Warum „Star Trek: Discovery“ weiterhin keine großartige Serie ist – es aber noch werden könnte – Review

Rückblick auf die zweite Staffel der Netflix-Serie

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 19.04.2019, 16:44 Uhr

Mary Wiseman als Tilly

Den anderen Hauptfiguren erging es kaum besser als der K.I. Tillys (Mary Wiseman) interessanteste Momente wurden in eine Folge der Kurzfilm-Serie „Star Trek: Short Treks“ ausgelagert und die aus dem Spiegeluniversum importierte Captain Georgiou (Michelle Yeoh) verkommt immer wieder zum sarkastischen One-Liner-Automaten. Ash Tyler (Shazad Latif) wurde zum Ping Pong-Ball der Staffel: zunächst als leidender Vater auf der klingonischen Heimatwelt, dann mit einer steilen Karriere bei Section 31, gefolgt von der Versetzung auf die Discovery, wo immerhin das Wiedersehen mit Michael einige emotional zufriedenstellende Momente bot. Mit der Beförderung zum Boss von Section 31 im Staffelfinale ist der steile Irrflug von Tyler wohl zunächst einmal abgeschlossen.

Hinter den Kulissen
Auch hinter den Kulissen war der Tumult in der zweiten Staffel groß. Die bisherigen Showrunner Gretchen A. Berg und Aaron Harberts wurden nach der Produktion der siebten Episode von ihren Aufgaben entbunden (fernsehserien.de berichtete). Hauptgrund hierfür soll ein drakonischer Führungsstil an der Spitze des Autorenteams gewesen sein. So füllte Franchise-Boss Alex Kurtzman selbst die entstandene Lücke und holte sich mit dem früheren „The Closer“-Produzenten James Duff einen Autoren ins Boot, der immer wieder bewiesen hatte, wie eine erfolgreiche und vielschichtige Balance zwischen Plot und Charakter-Momenten aussehen kann. Mit anderen Worten: „Discovery“ hat inzwischen Leute an Bord, die es eigentlich besser können. Und doch fühlten sich große Teile der zweiten Staffel einfach nur wie Schadensbegrenzung an: Wir wollten Michelle Yeoh nicht verlieren, also was machen wir mit Captain Georgiou? Wie bekommen wir Ash zurück auf die Discovery? Wie erklären wir endlich Michaels Vergangenheit als Spocks Adoptivschwester? Wie erwecken wir Dr. Culber (Wilson Cruz) wieder zum Leben?

Kultszene aus der Auftaktstaffel: Ehepaar Culbert (Wilson Cruz) und Stamets (Anthony Rapp) beim Abendritual

Tatsächlich ist es schwer geworden, der Liebesgeschichte zwischen Culber und Paul Stamets (Anthony Rapp) noch ohne Augenrollen zu begegnen. Im vergangenen Jahr zeichnete sich ihre Beziehung durch ihre unaufgeregte Alltäglichkeit aus: Gemeinsam sinnierten sie am Abend vor dem Badezimmerspiegel über die Ereignisse des Tages, eine Situation, die jedes Ehepaar nachvollziehen kann. Bis jemand im Autorenteam die unterirdische Idee hatte, Dr. Culber sinnlos aus dem Leben und aus der Handlung zu reißen. Also: Schadensbegrenzung.

Während Culbers Rettung aus dem Myzeliennetzwerk (2x05) noch überzeugen konnte, war alles, was folgte, unausgegoren und sprunghaft. Natürlich kann der einstige Chefarzt der Discovery ein solches Trauma nicht einfach wegstecken und natürlich ergeben sich daraus Konsequenzen für seine Beziehung zu Paul. Doch die werden uns in viel zu kurzen „Er liebt ihn, er liebt ihn nicht“-Szenen zugeworfen, als in einem wirklich konsequent ausgearbeiteten Zerbrechen und Kitten der Beziehung. Wir hören von den beiden ständig, wie es ihnen jetzt plötzlich wieder geht – wir sehen die Entwicklung dorthin jedoch nie. So marschiert das erste schwule Paar der „Star Trek“-Seriengeschichte stramm der klischeebeladenen Bedeutungslosigkeit entgegen.

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