Sophie (Alina Stiegler, l.), Moritz (Ben Münchow) und Freya (Susanne Bormann) sind gefangen in der Zeit.
Bild: ZDF/Boris Laewen
„Gefangen in einer Zeitschleife“ – dieses Erzählmuster verbindet man vor allem mit dem Komödienklassiker „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (1993), in dem Harold Ramis einen von Bill Murray gespielten, ständig am selben Tag aufwachenden Misanthropen einen Charakterwandel durchlaufen lässt. Dass sich das Konzept der ewigen Wiederkehr kreativ noch nicht totgelaufen hat, bewiesen in jüngerer Vergangenheit besonders drei Filme: „Edge of Tomorrow“ (2014), ein unverschämt unterhaltsamer Science-Fiction-Actioner, der Tom Cruise im Kampf gegen hochentwickelte Aliens zeigt, „Happy Deathday“ (2017), ein kurzweiliger Slasher-Spaß um eine Studentin, die jedes Mal an ihrem Geburtstag von einem Unbekannten getötet wird, und „Palm Springs“ (2020), eine herrlich freidrehende Fantasy-Romcom mit „How I Met Your Mother“-Star Cristin Milioti und Andy Samberg („Der dunkle Kristall: Ära des Widerstands“). Von einer rätselhaften Zeitschleife erzählt auch die für ZDFneo produzierte sechsteilige Miniserie „Another Monday“, der es in den Auftaktfolgen durchaus gelingt, ein tragfähiges Mysterium aufzubauen, ohne allerdings schon hier einen kräftigen Zug zu entwickeln.
Stell dir vor, du willst deine Familie verlassen, deiner Partnerschaft entfliehen, findest dich aber stets beim Sex mit deinem Ehemann in der Nacht vor dem folgenreichen Schritt wieder. Diese bedrückende Erfahrung macht die zum Ausbruch bereite Freya Hüller (Susanne Bormann) an jedem Montag, den 12. September. Bis zu ihrem Liebhaber, der irgendwo in Italien wohnt, schafft sie es zwar immer. Kurz nach ihrer Ankunft dreht sich jedoch die Zeit zurück, und Freya landet dort, wo sie eigentlich nicht mehr sein möchte. Dass sie sich in ihrem schmucken Bungalow unwohl fühlt, können wir bereits in den ersten Minuten erahnen, als wir noch nichts von ihren Plänen wissen. Freya schaut deprimiert drein und nimmt an den Frühstückstischgesprächen ihrer Tochter Charlie (Emilie Neumeister) und ihres Gatten Malte (Ulrich Brandhoff) nicht wirklich teil. Etwas liegt in der Luft, so viel ist klar.
Nachdem Freya erkannt hat, dass sie feststeckt, in der Zeit gefangen scheint, wird sie auf den Polizisten Moritz Becker (Ben Münchow) aufmerksam, einen Patienten ihres therapeutisch ausgebildeten Mannes, mit dessen vermeintlichem Selbstmord „Another Monday“ einsetzt. Wenn er in den Anfangsszenen vom Balkon seiner Hochhauswohnung springt, wirft die Kamera einen kurzen Blick nach unten – und siehe da, wo seine Leiche liegen müsste, gibt es keine Spuren der Verzweiflungstat. Als Freya begreift, dass auch Moritz keine Zukunft mehr hat, „in der Hölle“ sitzt, wie er es ausdrückt, sucht sie Kontakt, um gemeinsam Antworten zu finden: Warum hat es ausgerechnet sie getroffen? Und wie lässt sich der ewige Kreislauf durchbrechen?
Die dritte Person, die das merkwürdige Phänomen zu spüren bekommt, ist die schwangere Krankenschwester Sophie Nolting (Alina Stiegler), die den Ereignissen zunächst mit einer Verweigerungshaltung begegnet. Recht bald – das darf man verraten, weil es auch die offizielle Inhaltsangabe preisgibt – schließt sie sich allerdings Freya und Moritz an.
Wie man es aus anderen Zeitschleifengeschichten kennt, ergeben sich mit jedem neuen Durchlauf kleine und größere Veränderungen, weil sich die betroffenen Figuren im Wissen um die Entwicklungen des permanent wiederkehrenden Tages jedes Mal ein bisschen anders verhalten. „Another Monday“ baut souveräner als üblich in deutschen Mystery-Beiträgen ein schicksalhaftes Klima der Verunsicherung, der Desorientierung auf, übersetzt den Taumel der drei Protagonisten durch eine mitunter schwankend-intime Kameraarbeit in griffige Bilder und versinkt nicht in schrecklich gestelzten Dialogen, über die man sich in hiesigen Filmen und Serien noch immer viel zu oft ärgern kann.
Die Darsteller agieren zumeist angemessen natürlich. Die Inszenierung kommt ohne effekthascherische Mittel aus. Und die große Frage nach den Hintergründen der Zeitanomalie erzeugt eine solide Grundspannung, die nach und nach mit einigen Enthüllungen garniert wird. Besonders an die Nieren geht eine vielleicht etwas zu explizit ausformulierte Offenbarung am Ende der ersten Episode, die begreiflich macht, warum Freya ihrem alten Leben den Rücken kehren will. Ein schmerzhaftes Ereignis aus der Vergangenheit hat die Ehepartner unterschiedlich geprägt, hat tiefe Gräben aufgeworfen, wobei das Drehbuchgespann Oliwia Strazewski und Maximilian Baumgartner klassische Geschlechterzuschreibungen hier einmal umdreht. Eine starke Idee, die Freya gleich mehr Tiefe verleiht.
Im Pressetext zur Serie ist davon die Rede, dass das rätselhafte Phänomen die Hauptfiguren vor eine fatale Entscheidung stellt: Macht sie die Schleife zu Monstern, oder bleiben sie Menschen, heißt es da pointiert. Tatsächlich lässt sich in einen Stoff wie diesen ein solcher Scheideweg einbauen, da die ewige Wiederkehr eine Existenz ohne Konsequenzen mit sich bringt. Egal, was ich tue, schon bald wird alles wieder auf Null gestellt, und meine Umwelt hat meine Handlungen vergessen. Führt die zermürbende Angst, dauerhaft eingesperrt zu sein, zu destruktiven Handlungen? Schlägt die Enttäuschung vielleicht in blinde Wut um?
Sophie (Alina Stiegler) sorgt sich um ihr Baby. ZDF/Boris Laewen
Möglich wäre das. In Folge zwei fehlt es jedoch noch an Dringlichkeit und Leidensdruck. Freyas und Moritz’ Nachforschungen treiben den Puls vor allem deshalb nicht in echte Höhen, weil der Polizist mitunter einen clownesken Eindruck hinterlässt. Tritt er uns anfangs, nach vier vergeblichen Selbstmordversuchen, hochgradig aufgewühlt und niedergeschlagen gegenüber, wirkt er plötzlich erstaunlich gelöst und feuert einige unpassend flapsige Sprüche ab. In seinem Fall ist die Charakterzeichnung, zumindest in den für diese Kritik gesichteten ersten beiden Episoden, nicht ganz schlüssig.
Weitere Wendungen und ein noch größerer Zusammenhang, den die ZDF-Synopsis bereits anteastert, den wir an dieser Stelle aber nicht näher ausführen wollen, kündigen sich am Ende des zweiten Kapitels an. Nur so viel: Freya, Moritz und Sophie sind nicht die einzigen Betroffenen der Anomalie.
Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden von insgesamt sechs Folgen der Miniserie „Another Monday“.
Meine Wertung: 3/5
Alle sechs Folgen der Miniserie „Another Monday“ sind ab dem 30. September in der ZDFmediathek abrufbar. Bei ZDFneo werden die Episoden eins bis drei am 11. Oktober und die Folgen vier bis sechs am 12. Oktober ausgestrahlt.
Über den Autor
Christopher Diekhaus, Jahrgang 1985, erlebte seine TV-Sozialisation in den 1990er-Jahren. Seine echte Liebe für den Flimmerkasten entbrannte allerdings erst gegen Ende der Schulzeit. Nach seinem Studium landete er zunächst in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma. Seit 2013 schreibt Christopher als Freiberufler Film- und Serienkritiken. Das Portal fernsehserien.de unterstützt er seit Ende 2019. Im Meer der Veröffentlichungen die Perlen zu entdecken – diese Aussicht spornt ihn immer wieder an. Insgeheim hofft er, irgendwann eines seiner in der Schublade liegenden Drehbücher zu verkaufen. Bis er den Oscar in Händen hält, sichtet und rezensiert er aber weiter fleißig die neuesten Serien.
Ich fand unter den aktuellen Zeitschleifen-Filmen noch "Boss Level" von 2021 absolut phantastisch.
Die Serie "Another Monday" hat mir richtig gut gefallen, anderes Konzept als ich bisher gesehen habe, dramatisch, spannend. Hatte allerdings vorher nichts darüber gelesen - außer halt, dass es um eine Zeitschleife geht -, und deswegen gedacht, es wäre eine abgeschlossene Serie. Falls sie wider Erwarten nicht fortgesetzt wird, war das Ende aber okay.