiisch. Ich möchte gern, dass die Ukrainer, die ihr Leben dort verlieren, nicht aufs Spiel setzen, sondern verlieren, jeden Tag, auch mehr haben als nur irgendwelche altmodischen Waffen aus der Sowjetzeit. Sondern moderne Waffen, mit denen sie sich gegen Putins Aggression wehren können.“
Die jüngsten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie, an denen sich so viele Menschen beteiligen, sind für Wolf Biermann ein „ermutigendes“ Zeichen. Dass es bei den Kundgebungen gegen Antisemitismus weitaus weniger waren, habe ihn nicht „geschmerzt“, so Biermann, „weil es mich nicht gewundert hat.“ Und sarkastisch fügt er hinzu: „Das fällt den Deutschen aber auch schwer, den Juden zu verzeihen, was sie ihnen angetan haben.“
Er habe sich an der Solidaritätsveranstaltung gegen Antisemitismus am Berliner Ensemble beteiligt, die von dem Musiker Igor Levit und dem Publizisten Michel Friedman initiiert worden war. „Ich habe meine „Ermutigung“ gesungen, „Du lass Dich nicht verhärten in dieser harten Zeit“. Aber ich singe das auch für die Palästinenser, die jetzt in dem Krieg sterben und kaputtgehen. Denn die Tränen der Mütter auf allen Seiten, übrigens auch die Tränen der Mütter in Russlands Okkupationsarmee von Putin, die Tränen der Mütter sind sehr salzig.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 09.02.2024 Phoenix Ivo Boblan (Robotik-Experte)
Folge 217In „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Ivo Boblan, Professor für Humanoide Robotik an der Berliner Hochschule für Technik über die Frage, wie Roboter in der Pflege eingesetzt werden können, wie sie aussehen müssen, damit sie von den Menschen akzeptiert werden und ob Roboter eines Tages die Herrschaft übernehmen könnten.
„Wir gehen davon aus, dass wir nur mit Robotersystemen zusammenarbeiten wollen, wenn sie menschlicher wirken, wenn sie uns vom Verhalten sehr nahe sind“, sagt Professor Ivan Boblan, der Humanoide Robotik an der Berliner Hochschule für Technik lehrt. Da der Mensch das „oberste Tier in der Nahrungskette“ sei, würden sie versuchen, das „beste Tier nachzubauen“, einen „Zwilling“ zu entwickeln. „Und da muss man halt sehen, dass der Mensch nicht nur embodiment ist, er ist nicht nur Elektrotechnik, er ist nicht nur Informatik, da ist ganz vieles dabei.“
Eine der zentralen Fragen seiner Forschung sei: „Was sind die idealen Roboter der Zukunft, die wir uns wünschen in der Gesellschaft?. Sollten Roboter auch zukünftig „klar als Roboter“ zu erkennen sein oder sollten sie „vermenschlicht“ werden? In der europäischen „Robotik-Community“ sei man sich einig, „wenn der Roboter nicht sehen kann, sondern quasi nur Händeschütteln kann, dann braucht er auch keine Augen“. Während Roboter in asiatischen Ländern äußerlich den Menschen gleichen sollten, sei es in Europa anders: „Wir haben ein Problem damit, wenn ich nicht mehr erkenne, ob Sie Roboter sind oder nicht,“ erklärt Prof. Ivo Boblan.
Ihm gehe es nicht darum, Menschen durch Roboter zu ersetzen. „Mir geht es darum, dass die Menschen Vertrauen in Robotersysteme haben und ihnen die unliebsame Arbeit, also die, die wehtut, die schwer ist, das Tragen von Lasten, das soll von Robotersystemen, von Automatisierung, von Technik abgenommen werden.“ Aber reden sollten nach wie vor die Menschen miteinander: „Wer will sich mit einer Maschine unterhalten?“ fragt der Wissenschaftler. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 16.02.2024 Phoenix Winfried Kretschmann (B’90/Grüne, Ministerpräsident Baden-Württemberg)
Folge 218Eva Lindenau spricht mit Winfried Kretschmann (B’90/Grüne, Ministerpräsident Baden-Württemberg) u. a. über gesellschaftliche Veränderungen, das Wachstumschancengesetz und über seine Nachfolge im Amt in zwei Jahren.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (B’90/Grüne) hat einerseits um Verständnis für seine Partei geworben, die einen politischen und gesellschaftlichen Veränderungskurs beschreite, andererseits aber auch davor gewarnt, die Menschen über Gebühr zu belasten. „Wir sind die Speerspitze derer, die sagen, wir müssen uns ändern“, äußerte sich der Grünen-Politiker im Fernsehsender phoenix und nannte als Beispiel den Klimaschutz.
Doch bei diesen Veränderungen müsse man die Bürger auch mitnehmen. „Wenn man die Menschen mit Reformen überfordert, weil sie zu schnell gehen und zu tief sind, zu sehr in persönliche Lebensverhältnisse eingreifen, dann entsteht dagegen Widerstand“, sah Kretschmann darin den Grund für den Gegenwind, den seine Partei derzeit spüre. „Im Moment sind wir der Prügelknabe der Nation, alles wird auf uns abgeladen.“
Diese Veränderungsnotwendigkeit ist aus Kretschmanns Sicht auch der Ursprung für die Stärkung des rechten Randes im Parteienspektrum. „Rechtspopulismus kennt nur den Rückwärtsgang und will zurück in die Vergangenheit.“ Unter vielen Menschen gebe es eine Sehnsucht nach Ruhe, nach einem Ende von Krisen und Herausforderungen. „Und wir sind diejenigen, die den Leuten sagen müssen, es wird so nicht funktionieren. Dadurch sind wir etwas ins Abseits geraten.“ Grundsätzlich habe die Aggressivität in der Gesellschaft zugenommen. Das habe sich auch in massiven Protesten rund um eine Veranstaltung der Grünen am Aschermittwoch in Biberach gezeigt, die dann kurzfristig abgesagt werden musste. „So etwas geht gar nicht und darf sich nicht wiederholen“, meinte Kretschmann.
Scharfe Kritik übte Kretschmann an der Verletzung des Geheimhaltungsgrundsatzes im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat und machte deutlich, dass er für die Verabschiedung des Wachstumschancengesetzes gestimmt habe. „Von einer Abgeordneten des Bundestags ist behauptet worden, ich hätte gegen das Gesetz gestimmt. Da sie es nun mal in die Welt gesetzt hat, muss ich aus Selbstschutzgründen sagen: Es stimmt nicht. Ich habe für dieses Gesetz gestimmt und nicht dagegen“, äußerte sich der Grünen-Politiker im Fernsehsender phoenix.
Er empfinde das Verhalten der Politikerin, die diese Falschmeldung öffentlich gemacht habe, als „einen schweren Verstoß gegen die Regeln“. Schließlich sei der Vermittlungsausschuss ein Gremium, das aus gutem Grund nichtöffentlich tage. „Das Abstimmungsverhalten darf nicht mitgeteilt werden, damit man da frei agieren kann und es zu Kompromissen kommt.“ Kretschmann bezieht dabei auf die Äußerungen der Abgeordneten Gesine Lötzsch (DIE LINKE) am Donnerstag im Bundestag.
In der Sache bezeichnete Kretschmann das Wachstumschancengesetz als sinnvoll, kritisierte aber die Belastung der Landwirte. Zwar halte er es für richtig, dass die Bundesregierung die Bauern entlaste, aber „die eine Seite der Wirtschaft wird entlastet und die andere Seite, die Landwirtschaft, wird belastet – was macht denn das für einen Sinn? Die Bundesregierung müsste endlich einmal realisieren, dass dies ein schwerer Fehler war, den sie da gemacht hat“, so Kretschmann.
Zwei Jahre will Kretschmann noch als Regierungschef in Baden-Württemberg amtieren und sich dann zurückziehen. Die Ankündigung des christdemokratischen Koalitionspartners in seiner Regierung, keinen grünen Nachfolger wählen zu wollen, bewertete Kretschmann als Affront. „Es steht klar im Koalitionsvertrag drin, dass die Grünen den Ministerpräsidenten stellen. Das ist vertraglich vereinbart, und da steht nicht, dass das an mich gebunden ist“, machte der Grünen-Politiker seinen Standpunkt deutlich. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 23.02.2024 Phoenix Marcel Reif (Sportjournalist)
Folge 219In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Erhard Scherfer mit dem Sportjournalisten und Kommentator Marcel Reif über seine Rede zur Gedenkveranstaltung der Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag, über das Schweigen seines Vaters und über die Bedeutung, die Fußball in seinem Leben hatte.
Der Sportjournalist Marcel Reif hat unterstrichen, welche Bedeutung der Satz „Sej a Mensch“ für ihn hat. „Ich knie vor diesem Satz nieder“, sagte Reif in der Sendung „phoenix persönlich“ über die drei Worte seines Vaters Leon, die dieser ihm bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt hatte: „Und ich bin ein solcher Idiot gewesen, es ihm nicht zu sagen: Papa, ich habe jetzt ein paar Mal gemerkt, was du mir da sagst. Das ist unfassbar. Das habe ich nicht hingekriegt und das werfe ich mir vor.“
In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag aus Anlass der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus sagte Marcel Reif über das Vermächtnis seines Vaters: „Ich erinnere mich täglich mehr daran, wie oft er mir diesen Satz geschenkt hat – mal als Mahnung, mal als Warnung, als Ratschlag oder auch als Tadel. Drei Worte nur in dem warmen Jiddisch, das ich so vermisse: „Sej a Mensch!“ – „Sei ein Mensch!“
Sein Vater, ein Überlebender des Holocaust, habe nie über das Erlebte gesprochen, so Reif jetzt bei „phoenix persönlich“. „Seine Kinder sollten nicht auf die Straße gehen und in jedem Bäcker, Straßenbahnfahrer, was weiß ich, einen vermeintlichen Mörder ihrer Großeltern vermuten. Das sollte nicht passieren, denn so können Kinder nicht unbelastet aufwachsen. Und das wollte er, das war sein erklärtes Ziel.“ Er habe im Nachhinein begriffen, dass sein Vater „seine zerstörte, überschattete Kindheit nicht noch einmal bei seinen Kindern sehen wollte.“
Viele Jahre später sei ihm klar geworden, so Reif, dass sein Vater Leon mit diesem kleinen Satz „Sei ein Mensch“, doch gesprochen habe.
Mit Blick auf den Antisemitismus und Rassismus heute erklärt Reif, dass „Nie wieder!“ mitnichten nur ein Appell sei, sondern es müsse „das täglich Gelebte“ sein. „In der Mitte der Gesellschaft hat kein Rassismus -und nicht nur Antisemitismus-, hat nichts Unmenschliches verloren. Nichts! Und Rassismus und Antisemitismus sind unmenschlich, weil ich Menschen nicht als Menschen betrachte.“ Das Engagement dagegen sei eine „nicht enden wollende Aufgabe. Und in Deutschland ist es eine besonders unstrittige Aufgabe, weil es das Land der Täter ist.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 01.03.2024 Phoenix Prof. Veronika Grimm (Wirtschaftswissenschaftlerin)
Folge 220In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Prof. Veronika Grimm, Mitglied des Sachverständigenrates der Wirtschaft über die Rente mit 63, ihr Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy und die wirtschaftliche Lage in Deutschland.
„Wir haben sehr viele Baustellen, wenn wir die nicht konsequent angehen, dann werden wir Wohlstandsverluste in Kauf nehmen müssen“, warnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm.
Sie konstatiert verschiedene Versäumnisse: „Ich glaube, dass es im Endeffekt so war, dass wir in vielen Dimensionen auf Kosten zukünftiger Generationen gelebt haben oder auf Kosten anderer. Unsere Verteidigungsfähigkeit haben wir ausgelagert, bei unserer Energieversorgung haben wir uns sehr abhängig gemacht von Russland. Im Handel sind wir sehr abhängig und haben von diesen Abhängigkeiten natürlich auch profitiert.“ Gleichzeitig hätten wir nicht genug investiert, so Grimm „und vor allem nicht mutig genug neue Trends aufgenommen, Digitalisierung zum Beispiel.“
Sie prognostiziert eine „strukturelle Wachstumsschwäche“ für Deutschland. „Die Babyboomer-Generation wird in den Ruhestand gehen und dadurch sinkt das Arbeitsvolumen deutlich. Verstärkender Effekt ist noch, dass die Arbeitszeiten pro Erwerbstätigen sich reduzieren. Die Leute wollen weniger arbeiten. Nur noch Vier-Tage-Woche, Work-Life-Balance – das ist im Einzelfall natürlich nachvollziehbar. Für die Gesamtwirtschaft bedeutet das, dass das Arbeitsvolumen sinkt und nicht durch die Zuwanderung kompensiert werden kann.“
Grimm plädiert für die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters. „Das wirklich große Problem ist, dass wir ja jetzt schon fast ein Drittel des Bundeshaushalts als Zuschuss für die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Wenn das ansteigt, dann ist natürlich klar, dass der Spielraum für Investitionen und für anderweitige Ausgaben, für Forschung und Entwicklung beispielsweise, sinkt.“ Die Wirtschaftswissenschaftlerin hält es für nötig, die Rente mit 63 nur noch für Menschen mit gefährdeter Gesundheit zu ermöglichen. „Ich glaube, man kann sich das als Gesellschaft leider nicht leisten“, so Grimm und verweist darauf, dass „nicht unbedingt diejenigen, die nicht mehr können, die wirklich krank sind, die wirklich wenig verdienen in den Genuss kommen, sondern es sind eben auch viele, die eigentlich gut dastehen.“
Die Kritik daran, dass sie als Mitglied des Sachverständigenrats auch ein Aufsichtsratsmandat bei Siemens Energy angenommen hat, habe sie überrascht, sagt Veronika Grimm: „Ich hatte damit nicht gerechnet. Ich habe das im Vorfeld rechtlich klar abklären lassen von beiden Seiten, ob das kompatibel ist. Das Sachverständigenratsgesetz erlaubt das ausdrücklich. Wir sollen unabhängig sein von der Regierung, von Verbänden und eben von Regierungsorganisationen. Aber Tätigkeiten in der Wirtschaft erlaubt das Gesetz explizit.“
Gleichwohl macht Grimm deutlich: „Wenn es zum Beispiel um Siemens Energy geht, und die Frage ist, sollten die Bürgschaften bekommen oder nicht, da würde ich natürlich sagen, in dieser Doppelfunktion bin ich nicht sprechfähig. Und das wäre natürlich durch die Transparenz, die ja mit diesem Mandat und dem Sachverständigenratsmandat einhergeht, völlig klar, dass ich mich dazu nicht äußern würde.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 08.03.2024 Phoenix Norbert Lammert (CDU, ehem. Bundestagspräsident)
Folge 221In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Norbert Lammert, Bundestagspräsident a.D. und Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, über seine politische Vita, Politik in Krisen- und Kriegszeiten und Streit in der Demokratie.
„Ohne Streit gibt es keine vitale Demokratie“, sagt der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert. „Wir haben uns auf demokratische Verfahrensregeln verständigt, weil wir begriffen haben, dass niemand über absolute Wahrheiten verfügt, folglich jeder die Möglichkeit haben muss, das zu vertreten, was ihm vernünftig, richtig und wichtig erscheint. Und die Folge ist Streit oder Konflikt.“ Mit Blick auf die aktuelle politische Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erklärt Lammert weiter, dass gestritten werde, mache den „prinzipiellen Unterschied“ von politischen Systemen wie in Deutschland und Verhältnissen etwa in Russland, China oder vielen autoritär geführten Ländern aus: „Ein solcher Streit könnte dort gar nicht geführt werden.
Bei uns wird er auf offener Bühne geführt. Und wenn man genauer hinsieht, kann man auch beobachten, dass er keineswegs nur zwischen den konkurrierenden politischen Gruppierungen, Parteien, Fraktionen geführt wird, sondern in den Parteien und Fraktionen geführt wird. Was mich sehr ermutigt, was die Belastbarkeit unserer demokratischen Verfahrensregeln betrifft.“
Irritiert zeigte sich Norbert Lammert von der Äußerung des Bundeskanzlers bei der Fragestunde im Bundestag. Olaf Scholz hatte sich einen Schlagabtausch mit Nobert Röttgen geliefert und diesem vorgehalten, dass er alles wisse und eine öffentliche Kommunikation betreibe, „die darauf baut, dass dein Wissen kein öffentliches Wissen ist“, also im Grunde Röttgen geheimes Wissen unterstellt. „Dass eine solche Bemerkung nicht nur besondere Aufmerksamkeit erzeugt, sondern zu Spekulationen einlädt, das ist ja nun offensichtlich“, erklärt Lammert.
Vor dem Hintergrund der Gleichzeitigkeit „großkalibriger Probleme“ sieht Norbert Lammert die „wichtigste einzelne Aufgabe von Mandatsträgern“ darin, der Öffentlichkeit zu erklären, warum sie wie mit diesen Themen umgehen und warum es für keines dieser Themen Patentlösungen gebe. „Für beinah alle in der Diskussion befindlichen Vorschläge lässt sich zeigen, dass sie – wenn sie mehrheitsfähig sein sollten – mit Nebenwirkungen verbunden sind, die die Protagonisten eigentlich lieber vermeiden möchten, die man aber miteinkauft, wenn man sich für diese und nicht jene Variante entscheidet. Und ich glaube, das ist ein Aufklärungsdienst, den die Politik tatsächlich leisten muss.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 15.03.2024 Phoenix Gerhard Mangott (Russland-Experte)
Folge 222Deutsche TV-Premiere Fr. 22.03.2024 Phoenix Hildegard Müller (Verband der Automobilindustrie)
Folge 223In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie über Versäumnisse der deutschen Autobauer bei der Entwicklung der E-Autos, über Erwartungen der Wirtschaft an die Bundesregierung und über die Konkurrenz zu China.
„Es ist schon so, dass unser Bundeskanzler industriepolitisch auch einen guten Kompass hat“, sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Ich finde es zum Beispiel im Umgang mit China richtig, dass er da über De-Risking redet und nicht über De-Coupling, also völlig Abkoppelung.“
Doch würde die deutsche Wirtschaft die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschlands umtreiben, so Müller, deshalb würden sie mehr von der Bundesregierung erwarten. „Unser Standort ist in fast allem zu teuer.“ Ein zentraler Punkt sei die Energiepolitik: „Gerade der industrielle Mittelstand hat wie die gesamte deutsche Wirtschaft immense Probleme mit dem Thema Energiekosten.“ Die Themen Bürokratieabbau und Digitalisierung seien wichtig. Und: „Wir brauchen kein deutsches Lieferkettengesetz und ein EU- Lieferkettengesetz.“
Dass deutsche E-Autos teurer sind als beispielsweise chinesische, erklärt Hildegard Müller mit „erheblich teureren“ Produktionskosten in Deutschland. Und: „In anderen Märkten wie in China, gibt es direkte Subventionen für die Automobilhersteller. Ich leite das für uns nicht ab. Ich fordere sie für uns auch nicht, das ist mir ganz wichtig zu sagen. Aber ich kann die Augen nicht davor verschließen, dass andere Autos wesentlich mehr mit staatlicher Unterstützung und günstigeren Standortbedingungen produziert werden können.“
Müller betont die Bedeutung des chinesischen Marktes für die deutsche Autoindustrie. Das sei ein „Wettbewerbsmarkt“, auf dem sie gerne dabei seien. Mit Blick auf den Überfall Russlands auf die Ukraine sagt Müller, dass politische Eskalation zu anderen Handlungen zwingen könne. „Hier gilt das Primat der Politik. Dann werden wir auch entsprechend handeln. Aber wir sind nicht in einem Krieg mit China. Wir haben jetzt eine wahnsinnige Entwicklung, die auch technologisch durch diesen Markt interessant ist. Wir lernen auch viel durch diese hohen Absatzzahlen in China.“
Von Strafzöllen auf chinesische E-Autos, wie es die EU überlegt, hält Hildegard Müller nichts. „Ich finde wichtig, dass man mit China natürlich auch über faire Wettbewerbsbedingungen spricht, glaube aber generell, dass Zölle, wechselseitige Zölle gerade für eine Industrie, die von offenen Märkten lebt, uns nicht weiterhelfen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 12.04.2024 Phoenix Ulf Buermeyer (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Folge 224In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Ulf Buermeyer, Jurist, Mitgründer und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte, u.a. über 75 Jahre Grundgesetz, den Schutz des Bundesverfassungsgerichts, mögliche Maßnahmen gegen Hass im Netz und die Reform des Klimaschutzgesetzes.
Der Jurist Ulf Buermeyer, Co-Host des Politik-Podcasts „Lage der Nation“, bezweifelt, dass die Reform des Klimaschutzgesetzes bei einer Klage in Karlsruhe Bestand hätte: „Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber wirksamen Klimaschutz ins Stammbuch geschrieben, gerade für die zukünftigen Generationen. Und ich würde denken, dass diese Novelle diesem Ziel absolut entgegenläuft.“ Wenn man gegen dieses Änderungsgesetz klagen würde, sieht Buermeyer das Bundesverfassungsgericht in einer „relativ komfortablen Position“. „Es muss dann nämlich dem Gesetzgeber nicht sagen, das musst du tun für Klimaschutz, sondern es kann sagen: Lieber Gesetzgeber, was immer du tust, weniger Klimaschutz geht jedenfalls nicht. Und könnte sich einfach darauf beschränken, dieses Änderungsgesetz für verfassungswidrig zu erklären. Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Also, sollte dagegen geklagt werden, dann hätte ein solches Verfahren aus meiner Sicht gute Aussichten auf Erfolg.“
Mit Blick auf 75 Jahre Grundgesetz, erklärt Buermeyer, dass es im Ansatz eine sehr gute, eine liberale, eine sehr demokratische und sehr soziale Verfassung sei. „Aber natürlich stammt das Grundgesetz im Grundsatz aus dem Jahren 1948/49. Es ist immer wieder mal geändert worden, aber der Grundzuschnitt ist inzwischen 75 Jahre alt. Und wir können sehr glücklich sein, dass zentraler Hüter dieses Grundgesetzes das Bundesverfassungsgericht ist, das sich immer wieder auch dem Fortschreiben dieses Grundgesetzes für die veränderten Zeiten verschrieben hat.“
Um effektiv gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen zu können, hat sich Ulf Buermeyer seit Jahren für die Möglichkeit von Accountsperren stark gemacht, räumt aber ein, dass vielfach kritisiert würde, dass es sich dabei um Zensur handeln könnte. „Ich will nicht in Abrede stellen, dass natürlich Accountsperren Eingriffe in die Meinungsäußerungsfreiheit wären. Aber zugleich würde sich der Staat damit schützend vor die Meinungsäußerungsfreiheit der Menschen stellen -zum Beispiel Frauen oder geflüchtete Menschen-, die durch diese Hassprediger aus dem Netz vertrieben werden.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 19.04.2024 Phoenix Prof. Herfried Münkler (Politikwissenschaftler)
Folge 225Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler spricht sich für den Ausbau von Europas militärischer Macht aus. In der Sendung phoenix persönlich sagt er: „Ich bin der Auffassung, die Europäer müssen eine eigene nukleare Abschreckungskomponente haben.“ Der Staatenverbund könne sich „nicht mehr bedingungslos auf die USA verlassen“, die bisher einen „nuklearen Schutzschild“ über den Kontinent halte. Insbesondere mit Blick auf die US-Präsidentschaftswahlen müsse reagiert werden. Es sei „ein geschickter taktischer Schachzug von Trump, das Thema Ukraine vor dem Wahlkampf abzuräumen“. Sollte Trump im November erneut zum Präsidenten gewählt werden, hätte das zur Folge, „dass sich die USA aus diesem Konflikt gänzlich zurückziehen“, so Münkler.
Europa müsse zu einem „politischen Akteur“ werden, sagt Münkler. Er schlägt vor, dass eine kleinere Gruppe europäischer Staaten – etwa Frankreich, Deutschland, Polen, Spanien und Italien – zum „Aufbau nuklearer Fähigkeiten“ und zur „Herstellung von Glaubwürdigkeit in der Abschreckung“ ein „gemeinsames Oberkommando“ in der Sicherheitspolitik übernimmt. „Die müssten sich darauf verständigen, ihre Fähigkeiten zu Poolen zusammen zu legen und rotierend einen gemeinsamen Oberkommandierenden, der also über den roten Knopf verfügen würde, zu installieren. Wenn so etwas erfolgen würde, dann hätte das einen ungeheuren politischen Sog.“
Dass die Europäer ihre Waffen- und Munitionsproduktion tendenziell erst Anfang 2024 hochgefahren hätten, und nicht bereits im Spätsommer 2022, als im Prinzip klar war, dass der Krieg in der Ukraine zu einem „Materialkrieg“ werden würde, zeige die „notorische Schlafmützigkeit der europäischen und auch der deutschen Politik“, kritisiert Münkler. Und mit Blick auf Bundeskanzler Olaf Scholz stellt er fest, wenn dieser wisse, dass der Krieg noch Jahre dauern könne, dann sei es erstaunlich, „in welcher Weise die deutsche Politik nicht darauf reagiert hat.“
Münkler warnt davor, „den Krieg auf den gegenwärtigen Frontlinien einzufrieren“. Das hätte weitreichende Folgen: Einmal sei dann klar, „man kann in Europa mit Waffengewalt Grenzen verschieben. Putin hat’s gezeigt.“ Zweitens könne man dann „die UN-Charta, Verbot des Angriffskrieges, vergessen“. Und drittens würden sich laut Münkler „zwischen fünf und zehn Millionen Ukrainer auf den Weg machen, in der Ukraine, in den Westen, vor allen Dingen nach Deutschland.“
Kritisch schaut der Politikwissenschaftler auch auf den Konflikt in Nahost. Auf die Frage von Moderatorin Eva Lindenau, ob sich der Iran durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ermutigt fühlen könnte, die Vorherrschaft im arabischen Raum auszubauen, antwortet Münkler: „Dafür spricht vieles.“ Er führt aus: „Die destruktive Politik Teherans ist durchaus im längerfristigen strategischen Interesse Russlands, das ja auch eine strukturell destruktive Politik betreibt.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 26.04.2024 Phoenix Prof. Steffen Mau (Soziologe)
Folge 226In der Sendung „phoenix persönlich“ schaut Steffen Mau, Professor für Makrosoziologie an der Humboldt-Universität Berlin, mit großer Sorge auf die kommenden Landtagswahlen – als Kipppunkt der demokratischen Entwicklung. Und er erläutert im Gespräch mit Theo Koll die These seines noch im Druck befindlichen Buchs, dass das Land ungleich vereint sei und der Osten Deutschlands anders bleiben wird.
„Es gibt so etwas wie eine ostdeutsche Identität, ein ostdeutsches Bewusstsein“, sagt der Soziologe Steffen Mau, auch 35 Jahre nach Mauerfall. Ursprünglich habe es eine Erwartung gegeben, „dass der Osten sich dem Westen anverwandelt, dass es eine langfristige Konvergenz gibt, ökonomisch und auch von den Einkommen her ist das ja gewollt gewesen“. Heute würde er bilanzieren, alles habe sich nicht angeglichen, sondern es gibt „viele Dinge, die durchaus anders bleiben in der politischen Kultur, aber auch in den sozialen Strukturen, in den Mentalitäten. Dass der Osten verschwindet oder dass wir so etwas wie eine innere Einheit haben, die dann möglicherweise darauf hinausläuft, dass wir uns gar nicht mehr unterscheiden, das ist relativ unwahrscheinlich.“ Selbst Menschen, die zur Nachwendegeneration gehörten, würden sich als Ostdeutsche fühlen, erklärt Mau, sogar mehr als die Älteren. „Bei der jüngeren Generation wird es nochmal stärker.“
Es gebe Dinge, die „wie einzementiert“ seien, beispielsweise die Vermögensverhältnisse, dass im Osten nur sehr wenig vererbt werde, dass die Einkommen kleiner seien, so Mau weiter. Und er verweist auf Unterschiede in der politischen Kultur zwischen einer „gestandenen und gewachsenen Demokratie“, vor allem der Parteiendemokratie im Westen und einer sehr viel kürzeren Demokratie im Osten. „Wenn wir über Fragen von Parteimitgliedschaft und Schwäche von Volksparteien nachdenken“, könnte sich der Osten als „Pionierregion“ erweisen.
Mit großer Sorge blickt der Soziologe auf die anstehenden Landtagswahlen. „Das sind für mich sehr entscheidende Wahlen, die im Hinblick auf die demokratische Entwicklung ein Kipppunkt sind.“ Es werde „unglaublich viel Druck geben“, auch neue Formen von Regierungsbildung auszuprobieren, „also Minderheitsregierung, aber auch ungeliebte Bündnisse mit sehr vielen unterschiedlichen politischen Farben. Und es wird natürlich die Verlockung geben, möglicherweise auf strategische Optionen zu erweitern“, indem man zwar nicht mit der AfD koaliere, aber doch vielleicht eine Form von „verabredeter Zusammenarbeit“ hinzubekommen, prognostiziert Mau. „Ich glaube, das würde die deutsche politische Landschaft enorm umpflügen.“
Bei Thema Migration sieht Mau beim „Gros der Bevölkerung“ die Haltung, „Migration ist in Ordnung, solange das reguliert und gesteuert ist, solange die Integration ins Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt gelingt.“ In Ostdeutschland gebe es „mehr Ressentiment“ gegenüber Migration. „Aber wenn man sich die ostdeutsche Altersstruktur anschaut, dann sieht man, dass es eine schrumpfende Gesellschaft ist, es gehen viel, viel mehr Leute aus dem Arbeitsmarkt raus als eintreten. Das heißt, Ostdeutschland ist mehr als jede andere Region auf Zuwanderung angewiesen. Und von daher ist es schon eine kritische Situation, wenn gerade diese Landkreise oder Bundesländer, die Migration dringendst brauchen, um überhaupt ihre wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, dass die sich besonders stark verschließen.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 03.05.2024 Phoenix Werner Henning (Landrat Eichsfeld)
Folge 227In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Inga Kühn mit Werner Henning, CDU, Landrat im Landkreis Eichsfeld, über die Angriffe auf Politikerinnen und Politiker, die Herausforderungen der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen, seine Erfahrungen mit der Bezahlkarte und den Umgang mit der AfD und den Linken.
„Mit großem Kopfschütteln, mit Aufregung, mit tiefer Ablehnung“ werde in seinem Landkreis über die zunehmende Verrohung diskutiert, sagt Henning, dienstältester Landrat Deutschlands, mit Blick auf die jüngsten Angriffe auf Politikerinnen und Politiker. „Es ist richtig, dass der Staat mit der Macht, die ihm zur Verfügung steht, gegen solche Tätlichkeiten vorgeht“, so Henning weiter. Er würde es bedauern, wenn durch solche Bedrohungen das politische Engagement für die Gemeinde verlorenginge. „Wir brauchen das Engagement von engagierten, guten, hochmotivierten Demokraten im Sinne von einem anständigen, ehrbaren Verhalten, um das Alltagsleben bei uns selbst auch weiter in der Hand zu behalten.“
Mit Blick auf die Zahl der Flüchtlinge in seinem Landkreis, erklärt Werner Henning: „Ich war immer an einer Belastungsgrenze.“ Er habe sich bei 300 Flüchtlingen nicht vorstellen können, 500 unterzubringen. „Heute habe ich 2500. Ich habe schlaflose Nächte, weil ich nicht weiß, wie es weitergeht, und dennoch gibt es immer wieder auch Phasen, wo man dann gewisse Erleichterungen verspürt.“
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen habe er immer versucht, sich nicht gegen die eigene Bevölkerung zu stellen, sagt Henning. „Aber ich habe auch in der eigenen Bevölkerung immer wieder dazu animiert, dass es um unser Selbstbildnis geht. Also, dass man dem Fremden so begegnet, wie wir selbst aufgenommen sein wollen. Das ist ein hoher Anspruch und bei vielen praktischen Erlebnissen, die wir haben, tut man sich selber schwer, diesen hohen Anspruch durchzuhalten. Aber ganzheitlich war es immer noch möglich.“
Zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene erklärt Landrat Henning, man müsse den Begriff „Zusammenarbeit“ definieren: „Wenn Zusammenarbeit bedeuten würde, man würde Absprachen treffen und man würde gemeinsam strategisch irgendetwas entwickeln, dann gibt es eine solche Zusammenarbeit bei mir nicht, die hat es nie gegeben. Ich kann es aber nun einmal nicht ändern, dass auch Herr Höcke im Kreistag sitzt. Der Wähler hat ihn in den Kreistag entsandt, und ich glaube, wir tun gut daran, damit korrekt umzugehen.“
Für eine Zusammenarbeit mit der Linken sei er immer offen gewesen, so Henning, das würde nicht bedeuten, dass er alle inhaltlichen Positionen teile oder ein „Linker in einem parteipolitischen Bekenntnis“ sei. Doch allein vom Menschenbild sei er mit den Linken auf der Ebene des Landtags „im Großen und Ganzen gut zurechtgekommen. Und das gilt in besonderer Weise für Bodo Ramelow.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 10.05.2024 Phoenix Prof. Naika Foroutan (Migrationsforscherin)
Folge 228In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Theo Koll mit Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik an der Humboldt-Universität Berlin, über die viel kritisierte Erklärung zu den propalästinensischen Protest-Camps, Antisemitismus an den Hochschulen, über Migration und darüber, wie die AfD um migrantische Wähler wirbt.
„Wenn wir heute Zeit hätten, den Brief neu zu formulieren, dann würden wir selbstverständlich mit dem Überfall der Hamas beginnen“, räumt die HU-Professorin Naika Foroutan mit Blick auf den öffentlichen Brief selbstkritisch ein. In diesem Brief hatten Hochschullehrerinnen und -lehrer u.a. die polizeiliche Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps an der FU kritisiert. Diese Stellungnahme hatte Empörung und scharfe Kritik ausgelöst, u.a. weil sie als einseitig empfunden wurde und weil bei den FU-Protesten auch antisemitische Parolen geäußert wurden.
Der „erste Impuls“ sei gewesen, „sich vor die Studierenden zu stellen“, so Foroutan, „wir sind für Studierende mit zuständig“. Und das Gefühl, dass sie mit Polizeigriffen vom Campus geführt würden, sei kein schönes. „In einer besseren Welt würde man die Möglichkeit haben, deeskalierend einzugreifen und Diskussionsräume zu eröffnen und zu sagen: Das ist antisemitisch, das hat keinen Platz auf dem Campus.“
Nach dem 7. Oktober habe man das Thema Nahost fälschlicherweise „ausgeklammert“, sagt Foroutan. „Wir haben versucht, das ganze Thema nicht in unsere Lehrräume zu holen, weil wir es als zu toxisch empfunden haben. Und diese Stille, die wir erzeugt haben, hat einen Druck erzeugt, von dem wir schon in der Woche vorher gemerkt haben, besonders nach den großen Campus-Protesten weltweit, dass das auch bei uns ankommen kann.“
In den vergangenen Jahren habe man vor allem versucht, die Universitäten zu „safe spaces“ zu machen, wo sehr auf Sprache und auf „Verletzungen geachtet“ wurde, so Foroutan. „Und jetzt kann man uns vorwerfen, warum achtet ihr dann nicht auf die Verletzungen der jüdischen Studierenden und das ist in der Tat ein großer Vorwurf“. Foroutan verweist auch darauf, dass jüdische Studierende „keine homogene Gruppe“ seien und „aus unterschiedlichen Positionen heraus eine Stellung zu diesem Konflikt“ hätten. Das Gleiche gelte auch für die muslimischen Studierenden.
Mit Blick auf das Thema Migration erklärt Foroutan, dass Deutschland sich im letzten Jahrzehnt zu einem der „dynamischsten Migrationsakteure weltweit positioniert“ habe. „Das ist eine sehr neue Position für dieses Land im internationalen Gefüge. Deutschland steht an zweiter Stelle hinter den USA, was die absolute Zahl der Eingewanderten angeht.“ Gleichwohl würde Deutschland aktuell mit anderen Industrienationen um qualifizierte, aber auch um unqualifizierte Arbeitnehmer konkurrieren.
Das politische Potential migrantischer Wähler habe vor allem die AfD erkannt und würde diese über das Videoportal TikTok ansprechen, so Migrationsforscherin Foroutan. Als Beispiel nennt sie ein Video von Maximilian Krah, Spitzenkandidat für das Europaparlament, das „innerhalb der türkeistämmigen communities viral gegangen“ sei und in dem er bei der „teilweise sehr konservativen migrantischen Bevölkerung“ zu punkten versuchte, indem er gegen die Gender-Thematik Stellung bezog. (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 17.05.2024 Phoenix Manfred Lütz (Psychiater und Theologe)
Folge 229In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Jörg Thadeusz mit dem Psychiater und Theologen Manfred Lütz über die Suche nach dem Sinn des Lebens, darüber, warum wir mehr Christentum brauchen, über das ewige Leben und über die jüngsten ausländerfeindlichen Gesänge.
„Ich finde das widerlich alles, und es ist auch nicht harmlos“, sagt der Theologe und Psychotherapeut Manfred Lütz mit Blick auf die ausländerfeindlichen Gesänge auf Sylt. „Aber ich fürchte, dass der Hype, der danach passiert, eher Nachahmer anregt, und man muss differenziert bleiben in solchen Dingen. Es gibt auch junge Leute, die wollen einfach provozieren und wollen dann irgendwas raushauen, was möglichst extrem ist. Ich finde ganz gut, dass diejenigen, die identifiziert worden sind, jetzt auch Konsequenzen spüren müssen.“ Lütz ergänzt: „Wir sollten jetzt nicht so tun, als könne man nicht mal über die Stränge schlagen, das tut jeder von uns, wenn er ehrlich ist. Nur finde ich, wenn es fremdenfeindlich wird, wenn es tatsächlich rechtsradikal wird, dann ist eine Grenze überschritten. Und da muss man das dann auch klar markieren. Das hat die Öffentlichkeit gemacht. Aber ich finde, dann muss es auch irgendwann mal gut sein.“
Kritisch blickt der Theologe Manfred Lütz auf den Zustand der Kirche, denn die Kirchen in Deutschland würden sich zurzeit selbst zerlegen. Gleichwohl brauche es nach seiner Meinung mehr Christentum. „Wir haben in Deutschland eine finanziell sehr gut ausgestattete Kirche. Und de facto strahlt sie kaum mehr etwas aus. Ich will darüber gar nicht jammern, die Zeiten sind viel zu ernst.“ Und Lütz weiter: „Ich denke, die Gesellschaft muss aufhören, immer nur auf die Kirche einzudreschen, sondern schauen, was am Christentum für diese Gesellschaft wichtig ist. Die Nächstenliebe ist zum Beispiel wichtig. Gregor Gysi sagt, er sei Atheist, aber er habe Angst vor einer gottlosen Gesellschaft, bei der die Solidarität abhandenkommen könne.“
Bei der Frage nach dem Sinn des Lebens können große Kunstwerke wie beispielsweise die Pietà von Michelangelo hilfreich sein, so der Theologe und Psychotherapeut Lütz. „Jeder Mensch sucht nach dem Sinn seines Lebens. Und jeder sieht seinen Sinn in diesen großen Kunstwerken.“ Für ihn schildere die Pietà „das ganze Christentum“.
„Ich glaube nicht, dass man den Sinn des Lebens dadurch findet, dass man sich von morgens bis abends in Museen aufhält. Ich glaube auch nicht, dass man sich die ganze Zeit mit Kunst beschäftigen kann. Sondern den Sinn des Lebens erlebt man in der Begegnung mit wirklich liebenswerten Menschen. Oder auch in Kunst oder auch in Musik zum Beispiel, da kann man den Sinn des Lebens hören. Jeder Mensch, und das glaube ich wirklich, jeder Mensch ist da berührbar, nicht nur der gebildete.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 31.05.2024 Phoenix Daniela Schwarzer (Politikwissenschaftlerin)
Folge 230In der Sendung „phoenix persönlich“ spricht Eva Lindenau mit Daniela Schwarzer, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, über die Folgen der Europawahlen, die Gefährdung der Demokratie und warum Europa als Akteur stärker werden muss.
„Die Europawahlen haben auf nationaler Ebene viel erschüttert“, sagt die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer. „Auch in unserem Land sprechen wir darüber, wie die Ampel dasteht, was mit unserer Demokratie los ist, warum so viele Menschen für die AfD gestimmt haben. Und in Frankreich sind Neuwahlen ausgerufen worden, die ebenso viele Sorgen machen wie der Präsident vielleicht Hoffnungen hatte, als er das am Wahlabend entschieden hat.“
Aus Berliner Sicht sei es wichtig nach Paris zu gucken, so Schwarzer, man müsse aber auch nach Warschau blicken, nach Skandinavien oder in die baltischen Staaten. „Die drei baltischen Staaten sind ganz klar positioniert zum Thema „Was müssen wir in der NATO, was müssen wir in Europa machen, um die Ukraine zu unterstützen.“ Und auch Polen sei jetzt auch wieder unter einer politischen Führung, die „absolut anknüpfbar“ sei für eine Weiterentwicklung der Europäischen Union. „Mit sehr eigenen Ideen. Das ist also nicht eine Erweiterung des deutsch-französischen Konsenses, sondern da kommen eigene Impulse, eigene Ideen.“
Mit Blick darauf, dass gerade Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wie auch Bundeskanzler Olaf Scholz geschwächt aus den Europawahlen hervorgehen, erklärt Daniela Schwarzer: „Wir brauchen Deutschland und Frankreich im Grunde so wie fast nie in der europäischen Integrationsgeschichte. Denn wir haben mit sehr, sehr vielen Herausforderungen gleichzeitig zu kämpfen. Das eine ist Russlands Angriff auf die Ukraine und die notwendige Unterstützung, die Europa weiter leisten muss. Insbesondere in dem Szenario, dass möglichweise Donald Trump am 5. November noch einmal zum US-Präsidenten gewählt wird.“ Europa müsse schauen, wie es sich in dieser neuen Weltlage stärker aufstelle, das betreffe nicht nur das Thema Sicherheit, sondern auch die Frage, was eine „zukunftsfähige Wirtschaftsordnung“ sei. Der globale Wettbewerb werde nicht mit „fairen Mitteln ausgefochten“, so Schwarzer u.a. mit Verweis auf China.
Bei den nun von der EU-Kommission in Bezug auf chinesische Elektroautos ins Spiel gebrachten Zöllen, spricht Schwarzer eher von „Ausgleichszöllen“, die dafür sorgen sollen, dass das Preisniveau in dem Maße angeglichen werde, wie es im Heimatland subventioniert werde. Insofern sei das Instrument mit den „Regeln der Welthandelsorganisation kompatibel“. „Aber es wird natürlich so interpretiert wie ein Schutzzoll oder vielleicht sogar ein Strafzoll. Und da muss Europa aufpassen, dass wir nicht in eine negative Spirale geraten.“ Europa versuche „mit Recht“, sich gegenüber unfairen Handelspraktiken zu schützen, erklärt Schwarzer. Gleichwohl hätten sowohl die USA als auch Europa ein Interesse daran, mit China weiter zu handeln und zu interagieren. „Auch wenn wir in letzter Zeit viel vorsichtiger geworden sind, weil eben klar ist, dass der chinesische Staat seine Wirtschaft und seine Wirtschaftskraft auch sehr strategisch für seine eigenen Ziele einsetzt.“ (Text: Phoenix)Deutsche TV-Premiere Fr. 14.06.2024 Phoenix
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